Polizei stürmt Gottesdienst in Paris — Erzbischof Aupetit außer sich

Der Pariser Erzbischof Michel Aupetit ballt eine Faust © Corinne Simon (KNA)

Wie jetzt bekannt wurde, haben bewaffnete Polizisten am vergangenen Sonntag einen Gottesdienst in Paris gestürmt. Wegen der Corona-Pandemie gelten in Frankreich strenge Regeln. Der Vorfall beschäftigt auch den Pariser Erzbischof.

„Wir waren zu siebt: ich, ein Messdiener, ein Sänger, ein Organist und drei Gemeindemitglieder, die die Fürbitten und die Lesungen vorlasen“, zitiert die Zeitung „Le Figaro“ den Priester. Die Messe in der Kirche Saint-Andre-de-l’Europe im achten Arrondissement wurde am Sonntag für die Gemeinde über die Sozialen Medien übertragen.

„Mitten in der Messe drangen drei bewaffnete Polizisten in die Kirche ein“, so der Geistliche. Er erinnerte an die Gesetzeslage, nach der außer der Feuerwehr Amtspersonen erst nach Aufforderung durch den Pfarrer eintreten dürften.

Die Polizisten forderten den Priester demnach auf, die Messe zu beenden; seine Weigerung nahmen sie zu Protokoll und verhängten eine Strafe. Die Beamten verlangten zudem, dass drei Gemeindemitglieder die Kirche verlassen.

„Sonst werden wir laut“

Der Vorfall beschäftigt auch den Pariser Erzbischof Michel Aupetit.

Er erinnerte am Mittwoch im Sender „Radio Notre-Dame“ an das „formelle Verbot für die Polizei, eine Kirche mit Waffen zu betreten“. Es gelte, auch während der Corona-Krise einen „kühlen Kopf“ zu bewahren und die Trennung von Kirche und Staat zu respektieren. „Sonst werden wir laut, (…) sehr laut“, so Aupetit.

Private Gottesdienste sind erlaubt

Auf Anfrage der Zeitung „Le Figaro“ stellte die Erzdiözese klar, dass private Gottesdienste erlaubt seien. Sie müssten nicht öffentlich hinter verschlossenen Türen gefeiert werden. Die Anwesenheit einiger Helfer für die Übertragung in Sozialen Medien sei nicht mit einer Versammlung oder einem Treffen gleichzusetzen.

Der Vorsitzende der Französischen Bischofskonferenz, Eric de Moulins-Beaufort, hatte Mitte März angeordnet, dass während der Corona-Krise keine Messen mit „großen Gemeinden“ gefeiert werden dürfen. Die Regeln zur Ausgangssperre in Frankreich erlauben Gläubigen, sich allein für das Gebet in eine Kirche zu begeben. Auch Beisetzungen mit bis zu 20 Personen sind gestattet.

(KNA)

Siehe auch den Bericht der Zeitschrift PRO – Christliches Medienmagazin

 

Deutsche Bischöfe regeln Umgang mit Missbrauch neu

Bischöfe beim Einzug zum Eröffnungsgottesdienst der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) am 24. September 2019 im Fuldaer Dom.

Mehr Mitsprache von Betroffenen – Kirchliche Bewegungen im Blick

Nach der MHG-Studie und einem „Motu proprio“ des Papstes reagieren die deutschen Bischöfe: Sie erneuern ihre Richtlinien zum Umgang mit Missbrauch. Demnach sollen Betroffene noch stärker an Prozessen beteiligt werden. Und auch die Neuen Geistlichen Gemeinschaften spielen eine Rolle.

Bonn – 09.12.2019

Die deutschen Bischöfe haben eine Neuregelung ihres Umgangs mit sexuellem Missbrauch und Prävention für ihre Bistümer beschlossen. „Besondere Berücksichtigung findet die Perspektive der Betroffenen sexuellen Missbrauchs“, teilte die Deutsche Bischofskonferenz am Montag in Bonn mit. Außerdem würden Neuen Geistlichen Gemeinschaften, kirchlichen Bewegungen und Initiativen mit Blick auf das Thema Prävention stärker in den Fokus genommen. Mitte November hat der Ständige Rat dazu zwei neue Ordnungen beschlossen, die die bisherigne Leitlinien ersetzen. Mit der Veröffentlichung in den jeweiligen Amtsblättern zum 1. Januar sollen sie in Kraft treten.

Die beiden Dokumente regeln zum einen den Umgang mit Missbrauchsfällen und zum anderen Präventionsmaßnahmen. Vorgesehen sei es, Betroffene noch stärker an den Prozessen zu beteiligen. Sie sollen – neben externen Experten – Teil der Beraterstäbe werden, die die Oberhirten im Umgang mit dem Thema Missbrauch unterstützen. Zudem könnten „weitere fachlich geeignete Personen“ hinzugezogen werden. Das Gremium hat nur beratenden Funktion, die „Verantwortung des Diözesanbischofs bleibt unberührt“, führt das Papier aus.

In der neuen Ordnung komme zudem das Wort „Opfer“ nicht mehr vor, heißt es. Es sei stattdessen durchgängig von „Betroffenen“ die Rede. Ebenso sei das Wort „mutmaßlich“ gestrichen worden, um denjenigen, die Missbrauchshandlungen melden, „nicht mit einer misstrauischen, sondern einer zugewandten Haltung“ zu begegnen. Ein Missbrauchsfall wird nicht mehr als „verabscheuungswürdige Tat“, sondern als „Verbrechen“ bezeichnet. Zudem wird die Verantwortlichkeit der Kirche ausgeweitet; auch Ehrenamtliche und Praktikanten werden als mögliche Täter aufgenommen.

„Erfahrung von Betroffenen“ besonders berücksichtigen

Bei der Planung von Präventionsmaßnahen soll die „Erfahrung von Betroffenen“ ebenfalls besonders berücksichtigt werden. Zudem soll bei der Umsetzung insbesondere mit Kindern und Jugendlichen zusammengearbeitet werden. Erstmals namentlich genannt werden in dem Papier die Neuen Geistlichen Gemeinschaften. „Damit werden sie verbindlicher als bisher zu Präventionsmaßnahmen verpflichtet“, so die Bischofskonferenz. Außerdem neu ist die Einteilung der Präventionsarbeit in Maßnahmen, die sexualisierten Übergriffen vorbeugen sollen (primär), der Gewalterkennung (sekundär) und der Aufarbeitung sowie Nachsorge (tertiär).

Die Dokumente tragen die Titel „Ordnung für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger  und schutz- oder hilfebedürftiger Erwachsener durch Kleriker und sonstige Beschäftigte im kirchlichen Dienst“ und „Rahmenordnung – Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“. Beide Richtlinien sind Überarbeitungen bereits bestehender Regelungen und stammen ursprünglich aus dem Jahr 2013. Nach fünf Jahren sollten sie überprüft und gegebenenfalls überarbeitet werden. Die Gültigkeit beider Regelwerke wurde jedoch bis Ende dieses Jahres verlängert. Grund waren die Ergebnisse der im September 2018 veröffentlichten MHG-Studie sowie die von Papst Franziskus im Motu proprio „Vos estis lux mundi“ im Mai dieses Jahres aufgestellten Regelungen zur Missbrauchsbekämpfung. Beide sollten in die überarbeiteten Dokumente einfließen.

„In der aktuellen Fassung spiegeln sich die Erfahrungen und Erkenntnisse wider, die wir den letzten Jahren gewonnen haben“, so der für Missbrauchsfragen zuständige Trierer Bischof Stephan Ackermann. Die nun ausgearbeiteten Regelwerke sollen nach ihrem Inkrafttreten in fünf Jahren erneut überprüft werden. (cph/bod)

Die neuen Ordnungen im Wortlaut

Das überarbeitete Regelwerk zum Umgang mit sexuellem Missbrauch und zur Prävention finden S Deutschen Bischofskonferenz finden Sie hier

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Bischof Stefan Oster SDB: Anmerkungen zum Text von Papst em. Benedikt XVI. zur Krise des Missbrauchs in der Kirche

Die Moral, das Martyrium
und die Abwesenheit Gottes

Der emeritierte Papst Benedikt hat sich geäußert – und er tut es nicht, so meine Wahrnehmung, weil er ein angebliches Schweigeversprechen nicht halten will, das er so nicht gegeben hat. Und er tut es auch nicht, um sich besserwisserisch einzumischen in Vorgänge, bei denen er längst außen vor ist. Und hier schreibt auch kein alter Mann, der sich selbst rechtfertigen will, der aber angeblich keine Ahnung mehr hat von der Wirklichkeit des Lebens. Ich lese den Text schlicht als Ausdruck seines Mitgehens, Mitfühlens und Mitleidens mit der Kirche, mit der geschichtlichen Situation, in der wir stehen und in die wir gekommen sind, mit den Menschen, die in der Kirche handeln und mit denen, die von der Kirche misshandelt worden sind. Der Text hat die Absicht, Entwicklungen zu verdeutlichen – in der Gesellschaft und in der Kirche – um daraus zu lernen, um besser zu verstehen, wer oder was die Kirche im Innersten ist und sein kann – und was deshalb nötig ist.

KRISE DER MORALTHEOLOGIE, DAS MARTYRIUM – UND DIE ABWESENHEIT GOTTES

Ich möchte nur auf drei wesentliche Aspekte eingehen, die Benedikt XVI. in dieser Reihenfolge verdeutlicht hat – und die in einem inneren Zusammenhang stehen: Die Krise der Moraltheologie, die Abwesenheit Gottes und das Martyrium. Diese Punkte, besonders der zweite, sind in den schnellen und aufgeregten Kommentierungen kaum erwähnt worden – was aus meiner Sicht schon ein Hinweis dafür ist, dass Benedikt etwas Zentrales benennt. Gottes Abwesenheit wird in den Kommentierungen so wenig wahr- oder ernstgenommen, dass sie es nicht einmal mehr als Thema in die Anwesenheit schafft.

DIE GEGLAUBTE REALITÄT VERÄNDERT VERHALTEN

Unser Glaube lehrt aber, dass sich der Gott der Wahrheit und der Liebe, in Christus geoffenbart hat und dass er unter uns ist, real gegenwärtig, insbesondere in der Eucharistie. Das Verhalten eines Gläubigen gegenüber dieser Gegenwart bestimmt sich durch die Qualität, die Tiefe, die Intensität seiner vertrauenden Zustimmung gegenüber dieser Gegenwart. Wenn ich wirklich gläubig bejahe, dass der Herr in der Kommunion da ist, bestimmt das, wie ich ihm gegenüber trete, wie ich ihn verehre, wie ich in seiner Gegenwart da bin. Umgekehrt: Je schwächer meine Zustimmung zur Gegenwart Gottes in der Eucharistie wird, desto weniger wird das mein Verhalten dazu beeinflussen.

