Papst Leo XIII.: Rundschreiben „LIBERTAS PRAESTANTISSIMUM“, 20. Juni 1888

Die Freiheit 1, dieses so köstliche Gut der Natur, nur den Wesen zu eigen, die mit Erkenntniskraft oder Ver­nunft begabt sind, verleiht dem Menschen die besondere Würde, über sich selbst zu verfügen und Herr seiner Handlungen zu sein. Es kommt aber sehr darauf an, wie man sich dieser Würde bedient, da aus dem Gebrauch der Freiheit die höchsten Güter, aber auch die größten Übel erwachsen. Gewiß steht es in des Menschen Macht, der Vernunft zu gehorchen, das sittlich Gute zu wählen und geraden Wegs sein höchstes Ziel zu verfolgen. Doch kann der­selbe auch nach jeder Richtung hin abirren: er kann einem trügerischen Scheingute folgen und so die sittliche Ordnung stören und sich freiwillig ins Verderben stürzen.

Jesus Christus, der Erlöser des Menschengeschlechtes, der die ursprüngliche Würde der Natur wiederherstellte und vervollkommnete, hat hierdurch den Willen des Menschen selbst außerordentlich gestählt, und durch die Gnadenhilfe hienieden, wie durch die versprochene ewige Seligkeit im Himmel ihn auf noch Höheres hingelenkt. In ähnlicher Weise hat sich die katholische Kirche um dieses hohe Gut der Natur verdient gemacht und wird stets ihre Verdienste um dasselbe haben, da ihr ja die Aufgabe geworden ist, die uns durch Jesus Christus verliehenen Wohltaten durch alle Zeiten hindurch dem Menschengeschlechte zu vermitteln. Nichtsdestoweniger gibt es viele, welche glauben, die Kirche sei eine Feindin der menschlichen Freiheit. Schuld an dieser Erscheinung ist ein gewisses verkehrtes und falsches Urteil über die Freiheit selbst. Jene fälschen nämlich den richtigen Begriff der Freiheit oder dehnen ihn über Gebühr aus, so daß sie in den Bereich der Freiheit sehr vieles ver­weisen, worin der Mensch, nach dem Urteil der gesunden Vernunft, nicht frei sein kann.

An anderer Stelle haben Wir, namentlich in dem Rundschreiben Immortale Dei 2, von den sogenannten neuzeitlichen Freiheiten gesprochen und das Richtige vom Falschen geschieden; zugleich haben Wir gezeigt, wie das, was an jenen Freiheiten gut ist, so alt ist wie die Wahrheit selbst, und wie die Kirche dieses zu allen Zeiten freudig anerkannt hat und immer anzuwenden pflegte. Was Neues hinzukam, bildet, wenn Wir es auf den Wahrheitsgehalt prüfen, einen gewissen ver­dorbenen Bestandteil, der seinen Ursprung in den wirren Zeitverhältnissen und in einer wahren Sucht nach Neuerungen hat.

Da jedoch viele hartnäckig an der Meinung festhalten, als seien jene Freiheiten auch in dem, was sie Verdorbenes enthalten, die höchste Zier unseres Jahrhunderts und die notwendige Grundlage, auf der die Staaten ruhen, so daß ohne sie eine vollkommene Staatsregierung nicht denkbar sei, darum erscheint es Uns mit Rücksicht auf das öffentliche Wohl notwendig, diese Frage besonders zu erörtern.

Wir sprechen geradewegs von der sittlichen Freiheit, wie Wir sie sowohl bei den Einzelpersonen als auch im Staatsleben finden.

Zunächst dürfte es doch gut sein, einiges über die natürliche Freiheit vorauszuschicken, da sie, obgleich von der sittlichen Freiheit gänzlich verschieden, doch die ursprüngliche Quelle ist, aus welcher jegliche Art von Freiheit von selbst aus eigener Kraft sich herleitet. Nach dem allgemeinen Urteil und nach der gemeinsamen Über­zeugung — welche ganz sicher die Stimme der Natur ist — findet sich dieselbe nur in den mit Verstand und Vernunft begabten Wesen; in ihr liegt vor allem der Grund, warum der Mensch in Wahrheit der Herr seiner Handlungen genannt werden muß. Mit vollem Recht! Denn während die anderen Lebewesen nur durch ihre Sinne geleitet werden, und triebmäßig finden, was ihnen nützlich, und fliehen, was ihnen schädlich ist, so bedient sich der Mensch bei jeder seiner Handlungen der Vernunft als Führerin. Die Vernunft aber erkennt, daß alle Güter dieser Welt, insgesamt oder einzeln ge­nommen, sein und auch nicht sein können; und eben hierdurch sieht sie ein, daß uns keins von allen unbedingt notwendig ist und verleiht damit dem Willen die Möglich­keit, frei zu wählen, was ihm gefällt.

Über diese sogenannte Zufälligkeit der genannten Güter steht aber deshalb dem Menschen ein Urteil zu, weil er eine ihrer Natur nach einfache, geistige und des Denkens fähige Seele besitzt. Dieser Geist stammt aber wegen dieser seiner Beschaffenheit nicht aus der Körper­welt, noch hängt er in seinem Bestand von ihr ab; viel­mehr ist er unmittelbar von Gott erschaffen, ist hoch erhaben über der den Körpern eigentümlichen Daseins­form und hat seine eigene Lebens- und Handlungsweise. So erkennt er, vermöge seiner Urteilskraft, die unwandel­baren und notwendigen Ideen des Wahren und Guten und sieht ein, daß jene Einzelgüter ihm durchaus nicht notwendig sind. Da also der menschliche Geist existiert, ohne mit Körperlichem vermischt zu sein, und er hier­durch die Denkkraft besitzt, so bildet dieses das sicherste Fundament für die natürliche Freiheit.

Wie die Einfachheit, Geistigkeit und Unsterblichkeit der menschlichen Seele, so verkündet auch niemand lauter die Freiheit und verteidigt sie standhafter als die katholische Kirche, welche zu jeder Zeit beide Wahrheiten als Dogmen gelehrt hat und noch heute in Schutz nimmt. Und damit noch nicht genug: die Kirche hat auch gegen­über den Irrlehrern und neuerungssüchtigen Menschen die Verteidigung der Freiheit übernommen und dadurch dieses hohe Gut des Menschen vor dem Verderben gerettet. Mit welchem Eifer sie auf diesem Gebiete die unsinnigen Bestrebungen der Manichäer und anderer zurückgewiesen, davon legen die Geschichtsbücher Zeugnis ab; wie mutig und wie siegreich sie in neuerer Zeit auf dem Konzil von Trient und später gegen die Jansenisten für die menschliche Willensfreiheit kämpfte, ist allgemein bekannt; nie und nirgends ließ sie den blinden Schicksals­glauben, den Fatalismus, festen Fuß fassen.

Diejenigen besitzen also, wie gesagt, Freiheit, welche mit Vernunft und Verstand begabt sind. Diese ist, wenn wir ihr Wesen betrachten, nichts anderes als die Fähig­keit, Zweckdienliches zu wählen; wer nämlich eines unter vielen auswählen kann, der ist Herr seiner Handlungen.

Weil nun alles, was wir zur Erreichung eines Zweckes wählen, ein Gut ist, das wir ein nützliches zu nennen pflegen, da ferner jedes Gut seiner Natur nach das Ver­langen erregt, so ist die Freiheit eine Fähigkeit des Willens oder vielmehr der Wille selbst, insofern er, wenn er handelt, zu wählen vermag. Niemals jedoch wird der Wille angeregt, wenn nicht die Erkenntnis des Verstandes gleichsam wie eine Fackel ihm voranleuchtet; ein Gut nämlich, wonach der Wille verlangt, kann nur ein Gut sein, insofern es von dem Verstande als solches erkannt wird. Und dies um so mehr, als bei jedem Willensakt das Urteil sowohl über die Echtheit der Güter als auch darüber, welches Gut den anderen vorzuziehen ist, immer der Wahl vorausgeht.

Urteilen ist aber Sache des Verstandes und nicht des Willens, darüber besteht kein Zweifel. Wenn also die Freiheit eine Fähigkeit des Willens ist, der seinem Wesen nach ein Begehren bedeutet, das der Vernunft gehorcht, so folgt daraus, daß auch die Freiheit, wie der Wille selbst, sich nur beziehen kann auf ein Gut, das vom Verstande erkannt wird. Beide Vermögen sind aber unvollkommen; es kann mithin geschehen, und es geschieht auch oft, daß der Verstand dem Willen ein Gut vorstellt, das keineswegs ein wahres Gut ist, das vielmehr nur den trügerischen Schein des Guten besitzt, nach dem alsdann der Wille verlangt.

Sich irren können und sich wirklich irren, ist ein Fehler, der nur die Unvollkommenheit unseres Ver­standes beweist; wenn auch das Verlangen nach einem trügerischen und nur scheinbaren Gute ein Beweis unserer Freiheit ist, wie auch krank sein noch ein Beweis des Lebens bleibt, so ist jenes Verlangen doch ein gewisser Mangel der Freiheit. Dadurch also, daß der Wille vom Verstande abhängig ist, verdirbt er, wenn er etwas der gesunden Vernunft Widersprechendes anstrebt, durch diesen Fehler die Freiheit in ihrer Wurzel und begeht einen Mißbrauch derselben. Aus eben diesem Grunde besitzt Gott, der unendlich Vollkommene, der die höchste Weisheit und die wesenhafte Güte selbst ist, die höchste Freiheit und kann das sittlich Böse in keiner Weise wollen; ebensowenig können es die Seligen des Himmels, da sie die Anschauung des höchsten Gutes besitzen. Sehr richtig haben der hl. Augustinus und andere den Pelagianern gegenüber bemerkt: wenn das Vermögen zu sündigen zum Wesen und zur Vollkommenheit der Freiheit gehörte, so wären Gott, Jesus Christus, die Engel und Seligen, denen allen dieses Vermögen fehlt, entweder nicht frei, oder doch weniger vollkommen, als der unvollkommene Mensch, so lange er auf Erden wandelt. Über dieses Thema hat der hl. Thomas sich oftmals des Weiteren ausgesprochen, woraus mit zwingender Folgerichtigkeit hervorgeht, daß die Fähigkeit zu sündigen keine Freiheit ist, sondern Knechtschaft. Sehr scharfsinnig bemerkt er zu den Worten Christi, unseres Herrn: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht 3: «Jedes ist das, was ihm seiner Natur nach zukommt. Wenn es also von einem anderen, was außer ihm liegt, bewegt wird, handelt es nicht aus sich, sondern infolge der Einwirkung eines anderen; das aber ist knechtisch. Der Mensch ist seiner Natur nach ein vernünftiges Wesen. Wenn er sich also von seiner Vernunft leiten läßt, so wird er aus eigenem Antrieb bewegt und handelt selbständig; das ist ein Zeichen der Freiheit; wenn er aber sündigt, so handelt er nicht nach seiner Vernunft und wird alsdann gleichsam von einem anderen bewegt und von fremden Schranken beengt: und darum heißt es, wer Sünde tut, ist der Sünde Knecht.» 4

Selbst die Philosophie der Alten hat dies klar genug erkannt; insbesondere jene, welche lehrten: nur der Weise ist frei; für einen Weisen hielten sie aber nur den, der gelernt hatte, stets naturgemäß zu handeln, d. h. sittlich und tugendhaft.