ES GEHT UM QUALITÄT VON BEZIEHUNG

Es ist analog zu einem verehrten Menschen: Ja, natürlich, es gibt gewisse eingeübte sittliche Grundregeln des Verhaltens anderen gegenüber, aber je tiefer meine Achtung und Hochschätzung des Anderen ist, desto mehr wird das mein Denken und Handeln in seiner Gegenwart beeinflussen. Das heißt: Es geht um Qualität von Beziehung. Glaube ist Beziehungsgeschehen und die Tiefe der inneren Zustimmung zu dieser Gegenwart beeinflusst, wie ich von dieser Gegenwart bestimmt werde! Fällt es dem Einzelnen schwer, ein inneres Ja zu dieser Gegenwart zu sagen, wird er vor allem „bei sich“ bleiben, wird sich nicht beeinflussen lassen, wird er in der Regel bloßen Konventionen genügen, aber kaum mehr. Abwesenheit Gottes bedeutet nicht, dass Gott real abwesend ist, sondern dass der Glaube an seine Anwesenheit derart Schaden leidet, dass kaum mehr einer sein Verhalten ändert, wenn die Kirche gläubig bekennt: Gott ist in seiner Kirche da; er ist in der Eucharistie da, in den Sakramenten, in seinem Wort – und im Liebeshandeln der Kirche.

WAS FREIHEIT IST, BESTIMME ICH SELBST

Wenn die Abwesenheit Gottes „atmosphärisch“ dominant wird, oder wenn die behauptete Anwesenheit bloß auf einen frommen Gedanken reduziert wird, dann wird der Mensch dazu neigen, vor allem aus sich heraus zu bestimmen, was Freiheit ist und für welche Bereiche seines Lebens er welche Freiheit zulässt. Macht, Sex und Geld sind zu allen Zeiten die großen und bleibenden Herausforderungen des Menschen gewesen und das Evangelium ist in allen diesen Punkten sehr klar und sehr ausdrücklich: diejenigen, die an Jesus glauben, sind herausgefordert und eingeladen Ihm zu folgen in der Absage an eine Macht, die andere beherrschen will, in der Absage an ein Besitzen, das hinderlich ist für den Eintritt in das Reich Gottes und in der Einladung die Kraft und Schönheit von Sexualität dort zu leben, wo sie der Liebe und dem (neuen) Leben dient und nicht, wo sie sich zuerst von egozentrischer Triebhaftigkeit bestimmen lässt.

GIBT ES DAS IN SICH SCHLECHTE?

Benedikt stellt die für die Moraltheologie entscheidende Frage, nämlich ob es das „intrinsece malum“, das in sich Schlechte gibt. Gibt es schlechte Handlungen, die immer und unter allen Umständen schlecht sind, oder kommt es immer auf Zeit und Umstände und mögliche Folgen an, um eine Tat als gut oder schlecht zu qualifizieren? Diese Frage kann aus meiner Sicht positiv nur beantwortet werden aus der kontrastierenden gläubigen Erfahrung, dass der schlechthin Gute und Wahre anwesend ist. Es gibt das In-sich-Schlechte oder Böse nur im Verhältnis zum absolut Wahren und Guten. Andernfalls bleibt das urteilende Subjekt der alleinige Maßstab und dieses ist als begrenztes, geschaffenes Wesen immer in eine Geschichte und in Umstände gestellt, die relativieren.

DAS ABSOLUTE UND DAS MARTYRIUM

Erst das Hineingestelltsein in die Begegnung mit dem absolut Wahren und Guten kann deutlich machen, welche Handlung von hier aus in sich selbst immer und unter allen Umständen schlecht oder böse ist. Und eben deshalb weist Benedikt am Ende seines Aufsatzes auf das Martyrium hin, auf das Zeugnis der Lebenshingabe für Christus, das in der Christenheit so viele Menschen gegeben haben. Der Märtyrer glaubt: „Es gibt eine Wahrheit, die größer und tiefer ist als ich selbst. Und sie ist da. An ihr misst sich mein Leben und mein Verhalten. Für diese Wahrheit allein kann ich leben – und sterben!“.

MIT DEM KERN DES GLAUBENS VERSCHWINDET DAS MARTYRIUM

Benedikt hat Recht: Wenn Gott nicht mehr als anwesend geglaubt wird, verlagert sich die Einschätzung dessen, was Sünde ist, vor allem in mein eigenes, subjektives Urteil. Oder es bilden sich –  wie passend – Allianzen in kollektivem Subjektivismus. Beide, individueller oder kollektiver Subjektivismus, müssen notwendig das An-sich des absolut Wahren und Guten ausschließen. Es wäre eine gefährliche Bedrohung. Daher gibt es vom individuellen oder kollektiven Subjektivismus her geurteilt auch nicht mehr das „In-sich-Schlechte“ unter allen Umständen; auch nicht mehr in den Bereichen von Macht, Sex und Geld. Und auch meine eigenen Ressourcen, einer egozentrischen Triebdynamik in mir entgegenzuwirken, sind dann ebenfalls sehr begrenzt. Oder umgekehrt: Mit meiner wendigen Vernunft finde ich schon genügend Gründe, warum die ehemals schlecht genannte Tat jetzt womöglich sogar gut heißen kann. Schließlich: Wenn Gottes Anwesenheit nicht mehr geglaubt wird, verschwindet im Grunde mit Notwendigkeit auch das Martyrium – weil es keine umgreifende Wahrheit mehr geben kann, für die es wert wäre sein Leben zu geben. Benedikt hat auf den Kern des Glaubens verwiesen – und auf unser prekäres Verhältnis zu dieser Wahrheit: auf die Realpräsenz des Herrn in seiner Kirche, die alles verändert, wenn sie geglaubt wird. Ich bin ihm sehr dankbar dafür.

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Kardinal Müller bezeichnet Kritiker seines Manifests als „politische Strategen und theologische Ignoranten“.

Cardinal Gerhard Ludwig Muller (Getty)

Der Kardinal sagte auch, das Motiv für sexuellen Missbrauch sei nicht der priesterliche Zölibat, sondern „unbeherrschtes sexuelles Verlangen“.

Kardinal Gerhard Müller hat Kritiker seines „Manifests des Glaubens“ – insbesondere jener, die ihn beschuldigen, als „Anti-Papst“ zu handeln – als „politische Strategen und theologische Ignoranten“ bezeichnet.

In einem Interview für den Catholic World Report sagte Kardinal Müller, die Kritiker hätten seine früheren Arbeiten unter päpstlicher Obergewalt offenbar nicht gelesen. Er fügte hinzu: „Dieselben Leute, die kritisch oder sogar feindlich gegenüber den Päpsten Johannes Paul II. Und Benedikt XVI. waren, die sie als Verräter des Geistes des Zweiten Vatikanischen Konzils angeprangert haben, rufen jetzt Papst Franziskus an.“

Kardinal Müller hat sein Manifest im vergangenen Monat veröffentlicht, weil „viele Christen sich der grundlegenden Lehren des Glaubens nicht mehr bewusst sind, so dass die Gefahr wächst, den Weg zum ewigen Leben zu verpassen.“

Das Dokument bekräftigte die traditionelle kirchliche Lehre zu Themen wie der Kommunion für Geschiedene und Wiederverheiratete und der Kommunion für Protestanten.

Es gab jedoch scharfe Kritik von Anhängern von Papst Franziskus, darunter Kardinal Walter Kasper, der Müller mit Martin Luther verglich: „Einer, der sich zu Recht für Reformen in der Kirche einsetzt, diese jedoch hinter dem Rücken des Papstes verfolgen und gegen ihn durchsetzen will.”

Kardinal Müller schlug jedoch im Interview mit dem Catholic World Report zurück und beschuldigte Kritiker, Papst Franziskus als „Vehikel für ihre linksliberale Agenda zur Entsakramentalisierung der Kirche“ zu verwenden.

„Wenn es um die sexuellen Verbrechen einiger Priester geht“, fuhr er fort, „halten sie den priesterlichen Zölibat oder die Sakramentalität der bischöflichen und priesterlichen Ämter für verantwortlich, anstatt auf den Zusammenbruch des priesterlichen Ethos und der sexuellen Moral in den achtziger Jahren zu achten, an welchen die intellektuellen Vorgänger dieser Kritiker schuld waren.“

In Bezug auf die Kirchenreform sagte der Kardinal, dass echte Reform „geistige und moralische Erneuerung in Christus bedeutet und nicht die Entchristlichung der Kirche oder ihre Umwandlung in eine NGO, in der die globale Erwärmung wichtiger ist als das Bewusstsein, dass Gott die Quelle und das Ziel des Menschen und der ganzen Schöpfung ist.“

Er sagte auch, warnte davor, das Wort „Klerikalismus“ zu missbrauchen, als er versuchte, die Ursachen der Missbrauchskrise zu finden, und sagte, der Begriff werde als „Schlachtruf gegen das von Gott eingesetzte Amt“ verwendet.

„Worum es beim Begriff „Klerikalismus“ geht, ist der Missbrauch von Autorität, um persönliche Vorteile durch die Unterstützung von Freunden zu erlangen, die trotz ihrer Inkompetenz und Unwürdigkeit Positionen in der Kirche einnehmen.

„Das Motiv des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen und kirchlichen Untergebenen ist jedoch nicht der Durst nach Macht über andere, sondern das ungebührliche sexuelle Verlangen, das zur Lustsünde führt und die Opfer entmenschlicht.“

Das beste Mittel gegen die Krise, sagte er, war nicht das Reden um Veränderung von Strukturen, sondern einfach für den Erhalt des traditionellen Unterrichts.

„Die sakramentale Konstitution der Kirche, der Gehorsam gegenüber den Zehn Geboten und die Treue gegenüber dem Ruf eines getauften, ordinierten oder verheirateten / unverheirateten Christen – dies ist der beste Schutz gegen alle Formen des Ungehorsams gegenüber unserem Schöpfer und Erlöser und gegen die Verletzung der Liebe Gottes und des Nächsten, diese Liebe, die alle Gebote umfaßt.“

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(Übersetzung ins Deutsche von mir [POS]

Besinnungsloser Zorn‘: Kardinal Müller weist scharfe Kritik von Jesuitenpater zurück

Kardinal Gerhard Ludwig Müller Foto: CNA / Daniel Ibanez

Es sei „einfach nur infam, die sexuellen Verbrechen an Teenagern und jungen Erwachsenen für kirchenpolitische Ziele zu benutzen“

Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat die Kritik des Jesuitenpaters Klaus Mertes über seine Aussagen zur Rolle von Homosexualität in der Kirchenkrise von sich gewiesen.  Mertes hatte diese unter anderem als „abgründig falsch“ und „unglaublich dreist“ bezeichnet.

Der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation wies die aus seiner Sicht in „besinnungslosen Zorn“ gemachten „Beschimpfungen“ des Jesuiten in einem Interview mit der „Passauer Neuen Presse“ zurück. Es sei „einfach nur infam, die sexuellen Verbrechen an Teenagern und jungen Erwachsenen für kirchenpolitische Ziele zu benutzen“.

Pater Mertes vergreife sich nicht nur im Ton, sondern ihm fehle auch die Sachkenntnis und Urteilskraft zur Frage der Rolle von Homosexualität in der Kirchenkrise.

Auf dem Portal „katholisch.de“ hatte Mertes die Aussagen Müllers zur Kirchenkrise als „zum Dogma geronnene klerikale Dünkel“ kritisiert. Auch der Aussage, dass die Kirche sexuelles Fehlverhalten nicht dulden dürfe, bemängelte der Jesuit und sprach von einer „Fraktion“, die Homosexuellen Schuld an der Krise geben wolle.

Offenbar kenne Pater Mertes nicht „die biblische Lehre zu homosexuellen Handlungen und zur absoluten Verwerflichkeit der Schändung von Heranwachsenden“, sagte Kardinal Müller nun dazu und fügte an: „So wenig man eine Schreibmaschine zu einem Klavier weiterentwickeln kann“, so wenig könne man „das Wort Gottes in das Gegenteil zu verkehren“.