Da es sich mit der menschlichen Freiheit also verhält, so mußte sie gestählt werden durch entsprechende Hilfs- ­und Schutzmittel, durch welche ihre ganze Tätigkeit auf das Gute hin- und vom Bösen abgelenkt werde; andernfalls hätte die Willensfreiheit dem Menschen zum großen Schaden gereichen können.

Zunächst war also das Gesetz notwendig, jene Regel für das, was zu tun und zu lassen ist; hiervon kann bei jenen Lebewesen keine Rede sein, welche mit Notwendig­keit handeln, weil sie bei all ihrem Tun dem Drange der Natur folgen und anders aus sich selbst überhaupt sich nicht betätigen können. Die vernünftigen Wesen jedoch haben eben deswegen, weil sie Freiheit besitzen, es in der Gewalt, zu handeln oder nicht zu handeln, so oder anders zu handeln; sie wählen ja, was sie wollen, und es geht der Wahl jenes Urteil der Vernunft voraus. Dieses Urteil sagt nicht bloß, was der Natur nach sittlich, was unsittlich ist, sondern auch was gut und zu tun ist, sowie was schlecht und zu meiden ist; die Vernunft schreibt nämlich dem Willen vor, wonach er verlangen darf, und was er zu meiden hat, damit der Mensch der­einst sein letztes Ziel erreichen kann, auf welches alles hingeordnet werden muß. Diese Ordnung der Vernunft heißt Gesetz.

Der letzte Grund, warum dem Menschen ein Gesetz notwendig ist, liegt mithin in dem freien Willen; unsere Willensentschlüsse sollen nämlich mit der rechten Vernunft im Einklange stehen. Nichts ist deshalb so falsch und so unsinnig, wie die Behauptung, der Mensch dürfe die Fessel des Gesetzes nicht tragen, weil er von Natur aus frei ist. Wenn das wahr wäre, so würde daraus notwendig folgen, zur Freiheit gehöre, daß sie mit der Vernunft nichts zu tun habe; gerade das Gegenteil ist zweifellos richtig: deshalb muß der Mensch durch das Gesetz geleitet werden, weil er von Natur aus frei ist. Auf diese Weise wird das Gesetz für den Menschen ein Führer bei all seinen Handlungen: es lockt ihn zum Guten durch den Lohn, den es verspricht, und schreckt ihn vom Bösen ab durch die Strafe, die es androht.

Ein solches Gesetz ist an erster Stelle das Naturgesetz, welches geschrieben steht und eingegraben ist in die Seele jedes einzelnen Menschen; es ist nämlich die menschliche Vernunft selbst, die das Gute befiehlt und das Böse verbietet.

Diesem Gebote der menschlichen Vernunft kann aber die Bedeutung eines Gesetzes nur zukommen, weil es die Stimme und die Dolmetscherin jener höheren Vernunft ist, der unser Geist und unsere Freiheit zu gehorchen hat. Da die Macht des Gesetzes darin besteht, Pflichten auf­zuerlegen und Rechte zu erteilen, so beruht dieselbe ganz auf der Autorität, d. h. in der wahren Gewalt, sowohl Pflichten und Rechte zu bestimmen als die Befehle mit Strafe und Lohn zu bekräftigen. Es ist klar, dies alles könnte beim Menschen nicht geschehen, wenn nicht Gott es wäre, der als oberster Gesetzgeber ihm für seine Handlungen diese Norm gegeben. Daraus folgt, daß das Naturgesetz ein und dasselbe ist wie das ewige Gesetz, welches den vernünftigen Wesen angeboren ist und sie hinlenkt auf das rechte Tun und Ziel ; es ist nämlich die ewige Vernunft Gottes selbst, des Schöpfers und Lenkers der ganzen Welt.

Mit dieser Regel für unser Handeln und diesem Zügel gegen die Sünde sind durch Gottes Güte noch einige besondere Schutzmittel verbunden, die sehr geeignet sind, den menschlichen Willen zu kräftigen und zu leiten. Unter diesen ragt an erster Stelle die Macht der göttlichen Gnade hervor; dadurch, daß sie den Verstand erleuchtet und den Willen zu heilsamer Standhaftigkeit stählt, sodaß dieser stets zum sittlich Guten angetrieben wird, bewirkt sie, daß wir von unserer angeborenen Freiheit leichter und sicherer den richtigen Gebrauch machen. Es ist also durch­aus falsch, wenn man behauptet, daß durch die Einwirkung Gottes unsere Willensakte weniger frei würden; denn die Kraft der göttlichen Gnade wirkt innerlich im Menschen und zwar ganz entsprechend seiner natürlichen Neigung, da sie von dem Urheber unserer Seele und unserer Freiheit ausgeht, von dem jedes Wesen seiner Natur ent­sprechend bewegt wird. Ja, gerade dadurch, bemerkt der hl. Thomas, daß die Einwirkung vom Schöpfer der Natur ausgeht, ist sie in wunderbarer Weise wie geschaffen und geeignet, jegliche Natur in ihrem Wesen zu schützen, und deren eigentümliche Handlungsweise, Kraft und Wirksamkeit zu erhalten.

Was hier von der Freiheit des Einzelnen gesagt ist, kann ohne Mühe auf jene angewandt werden, die in gesellschaftlichem Verbande leben. Was nämlich Vernunft und Naturgesetz für die einzelnen Menschen bedeuten, das besorgt in der Gesellschaft das zum Gemeinwohl aller Bürger erlassene menschliche Gesetz.

Einige von diesen menschlichen Gesetzen beziehen sich auf das, was von Natur aus gut oder böse ist; sie gebieten das eine zu tun und das andere zu lassen und fügen gleichzeitig die notwendige Vergeltung hinzu.

Die Quelle dieser Gesetze ist aber keineswegs die menschliche Gesellschaft, denn die Gesellschaft ist nicht der Ursprung der menschlichen Natur, folglich entscheidet sie auch nicht, was der Natur entsprechend, d. h. gut, noch was der Natur widersprechend, d. h. bös ist. Gut und Bös ist vielmehr früher als die menschliche Gesellschaft und hat seinen Ursprung durchaus nur in dem Naturgesetz und infolgedessen in dem ewigen Gesetz. Die Gebote des Naturgesetzes also besitzen, wenn sie auch unter die menschlichen Gesetze aufgenommen sind, nicht bloß die Bedeutung eines menschlichen Gesetzes, sie sind vielmehr ausgerüstet mit jener viel höheren und erhabeneren Gewalt, welche von dem Naturgesetze selbst und dem ewigen Gesetze ausgeht. Und in Bezug auf diese Art Gesetze ist es eben das Amt des bürgerlichen Gesetz­gebers, unter Anwendung der allgemeinen Rechtsordnung die Bürger im Gehorsam zu erhalten, übelgesinnte und zum Laster neigende Menschen zu zügeln, damit sie vom Bösen abgeschreckt und zum Rechten hingelenkt werden oder dem gesamten Volke doch wenigstens nicht zum Ärgernis und zum Schaden gereichen.

Andere Gesetze der bürgerlichen Obrigkeit aber fließen nicht unmittelbar und zunächst aus dem Natur­recht ab, sondern nur in weiterem Abstande und mittel­bar; sie bestimmen verschiedene Dinge näher, für welche durch die Natur nur allgemein und vom großen Ganzen her gesorgt ist. So befiehlt z. B. das Naturgesetz, daß die Bürger sorgen müssen für die öffentliche Ruhe und Wohlfahrt; wie viel sie beisteuern müssen, in welcher Weise, was sie zu leisten haben, wird nicht durch das Naturgesetz, sondern durch menschliche Weisheit genauer bestimmt. Hat man nach dem Maßstabe menschlicher Klugheit solche bestimmte Lebensregeln gefunden, und werden diese von der gesetzmäßigen Obrigkeit vor­geschrieben, so bilden sie ein menschliches Gesetz im eigentlichen Sinne des Wortes. Dieses Gesetz ordnet alle Staatsbürger auf den Zweck des Gemeinwesens hin und verbietet ihnen ein Abweichen davon ; insofern es nämlich den Spuren des Urgesetzes folgt und mit ihm übereinstimmt, leitet es sie zum Ehrenhaften hin und schreckt vom Gegenteil ab. Daraus erkennt man, daß durchwegs Richtschnur und Regel der Freiheit im ewigen Gesetze Gottes sind, nicht nur für die einzelnen Menschen, sondern auch für die menschliche Gemeinschaft und Bindung. In einer menschlichen Gesellschaft besteht also die wahre Freiheit nicht darin, daß du tun kannst, was dir beliebt, daraus würde ja nur die größte Ver­wirrung und Unordnung entstehen und der Staat zu Grunde gerichtet werden, sondern vielmehr darin, daß du vermittels der bürgerlichen Gesetze desto leichter nach den Geboten des Naturgesetzes zu leben vermagst.