Mertes ist Leiter des Jesuiten-Gymnasiums St. Blasien. Er machte 2010 die ersten Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg publik.

Wie CNA Deutsch berichtete, fordert Kardinal Müller, dass die Kirche das Problem des Atheismus und sexuellen Fehlverhaltens unter Geistlichen angeht, dass „homosexuelles Verhalten von Klerikern in keinem Fall geduldet werden kann und dass die kirchliche Sexualmoral nicht durch die weltliche Akzeptanz der Homosexualität relativiert werden darf“.

Zur Kirchenkrise gehöre neben dem sexuellen Fehlverhalten und Missbrauchskandalen auch, „dass man die wahren Ursachen nicht sehen will und durch Propagandaphrasen der Homo-Lobby vertuscht. Unzucht mit Jugendlichen und Erwachsenen ist eine  Todsünde, die keine Macht der Welt für moralisch neutral erklären kann“, so der deutsche Kardinal.

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26 November 2018, 18:40
Ein alarmierendes Symptom für den Zerfall des Glaubens

Gastkommentar von Kardinal Brandmüller zum Angriff von Pater Mertes auf Kardinal Gerhard Ludwig Müller auf der „nicht offiziellen“ Website der „Deutschen Bischofskonferenz“
Rom (kath.net/lifesitenews.com/)

Es ist doch merkwürdig welche Empörung Kardinal Müllers Aussagen über das Problem der Homosexualität hervorgerufen hat. Er hat doch lediglich wiederholt, was im Katechismus darüber zu lesen ist. Das ist die immer und überall gültige Lehre der Kirche – und diese entspricht genau dem, was in der Heiligen Schrift, zuletzt in den Briefen des Apostels Paulus zu lesen ist. Dies ergibt sich schon aus der Natur der menschlichen Geschlechtlichkeit, die eindeutig auf Zeugung und Geburt menschlichen Lebens ausgerichtet ist.

Die schwere Sünde eines freiwillig vollzogenen homosexuellen Aktes hat den Verlust der heiligmachenden Gnade und damit der Gotteskindschaft zur Folge. Damit ist über die Sünde klar geurteilt. Den Sünder zu verurteilen steht hingegen keinem Menschen zu. Das ist Gottes Sache, der immer bereit ist zu verzeihen, wenn der Sünder sich ihm mit Reue und dem Vorsatz nicht wieder zu sündigen zuwendet. Die Vergebung folgt dem Bekenntnis im Bußsakrament. So der Sachverhalt.

Dass dessen schlichte Darlegung einen Sturm der Empörung auslöst ist entweder ein Zeichen der Unkenntnis oder aber des Widerspruchs zur klaren Lehre der Kirche. Jedenfalls aber ist er ein alarmierendes Symptom für den Zerfall des Glaubens im katholischen Deutschland. Wer aber glaubt, diesen nicht (mehr) bejahen bzw. bekennen zu können, sollte sich ehrlicherweise nicht mehr katholisch nennen. Es ist doch erstaunlich, dass ein Problem das allenfalls 0,1 % der Bevölkerung betrifft die veröffentlichte Meinung geradezu obsessiv beherrschen kann. Dass Papst Paul VI. im Jahre 1964 22 junge Männer aus Uganda heiliggesprochen hat, die im Jahre 1885 auf 87 das Martyrium erlitten hatten, weil sie sich den sexuellen Forderungen des Königs Mwamga II. verweigerten, war ein prophetisches Zeichen, dem die Heiligsprechung durch Papst Franziskus neue Leuchtkraft verliehen hat.

Kardinal Müller hat nur die Fakten zitiert, als er in seinem Interview sagte, dass es innerkirchlich eine Verbindung zwischen Homosexualität und sexuellem Missbrauch gibt. Auch die DBK-Missbrauchsstudie hat dies belegt: fast zwei Drittel der Opfer waren männlich, d.h. sie waren Opfer homosexuellen Misbrauchs. Um der Opfer willen müssen wir diese Fakten ernstnehmen und entsprechende Maßnahmen ergreifen, wie sie ja im Codex Iuris Canonici (CIC) von 1917 bereits enthalten waren, i.e. die explizite Erwähnung von Homosexualität als eines der priesterlichen Vergehens gegen das 6. Gebot, das kirchliche Strafen nach sich zieht.

Der Beitrag erschien ursprünglich in einem Beitrag für
lifesitenews.com/.

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LEITLINIEN FÜR DIE BEHANDLUNG VON FÄLLEN SEXUELLEN MISSBRAUCHS

Papst Franziskus betet in Irland in einer Kapelle, die dem Gedenken an von Priestern missbrauchten

KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE       

RUNDSCHREIBEN,
UM DEN BISCHOFSKONFERENZEN ZU HELFEN,
LEITLINIEN FÜR DIE BEHANDLUNG VON FÄLLEN SEXUELLEN MISSBRAUCHS VON MINDERJÄHRIGEN DURCH KLERIKER ZU ERSTELLEN

 

Zu den wichtigen Verantwortlichkeiten des Diözesanbischofs im Hinblick auf die Sicherung des Gemeinwohls der Gläubigen und insbesondere auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen gehört es, auf eventuelle Fälle sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Kleriker in seiner Diözese angemessen zu reagieren. Dies beinhaltet sowohl die Festsetzung von geeigneten Verfahren, um den Opfern derartiger Missbräuche beizustehen, als auch die Bewusstseinsbildung der kirchlichen Gemeinschaft im Blick auf den Schutz Minderjähriger. Dabei ist für die rechte Anwendung des einschlägigen kanonischen Rechts zu sorgen; zugleich sind die entsprechenden staatlichen Rechtsvorschriften zu beachten.

I. Allgemeine Aspekte

a. Die Opfer sexuellen Missbrauchs

Die Kirche muss, in der Person des Bischofs oder eines von ihm Beauftragten, die Bereitschaft zeigen, die Opfer und ihre Angehörigen anzuhören und für deren seelsorgerlichen und psychologischen Beistand zu sorgen. Im Verlauf seiner Apostolischen Reisen hat Papst Benedikt XVI. durch seine Bereitschaft, Opfer sexuellen Missbrauchs zu treffen und anzuhören, ein besonders wichtiges Beispiel gegeben. Anlässlich dieser Begegnungen hat sich der Heilige Vater mit einfühlsamen und aufbauenden Worten an die Opfer gewandt, so auch in seinem Hirtenbrief an die Katholiken in Irland (Nr. 6): „Ihr habt schrecklich gelitten, und das tut mir aufrichtig leid. Ich weiß, dass nichts das von Euch Erlittene ungeschehen machen kann. Euer Vertrauen wurde missbraucht und Eure Würde wurde verletzt.“

b. Der Schutz Minderjähriger

In einigen Ländern wurden im kirchlichen Bereich Erziehungsprogramme zur Prävention gestartet, die „geschützte Räume“ für Minderjährige gewährleisten sollen. Diese Programme versuchen sowohl den Eltern als auch den in Pastoral und Schule Tätigen zu helfen, Anzeichen sexuellen Missbrauchs zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Oftmals haben die genannten Programme Anerkennung gefunden als Modelle dafür, wie der sexuelle Missbrauch Minderjähriger in der heutigen Gesellschaft wirkungsvoll eingegrenzt werden kann.

c. Die Ausbildung zukünftiger Priester und Ordensleute

Im Jahr 2002 sagte Papst Johannes Paul II.: „Im Priestertum und Ordensleben ist kein Platz für jemanden, der jungen Menschen Böses tun könnte“1. Diese Worte erinnern an die spezifische Verantwortung der Bischöfe, der höheren Oberen und derer, die für die Ausbildung der zukünftigen Priester und Ordensleute Sorge tragen. Die einschlägigen Hinweise im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis sowie die Instruktionen der zuständigen Dikasterien des Heiligen Stuhls lenken in zunehmendem Maß den Blick auf die Wichtigkeit einer korrekten Berufungsklärung und einer gesunden menschlichen und spirituellen Ausbildung der Kandidaten. Dabei geht es insbesondere darum, dass die Kandidaten die Keuschheit und den Zölibat der Kleriker sowie deren Verantwortung in der geistlichen Vaterschaft wertschätzen und ihr Wissen um die diesbezügliche Ordnung der Kirche vertiefen können. Genauere Angaben können in die Ausbildungsprogramme der Seminare und der Ausbildungshäuser in jedem Land, jedem Institut des geweihten Lebens und jeder Gesellschaft des apostolischen Lebens mittels der jeweiligen Ratio institutionis sacerdotalis eingefügt werden.

Darüber hinaus muss besondere Aufmerksamkeit auf den gebotenen Informationsaustausch gerichtet werden, vor allem im Zusammenhang mit Priesteramts- oder Ordenskandidaten, die von einem Seminar zu einem anderen, zwischen verschiedenen Diözesen oder zwischen Ordensgemeinschaften und Diözesen wechseln.

d. Die Begleitung der Priester

1. Der Bischof hat die Pflicht, alle seine Priester wie ein Vater und Bruder zu behandeln. Auch soll der Bischof sich mit besonderer Aufmerksamkeit um die ständige Weiterbildung des Klerus sorgen, vor allem in den ersten Jahren nach der Priesterweihe, und dabei auf die Wichtigkeit des Gebets und der gegenseitigen Unterstützung in der priesterlichen Gemeinschaft hinweisen. Die Priester sollen über den Schaden, den ein Kleriker bei Opfern sexuellen Missbrauchs anrichtet, und über die eigene Verantwortung vor dem kirchlichen und staatlichen Recht informiert werden. Auch sollte ihnen geholfen werden, Anzeichen für einen eventuellen Missbrauch Minderjähriger erkennen zu können, von wem auch immer dieser begangen wurde.

2. Die Bischöfe müssen in der Behandlung von möglichen Fällen sexuellen Missbrauchs, die ihnen gemeldet wurden, jeden erdenklichen Einsatz, unter Beachtung der kanonischen und staatlichen Vorschriften und unter Wahrung der Rechte aller Parteien, zeigen.

3. Bis zum Erweis des Gegenteils steht der angeklagte Kleriker unter Unschuldsvermutung. Als Vorsichtsmaßnahme kann der Bischof aber die Ausübung des Weiheamtes bis zur Klärung der Anschuldigungen einschränken. Für den Fall, dass ein Kleriker zu Unrecht beschuldigt wurde, soll man alles unternehmen, um seinen guten Ruf wieder herzustellen.

e. Die Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden

Der sexuelle Missbrauch Minderjähriger ist nicht nur eine Straftat nach kanonischem Recht, sondern stellt auch ein Verbrechen dar, das staatlicherseits verfolgt wird. Wenngleich sich die Beziehungen zu staatlichen Behörden in den einzelnen Ländern unterschiedlich gestalten, ist es doch wichtig, mit den zuständigen Stellen unter Beachtung der jeweiligen Kompetenzen zusammenzuarbeiten. Insbesondere sind die staatlichen Rechtsvorschriften bezüglich einer Anzeigepflicht für solche Verbrechen immer zu beachten, freilich ohne das Forum internum des Bußsakraments zu verletzten. Selbstverständlich beschränkt sich diese Zusammenarbeit nicht nur auf die von Klerikern begangenen Missbrauchstaten, sondern erfolgt auch bei Delikten, die Ordensleute oder in kirchlichen Einrichtungen tätige Laien betreffen.