Und für die Vorgesetzten besteht die Freiheit nicht darin, daß sie nach Belieben drauflos befehlen können — das wäre ebenso unrecht und mit größter Gefahr für den Staat verbunden —, sondern die Bindungskraft der menschlichen Gesetze soll aus der Erkenntnis erstehen, daß sie ein Ausfluß des ewigen Gesetzes sind und nichts vorschreiben, was nicht in ihm als der Quelle jeglichen Rechtes enthalten wäre, wie sie ein Ausfluß des ewigen Gesetzes sind und nichts vorschreiben, was nicht in ihm als der Quelle jeglichen Rechtes enthalten ist. Sehr weise bemerkt hierzu der hl. Augustinus: «Ich glaube, du erkennst auch, daß in jenem zeitlichen (Gesetze) nichts gerecht und gesetzmäßig ist, das die Menschen nicht aus dem ewigen (Gesetze) entnommen hätten.» 5 Würde also irgend eine Obrigkeit etwas befehlen, das im Wider­spruch stände mit den Grundsätzen der gesunden Vernunft und dem Staate schädlich wäre, so hätte es keine Gesetzes­kraft, weil es keine Regel der Gerechtigkeit wäre und die Menschen dem Guten entfremden würde, zu dessen Erreichung die Gemeinschaft doch da ist.

Ob die menschliche Freiheit in dem Individuum oder in der Gesellschaft, ob sie in denen, die befehlen, oder in denen, die gehorchen, betrachtet wird, zu ihrem Wesen gehört notwendig, daß sie jener höchsten und ewigen Vernunft unterworfen ist, die nichts anderes ist als die Au­torität Gottes, der befiehlt und verbietet. Diese allgerechte Herrschaft Gottes über die Menschen hebt so wenig die Freiheit auf oder mindert sie, daß sie dieselbe vielmehr schützt und vervollkommnet. Die wahre Vollkommenheit jeglichen Wesens besteht ja darin, daß es nach seinen Ziele strebt und es erreicht ; das höchste Ziel aber, das der Mensch in seiner Freiheit anstreben soll, ist Gott.

Diese wahren und erhabenen Grundsätze, welche wir selbst mit dem bloßen Licht unserer Vernunft erkennen, hat die Kirche, durch das Beispiel und die Worte ihres göttlichen Stifters belehrt, allüberallhin verbreitet und festgehalten; niemals hat sie aufgehört, diesen Lehrer gemäß ihr Amt zu verwalten und die christlichen Völker zu unterrichten. Auf dem sittlichen Gebiete überragen die Gebote des Evangeliums nicht bloß alle Weisheit der Heiden, sie rufen auch den Menschen auf zu einer den Alten unbekannten sittlichen Vollkommenheit und leiten ihn dazu an, bringen ihn Gott näher und verleihen ihm dadurch eine viel vollkommenere Freiheit.

So besaß die Kirche augenscheinlich stets eine außerordentliche Macht, die bürgerliche und politische Freiheit der Völker zu schützen und zu schirmen. Es ist nicht nötig, ihre Verdienste nach dieser Richtung hin aufzuzählen. Es genügt, daran zu erinnern, daß hauptsächlich durch die Bemühungen und die wohltätige Mitwirkung der Kirche die Sklaverei abgeschafft wurde, jene alte Schmach der heidnischen Völker. Die Rechtsgleichheit aller, wie die wahre Brüderlichkeit der Menschen unter einander, hat Jesus Christus zuerst vor allen anderen gepredigt; die Stimme seiner Apostel war nur das Echo dieser Lehre, da sie predigten: es sei kein Jude mehr, noch Grieche, noch Barbar, noch Scythe, sondern alle seien Brüder in Christus 6. So groß und so bekannt ist der Einfluß der Kirche in dieser Beziehung, daß dort, wohin immer sie ihren Fuß setzt, erfahrungsgemäß die Wildheit der Bewohner nicht lange mehr bestehen kann; es folgt gar bald auf Grausamkeit Milde und auf die Finsternis der Barbarei das Licht der Wahrheit. Die Kirche hat aber nie nachgelassen, auch den bereits gebildeten Völkern große Wohltaten dadurch zu erweisen, daß sie der Willkür gottloser Menschen sich entgegenstellte, oder daß sie Unschuldige und Schwache vor drohendem Unheil be­wahrte, oder endlich dadurch, daß sie sich redlich bemühte, in den Staaten eine solche Verfassung zur Herrschaft zu bringen, welche die Guten wegen ihrer Gerechtigkeit hochschätzten, die Fremden aber wegen ihrer Stärke fürchteten.

Außerdem ist es zweifellos eine strenge Pflicht, der Autorität die schuldige Ehrfurcht zu bezeigen und sich den gerechten Gesetzen in Gehorsam zu unterwerfen: so werden die guten Bürger vermittels der Macht und Wachsamkeit bei Ausübung der Gesetze vor Ungerechtig­keiten von seiten der Übeltäter beschützt. Die recht­mäßige Gewalt stammt von Gott, und wer der Gewalt widersteht, widersteht dem Willen Gottes 7; auf diese Weise erhält der Gehorsam eine ganz erhabene Würde, da er der gerechtesten und höchsten Autorität geleistet wird. Wo aber das Recht zu befehlen nicht vorhanden ist, oder wo etwas befohlen wird, was der Vernunft, dem ewigen Gesetze, dem Gebote Gottes zuwider ist, ist es recht, nicht zu gehorchen, nämlich den Menschen nicht zu gehorchen, damit Gott der schuldige Gehorsam geleistet werde. Hierdurch ist der Tyrannei der Zugang versperrt und die weltliche Obrigkeit angewiesen, daß sie nicht alles an sich ziehe, dem einzelnen Bürger sind seine Rechte sichergestellt, ebenso der Familie wie allen Mitgliedern des Staatswesens; jedem wird das Maß seiner wahren Freiheit gegeben, das, wie wir gezeigt haben, darin besteht, daß ein jeder nach den Gesetzen und nach der gesunden Vernunft leben kann.

Wenn man, so oft überhaupt von Freiheit die Rede ist, darunter die gesetzmäßige und sittliche Freiheit ver­stände, wie die gesunde Vernunft und Unsere Darlegung sie erwiesen haben, würde niemand es wagen, die Kirche zu tadeln. Leider geschieht es, indem man ihr in höchst ungerechter Weise den Vorwurf macht, sie sei eine Feindin der Freiheit des Einzelnen oder des Staates. Sehr viele folgen dem Beispiele Luzifers, der das gottlose Wort sprach: Ich will nicht dienen 8, und streben im Namen der Freiheit eine unsinnige Zügellosigkeit an. Dazu ge­hören die Anhänger jener so weit verbreiteten und so mächtigen Schule, die Liberale genannt werden wollen, indem sie ihren Namen von der Freiheit (libertas) herleiten.

In der Tat, was die Naturalisten oder Rationalisten in der Philosophie anstreben, das wollen auf dem Gebiete des sittlichen und des bürgerlichen Lebens die Anhänger des Liberalismus erreichen, indem sie die von den Natu­ralisten aufgestellten Grundsätze auf das sittliche Ver­halten und Tun im Leben anwenden. Die Grundidee des ganzen Rationalismus ist aber die Oberherrlichkeit der menschlichen Vernunft, welche der göttlichen und ewigen Vernunft den Gehorsam verweigert, sich unab­hängig erklärt und sich selbst zum obersten Prinzip, zur Quelle und zum Richter aller Wahrheit aufwirft.

Die genannten Anhänger des Liberalismus erklären also, daß es keine göttliche Gewalt über uns gebe, der wir im Leben zu gehorchen hätten, jeder sei vielmehr sich selbst Gesetz. Daraus ist jene sogenannte unabhängige Lebensanschauung entstanden, welche unter dem Scheine der Freiheit den Willen von der Heilighaltung der Gebote Gottes entbindet und dem Menschen eine grenzenlose Zügellosigkeit zu gewähren pflegt.

Es ist leicht vorauszusehen, wohin dies alles besonders in der menschlichen Gesellschaft führen muß. Steht einmal die Überzeugung fest, daß der Mensch niemandem untersteht, so folgt von selbst, daß die Ursache, durch welche eine bürgerliche oder staatliche Vereinigung zustande kommt, nicht in einer Macht, die außer oder über dem Menschen steht, zu suchen ist, sondern einzig und allein in dem freien Willen der Einzelnen; dann stammt die öffentliche Gewalt ebenfalls in ihrem letzten Ursprunge vom Volke; und da ferner die Vernunft des Einzelnen für ihn die einzige Führerin und Richtschnur des persönlichen Handelns ist, so muß die Vernunft der Gesamtheit die einzige Richtschnur des öffentlichen Lebens für alle sein. Infolgedessen hat die größere Masse auch die größere Macht und die Mehrheit des Volkes ist es, welche die öffentlichen Rechte und Pflichten bestimmt. Aus dem Gesagten folgt, wie unvernünftig dies ist. Es widerspricht ganz und gar der Natur, nicht bloß des Menschen, sondern auch aller anderen Geschöpfe, wenn man kein Band annehmen will, das den einzelnen Menschen oder die bürgerliche Gesellschaft mit Gott dem Schöpfer und folglich mit dem höchsten Gesetzgeber aller verknüpft. Denn alle geschaffenen Dinge müssen notwendigerweise mit der Ursache ihres Daseins in irgend einem Zusammen­hange stehen; es gehört zum Wesen der Dinge, ja es gereicht zur Vervollkommnung jedes Wesens, die Stelle und Stufe einzunehmen, welche der natürlichen Ordnung gemäß ist: daß nämlich das Niedere dem Höheren unter­worfen sei und ihm gehorche.

Außerdem ist jene Lehre für den Einzelnen wie für die Staaten äußerst verhängnisvoll; denn in der Tat, wenn einzig und allein die menschliche Vernunft über Gut und Bös zu entscheiden hat, wird jeder Unterschied zwischen Gut und Bös aufgehoben; es würde das Unsitt­liche vom Sittlichen sich nicht dem Wesen nach unter­scheiden, der Unterschied wäre von der Meinung und dem Urteil des Einzelnen abhängig; was gefiele, wäre auch erlaubt. Diese sittliche Ordnung, die zur Bezähmung und Unterdrückung der stürmischen Leidenschaften fast keine Macht besitzt, würde von selbst zu jeglicher Sitten­verderbnis führen. Im öffentlichen Leben löst sich alsdann die obrigkeitliche Gewalt los von ihrem wahren und natürlichen Ursprung, aus dem sie alle wirksame Kraft für das Gemeinwohl schöpft. Das Gesetz, das zu bestimmen hat, was zu tun und zu lassen ist, ist der Willkür der Masse überantwortet, was der geradeste Weg zur Willkürherr­schaft ist. Ist einmal die Oberherrlichkeit Gottes über den Menschen und über die menschliche Gesellschaft abgeschafft, so folgt von selbst, daß es öffentlich keine Religion mehr gibt und alles, was auf Religion Bezug hat, gänzlich vernachlässigt wird. Ebenso wird die Menge, gestützt auf ihre vermeintliche Gewalt, leicht zu Empörung und Aufruhr sich erheben, und sind die Bande der Pflicht und des Gewissens zerrissen, so bleibt nichts als die rohe Gewalt mehr übrig, die aber für sich allein nicht stark genug ist, die Volksleidenschaft zu zügeln. Zur Genüge bezeugt uns dies der fast ständige Kampf gegen die Sozialisten und andere aufruhrlüsterne Bewegungen, die seit langem sich mühen, die Staaten von Grund auf zu erschüttern.

Es mögen also vorurteilsfreie Männer selbst entschei­den, ob solche Lehren dazu beitragen, dem Menschen die wahre und seiner würdige Freiheit zu erhalten, oder ob sie vielmehr dieselbe verdrehen und ganz zu Grunde richten.

Es ist gewiß, daß nicht alle Anhänger des Liberalismus diesen Ansichten voll und ganz zustimmen, da sie doch durch ihre Ungeheuerlichkeit Schrecken einflößen und wie wir gesehen haben, offensichtlich falsch sind und die Wurzel der allergrößten Übel bilden. Gezwungen durch die Macht der Wahrheit, gestehen manche ein, ja behaupten es mit Nachdruck, das sei eine falsche Freiheit und werde zur Zügellosigkeit, wenn dieselbe es in ihrem Ungestüm wagt, Wahrheit und Gerechtigkeit zu mißachten. Deshalb müsse sie stets von der gesunden Vernunft gelenkt und geleitet werden und müsse sich folgerichtig auch beugen vor dem Naturgesetz und dem ewigen göttlichen Gesetze. Aber hier, glauben sie, müsse man stehen bleiben, und leugnen, daß der freie Mensch sich auch den Gesetzen zu unterwerfen habe, die Gott auf eine andere Weise als durch die natürliche Vernunft uns vorschreibe.

Doch in diesen Worten widersprechen sie sich selbst. Denn ist es wahr, was jene auch zugeben, und was von keinem vernünftigerweise geleugnet werden kann, daß wir dem Willen Gottes, des Gesetzgebers, zu gehorchen haben, weil der ganze Mensch in Gottes Gewalt steht und zu Gott hinstrebt, ist das wahr, so folgt daraus, daß keiner der gesetzgebenden Autorität Gottes Maß und Weise vorschreiben kann, ohne sich gegen den schuldigen Gehorsam zu verfehlen. Ja, wenn der mensch­liche Geist in seiner Anmaßung so weit geht, daß er selbst bestimmen will, welches und wie groß die Rechte Gottes und welches die Pflichten des Menschen sind, so hat er mehr dem Scheine als der Wirklichkeit nach eine wahre Ehrfurcht vor den göttlichen Gesetzen, und an Stelle der Hoheit und Vorsehung Gottes gilt ihm nur noch sein eigener Wille. Als unsere Lebensnorm haben wir mithin in ständiger Ehrerbietigkeit sowohl das ewige Gesetz, als alle jene einzelnen Gebote zu be­trachten, die der unendlich weise und allmächtige Gott nach der von ihm gewählten Weise gegeben hat; wir können dieselben an klaren und unbezweifelbaren Merk­malen sicher erkennen. Und dies um so mehr, als die Gesetze dieser Art vollkommen mit unserer Vernunft übereinstimmen und das Naturgesetz vervollkommnen, da sie mit dem ewigen Gesetz sowohl den Ursprung als auch den Gesetzgeber gemeinsam haben. Diese Gesetze enthalten nämlich eine Belehrung Gottes selbst an uns, der uns gnädig lenkt und leitet, damit unser Geist und Wille nicht auf Abwege gerate. So muß denn heilig und unverletzt vereinigt bleiben, was nicht getrennt werden darf noch kann, und in allem müssen wir, wie die natür­liche Vernunft selbst es vorschreibt, Gott gehorsam und zu Diensten ergeben sein.

Etwas gemäßigtere Ansichten, aber ebenso wider­sprechende, vertreten jene, die behaupten, Leben und Sitte des Einzelnen hätten sich nach dem Willen der göttlichen Gesetze zu richten, nicht aber das öffentliche Leben im Staate; es sei erlaubt, in staatlichen Dingen von den Geboten Gottes abzuweichen, auch brauche man bei der Gesetzgebung darauf keinerlei Rücksicht zu nehmen. Daraus ergibt sich jene verhängnisvolle Folgerung, Staat und Kirche seien zu trennen.

Doch ist nicht schwer einzusehen, wie töricht diese Behauptung ist. Die Natur selbst belehrt uns, daß der Staat den Bürgern die Mittel und Wege bereiten muß zu einem sittlichen Leben, d. h. zu einem Leben nach Gottes Gesetzen, weil Gott der Ursprung aller Sittlichkeit und Gerechtigkeit ist; es ist demnach der größte Wider­spruch, zu behaupten, der Staat habe sich um diese Gesetze nicht zu kümmern, oder er dürfe sogar etwas dagegen bestimmen.

Außerdem hat die staatliche Obrigkeit die Pflicht, nicht bloß für die äußere Wohlfahrt und äußeren An­gelegenheiten, sondern ganz besonders durch weise Gesetzgebung für die geistigen Güter Sorge zu tragen. Wir können uns aber nichts denken, was so sehr geeignet ist, diese Güter zu fördern als jene Gesetze, welche Gott zum Urheber haben; deshalb mißbrauchen jene, die bei der Staatsregierung keine Rücksicht auf die göttlichen Gesetze nehmen, die politische Macht entgegen ihrer Bestimmung und gegen das Gebot der Natur. Aber, wie Wir schon des öfteren erwähnt haben, noch wichtiger ist es, daß die bürgerliche Gewalt und die geistliche zuweilen einander entgegenkommen müssen, obgleich die bürgerliche Gewalt nicht dasselbe nächste Ziel im Auge haben noch dieselben Wege einschlagen kann, wie die geistliche. Sie besitzen nämlich beide Gewalt über dieselben Untertanen, und nicht selten müssen sie beide über dieselbe Sache bestimmen, wenngleich nicht in derselben Weise. So oft dieses stattfindet, muß es, da ein berechtigter Streit nicht möglich ist und dem allweisen Willen Gottes offenkundig zuwiderläuft, eine bestimmte Regel geben, durch welche die Ursache des Streites und Zwiespaltes beseitigt und ein einmütiges Vorgehen in diesen Sachen erzielt wird. Nicht mit Unrecht kann man diese Vereinigung vergleichen mit jener, welche zwischen Leib und Seele besteht und beiden zum Segen gereicht ; die Trennung ist namentlich für den Leib gefährlich, denn sie raubt ihm das Leben.

Um dies noch besser zu erkennen, müssen wir die verschiedenen Auswüchse der Freiheit, wie sie als For­derungen unserer Zeit genannt werden, im einzelnen genauer betrachten.

Richten wir zuerst unser Augenmerk auf das, was für die Einzelnen verlangt wird und was so sehr der Tugend der Religion widerstreitet, nämlich auf die sogenannte Kultusfreiheit. Sie besteht in ihrem innersten Wesen darin, daß es einem jeden überlassen bleibt, eine beliebige Religion oder auch gar keine zu bekennen.

Nun ist aber unter allen menschlichen Pflichten ohne Zweifel jene die höchste und heiligste, die uns Menschen befiehlt, Gott fromm und gläubig zu ehren. Es folgt dies notwendig daraus, daß wir stets in der Gewalt Gottes sind, durch Gottes Willen und Vorsehung geleitet werden und zu ihm zurückkehren müssen, von dem wir ausgegangen sind.

Dazu kommt, daß es keine wahre Tugend ohne Religion geben kann. Die Religion ist nämlich eine sittliche Tugend, welche jene Pflichten umfaßt, die sich auf das beziehen, was uns zu Gott hinführt, insofern er das höchste und letzte Gut ist; deshalb ist die Religion, «welche sich in dem betätigt, was direkt und unmittelbar auf die Ehre Gottes gerichtet ist» 9, die Fürstin und Leiterin aller Tugenden. Wenn aber die Frage aufgeworfen wird, welcher von den vielen bestehenden und sich wider­streitenden Religionen wir zu folgen haben, so antworten Vernunft und Natur: jener, die Gott vorgeschrieben hat. Die Menschen können dieselbe an gewissen äußern Merk­malen erkennen, mit denen die Vorsehung Gottes sie ausgezeichnet hat, da ein Irrtum in einer so wichtigen Sache die schlimmsten Folgen zeitigen müßte. Jene Frei­heit also, von der Wir hier reden, würde dem Menschen das Recht zugestehen, die heiligste Pflicht ungestraft zu verletzen und zu vergessen, um alsdann sich von dem unwandelbaren Guten dem Bösen zuzuwenden. Wir sagten schon, daß dies keine Freiheit ist, sondern das Verderben der Freiheit und die Knechtschaft des Geistes, der unter die Gewalt der Sünde geraten ist.