II. Eine kurze Zusammenfassung zur geltenden kirchlichen Gesetzgebung bezüglich der Straftat des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Kleriker

Am 30. April 2001 hat Papst Johannes Paul II. das Motu proprio Sacramentorum sanctitatis tutela [SST] promulgiert, durch das der von einem Kleriker begangene sexuelle Missbrauch eines Minderjährigen unter 18 Jahren in die Liste der delicta graviora aufgenommen wurde, die der Kongregation für die Glaubenslehre vorbehalten sind. Die Verjährungsfrist für dieses Delikt wurde auf 10 Jahre festgesetzt, beginnend mit der Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers. Die Bestimmungen des Motu proprio gelten für Kleriker der Lateinischen Kirche wie auch für jene der Orientalischen Kirchen, für den Weltklerus wie auch für den Ordensklerus.

Im Jahr 2003 erteilte Papst Johannes Paul II. dem damalige Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, einige Sondervollmachten, um eine größere Flexibilität in der Durchführung von Strafprozessen bei diesen delicta graviora zu ermöglichen. So wurde etwa die Möglichkeit geschaffen, Verwaltungsstrafverfahren durchzuführen, oder in besonders schweren Fällen um Entlassung aus dem Klerikerstand ex officio zu ersuchen. Diese Vollmachten wurden in die von Papst Benedikt XVI. am 21. Mai 2010 approbierte überarbeitete Fassung des Motu proprio aufgenommen. In den neuen Normen wurde im Fall des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger die Verjährungsfrist, die mit der Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers zu laufen beginnt, auf 20 Jahre festgesetzt. In besonderen Fällen kann die Glaubenskongregation gegebenenfalls von der Verjährung derogieren. In der revidierten Fassung des Motu proprio wurde auch ausdrücklich Kauf, Besitz und Verbreitung kinderpornografischen Materials als Straftatbestand des kanonischen Rechts spezifiziert.

Für die Behandlung von Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger sind an erster Stelle die Bischöfe und höheren Oberen verantwortlich. Sofern eine Anzeige nicht völlig abwegig erscheint, muss der Bischof, der höhere Obere oder ein von ihnen Beauftragter eine kanonische Voruntersuchung gemäß can. 1717 CIC bzw. can. 1468 CCEO sowie Art. 16 SST durchführen.

Wenn sich die Anschuldigung als glaubwürdig erweist, muss der Fall an die Glaubenskongregation übermittelt werden. Nach Studium der Angelegenheit wird die Glaubenskongregation den Bischof oder höheren Oberen anweisen, wie weiter zu verfahren ist. Zugleich wird sie Hilfestellung leisten, um zu gewährleisten, dass geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Dabei wird sowohl für ein gerechtes Verfahren für die beschuldigten Kleriker gesorgt, in dem ihr fundamentales Verteidigungsrecht gewahrt wird, als auch das Wohl der Kirche, einschließlich des Wohls der Opfer, sichergestellt. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die Verhängung einer unbefristeten Strafe, wie etwa die Entlassung aus dem Klerikerstand, normalerweise ein gerichtliches Strafverfahren erfordert. Nach kanonischem Recht (vgl. can. 1342 CIC) können die Ordinarien unbefristete Strafen nicht durch außergerichtliches Dekret verhängen. Zu diesem Zweck müssen sie sich an die Glaubenskongregation wenden, der es zukommt, ein endgültiges Urteil über die Schuld und über eine eventuelle Ungeeignetheit des Klerikers für den pastoralen Dienst zu fällen und die entsprechende unbefristete Strafe zu verhängen (SST Art. 21 § 2).

Die kanonischen Maßnahmen, die gegenüber einem Kleriker Anwendung finden, der des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger schuldig befunden wurde, sind grundsätzlich zweifacher Art: 1.) Auflagen, die die öffentliche Ausübung des geistlichen Amtes vollständig oder zumindest insoweit einschränken, dass ein Kontakt mit Minderjährigen ausgeschlossen wird. Diese Auflagen können mit einem Strafgebot (praeceptum poenale) versehen werden. 2.) Kirchliche Strafen, unter denen die schwerste die Entlassung aus dem Klerikerstand ist. In einigen Fällen kann auf Antrag des Klerikers selbst die Dispens von den Verpflichtungen des klerikalen Standes, einschließlich der Zölibatspflicht, pro bono Ecclesiae gewährt werden.

Die Voruntersuchung und das gesamte Verfahren müssen so durchgeführt werden, dass die Privatsphäre der beteiligten Personen geschützt und ihrem guten Ruf die gebotene Aufmerksamkeit zuteil wird.

Sofern nicht gewichtige Gründe entgegenstehen, muss ein beschuldigter Kleriker über die gegen ihn erhobene Anklage informiert werden, um ihm die Möglichkeit zu einer Stellungnahme zu geben, ehe der Fall der Glaubenskongregation gemeldet wird. Der Klugheit des Bischofs oder des höheren Oberen obliegt es, zu entscheiden, welche Informationen während der Voruntersuchung an den Beschuldigten weitergegeben werden.

Es kommt dem Bischof oder dem höheren Oberen zu, für das Gemeinwohl zu sorgen und festzulegen, welche der in can. 1722 CIC bzw. can. 1473 CCEO genannten Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden müssen. Nach Art. 19 SST kann dies geschehen, sobald die Voruntersuchung begonnen wurde.

Schließlich ist festzuhalten: Wenn eine Bischofskonferenz beabsichtigt, Spezialnormen zu erlassen, müssen diese Partikularnormen, unbeschadet der notwendigen Approbation durch den Heiligen Stuhl, stets als Ergänzung, nicht jedoch als Ersatz der universalkirchlichen Gesetzgebung verstanden werden. Deshalb müssen Partikularnormen sowohl mit dem CIC bzw. CCEO als auch mit dem Motu proprio Sacramentorum sanctitatis tutela (30. April 2001) in seiner überarbeiteten Fassung vom 21. Mai 2010 übereinstimmen. Im Fall, dass eine Bischofskonferenz sich entscheiden sollte, verbindliche Normen zu erlassen, ist es notwendig, bei den zuständigen Dikasterien der Römischen Kurie um die recognitio anzusuchen.

III. Hinweise für die Ordinarien zum Verfahrensablauf

Die von der Bischofskonferenz erarbeiteten Leitlinien sollten den Diözesanbischöfen und höheren Oberen Orientierungshilfen bieten für den Fall, dass diese von möglichen Taten sexuellen Missbrauchs Minderjähriger Kenntnis erlangen, die von Klerikern auf dem Gebiet ihrer Jurisdiktion begangen wurden. Solche Leitlinien sollten daher folgende Gesichtspunkte berücksichtigen:

a. Der Gebrauch des Begriffs „sexueller Missbrauch Minderjähriger“ muss mit der Definition in Art. 6 SST („Die von einem Kleriker begangene Straftat gegen das sechste Gebot mit einem Minderjährigen unter achtzehn Jahren“) und mit der Auslegungspraxis und der Rechtsprechung der Kongregation für die Glaubenslehre übereinstimmen und auch die gesetzlichen Regelungen des jeweiligen Landes berücksichtigen.

b. Die Person, die eine Straftat anzeigt, muss mit Respekt behandelt werden. In den Fällen, bei denen sexueller Missbrauch mit einer Straftat gegen die Heiligkeit des Bußsakramentes (Art. 4 SST) verbunden ist, hat diese Person das Recht zu fordern, dass ihr Name nicht dem beschuldigten Priester mitgeteilt wird (Art. 24 SST).

c. Die kirchlichen Autoritäten sollten sich dazu verpflichten, den Opfern seelsorgerliche und psychologische Hilfe anzubieten.

d. Die Ermittlungen zu den Beschuldigungen sind unter gebührender Wahrung des Grundsatzes der Vertraulichkeit und des guten Rufs der beteiligten Personen durchzuführen.

e. Sofern nicht schwerwiegende Gründe dem entgegenstehen, sollte der beschuldigte Kleriker schon in der Phase der Voruntersuchung über die Anschuldigungen informiert werden und ihm dabei auch die Gelegenheit gegeben werden, dazu Stellung zu nehmen.

f. Die mancherorts vorgesehenen Beratungsorgane und -kommissionen zur Überprüfung und Bewertung einzelner Fälle dürfen nicht das Urteil und die potestas regiminis der einzelnen Bischöfe ersetzen.

g. Die Leitlinien müssen die staatliche Gesetzgebung im Konferenzgebiet beachten, insbesondere was eine eventuelle Unterrichtungspflicht staatlicher Behörden anbelangt.

h. In jedem Moment des Disziplinar- oder Strafverfahrens ist für den beschuldigten Kleriker ein gerechter und ausreichender Unterhalt sicher zu stellen.

i. Die Rückkehr eines Klerikers in den öffentlichen Seelsorgsdienst ist auszuschließen, wenn dieser Dienst eine Gefahr für Minderjährige darstellt oder ein Ärgernis in der Gemeinde hervorruft.

Schluss

Die von den Bischofskonferenzen erarbeiteten Leitlinien haben zum Ziel, Minderjährige zu schützen und den Opfern zu helfen, Unterstützung und Versöhnung zu finden. Sie müssen darüber hinaus deutlich machen, dass in erster Linie der zuständige Diözesanbischof bzw. höhere Obere für die Behandlung von Straftaten sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Kleriker zuständig ist. Schließlich werden die Leitlinien innerhalb einer Bischofskonferenz zu einem einheitlichen Vorgehen führen, das dazu beiträgt, die Bemühungen der einzelnen Bischöfe zum Schutz Minderjähriger besser aufeinander abzustimmen.

Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre am 3. Mai 2011.

William Kardinal Levada
Präfekt

+ Luis F. Ladaria, S.I.
Titularerzbischof von Thibica
Sekretär

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1 Ansprache beim interdikasterialen Treffen mit den Kardinälen und führenden Vertretern der Bischofskonferenz der USA, 23. April 2002, Nr. 3.

[00714-05.01] [Originalsprache: Italienisch]

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Quelle

Erzbischof Gänswein über das „Nine-Eleven“ der katholischen Kirche und die Benedikt-Option

ROM , 11 September, 2018 / 2:01 PM (CNA Deutsch).-

Zur Vorstellung des Buches „Die Benedikt-Option“ in Rom hat Erzbischof Georg Gänswein am heutigen 11. September einen Vortrag über „Das ‚Nine-Eleven‘ der katholischen Kirche“ gehalten.

CNA dokumentiert den Wortlaut der Rede mit freundlicher Genehmigung.

 

Das „Nine-Eleven“ der Katholischen Kirche

Vielen Dank für die Einladung in dieses Hohe Haus, die ich gern angenommen habe, um das Buch von Rod Dreher aus Amerika vorzustellen, von dem ich schon viel gehört hatte. Der Mönchsvater aus Norcia, dem das Buch seinen programmatischen Titel verdankt, hatte mich sehr gereizt, hierher zu kommen. Aber auch das Datum hat mich sehr berührt und bewegt, an dem wir heute Abend mit dem kühnen Autor hier in Rom zusammen zu treffen.

Denn es ist ja der 11. September, der in Amerika seit dem Herbst 2001 nur noch als „Nine/Eleven“ bezeichnet wird, um an jenes apokalyptische Unheil zu erinnern, in dem damals Mitglieder der Terrororganisation Al Khaida in New York und Washington die Vereinigten Staaten von Amerika vor den Augen aller Welt angriffen – wobei sie voll besetzte Passagiermaschinen, die sie im Flug gekapert hatten, als Granaten benutzten.

Je mehr ich mich im Hurrikan der Nachrichten der letzten Wochen über das Buch Rod Drehers beugte, musste ich nach der Veröffentlichung des Berichts der Grand Jury von Pennsylvania unser Zusammentreffen heute Abend nur noch als einen Akt göttlicher Fügung begreifen, wo nun auch die katholische Kirche voller Entsetzen auf ein eigenes „Nine/Eleven“ schauen muss, auch wenn diese Katastrophe leider nicht nur mit einem Datum, sondern mit vielen Tagen und Jahreszahlen und mit zahllosen Opfern verbunden ist.

 

Verstehen Sie das nicht falsch. Ich will weder die Opfer noch die Zahlen der Missbräuche im Raum der katholischen Kirche mit den insgesamt 2.996 unschuldigen Menschen vergleichen, die am 9. September 2001 bei den Terrorangriffen auf das World Trade Center und das Pentagon ihr Leben verloren.

Keiner hat die Kirche Christi (bisher) mit vollbesetzten Passagierflugzeugen angegriffen.  Der Petersdom steht noch und all die Kathedralen Frankreichs, Deutschlands oder Italiens, die immer noch die Wahrzeichen vieler Städte der westlichen Welt von Florenz über Chartres bis Köln und München sind.

Und dennoch: die Nachrichten, die uns in letzter Zeit aus Amerika darüber Auskunft erteilen, wie viele Seelen von Priestern der katholischen Kirche unheilbar und tödlich verletzt worden sind, vermitteln eine schlimmere Botschaft, als seien alle Kirchen Pennsylvanias auf einmal eingestürzt – zusammen mit der „Basilika der Unbefleckten Empfängnis Unserer Lieben Frau“ in Washington D.C..

 

Dabei erinnere mich, als sei es gestern gewesen, wie ich Papst Benedikt XVI. am 16. April 2008 in dieses  Nationalheiligtum der katholischen Kirche in den  Vereinigten Staaten von Amerika begleiten durfte, wo er die Bischöfe des Landes herzergreifend aufzurütteln versuchte und gebeugt von der „tiefen Scham“ über den  „sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch Priester“ sprach und „von dem enormen Schmerz , den eure Gemeinden erlitten haben, als Kleriker ihre priesterlichen Pflichten und Aufgaben durch ein so schwerwiegend unsittliches Verhalten verraten haben“.

Es war wohl vergeblich, wie wir heute sehen. Die Klage des Heiligen Vaters hat dem Bösen nicht Einhalt bieten können und auch nicht die Lippenbekenntnisse von einem Großteil der Hierarchie.

Und nun ist Rod Dreher unter uns, der sein Buch mit den Worten beginnt: „Niemand hatte die große Flut kommen sehen.“ In seiner Danksagung hat er es auf besondere Weise Papst Benedikt XVI gewidmet. Und er hat es – wie mir scheint – in weiten Teilen quasi im stillen Dialog mit dem schweigenden Papa emerito verfasst, unter Berufung auf dessen analytisch-prophetische Kraft, wo er sagt:

„Im Jahr 2012 sagte der damalige Pontifex, die spirituelle Krise, die den Westen ergreift, sei die gravierendste seit dem Untergang des Römischen Reiches gegen Ende des fünften Jahrhunderts. Das Licht des Christentums ist überall im Westen am Verlöschen.“  

Erlauben Sie im Folgenden deshalb bitte auch mir, die Vorstellung der „Benedikt-Option“ Rod Drehers mit einigen Worten aus dem Mund Benedikt XVI zu begleiten, die mir in seinem Dienst unvergesslich wurden und im Lauf der Lektüre wieder durch den Kopf gegangen sind, etwa aus jener Stunde am 11. Mai 2010, als er auf dem Flug nach Fatima den mitfliegenden Journalisten folgendes anvertraute:

„Der Herr hat uns gesagt, dass die Kirche auf verschiedene Weise immer leiden würde bis zum Ende der Welt… Unter dem Neuen, das wir heute (im dritten Geheimnis der Botschaft von Fatima) entdecken können, ist auch die Tatsache, dass die Angriffe gegen den Papst und die Kirche nicht nur von außen kommen. Sondern die Leiden der Kirche kommen gerade aus dem Inneren der Kirche. Sie kommen von der Sünde, die in der Kirche existiert. Auch das war immer bekannt, aber heute sehen wir es auf wahrhaft erschreckende Weise: Die größte Verfolgung der Kirche kommt nicht von den äußeren Feinden, sondern erwächst aus der Sünde innerhalb der Kirche.“

Da war er schon fünf Jahre lang Papst. Mehr als fünf Jahre zuvor – am 25. März 2005 – hatte Kardinal Ratzinger auf dem Kreuzweg am Karfreitag am Kolosseum vor dem sterbenden Johannes Paul II. an der 9. Station schon folgende Worte gefunden:

Müssen wir beim dritten Fall Jesu unter dem Kreuz nicht auch daran denken, wie viel Christus in seiner Kirche selbst erleiden muss? Wie oft wird das heilige Sakrament seiner Gegenwart missbraucht, in welche Leere und Bosheit des Herzens tritt er da oft hinein? Wie oft feiern wir nur uns selbst und nehmen ihn gar nicht wahr? Wie oft wird sein Wort verdreht und missbraucht? Wie wenig Glaube ist in so vielen Theorien, wie viel leeres Gerede gibt es? Wie viel Schmutz gibt es in der Kirche und gerade auch unter denen, die im Priestertum ihm ganz zugehören sollten? Wie viel Hochmut und Selbstherrlichkeit? All das ist in seiner Passion gegenwärtig. Der Verrat der Jünger, der unwürdige Empfang seines Leibes und Blutes, muss doch der tiefste Schmerz des Erlösers sein, der ihn mitten ins Herz trifft. Wir können nur aus tiefster Seele zu ihm rufen: Kyrie, eleison – Herr, rette uns!“

Vom heiligen Johannes Paul II. hatten wir davor gelernt, dass in unserer geschichtlichen Stunde die wahre und vollendete Ökumene die Ökumene der Märtyrer sei, wo wir die heilige Edith Stein neben Dietrich Bonhoeffer als Fürsprecher im Himmel in unseren Nöten anrufen dürfen. Doch wie wir inzwischen wissen, gibt es auch eine Ökumene der Not und der Verweltlichung und eine Ökumene des Unglaubens und der gemeinsamen Flucht vor Gott und aus der Kirche quer durch alle Konfessionen. Und eine Ökumene der allgemeinen Gottesverfinsterung.  Jetzt erleben wir deshalb nur die Wasserscheide eines Epochenwandels, den Dreher vor einem Jahr schon in Amerika prophetisch vorgestellt hat. Er hatte die große Flut kommen sehen!

Er hält aber auch fest, dass Gottesfinsternis eben nicht heißt, dass es Gott nicht mehr gibt, sondern dass viele Gott nicht mehr erkennen, weil sich Schatten vor den Herrn geschoben haben.  Heute sind es die Schatten der Sünden und Vergehen und Verbrechen aus dem Raum der Kirche, die seine leuchtende Gegenwart für viele verdunkeln.

Die Volkskirche, in die wir noch hinein geboren wurden, und die es in Amerika nie so gab wie in Europa, ist im Prozess dieser Verfinsterung schon lange gestorben. Klingt Ihnen das zu dramatisch?

Die Austrittzahlen sind dramatisch. Noch dramatischer erscheint allerdings ein anderes.  Von den Katholiken, die in Deutschland noch nicht aus der Kirche ausgetreten sind, treffen sich nach jüngsten Erhebungen nur noch 9,8 Prozent am Sonntag in ihren Gotteshäusern zur gemeinsamen Feier der Allerheiligsten Eucharistie.

Das erinnert mich wieder an die erste Reise Papst Benedikts nach seiner Wahl, als er den großenteils jugendlichen Zuhörern am 29. Mai 2005 am Ufer der Adria folgende Erinnerung ans Herz legte: Der Sonntag sei als ein »wöchentliches Ostern« Ausdruck der Identität der christlichen Gemeinschaft und Mittelpunkt ihres Lebens und ihrer Sendung. Das Thema des Eucharistischen Kongresses (»Ohne den Sonntag können wir nicht leben«) führe aber zurück in das Jahr 304, als Kaiser Diokletian den Christen unter Todesstrafe verbot, die Heilige Schrift zu besitzen, am Sonntag zur Feier der Eucharistie zusammenzukommen und Räume für ihre Versammlungen zu errichten.

„In Abitene aber, einem kleinen Dorf im heutigen Tunesien, wurden eines Sonntags 49 Christen, die im Haus des Octavius Felix zusammengekommen waren, überrascht, als sie die Eucharistie feierten und sich damit den kaiserlichen Verboten widersetzten. Sie wurden festgenommen und nach Karthago gebracht, um vom Prokonsul Anulinus verhört zu werden. Bedeutsam war unter anderem die Antwort eines gewissen Emeritus an den Prokonsul, der ihn fragte, warum sie dem strengen Befehl des Kaisers zuwidergehandelt hätten. Er antwortete: »Sine dominico non possumus«. Das bedeutet: Ohne uns am Sonntag zur Feier der Eucharistie zu versammeln, können wir nicht leben. Es würden uns die Kräfte fehlen, uns den täglichen Schwierigkeiten zu stellen und nicht zu unterliegen. Nach grausamer Folter wurden diese 49 Märtyrer von Abitene getötet. So bezeugten sie mit dem Vergießen ihres Blutes ihren Glauben. Sie starben, haben aber gesiegt: Wir gedenken ihrer jetzt in der Herrlichkeit des auferstandenen Christus.“

Das heißt: was wir als Kinder in den so genannten Volkskirchen noch als so genannte „Sonntagspflicht“ kennen gelernt haben, ist in Wahrheit das kostbare Alleinstellungsmerkmal der Christen. Und es ist viel älter als alle Volkskirchen. Es ist also eine wahrhaft endzeitliche Krise, in der sich die katholische Kirche inzwischen seit langem schon befindet wie sie aber auch schon meine Mutter und mein Vater in ihren Tagen wahrzunehmen vermeinten – mit „Gräueln der Verwüstung an heiliger Stätte“ – und die ja vielleicht jede Generation der Kirchengeschichte an ihrem Horizont erkannte,

Zuletzt aber fühlte ich mich an manchen Tagen in die Tage meiner Kindheit versetzt – zurück in die Schmiede meines Vaters im Schwarzwald, wo die Hammerschläge auf den Amboss kein Ende nahmen, doch ohne meinen Vater, dessen sicheren Händen ich wie den Händen Gottes vertraute.