Wird diese Freiheit betrachtet, wie sie im Staatsleben sich darstellt, so behauptet man, der Staat habe keinerlei Grund, Gott zu verehren und öffentliche Gottesverehrung zu wünschen; kein Kultus dürfe dem anderen vorgezogen werden, alle seien als gleichberechtigt anzusehen ; auch sei auf das Volk keine Rücksicht zu nehmen, selbst da nicht, wo das Volk sich zur katholischen Religion bekennt. Dies könnte nur der Fall sein, wenn es wahr wäre, daß die bürgerliche Gesellschaft keine Pflichten gegen Gott besäße oder dieselben ungestraft verletzen könnte. Beides ist offenbar falsch; denn es kann nicht bezweifelt werden, daß die bürgerliche Gesellschaft durch Gottes Willen entstanden ist, mag man ihre Bestandteile, oder ihre Form, d. i. die Autorität, oder ihre Ursache oder endlich den großen Nutzen betrachten, den sie in reichem Maße den Menschen darbieten soll. Gott schuf den Menschen als gesellschaftliches Wesen und stellte ihn unter seines­gleichen, damit er das, was seine Natur verlangt, er aber allein nicht erlangen kann, in Gemeinschaft mit anderen sich erwerbe. Deshalb muß die bürgerliche Gesellschaft als Gesellschaft Gott als ihren Vater und Urheber an­erkennen und sich seiner Macht und Oberherrlichkeit in Ehrfurcht unterwerfen. Ein gottloser Staat oder, was schließlich auch auf Gottesleugnung hinausläuft, ein Staat, der, wie man sagt, gegen alle Religionen gleichmäßig wohlwollend gesinnt ist und allen ohne Unterschied die gleichen Rechte zuerkennt, versündigt sich gegen die Gerechtigkeit wie gegen die gesunde Vernunft.

Da im Staate notwendigerweise Einheit im religiösen Bekenntnisse bestehen muß, so hat er sich zu der Religion zu bekennen, welche die einzig wahre ist; diese ist, namentlich in katholischen Staaten, nicht schwer zu erkennen, da an ihr die Merkmale der Wahrheit hervor­leuchten. Diejenigen, die an der Spitze des Staates stehen, müssen demnach diese Religion erhalten und beschützen, wenn anders sie in kluger und nützlicher Weise das Wohl aller Bürger, wie es ihre Pflicht ist, fördern wollen. Die öffentliche Gewalt ist zum Wohle der Untertanen ein­gesetzt : und wenn sie auch zunächst die Aufgabe hat, die Bürger der irdischen Wohlfahrt des Lebens entgegen­zuführen, so soll sie doch nicht die Erlangung jenes höchsten und letzten Gutes, in dessen Besitz die ewige Seligkeit des Menschen besteht, erschweren, sondere erleichtern ; das können sie aber nicht, wenn sie die Religion vernachlässigen.

Aber das haben Wir schon an anderer Stelle ausführlicher besprochen; hier wollen Wir nur dies eine be­merken, daß eine solche Freiheit dem Herrscher wie den Untertanen höchst verderblich ist. Die Religion dagegen verbreitet einen wunderbaren Segen, da sie den Ursprung der Gewalt von Gott herleitet und den Fürsten auf’s nachdrücklichste einschärft, ihrer Pflichten eingedenk zu sein, nichts Ungerechtes und Hartes zu befehlen, mit Milde und gewissermaßen mit väterlicher Liebe zu regieren. Die Religion will auch, daß die Bürger der rechtmäßigen Obrigkeit als der bevollmächtigten Gottes untertänig sein sollen; sie verknüpft die Untertanen mit der Obrigkeit nicht allein durch das Band des Gehorsams, sondern auch durch das Band der Ehrfurcht und Liebe; sie ver­bietet den Aufruhr sowie jeden Versuch, die Ordnung und öffentliche Ruhe zu stören; beides gibt ja nur Veranlassung, die Freiheit der Bürger noch mehr ein­zuschränken. Wir wollen schweigen davon, wieviel die Religion zur Sittlichkeit beiträgt und wieviel die Sitt­lichkeit zur wahren Freiheit; denn die Vernunft beweist es, und die Geschichte bestätigt es : je sittlicher ein Staat ist, um so freier, reicher und mächtiger ist er auch.

Betrachten wir nun auch in Kürze die Rede- und Pressefreiheit. Wir brauchen kaum zu erwähnen, daß eine solche unbeschränkte, alles Maß und alle Schranken überschreitende Freiheit kein Recht auf Dasein besitzen kann. Das Recht ist nämlich eine sittliche Macht, und es ist daher töricht, zu glauben, es sei von der Natur unterschiedslos und in gleichem Maße sowohl der Wahrheit wie der Lüge, der Sittlichkeit wie dem Laster verliehen. Es besteht ein Recht: das, was wahr und sittlich ist, frei und weise im Staat auszubreiten, damit es möglichst vielen zu gute komme ; mit Recht unterdrückt aber die Obrigkeit, nach Vermögen lügenhafte Meinungen, diese größte Pest des Geistes, wie auch Laster, welche die Seele und die Sitten ver­derben, damit sie nicht zum Schaden des Staates um sich greifen.

Es ist in der Ordnung, daß durch die Autorität der Gesetze auch die Irrtümer eines ausschweifenden Geistes, die das unerfahrene Volk geradezu vergewaltigen, ebenso kräftig unterdrückt werden, wie die mit offener Gewalt an den Schwächeren verübten Ungerechtigkeiten. Und dies um so mehr, als sich der weitaus größere Teil des Volkes vor diesen Scheingründen und verfänglichen Trug­schlüssen, namentlich wenn sie der Leidenschaft schmei­cheln, gar nicht oder doch nur sehr schwer zu schützen vermag. Wird unbeschränkte Rede- und Pressefreiheit gestattet, so bleibt nichts mehr heilig und unverletzt; es werden selbst die höchsten und sichersten Urteile unserer natürlichen Vernunft nicht verschont bleiben, trotzdem sie doch das gemeinsame und kostbarste Erbgut des Menschengeschlechtes bilden. Wenn so allmählich die Wahrheit verdunkelt worden ist, gewinnen leicht vielfache und verderbliche Irrtümer die Oberhand. Die Zügellosigkeit wird dabei gerade so viel gewinnen, als die Freiheit Schaden leiden muß ; die Freiheit ist eben um so größer und um so gesicherter, je festere Zügel der Zuchtlosigkeit angelegt werden.

Über Fragen, in welchen Gott oder die Kirche kein letztes Wort gesprochen, welche Gott der freien Aus­sprache überlassen hat, kann jeder denken, was er will. Was er für recht hält, mag er auch aussprechen, das ist nicht von der Natur verboten. Denn diese Freiheit verleitet niemals die Menschen zur Unterdrückung der Wahrheit, vielmehr verhilft sie uns oft dazu, die Wahrheit zu finden und zu offenbaren.

Ähnlich ist die sogenannte Lehrfreiheit zu beurteilen.

Es ist klar, daß nur die Wahrheit das Recht hat, in den Geist einzudringen, da sie allein Gut, Ziel und Vollendung der vernünftigen Wesen ist; daher darf im Unterricht nur die Wahrheit vorgetragen werden, mag es sich um solche handeln, die die Wahrheit noch nicht kennen oder um solche, die sie schon wissen: den einen soll der Unterricht die Erkenntnis der Wahrheit bringen, bei den anderen soll er dieselbe schützen. Aus ebendemselben Grunde ist es offenbar die Pflicht der Lehrer, den Irrtum aus dem Geiste zu verbannen und den Weg zu falschen Meinungen durch sichere Schutz­mittel abzusperren. Es ist also klar, daß jene Freiheit, von der die Rede ist, der gesunden Vernunft widerspricht und nur geeignet ist, die Geister im Innersten zu ver­derben, insofern sie verlangt, jede beliebige Meinung nach Gutdünken lehren zu können. Ohne Pflichtverletzung kann der Staat diese Zügellosigkeit den Bürgern nicht gestatten. Dies gilt um so mehr, als der Einfluß des Lehrers bei seinen Zuhörern ein großer ist, und der Schüler selbst selten für sich allein beurteilen kann, ob das richtig ist, was der Lehrer vorträgt.

Deshalb muß auch diese Freiheit, soll sie eine sittliche sein, in bestimmten Grenzen gehalten werden, damit das Lehramt nicht ungestraft zu einer Quelle des Ver­derbens ausarte. Die Wahrheiten, über die allein sich der Unterricht zu erstrecken hat, sind teils natürliche, teils übernatürliche. Die natürlichen Wahrheiten, als da sind die obersten Grundsätze der Vernunft sowie die nächsten Schlußfolgerungen aus denselben, bilden gleich­sam das gemeinsame Erbgut des Menschengeschlechtes. Da auf ihnen, wie auf der einzig festen Grundlage, Sitte, Gerechtigkeit und Religion wie auch die Verbundenheit der menschlichen Gesellschaft ruht, so könnte nichts so gottlos und so über alle Begriffe unmenschlich sein als zuzulassen, daß diese Grundlage ungestraft verletzt und zerstört würde.

Mit derselben Ehrerbietigkeit ist jener überaus große und heilige Schatz von Wahrheiten zu bewahren, die wir durch Gottes Offenbarung kennen. Mit vielen und klaren Beweisen haben die Apologeten oft die Haupt­wahrheiten begründet, wie z. B. die Existenz einer gött­lichen Offenbarung, die Menschwerdung des eingeborenen Sohnes Gottes, welcher kam, um der Wahrheit Zeugnis zu geben; die Einsetzung der Kirche als einer voll­kommenen Gesellschaft, deren Haupt Christus selbst ist, und der er versprochen hat, bei ihr zu bleiben bis zum Ende der Welt. Dieser Gesellschaft hat er alle Wahr­heiten, die er selbst gelehrt, anvertraut mit dem aus­gesprochenen Willen, daß sie diese Wahrheiten bewahre, schütze und mit vollgültiger Autorität erkläre ; zugleich hat er befohlen, daß alle Völker seine Kirche wie ihn selbst hören sollen; die Zuwiderhandelnden soll ewiges Verderben treffen. Daraus ergibt sich, daß der Mensch in Gott seinen besten und zuverlässigsten Lehrer findet, der Quelle und Ursprung aller Wahrheit ist, sowie am Eingeborenen, der im Schoße des Vaters ist, der da ist der Weg, die Wahrheit, das Leben und das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, und auf dessen Wort alle gelehrig hören müssen: Und sie werden alle Gottes Schüler sein dürfen 10.

Auf dem Gebiete des Glaubens und der Sitten hat Gott die Kirche zur Teilnahme am göttlichen Lehramte bestimmt und sie nach seinem göttlichen Wohlgefallen mit Unfehlbarkeit ausgerüstet; deshalb ist sie die höchste und zuverlässigste Lehrerin der Menschen und besitzt das unverletzliche Recht auf Lehrfreiheit. In der Tat hat die Kirche, deren Lebenskraft in den von Gott emp­fangenen Lehren besteht, keine dringendere Sorge, als das ihr von Gott übertragene Amt auch treulich zu verwalten ; und mächtiger als alle sie umgebenden Hin­dernisse, hat sie niemals den Kampf für ihre Lehrfreiheit aufgegeben. So geschah es, daß der Erdkreis dem kläg­lichen Aberglauben entrissen und zur Weisheit des Chris­tentums wie neugeschaffen emporgeführt wurde.

Die Vernunft lehrt aber deutlich, daß die geoffenbarten göttlichen Wahrheiten und die natürlichen sich nicht widersprechen können, so daß, was jenen widerspricht, somit auch falsch sein muß. Darum ist das göttliche Lehramt nicht nur kein Hindernis für die Forschung und den wissenschaftlichen Fortschritt, noch verzögert es irgendwie die Entwicklung der menschlichen Kultur, sondern verleiht ihnen vielmehr reichliches Licht und sicheren Schutz. Aus eben demselben Grunde trägt sie nicht wenig bei zur Vervollkommnung der menschlichen Freiheit, da es die Lehre Jesu Christi, unseres Erlösers, ist, daß der Mensch durch die Wahrheit frei werde. Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen 11.

Es ist also kein Grund vorhanden, daß sich die wahre Freiheit beklagen könnte; noch auch können der Wissenschaft, sofern sie diesen Namen verdient, jene gerechten und notwendigen Gesetze schwer fallen, welche der Lehre des Einzelnen Schranken setzen, wie sie Kirche und Vernunft übereinstimmend fordern. Wenn auch die Kirche hierin besonders und zu allermeist den Schutz des christlichen Glaubens im Auge hat, so sucht sie doch auch jede menschliche Wissenschaft zu pflegen und zu heben. Den Beweis dafür liefert die Erfahrung allent­halben. Die Wissenschaften sind ja auch wirklich gut und lobenswert und eifriger Pflege würdig. Außerdem trägt jede Art von Gelehrsamkeit, welche die rechte Vernunft erworben hat, und welche der Wirklichkeit entspricht, sehr viel bei zur Beleuchtung jener Wahr­heiten, welche wir auf das Wort Gottes hin glauben. In der Tat, es ist das hohe Verdienst der Kirche, die Denkmäler der Weisheit des Altertums ruhmvoll erhalten zu haben, der Wissenschaft eine Zufluchtsstätte eröffnet, den Wettkampf der Geister immer von neuem angespornt und mit großem Eifer die Künste gepflegt zu haben, mit welchen die Bildung unserer Zeit so gerne sich schmückt.

Endlich dürfen wir nicht vergessen, daß noch ein sehr weites Feld offen steht, auf welchem die menschliche Tätigkeit sich ausdehnen und die Geister sich ungehindert üben können. Hierher gehören alle jene Fragen, die mit der Glaubens- und christlichen Sittenlehre nicht in not­wendigem Zusammenhange stehen, oder über welche jeder Gelehrte seine Ansicht voll und frei beibehalten kann, weil die Kirche mit ihrer Autorität nicht für die eine oder andere eintritt, oder jene Fragen, in welchen die Kirche kein Urteil gefällt, sondern ausdrücklich die Sache den Gelehrten zur weiteren Untersuchung über­lassen hat.

Aus all diesem erkennen wir, was von jener Art Freiheit zu halten ist, welche die Anhänger des Liberalismus mit stets gleichem Eifer erstreben und anpreisen. Auf der einen Seite verlangen sie für sich und den Staat eine solche Zügellosigkeit, daß sie sich nicht scheuen, jedem verderblichen Irrtum Tür und Tor zu öffnen; auf der anderen Seite hindern sie in vielfacher Weise die Kirche und beschränken ihre Freiheit so viel als nur möglich, obgleich sie von der Lehre der Kirche keinen Schaden zu fürchten haben, wohl aber große Vorteile sich ver­sprechen könnten.

Viel gepriesen wird auch die sogenannte Gewissens­freiheit. Wird sie in dem Sinne verstanden, daß jeder nach seinem Belieben Gott verehren oder auch nicht verehren mag, so ist dieselbe durch das bereits Gesagte hinläng­lich abgetan. Aber man kann sie auch in dem Sinne auffassen, daß es dem Bürger im Staate ungehindert ge­stattet sein soll, nach seiner Gewissenspflicht Gottes Willen zu erfüllen und dessen Gebote zu halten. Diese wahre Freiheit freilich, diese für Gotteskinder würdige Freiheit, welche die Würde der menschlichen Person mit höchster Ehre schützend umgibt, hat durchaus nichts gemein mit Gewalt und Unrecht. Sie war stets Wunsch der Kirche und ist ihr überaus teuer. Diese Art Freiheit haben die Apostel unablässig für sich in Anspruch genommen, haben die Apologeten in ihren Schriften verteidigt, haben die Glaubenszeugen in ungeheurer Zahl mit ihrem Blute besiegelt. Und mit Recht! Denn diese christliche Freiheit anerkennt die hohe und heilige Oberherrlich­keit Gottes über die Menschen, aber ebenso auch die erste und höchste Pflicht der Menschen Gott gegenüber. Sie hat nichts gemein mit jenem aufrührerischen und unbotmäßigen Geiste, und nie darf man von ihr denken, sie wolle der öffentlichen Gewalt den Gehorsam ver­weigern ; denn zu befehlen und die Ausführung des Befehles zu verlangen, hat die menschliche Gewalt nur insoweit das Recht, als sie nicht in Widerspruch steht mit Gottes Gewalt und nur in den Grenzen der von Gott gesetzten Ordnung sich hält. Sollte aber etwas befohlen werden, was dem Willen Gottes offenbar wider­spricht, so wiche dieser Befehl von jener Ordnung ab und geriete in Widerspruch mit der Oberhoheit Gottes : und da wäre es recht, nicht zu gehorchen.

Die Anhänger des Liberalismus, welche der weltlichen Obrigkeit eine oberherrliche und unbegrenzte Gewalt zuerkennen und behaupten, der Mensch habe in seinem Leben auf Gott keine Rücksicht zu nehmen, wollen von einem Zusammenhang der Freiheit mit Sittlichkeit und Religion durchaus nichts wissen; was immer zum Schutze dieser Freiheit geschieht, wird als Rechtsverletzung und als Staatsverbrechen gebrandmarkt. Wollten sie sagen, was sie wirklich meinen, so gäbe es keine noch so un­geheuerliche Gewalt, der man nicht gehorchen und die man nicht ertragen müßte.

Die Kirche wünscht von Herzen, daß die oben berührten christlichen Grundsätze alle Zweige des Staatslebens ganz durchdringen mögen. In ihnen liegt eine überaus große Heilkraft gegen die vielen und großen Übel unserer Zeit, die großenteils aus jenen vielgepriesenen Freiheiten ent­standen sind, in denen man die Quelle des Heiles und des Ruhmes gefunden zu haben glaubte. Das Ergebnis hat diese Hoffnung zerstört. An Stelle der süßen und heilbringenden Früchte sind bittere und verdorbene gewachsen. Sucht man ein Heilmittel, so möge es gesucht werden in der Rückkehr zu den gesunden Lehren, von denen allein man die Erhaltung der Ordnung und somit den Schutz der Freiheit zuversichtlich erwarten kann.

Nichtsdestoweniger hat die Kirche ein mütterliches Auge für die menschliche Schwäche, die sich so gewaltig geltend macht, und sie kennt wohl die Richtung, in welcher in unseren Tagen die Geister und Verhältnisse treiben. Obgleich sie nur der Wahrheit und Sittlichkeit Rechte zuerkennt, so hat sie doch nichts dagegen, daß die öffentliche Gewalt etwas duldet, was der Wahrheit und Gerechtigkeit zuwiderläuft, wenn es sich darum handelt, ein größeres Übel zu verhindern oder ein wahres Gut zu erlangen oder zu schützen. Selbst der unendliche, gütige Gott, der alles kann, duldet in seiner weisen Vor­sehung manches Übel in der Welt, teils damit nicht größere Güter verhindert werden, teils damit nicht noch größere Übel entstehen. Die Staatsregierungen sollen hierin den Lenker der Welt nachahmen : Da die mensch­liche Obrigkeit nun einmal nicht alle Übel verhindern kann, muß sie «manches dulden und ungestraft dahin­gehen lassen, was aber durch Gottes Vorsehung bestraft wird und zwar mit Recht» 12.

Wenn auch das menschliche Gesetz unter solchen Umständen um des Gemeinwohles willen — und nur aus diesem Grunde — ein Übel dulden kann oder sogar muß, so darf es doch nie das Übel gutheißen oder in sich wollen ; denn das Übel ist der Mangel eines Gutes und widerspricht mithin dem Gemeinwohl, das der Gesetzgeber anstreben und schützen muß, so viel er nur kann. Auch hierin hat sich das menschliche Gesetz Gott zum Vorbild zu nehmen, der dadurch, daß er Böses in der Welt zuläßt, «weder will, daß Böses geschieht, noch will, daß das Böse nicht geschehe, sondern zuläßt, daß es geschehe; und das ist gut» 13. Diese Worte des engelgleichen Lehrers enthalten kurz die ganze Lehre von der Zulassung des Bösen.