Dabei bin ich offensichtlich nicht allein. Im Mai hat auch der Erzbischof von Utrecht in Holland, Kardinal Willem Jacobus Eijk, gestanden, dass ihn die gegenwärtige Krise an „die letzte Prüfung der Kirche“ erinnere, wie sie der Katechismus der katholischen Kirche im Absatz 675 mit den Worten beschreibt, dass die Kirche sie vor der Wiederkehr Christi durchmachen müsse, als Prüfung, „die den Glauben vieler erschüttern wird“.  Und wo es im selben Katechismus weiter heißt: „Die Verfolgung, die die Pilgerschaft der Kirche auf Erden begleitet, wird das ‚Mysterium der Bosheit‘ enthüllen.“

Mit diesem „Mysterium iniquitatis“ ist auch Rod Dreher vertraut wie ein Exorzist, wie er mit seinen Berichten der letzten Monate bewiesen hat, wo auch er die Aufklärung der Skandalgeschichte des ehemaligen Erzbischofs von Newark und Washington wie vielleicht kaum sonst ein Journalist befördert hat. Dennoch ist er kein Enthüllungsreporter. Er ist auch kein Phantast, sondern ein nüchterner Analytiker, der den Zustand der Kirche und Welt seit langem wach und kritisch verfolgt und sich dennoch einen fast kindlich-liebenden Blick auf die Welt bewahrt hat.

Deshalb legt Dreher auch keinen apokalyptischen Roman vor wie den berühmten „Herrn der Welt“, mit dem der britische Geistliche Robert Hugh Benson im Jahr 1906 die angelsächsische Welt erschütterte. Eher gleicht Drehers Buch einer praktikablen Anleitung zum Bau einer Arche, weil er weiß, dass es keinen Staudamm gibt, mit dem sich die große Flut noch aufhalten ließe, die nicht erst seit gestern dabei ist, das alte christliche Abendland zu überschwemmen, zu dem für ihn wie selbstverständlich auch Amerika gehört

Das macht auch gleich einen dreifachen Unterschied zwischen Dreher und Benson deutlich: Als waschechter Amerikaner ist Dreher erstens praktischer als der etwas spleenige Brite aus Cambridge in der Epoche vor dem I. Weltkrieg. Zweitens ist Dreher als Bürger Louisianas hurrikan-erprobt.  Und drittens ist er überhaupt kein Geistlicher, sondern ein Laie, der nicht in fremdem Auftrag, sondern aus ureigenem Willen und Eifer für das Reich Gottes wirbt, das Jesus Christus für uns ausgerufen hat. In dem Sinn ist er ein Mann ganz nach dem Gefallen und Geschmack von Papst Franziskus, der wie wohl kaum ein zweiter in Rom weiß, dass die Krise der Kirche in ihrem Kern eine Krise des Klerus ist. Und dass nun die Stunde der souveränen Laien geschlagen hat, vor allem in den neuen und unabhängigen katholischen Medien, wie sie Rod Dreher geradezu verkörpert.

 

Die Leichtigkeit seiner Darstellung hat wohl mit den noblen Erzähltraditionen der Südstaaten Amerikas zu tun, denen Mark Twain einmal globalen Rang verliehen hat. Und wenn ich vorhin sagte, dass ich mich zuletzt wiederholt als Kind in der Schmiede vor den Hammerschlägen meines Vaters auf den Amboss wiedergesehen habe, dann muss ich gestehen, dass mich die unkomplizierte Lektüre dieses gewichtigen Buches auch immer wieder in die Abenteuerwelt meiner Kindheit entführt hat, wo ich Tom Sawyer und seinem Freund Huck‘ Finn hinterher träumte.

Bei Rod Dreher hingegen geht es nicht um Träume, sondern um Fakten und um Analysen, die er zu Sätzen wie diesem verdichtet: „Der psychologische Mensch hat auf ganzer Linie gesiegt und beherrscht nun unsere Kultur – einschließlich der meisten Kirchen – so sicher, wie einst die Ostgoten, Westgoten, Vandalen und andere Eroberungsvölker die Überreste des Weströmischen Imperiums beherrschten.“

Oder: „Unsere Wissenschaftler, unsere Richter, unsere Fürsten, unsere Gelehrten und Schriftsteller arbeiten daran, den Glauben, die Familie, die Geschlechterordnung, ja sogar die Definition, was es heißt, Mensch zu sein, niederzureißen. Die Barbaren unserer Zeit haben die Tierfelle und Speere der Vergangenheit gegen Designeranzüge und Smartphones eingetauscht.“

 

Kapitel 3 seines Buches beginnt er mit den Worten: „Man kann nicht in die Vergangenheit zurückreisen, aber man kann nach Norcia reisen.“

Kurz danach fährt er dann – prophetisch aktuell, doch überhaupt nicht hämisch – folgendermaßen fort: „Eine Legende besagt, in einem Streitgespräch mit einem Kardinal habe Napoleon darauf hingewiesen, dass es in seiner Macht stünde, die Kirche zu vernichten.“

„Majestät“, entgegnete der Kardinal, „wir – die Geistlichkeit – haben seit 1800 Jahren unser Möglichstes getan, die Kirche zu zerstören. Es ist uns nicht gelungen. Und Euch wird es auch nicht gelingen.“

„Vier Jahre, nachdem die Benediktiner aus ihrem Kloster in Norcia vertrieben worden waren, lag Napoleons Reich dann in Trümmern, und der anmaßende Kaiser selbst war im Exil. Heute sind in der Heimatstadt des heiligen Benedikt hingegen erneut gregorianische Choräle zu hören …“

Im selben Norcia war allerdings zuletzt auch das Brüllen aus der Tiefe in jenem großen Erdbeben zu hören, das im August 2016 die Stadt erschütterte und die Basilika des heiligen Benedikt in wenigen Sekunden bis auf die Frontfassade in Trümmer legte. Zur etwa gleichen Zeit setzten Wolkenbrüche aber auch die Heimatstadt Rod Drehers am Oberlauf des Mississippi unter Hochwasser. Es sind zwei dramatische Schlüsselszenen, die nun wie nach einem himmlischen Drehbuch am Anfang und am Ende seines Buches stehen – und wie zur Illustration einer These, die Dreher im 1. Kapitel so formuliert: „Die Realität unserer Situation ist in der Tat alarmierend, aber wir können es uns nicht leisten, in eine Untergangshysterie zu verfallen. Es steckt ein verborgener Segen in dieser Krise, wenn wir ihn nur wahrnehmen wollten. … Der kommende Sturm könnte das Mittel sein, mit dem Gott uns rettet.“

Der Begriff des Erdbebens war in den letzten Tagen häufig innerhalb der Kirche zu hören für jenen Zusammenbruch, von dem ich sage, dass damit nun auch die katholische Kirche ihr „Nine/Eleven“ erlebt hat.

Rod Dreher beschreibt die Antwort der Mönche von Norcia auf die Katastrophe, die ihre Abtei am Geburtsort des heiligen Benedikt in Trümmer gelegt hat, hingegen mit wenigen Worten, die ich Ihnen vorlesen muss, weil sie so sprechend sind:

„Die Benediktinermönche von Norcia sind auf eine Weise zum Zeichen für die Welt geworden, die ich nicht vorhersehen konnte, als ich begann, dieses Buch zu schreiben. Das Beben schlug mitten in der Nacht zu, aber die Mönche waren wach, um die Matutin zu beten. Sie verließen das Kloster fluchtartig und brachten sich auf der offenen Piazza des Ortes in Sicherheit.

Rückblickend merkte Pater Cassian an, das Erdbeben könne als Symbol für den Zusammenbruch der christlichen Kultur im Westen gesehen werden, aber es habe in jener Nacht noch ein zweites, hoffnungsvoll stimmendes Symbol gegeben. Dieses zweite Symbol war die Versammlung der Menschen rund um die Statue des heiligen Benedikt auf der Piazza und ihr gemeinsames Gebet. Das ist der einzige Weg zum Wiederaufbau.“

Nach diesem Zeugnis Pater Cassians darf ich Ihnen verraten, dass sich auch Benedikt XVI. seit seinem Rücktritt als alter Mönch versteht, der sich nach dem 28. Februar 2013 vor allem dem Gebet für die Mutter Kirche und seinen Nachfolger Papst Franziskus und das von Christus selbst gestiftete Petrusamt verpflichtet weiß.

Aus dem Kloster MATER ECCLESIAE hinter der Petersbasilika würde der alte Mönch im Blick auf das Werk Drehers deshalb wohl auf eine Ansprache verweisen, die er als amtierender Papst am 12. September 2008 im Collège des Bernardins in Paris vor der geistigen Elite Frankreichs gehalten hat. Das ist morgen vor genau zehn Jahren gewesen, und diese Rede will auch ich Ihnen deshalb in Auszügen noch einmal hier kurz vorstellen:

Im großen Kulturbruch der Völkerwanderung und der sich bildenden neuen staatlichen Ordnungen waren die Mönchsklöster der Ort, an dem die Schätze der alten Kultur überlebten und zugleich von ihnen her eine neue Kultur langsam geformt wurde, sagte Benedikt XVI. damals und fragte: „Aber wie ging das zu? Was hat die Menschen bewegt, die sich an diesen Orten zusammenfanden? Was wollten sie? Wie haben sie gelebt? Da ist zunächst und als erstes ganz nüchtern zu sagen, dass es nicht ihre Absicht war, Kultur zu schaffen oder auch eine vergangene Kultur zu erhalten. Ihr Antrieb war viel elementarer. Ihr Ziel hieß: quaerere Deum – Gott suchen. In der Wirrnis der Zeiten, in der nichts standzuhalten schien, wollten sie das Wesentliche tun – sich bemühen, das immer Gültige und Bleibende, das Leben selber zu finden. Sie waren auf der Suche nach Gott. Sie wollten aus dem Unwesentlichen zum Wesentlichen, zum allein wirklich Wichtigen und Verlässlichen kommen. Sie suchten das Endgültige hinter dem Vorläufigen…

Quaerere Deum – Gott suchen und sich von ihm finden lassen, das ist heute nicht weniger notwendig denn in vergangenen Zeiten. Eine bloß positivistische Kultur, die die Frage nach Gott als unwissenschaftlich ins Subjektive abdrängen würde, wäre die Kapitulation der Vernunft, der Verzicht auf ihre höchsten Möglichkeiten und damit ein Absturz der Humanität, dessen Folgen nur schwerwiegend sein könnten. Das, was die Kultur Europas gegründet hat, die Suche nach Gott und die Bereitschaft, ihm zuzuhören, bleibt auch heute Grundlage wahrer Kultur.“

Soweit Papst Benedikt XVI. am 12. September 2008 über die wahre „Option“ des heiligen Benedikt von Nursia.  – Danach bleibt mir nur noch dies über Drehers Buch zu sagen: Es enthält keine fertige Antwort. Es findet sich hier kein Patentrezept oder ein Generalschlüssel für alle Tore, die so lange für uns offenstanden und nun wieder krachend ins Schloss gefallen sind. Zwischen diesen beiden Buchdeckeln findet sich aber ein authentisches Beispiel für das, was Papst Benedikt vor zehn Jahren über den benediktinischen Geist des Anfangs gesagt hat. Es ist ein wahres „Quaerere Deum“. Es ist jene Suche nach dem wahren Gott Isaaks und Jakobs, der in Jesus von Nazareth sein menschliches Gesicht gezeigt hat.

Deshalb kommt mir hier noch ein Satz aus dem Kapitel 4,21 der Regel des heiligen Benedikt in den Sinn, der ebenfalls und unausgesprochen das gesamte Buch Drehers als Cantus Firmus durchzieht und beseelt. Das ist das legendäre „Nihil amori Christi praeponere“. Das heißt übersetzt: nichts der Liebe zu Christus vorziehen. Es ist der Schlüssel, dem sich das ganze Wunderwerk des abendländischen Mönchstums verdankt.