Aber, wenn man die Sache richtig beurteilen will, muß man zugeben, daß ein Staat um so weiter von seinem Ideale sich entfernt, je mehr er Böses zulassen muß; deshalb muß die Duldung des Bösen, da sie zu den Geboten der politischen Klugheit gehört, unbedingt in jenen Grenzen sich halten, welche der Zweck des Staates, d. h. das Gemeinwohl, verlangt. Wenn sie dem öffent­lichen Wohle schadet und noch größere Übel verursacht, so darf sie folgerichtig nicht angewendet werden, weil unter solchen Umständen kein Gut mehr erreicht wird. Wenn es aber geschieht, daß die Kirche unter besonders gearteten staatlichen Verhältnissen, zu gewissen modernen Freiheiten schweigt — nicht als ob sie dieselben an sich wünschte, sondern weil sie glaubt, die Duldung sei das Beste — so wird sie, wenn die Verhältnisse sich bessern, sich ihrer Freiheit wieder bedienen, um durch Rat, Mahnung und Bitten, wie es das von Gott ihr aufge­tragene Amt erheischt, für das ewige Heil der Menschen Sorge zu tragen. Es bleibt ewig wahr: jene Freiheit, die allen gewährt wird und unterschiedlos sich über alles erstreckt, ist, wie öfters gesagt, an sich nicht erstrebens­wert, weil es unvernünftig ist, daß der Irrtum dasselbe Recht besitze wie die Wahrheit.

Und was gerade die Toleranz (Duldung) betrifft, so weichen die Anhänger des Liberalismus himmelweit ab von dem gerechten und klugen Vorgehen der Kirche. Indem sie den Bürgern in all den Dingen, von denen wir geredet, unbegrenzte Zügellosigkeit gewähren, über­schreiten sie alles Maß und gelangen schließlich dahin, daß sie der Sittlichkeit und Wahrheit nicht mehr Recht zuzuerkennen scheinen als dem Irrtum und der Unsitt­lichkeit. Die Kirche wird als unduldsam und hart ge­schmäht; sie, die Säule und Grundfeste der Wahrheit und unfehlbare Lehrerin der Sitten, weil sie diese Art von zügelloser und schmachvoller Duldung stets pflichtmäßig verwirft und für unerlaubt erklärt. Bei diesem Beginnen merken jene Liberalen nicht einmal, daß sie lästern, was sie loben sollten. Während sie sich mit der Duldung brüsten, kommt es oft vor, daß sie zurückhaltend und karg sind, wo es sich um die katholische Sache handelt ; und eben dieselben, die nach allen Seiten reichlich Freiheit gewähren, verweigern sie vielfach der Kirche.

Fassen wir der Klarheit halber die ganze Ausführung mit ihren Folgerungen der Hauptsache nach kurz zu­sammen, so ist der Kern der Sache dieser: es ist not­wendige Wahrheit, daß der ganze Mensch vollkommen und zu jeder Zeit in der Hand Gottes ist ; deshalb ist eine menschliche Freiheit, die nicht Gott unterworfen und seinem Willen nicht untertänig ist, gar nicht denkbar.

Die Oberherrlichkeit Gottes leugnen oder sich ihr nicht fügen wollen, ist nicht das Zeichen des freien Mannes, sondern des Empörers, der seine Freiheit miß­braucht; gerade aus dieser Gesinnung entsteht und in ihr besteht der Grundirrtum des Liberalismus. Er hat aber verschiedene Formen. Der Wille kann in verschiedener Weise und in verschiedenem Maße den Gehorsam ver­weigern, den er Gott oder den Stellvertretern der gött­lichen Gewalt schuldet.

Die Oberherrlichkeit Gottes, des Allerhöchsten, voll­ständig verachten und ihm jeden Gehorsam im öffentlichen wie privaten und häuslichen Leben kurzerhand verweigern, ist der schlimmste Mißbrauch der Freiheit und darum die schlechteste Art des Liberalismus: von dieser gilt durchaus alles, was wir bis jetzt gegen denselben gesagt haben.

Ihm zunächst steht die Lehre jener, welche zwar zugeben, daß wir uns Gott, dem Schöpfer und Herrn der Welt, unterwerfen müssen, da ja durch seinen Willen die ganze Natur hervorgebracht sei; aber sie weisen die durch die Autorität Gottes uns auferlegten Gesetze, in Sachen des Glaubens und der Sitte, welche die Ver­nunft aus sich nicht erkennt, in kecker Weise zurück, oder sie behaupten wenigstens, man habe dieselben, namentlich im öffentlichen Staatsleben, nicht zu berück­sichtigen. Wir haben oben gezeigt, wie sehr sie im Un­recht sind und wie offensichtlich sie sich widersprechen. Aus dieser Lehre entspringt, wie aus ihrer Hauptquelle, jene verderbliche Lehre von der Trennung von Kirche und Staat, wo doch das Gegenteil einleuchtet, daß diese Zweiggewalten, wenn auch unähnlich im Amt und ungleich an Rangeswürde, doch unter sich übereinstimmen sollen durch Eintracht im Handeln und Austausch den Dienstleistungen.

Diese Art des Liberalismus teilt sich in zwei Richtungen. Manche verlangen, der Staat solle ganz und gar von der Kirche getrennt sein, in dem Sinne, daß alle Rechtsver­hältnisse der Bürger, alle Einrichtungen, Sitten, Gesetze, Staatsämter, aller Jugendunterricht keine Rücksicht auf die Kirche nehmen, wie wenn sie gar nicht da wäre ; höchstens will man den einzelnen Bürgern gestatten, nach Belieben im Privatleben ihrer Religion nachzuleben. Gegen diese richtet sich die ganze Macht Unserer Beweise, mit denen Wir die Ansicht von der Trennung der kirch­lichen und staatlichen Angelegenheiten bekämpft haben. Wir fügen nur noch hinzu, daß es doch unsinnig ist, zu sagen, der einzelne Bürger habe die Kirche zu achten, die Gesamtheit der Bürger aber nicht.

Die anderen sind nicht dagegen, daß die Kirche be­stehe ; sie könnten es auch nicht. Sie sprechen ihr das Wesen und die eigentümlichen Rechte einer vollkommenen Gesellschaft ab ; sie behaupten, sie habe nicht das Recht, Gesetze zu erlassen, zu richten und zu bestrafen ; sie dürfe diejenigen, die sich ihr aus eigenem Antriebe und freiwillig unterwerfen, nur ermahnen, beraten und leiten. Sie entstellen also durch ihre Lehre den Charakter dieser Gesellschaft, sie schwächen und beschränken ihre Auto­rität, ihr Lehramt und ihre ganze Wirksamkeit ; die Staatsgewalt aber heben sie so hoch empor, daß sie der staatlichen Macht und Botmäßigkeit auch die Kirche unterwerfen, als wäre sie bloß eine jener freien Ver­einigungen von Bürgern.

Diese Leute werden widerlegt durch die Beweisführung der Apologeten, die auch Wir angewendet haben, nament­lich im Rundschreiben Immortale Dei. Aus ihr geht hervor, daß durch göttliche Anordnung selbst all das der Kirche zukommt, was zum Wesen und zu den Rechten einer rechtmäßigen, höchsten und allseitig vollkommenen Gesell­schaft gehört.

Viele endlich wollen keine Trennung von Kirche und Staat; aber sie meinen, man müsse darauf hinarbeiten, daß die Kirche sich den Zeitverhältnissen fügen und sich beugen und anschmiegen müsse an das, was die heutige Staatsklugheit in der Staatsverwaltung verlangt. Diese Ansicht ist nicht falsch, so lange es sich um eine gewisse Billigkeit handelt, welche sich mit der Wahrheit und Gerechtigkeit verträgt; wenn nämlich die Kirche im Hinblick auf einen großen Vorteil sich nachgiebig zeigt und den Zeitverhältnissen sich anpaßt, soweit sie es ohne Verletzung ihres heiligen Amtes vermag. Aber anders fällt unser Urteil aus, wenn es sich um Dinge und Lehren handelt, welche die veränderten Sitten und ein falsches Urteil gegen alles Recht eingeführt haben. Keine Zeit kann Religion, Wahrheit und Gerechtigkeit entbehren. Da aber Gott befohlen, daß die Kirche diese höchsten und heiligsten Dinge zu schützen hat, so gibt es nichts Verkehrteres, als zu verlangen, die Kirche solle Irrtum und Ungerechtigkeit stillschweigend dulden oder nachsichtig sein gegen das, was der Religion schadet.

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß es niemals erlaubt ist, die Gedankenfreiheit, Pressefreiheit, Lehrfreiheit, sowie unterschiedslose Religionsfreiheit zu fordern, zu vertei­digen, oder zu gewähren, als seien dies ebensoviele Rechte, welche die Natur dem Menschen verliehen habe. Hätte die Natur diese Rechte verliehen, so wäre es erlaubt, Gottes Oberherrlichkeit zu bestreiten, und der mensch­lichen Freiheit könnten durch kein Gesetz Schranken gezogen werden. — Ebenso folgt aus dem Gesagten, daß jene Freiheiten, wenn vernünftige Gründe vorhanden sind, geduldet werden können, unter der Bedingung, daß sie nicht schrankenlos sind, auch daß sie nicht in Zügellosigkeit und Frechheit ausarten. Wo aber diese Freiheiten eingeführt sind, da sollen die Bürger sie nur benutzen, um recht zu handeln, und darüber denken, was die Kirche darüber denkt. Jede Freiheit kann nur insoweit als eine rechtmäßige betrachtet werden, als sie eine größere Möglichkeit zum sittlichen Handeln bietet, sonst nie.