Benedikt von Nursia war ein Leuchtturm in der Völkerwanderung, als er die Kirche durch die Wirren der Zeit rettete und damit die europäische Zivilisation im gewissen Sinn neu begründete.

Nun aber erleben wir nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Erde seit Jahrzehnten wieder eine Völkerwanderung, die niemals mehr an ein Ende kommen wird, wie Papst Franziskus klar erkannt hat und uns allen eindringlich ins Gewissen redet. Deshalb ist diesmal auch nicht alles anders als damals.

Wenn die Kirche sich dieses Mal nicht wieder mit Gottes Hilfe zu erneuern versteht, steht deshalb auch wieder das ganze Projekt unserer Zivilisation auf dem Spiel. Für viele sieht es wohl schon so aus, als würde und könne sich die Kirche Jesu Christi nie mehr von der Katastrophe ihrer Sünde erholen, die sie gerade fast zu verschlingen droht.

 

Und genau dies ist nun die Stunde, in der Rod Dreher aus Baton-Rouge in Louisiana heute sein Buch in der Nähe der Apostelgräber vorstellt, und mitten in der Gottesfinsternis, vor der wir weltweit erschrecken, hier vor uns tritt und sagt: „Die Kirche ist nicht tot, sie schläft und ruht nur“.

Und nicht nur dies. Die Kirche „ist jung“, scheint er auch noch zu sagen, und er sagt es so froh und frei, wie Benedikt XVI. es bei der Übernahme des Petrusamtes am 24. April 2005 schon sagte, als er damals noch einmal an das Leiden und Sterben des heiligen Papstes Johannes Paul erinnerte, dessen Mitarbeiter er so viele Jahre lang war. Er rief uns allen auf dem Petersplatz zu:

„Durch alle Traurigkeit von Krankheit und Tod des Papstes hindurch ist uns dies auf wunderbare Weise sichtbar geworden: Die Kirche lebt. Und die Kirche ist jung. Sie trägt die Zukunft der Welt in sich und zeigt daher auch jedem einzelnen den Weg in die Zukunft. Die Kirche lebt. Wir sehen es, und wir spüren die Freude, die der Auferstandene den Seinen verheißen hat. Die Kirche lebt – sie lebt, weil Christus lebt, weil er wirklich auferstanden ist. Wir haben an dem Schmerz, der auf dem Gesicht des Heiligen Vaters in den Ostertagen lag, das Geheimnis von Christi Leiden angeschaut und gleichsam seine Wunden berührt. Aber wir haben in all diesen Tagen auch den Auferstandenen in einem tiefen Sinn berühren dürfen. Wir dürfen die Freude verspüren, die er nach der kurzen Weile des Dunkels als Frucht seiner Auferstehung verheißen hat.“

Diese Wahrheit über den Ursprung ihrer Gründung durch den auferstandenen Herrn und Sieger kann auch das satanische „Nine/Eleven“ der Katholischen Weltkirche weder schwächen noch zunichte machen.

Deshalb muss ich ehrlich gestehen, dass ich diese Zeit der großen Krise, die heute keinem mehr verborgen ist, vor allem auch als eine Zeit der Gnade wahrnehme, weil uns am Schluss ja nicht irgendeine besondere Anstrengung, sondern nur „die Wahrheit frei machen“ wird, wie uns der Herr versichert hat. In dieser Hoffnung schaue ich die jüngsten Berichte Rod Drehers zur „Reinigung der Erinnerung“ an, die Johannes Paul II. uns aufgetragen hat, und so habe ich auch seine „Benedikt-Option“ dankbar als eine in vieler Hinsicht wunderbare Inspiration gelesen. In den letzten Wochen hat mir kaum etwas so viel Trost gespendet.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Erzbischof Dr. Georg Gänswein, Präfekt des Päpstlichen Hauses)

 

Rod Drehers „Die Benedikt-Option: Eine Strategie für Christen in einer nachchristlichen Gesellschaft“ ist in der deutschen Übersetzung von Tobias Klein erschienen im fe-medienverlag und hat 400 Seiten.

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Kardinal O´Malley: Missbrauchsopfer müssen an Kirchenspitze gehört werden

Berät den Papst in Sachen Missbrauchsprävention: Sean Patrick O’Malley

Die Stimme von Missbrauchsüberlebenden bis in die höchsten Kirchenkreise zu tragen, ist von entscheidender Bedeutung. Das betonte gegenüber Vatican News der wichtigste Berater von Papst Franziskus auf dem Feld des Kinderschutzes, Kardinal Sean Patrick O´Malley. Er äußerte sich nach der jüngsten Vollversammlung der vatikanischen Kinderschutzkommission, die an diesem Sonntag zu Ende gegangen ist.

Christine Seuss und Sergio Centofanti – Vatikanstadt

„Sicherlich haben die jüngsten Ereignisse in der Kirche die Aufmerksamkeit von uns allen auf die dringende Notwendigkeit einer klaren Antwort seitens der Kirche auf den Missbrauch von Minderjährigen gelenkt“, so der Bostoner Kardinal. Es sei zweifelsohne eine der „Hauptaufgaben“ der Kommission, Missbrauchsüberlebende selbst anzuhören, so der Kirchenmann weiter. Dies sei auch bei der aktuellen Vollversammlung geschehen, mit den Zeugnissen einer Frau aus Lateinamerika, die von einem Priester missbraucht worden sei, sowie einer Mutter zweier erwachsener Missbrauchsüberlebender aus den Vereinigten Staaten, gab er Einblick in die Arbeit der Kommission.

Auch neu ernannte Bischöfe, die jeweils zu ihrem Einführungskurs in den Vatikan kommen, würden durch Schilderungen von Missbrauchsopfern wie Marie Collins – die selbst Mitglied der Kinderschutzkommission war – für die Thematik sensibilisiert, betonte O´Malley. Die Führungspersönlichkeiten der Kirche müssten aus Sicht eines Missbrauchsüberlebenden erfahren, wie es sei, „diesen Horror im eigenen Leben zu erleiden“ und was dieser für Auswirkungen auf das Opfer, seine Familie und die gesamte Gemeinschaft sei. Zahlreiche Bischöfe kämen im Nachhinein auf ihn zu mit der Feststellung, dass diese Zeugnisse „die wichtigsten Beiträge des gesamten einwöchigen Seminars“ seien.

“ Es ist von grundlegender Bedeutung, die Stimme der Opfer an die Spitze der Kirchenhierarchie zu tragen ”

„Deshalb ist es von grundlegender Bedeutung, die Stimme der Opfer an die Spitze der Kirchenhierarchie zu tragen, so dass die Menschen verstehen, wie wichtig es für die Kirche ist, Antworten schnell und korrekt zu geben, jedes Mal, wenn eine Situation von Missbrauch aufgedeckt wird. Insbesondere mit Blick auf die aktuelle Situation sehen wir: wenn die Kirche sich unfähig zeigt, aus tiefem Herzen zu antworten und aus diesem Thema eine Priorität zu machen, dann werden all unsere anderen Aktivitäten wie Evangelisierung, Wohltätigkeit und Erziehung, darunter leiden. Das muss die Priorität sein, auf die wir uns heute konzentrieren.“

“ Die Kommissionsmitglieder leisten unermüdlich Aufklärungsarbeit auf der ganzen Welt ”

Dabei zähle die Kommission stark auf die Zusammenarbeit und die Selbstständigkeit in den Ortskirchen, betont der Kardinal weiter. Die Kommission habe zu diesem Zweck „unermüdlich“ Aufklärungsarbeit auf der ganzen Welt geleistet, insbesondere in Gegenden, in denen Missbrauch noch ein neues Thema sei und die lokale Kirche wenig eigene Ressourcen zu Verfügung habe, wie beispielsweise in Missionsgebieten. Man arbeite auch intensiv an neuen Richtlinien und Best Practise-Beispielen, genauso wie an Instrumenten, die es den einzelnen Bischofskonferenzen ermöglichen, zu messen, wie erfolgreich diese Richtlinien in ihrem Land eingeführt worden sind, erläutert der Kinderschutzfachmann. „Auf diese Weise können die Bischöfe, wenn sie zu ihren Ad-limina-Besuchen in den Vatikan kommen, zeigen, inwieweit es ihnen gelungen ist, die Richtlinien umzusetzen, die jede Bischofskonferenz, auf Ersuchen des Heiligen Stuhles und des Papstes selbst, erstellen sollte,“ nimmt O´Malley die Kollegen aus den Ortskirchen in die Pflicht.

Eine Hilfe für die einzelnen Bischofskonferenzen solle dabei durch die neue Initiative der „Survivors’ Advisory Panels” (Beratungsgruppen, die aus Missbrauchsüberlebenden zusammengesetzt sind) gegeben werden, kündigt der Kardinal an. Diese sollten in den verschiedenen Kontinenten tätig werden (zunächst in Brasilien, anschließend in Afrika und Asien) und die lokalen Bischofskonferenzen beraten, aber auch die Arbeit der Kommission selbst unterstützen.

“ Wir versuchen, die Zukunft zu ändern, so dass sich diese traurigen Geschichten nicht wiederholen ”

Keineswegs hilfreich sei das Missverständnis, die Kommission arbeite bereits geschehene Missbrauchsfälle auf, so der Kardinal weiter. Denn deren Arbeit ziele vor allem auf die Prävention von Missbrauch, erläutert er: „Wir sind kein Gremium, das sich um bereits geschehene Missbrauchsfälle oder spezielle Situationen von Missbrauch kümmert. Wir versuchen, die Zukunft zu ändern, so dass sich diese traurigen Geschichten nicht wiederholen; und wir nehmen diese Aufgabe mit der Erstellung von Empfehlungen wahr, die wir dem Heiligen Vater vorlegen. Unsere Aufgabe ist es sicherlich auch, Best Practises und Richtlinien zu fördern, die den Schutz und die Prävention im Fokus haben. Außerdem realisieren wir Ausbildungsprogramme für diejenigen, die an der Spitze der Kirche stehen, so dass unsere Bischöfe, Priester und Ordensleute sich des Ernstes des Problems bewusstwerden und die Mittel an der Hand haben, darauf so zu antworten, dass sie dem Schutz Minderjähriger und der pastoralen Sorge um die Opfer absolute Priorität einräumen.“

“ Unsere Arbeit betrifft die Verhütung von Missbrauch, und den Versuch, die Kirche zum sichersten Platz für Kinder und gefährdete Erwachsene zu machen ”

Andere Dikasterien des Heiligen Stuhls hätten wiederum die Aufgabe, die einzelnen Fälle von Missbrauch und damit zusammenhängende Versäumnisse zu untersuchen und zu ahnden, so der Kardinal, der betont, dass seine Kommission nicht für die Arbeit anderer Dikasterien in die Pflicht genommen werden könne: „Wir haben unsere Zuständigkeiten, und ich denke, dass sie sehr wichtig sind,“ so O´Malley. „Unsere Arbeit betrifft die Verhütung von Missbrauch, und den Versuch, die Kirche zum sichersten Platz für Kinder und gefährdete Erwachsene zu machen,“ umreißt er die Ziele der Kommission.

“ Mission der Kirche ist es, Schutz zu bieten ”

Dabei komme auch der Zusammenarbeit mit anderen Kurieneinrichtungen eine wichtige Stellung zu, betont der Erzbischof von Boston. Viele Schulungen und Konferenzen seien bereits in den einzelnen Dikasterien organisiert worden, wo über das Thema gesprochen worden sei: „Bei diesen Gelegenheiten begleitet mich immer ein Missbrauchsüberlebender und ich spreche über die Mission der Kirche, Schutz zu bieten. Ich denke, dass diese Treffen ein großer Erfolg gewesen sind. In dieser Woche treffen wir die wichtigsten Vertreter der Italienischen Bischofskonferenz und der Glaubenskongregation.“

Von vergangenem Freitag an hatten sich die Mitglieder der Kommission zu ihrer 9. Ordentlichen Vollversammlung getroffen.

(vatican news)

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Quelle

USA: Bischöfe fordern rasche Aufklärung von Vorwürfen

Die Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten ruft zu einer umfassenden Aufklärung der jüngsten Enthüllungen um Missbrauchsfällen.

Die jüngsten Vertuschungsvorwürfe des früheren Apostolischen Nuntius in Washington, Carlo Maria Viganò, gegen hochrangige Kirchenvertreter bis hin zu Papst Franziskus verlangten schlüssige Antworten, die auf Beweisen beruhen, erklärte der USCCB-Vorsitzende, Kardinal Daniel DiNardo, am Montag (Ortszeit) in Washington. „Ohne diese Antworten werden schuldlose Männer von den Anklagen beschmutzt, und die schuldigen können die Sünden der Vergangenheit wiederholen.“

Er hoffe auf eine baldige Audienz bei Papst Franziskus und dessen Zustimmung zu Plänen der US-Bischofskonferenz für ein schärferes Vorgehen gegen Bischöfe, die Machtmissbrauch begangen oder vertuscht haben, so DiNardo. „Ich bin zuversichtlich, dass Papst Franziskus unseren Wunsch nach größerer Effizienz und Transparenz hinsichtlich der Disziplinierung von Bischöfen teilt.“ Die US-Bischöfe stünden in diesen schwierigen Tagen in brüderlicher Liebe an der Seite des Heiligen Vaters, bekräftigte der Erzbischof von Galveston-Houston. Die Verfehlungen von Menschen könnten das Licht des Evangeliums nicht verdunkeln.

Reformen gegen Missbrauch

Die katholische US-Bischofskonferenz hatte bereits vor der Veröffentlichung des Viganò-Schreibens angesichts des jüngsten Missbrauchsskandals im Bundesstaat Pennsylvania tiefgreifende Reformen angekündigt. Kardinal DiNardo hatte für November, zur nächsten Vollversammlung der US-Bischöfe, einen umfassenden Reformplan in Aussicht gestellt. Zudem bat der Vorsitzende der Bischofskonferenz den Vatikan, das Geschehene im Rahmen einer sogenannten Visitation zu untersuchen.

Laut DiNardo sollten etwa „neue und vertrauliche Kanäle“ geschaffen werden, um Beschwerden gegen Bischöfen vorzubringen, die Missbrauch selbst begangen oder vertuscht haben. Opfern müsse es leichter gemacht werden, Fehlverhalten von Kirchenoberen anzuzeigen. Den Vorwürfen müsse künftig auch schneller, effizienter und transparenter nachgegangen werden, so der Kardinal.

Belastete Bischöfe dürften nicht mehr die Möglichkeit haben, die kircheninternen Ermittlungen gegen sie zu behindern, sondern müssten den „höchsten Standards an Transparenz und Verantwortlichkeit“ gerecht werden. Im Kampf gegen Missbrauch will die Bischofskonferenz außerdem stärker auf die Expertise von Laien setzen. Diese sollten an führender Stelle in die Reformen eingebunden werden.

In der Erklärung von vor gut einer Woche kündigte DiNardo auch eine umfassende Untersuchung der Affäre um den früheren Washingtoner Erzbischof Theodore McCarrick (88) an. Ihm wird der Missbrauch von Seminaristen und mindestens zwei Minderjährigen vorgeworfen.

Strafmaßnahmen gegen Kardinal McCarrick

Papst Franziskus wollte die Behauptung seines ehemaligen Botschafters in den USA, Erzbischof Carlo Maria Viganò, schon seit Jahren über den Missbrauchsverdacht gegen Kardinal McCarrick gewusst zu haben, bisher nicht weiter kommentieren. Das Dokument von Viganò spreche für sich, sagte Franziskus am Sonntagabend auf dem Rückflug von einem zweitägigen Irland-Besuch nach Rom. Er werde dazu nichts sagen und vertraue auf die journalistische Kompetenz, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Wörtlich sagte er auf die entsprechende Frage eines Journalisten zu dem Dossier: „Lesen Sie es selbst aufmerksam und bilden Sie sich ein eigenes Urteil.“

In dem zuvor veröffentlichten Memorandum hatte Viganò schwere Vorwürfe gegen Papst Franziskus erhoben: Der des Missbrauchs von Seminaristen und jungen Priestern beschuldigte frühere Washingtoner Erzbischof Theodore McCarrick sei bereits 2009 oder 2010 von Papst Benedikt XVI. mit einer Strafe belegt worden, die Franziskus später de facto zurückgenommen habe. Eine Maßregelung McCarricks durch Benedikt XVI. wurde bisher allerdings nie öffentlich bekannt. Wenn es sie tatsächlich gab, dann hat sich McCarrick nicht an solche Auflagen gehalten.

In seinem elfseitigen Brandbrief zielt Erzbischof Viganò weniger auf den Missbrauch Minderjähriger als auf homosexuelle Beziehungen und Seilschaften im Klerus. Er entfaltet weitgespannte Behauptungen über homosexuelle Netzwerke und Korruption in der Kirchenleitung. In dem Schreiben mit Datum vom 22. August fordert der Erzbischof den Papst zum Rücktritt auf. Damit würde Franziskus, schreibt Viganò, allen Kardinälen und Bischöfen, die McCarrick gedeckt hätten, „ein gutes Beispiel“ geben.

Ähnliche Strafmaßnahmen wie die erwähnten gegen den früheren Erzbischof von Washington (2000-2006) sowie zusätzlich die Rücknahme von dessen Kardinalstitel verfügte Franziskus vor einigen Wochen. Zu diesem Zeitpunkt wurden öffentlich Vorwürfe bekannt, McCarrick habe in früheren Jahren zu jungen Seminaristen sexuelle Beziehungen gehabt. Zudem soll der Geistliche in mindestens zwei Fällen Minderjährige missbraucht haben.

(kna – mg)

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Wohnt Gott hier nicht mehr? Wenn die entweihte Kirche zur Buchhandlung oder Tanzbar wird

Von Angela Ambrogetti

VATIKANSTADT , 13 July, 2018 / 10:06 AM (CNA Deutsch).-

Eines der bekanntesten Beispiele ist die Boekhandel Dominicanen in Maastricht, eine wunderschöne gotische Kirche aus dem Jahre 1294, die gleichzeitig mit dem Kloster erbaut wurde.

Sie wurde schon im Jahre 1796 entweiht und für alles Mögliche genutzt. Die Architekten Merkx + Girod verwandelten sie in eine Buchhandlung. Dabei behielen sie die tragenden Strukturen bei und nutzten des Presbyterium als Bar, mit einem provozierenden Tisch in Kreuzform in der Mitte.

Die Restaurierung fand 2006 statt und jährlich suchen rund 700.000 Menschen die Buchhandlung auf. Mehr für den Besuch der Kirche als für den Kauf von Büchern. Die Dominikanerkirche ist eine gotische Klosterkirche im Zentrum der Stadt Maastricht.

Sie ist nur eines – vielleicht das bekannteste – Beispiel für das ernsthafte Problem der Auflassung von Kultstätten und die alternative Nutzung von kirchlichen Kulturgüter, insbesondere in Europa. Über dieses Thema wird man, dank des Päpstlichen Rates für die Kultur, der italienischen Bischofskonferenz und der Päpstlichen Universität Gregoriana mit ihrem Fachbereich für kirchliche Kulturgüter, am 29. und 30. November 2018 in Rom auf der Konferenz anlässlich des Europäischen Jahr des Kulturerbes sprechen.

Um sich auf dieses Ereignis vorzubereiten, hat man auch den Fotowettbewerb #nongerchurches gestartet. Die Idee ist, auf Instagramm Originalfotos, Fotos von katholischen Gebäuden oder Kultstätten zu teilen, die aufgelassen oder wieder genutzt werden oder wurden.

Das Problem der Auflassung und Wiederverwendung von Kultstätten ist nicht neu in der Geschichte; aber heute scheint es dringlicher zu sein.

Ebenfalls in Holland ist eines der größten Probleme, mit dem sich die Diözese Utrecht beschäftigen muss, die Verwaltung der Kathedrale der heiligen Katharine.

Auch in diesem Fall handelt es sich um eine gotische Kirche mit großer kunstgeschichtlicher Bedeutung, die sehr hohe Instandhaltungskosten mit sich bringt. In Holland sind Kirchen, auch denkmalgeschützte Kirchen, im Besitz der Diözese oder der Pfarreien und der Staat greift dort nicht unterstützend ein, wie etwa in Italien.

In Maastricht zum Beispiel werden die beiden historischen Kirchen des heiligen Servatius, des Missionars Hollands, und die Liebfrauenbasilika durch die Bezahlung von Eintrittskarten und durch die volkstümliche Verehrung des Gnadenbildes der Muttergottes „Stella Maris“ (Stern des Meeres) erhalten. Aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Auch in Italien gibt es viele Beispiele von verlassenen und neu genutzten Kultstätten. Man denke nur an die ehemalige Kirche in der Straße Piero della Francesco in Mailand, die zu einer Disco umgewandelt wurde. Es gibt unendlich viele Beispiele.

Aber es gibt auch einige schöne Geschichten von wieder geöffneten Kirchen, wie jener des heiligen Andreas in Melzo. Dank der Arbeit eines Vereines wird sie heute wieder für Gottesdienste genutzt.

Dieses Thema drängt sich der Kirche aufgrund der fortschreitende Säkularisierung der Gesellschaft noch mehr auf. Dabei geht es auch darum, ein größeres Bewusstsein für den historisch-künstlerischen und symbolischen Wert zu schaffen, den ein Kirchengebäude und die darin aufbewahrten Kunstwerke besitzen.

Es stellt sich also die Frage: Wohnt Gott nicht mehr hier?

Das ist auch das Thema des Wettbewerbs, der in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich für architektonische Kulturgüter und Landschaft der Universität Sapienza in Rom und den Zeitschriften Arte Christiana, Casabella und Chiesa Oggi durchgeführt wird. Eine Expertenjury wird die Bilder auswählen, die dann in der Fotoausstellung beim internationalen Kongress im Quadriportikus der Päpstlichen Universität Gregoriana zu sehen sein werden.

Bis zum 15. Oktober kann man Fotos oder Bilder posten.

In den beiden Konferenztagen im November wird man zuerst das schwerwiegende und dringliche Problem der Auflassung von Kirchen und deren neuer Nutzung behandeln. Im Anschluss wird es um die Verwaltung und Wertschätzung des kirchlichen kulturellen Erbes als Aspekt bei den pastoralen Aktivitäten der Diözesen gehen.

An den Veranstaltungen am Vormittag können alle am Thema Interessierten teilnehmen. Die Nachmittage sind den Delegaten der Bischofskonferenzen aus Europa, Nordamerika und Ozeanien vorbehalten.

Die Lage in diesen Ländern ist nämlich sehr ähnlich und es verbinden sie dieselben Probleme in der Verwaltung des kulturellen Erbes.

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