Dort, wo die Staatsgewalt die Untertanen bedrückt und ausbeutet, so daß die Bürgerschaft unter ungerechter Gewalt seufzt, oder die Kirche ihrer gebührenden Freiheit beraubt wird, da ist es erlaubt, eine andere Staatsverfassung anzustreben, in welcher Freiheit gewährt wird; in diesem Fall verlangt man nicht nach jener maßlosen und falschen Freiheit, sondern es wird eine Milderung zum Wohle aller gesucht, und dies geschieht nur deshalb, damit dort, wo dem Bösen Freiheit gelassen wird, einem nicht auch noch die Möglichkeit genommen wird, das Gute zu tun. Auch ist es keine Pflichtverletzung, eine Staatsver­fassung anzustreben, welche durch eine Volksvertretung gemäßigt ist, solange dabei die katholische Lehre von dem Ursprung und der Anwendung der Staatsgewalt gewahrt bleibt. Die Kirche verwirft keine jener ver­schiedenen Staatsformen, solange sie aus sich geeignet sind, das Gemeinwohl zu fördern; sie verlangt aber, daß die einzelnen Verfassungen, wie es ja auch die Natur ver­langt, ohne Rechtsverletzung zustandekommen, nament­lich unter Wahrung der kirchlichen Rechte. Es ist gut, sich am öffentlichen Leben zu beteiligen, außer, wenn es irgendwo wegen der besonderen Staats- und Zeitverhält­nisse verboten ist; ja, die Kirche billigt es sehr, daß die Einzelnen ihre Kräfte in den Dienst des Gesamtwohles stellen, und so viel als sie können zum Schutze, zur Erhaltung und zur Blüte des Staates beitragen. Auch das verurteilt die Kirche nicht, daß ihr Volk niemandem, weder einem auswärtigen noch einem einheimischen Herrn versklavt sein will, solange die Gerechtigkeit dabei gewahrt bleibt. Auch tadelt sie die nicht, welche dahin streben, daß die Gemeinwesen nach ihren eigenen Gesetzen leben und den Bürgern die größtmögliche Gelegenheit gegeben wird, ihre Lage zu verbessern. Die Kirche war stets die treueste Förderin der maßvoll gehandhabten bürgerlichen Freiheiten. Zeugen dafür sind vor allem die italienischen Städte. Zur Zeit, als die heilsame Macht der Kirche alle Verhältnisse des Gemeinwesens ungehindert durchdrang, haben sie, vermöge ihres Stadtrechtes, eine Zeit der Blüte, des Reichtums und des Ruhmes erlebt.

Ehrwürdige Brüder, Wir vertrauen darauf, daß das, was Wir hier Unserem Apostolischen Amte gemäß Euch im Lichte des Glaubens und der Vernunft gelehrt haben, reichliche Frucht in der Zukunft tragen werde, zumal wenn Ihr Uns unterstützt.

Wir aber erheben in der Demut Unseres Herzens Unsere Augen zu Gott und bitten ihn inständig, er möge den Menschen gnädig das Licht seiner Weisheit und seines Rates verleihen, damit sie dank diesen himm­lischen Kräften in diesen hochwichtigen Fragen die Wahrheit erkennen und demgemäß ihr privates und öffentliches Leben zu jeder Zeit mit ungebeugter Stand­haftigkeit auch nach der Wahrheit einrichten.

Als Unterpfand dieser himmlischen Gaben und zum Zeichen Unseres Wohlwollens erteilen Wir Euch, Ehrwür­dige Brüder, Eurem Klerus und Eurem Volke, dem Ihr vorsteht, gern den Apostolischen Segen im Herrn.

Gegeben zu Rom, bei St. Peter, am 20. Juni 1888, im elften Jahre Unseres Pontifikates.

PAPST LEO XIII.

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1 LEO XIII., Rundschreiben an alle Ehrwürdigen Brüder, die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe und Bischöfe des katholischen Erdkreises, die mit dem Apostolischen Stuhle in Gnade und Gemein­schaft stehen. ASS xx (1888) 593-613.

2 ASS xviii (1885) 161-180 ; MG SS. 574-602.

3 Joh. v 34.

4 THOMAS VON AQUIN, In Joannem c. VIIl lect. 4 n. 3.

5 AUGUSTINUS, De libero arbitrio I.6 n. 15, PL xxxii 1229.

6  Vgl. Gal. iii 28.

7 Röm. xiii 2.

8 Vgl. Jer. II 20

9 THOMAS VON AQUIN, Sum. theol. II-II q. 81 a. 6.

10 Joh. vi 45.

11 Joh. viii 32.

12 AUGUSTINUS, De libero arbitrio I 6 n. 14, PL XXXII 1228.

13 THOMAS VON AQUIN, Sum. theol. I q. 19 a. 9 ad 3.

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(Quelle: MENSCH UND GEMEINSCHAFT IN CHRISTLICHER SCHAU – Dokumente – Herausgegeben von Dr. EMIL MARTY unter Mitwirkung von Josef Schafer und Anton Rohrbasser – Verlag der Paulusdruckerei Freiburg in der Schweiz, 1945)

Papst Leo XIII.: Rundschreiben „HUMANUM GENUS“, 20. April 1884

« Durch den Neid des Teufels »1 elendiglich zum Abfall gebracht von Gott, dem Schöpfer und gütigen Spender der himmlischen Güter, hat die Menschheit seitdem sich in zwei verschiedene und einander feindliche Heerlager gespalten ; während das eine von ihnen einen beständigen Kampf zu führen hat für Wahrheit und Tugend, streitet das andere für das Gegenteil. — Das eine ist das Reich Gottes auf Erden, nämlich die wahre Kirche Jesu Christi ; diejenigen, welche ihr von Herzen und in aufrichtigem Streben nach ihrem Heile zugehören wollen, müssen notwendigerweise Gott und seinem Eingeborenen Sohne mit allen Kräften ihres Verstandes und Willens dienen. Das andere Reich ist das des Satans, in dessen Botmäßig­keit und Gewalt alle die stehen, welche dem verhängnis­vollen Beispiele ihres Führers und unserer Stammeltern folgend, dem göttlichen und ewigen Gesetze den Gehor­sam verweigern und bei vielen ihrer Bestrebungen Gott ganz außer acht lassen und zurücksetzen, bei den meisten sogar Gott entgegenarbeiten. Dieses zweifache Reich, das zwei Staaten gleicht, die bei entgegengesetzten Ge­setzen ganz entgegengesetzte Wege gehen, hat der heilige Augustinus mit scharfem Blick erkannt und beschrieben und eines jeden Grundgedanken kurz und doch feinsinnig zusammengefaßt mit den Worten : « Diese zwei Reiche hat eine zweifache Liebe geschaffen : das irdische, die Eigen­liebe, die bis zur Verachtung Gottes geht, das himmlische, die Gottesliebe, die bis zur Verachtung seiner selbst geht. » 2

Mit verschiedenen und mannigfachen Waffen und in verschiedener Kampfesweise hat das eine das andere zu allen Zeiten bekämpft, wenn auch nicht immer mit der­selben Heftigkeit und dem gleichen Ansturm. In der gegenwärtigen Zeit scheinen diejenigen, die es mit den Bösen halten, sich gemeinsam zu verschwören zu einem überaus erbitterten Kampfe unter Leitung und mit Hilfe des weit verbreiteten und wohl organisierten Bundes der sogen. Freimaurer. Denn ohne ihre Pläne auch nur zu verheimlichen, stacheln sie jetzt schon ganz verwegen einander zum Gotteshaß auf. Offen und unverhohlen arbeiten sie daran, die heilige Kirche zu vernichten, und zwar in der ausgesprochenen Absicht, wenn möglich, die christlichen Völker aller Güter gänzlich zu berauben, die ihnen durch unsern Heiland Jesus Christus zuteil gewor­den sind. Unter dem Drucke dieser Übel, worunter Wir seufzen, drängt Uns die Liebe, oft zu Gott zu rufen : Siehe, deine Feinde toben, und die dich hassen, erheben ihr Haupt ; über dein Volk fassen sie bösen Rat und sinnen wider deine Heiligen. Sie sprechen : kommet, daß wir sie tilgen aus den Völkern 3.

Bei so dringender Gefahr, bei so entsetzlichem, hart­näckigem Kampfe gegen alles, was christlich heißt, ist es Unsere Pflicht, hinzuweisen auf die gefährliche Lage, die Gegner kenntlich zu machen, ihren hinterlistigen Plänen, soviel in Unserer Kraft steht, Widerstand zu leisten, damit die nicht ewig zu Grunde gehen, deren Seelenheil Uns anvertraut ist, und damit das Reich Jesu Christi, das Wir zu schützen haben, nicht bloß bestehen bleibe und unversehrt fortdauere, sondern durch steten Zuwachs auf der ganzen Erde sich ausbreite.

Die Römischen Päpste, Unsere Vorgänger, haben sorgfältig über das Heil des christlichen Volkes gewacht und diesen Erzfeind gleich erkannt, sowie er nur aus dem Dunkel geheimer Verschwörung heraustrat, wer er sei und was er wolle. Sie haben die Zukunft voraus­gesehen und Fürsten und Völkern gewissermaßen ein Zeichen gegeben und sie gemahnt, sich doch nicht durch die auf Täuschung berechneten Kunstgriffe und Schlingen fangen zu lassen. — Der erste Hinweis auf die Gefahr erfolgte durch Klemens XII. 4 im Jahre 1738 ; seine Verordnung wurde von Benedikt XIV. 5 bestätigt und erneuert. In ihre Fußstapfen trat Pius VII. 6 Leo XII. aber faßte in seiner Apostolischen Verordnung Quo graviora zusammen, was in dieser Angelegenheit die früheren Päpste getan und bestimmt hatten und erklärte es als gültig und rechtskräftig für alle Zeiten. In demselben Sinne sprachen sich Pius VIII. 8, Gregor XVI. 9 und zu wiederholten Malen Pius IX. 10 aus.

Bald wurden nämlich Einrichtung und Geist der Freimaurersekte durch offensichtliche Merkmale bekannt. Man erkannte sein inneres Wesen aus den Statuten, Ge­bräuchen und Schriftstücken, die veröffentlicht wurden. Dazu trat des öfteren das Zeugnis der Eingeweihten selbst. Da hat aber auch sogleich der Apostolische Stuhl öffentlich verkündet und erklärt : die Sekte der Frei­maurer sei rechtswidrig, christusfeindlich und nicht minder staatsgefährlich. Unter Androhung solcher Strafen, welche die Kirche nur bei schweren Verbrechen anzu­wenden pflegt, hat sie den Eintritt in diese Sekte streng untersagt. Hierdurch erbost, glaubten die Geheimbündler, der Wucht dieses Bannstrahles sich zu entziehen oder ihn abzuschwächen, teils durch Verachtung desselben, teils durch Verleumdung, indem sie die Päpste, welche die Dekrete erlassen hatten, der Ungerechtigkeit in ihren Entscheidungen beschuldigten, oder ihnen nachsagten, sie hätten hierbei das Maß überschritten. Mit solchen Scheingründen versuchten sie das Ansehen und die Bedeutung der Apostolischen Entscheidungen eines Kle­mens XII. und Benedikt XIV., wie auch eines Pius VII. und Pius IX. zu vernichten. Doch fehlte es in ihrem eigenen Bunde nicht an solchen, die, wenn auch wider Willen, zugestanden, vom Standpunkte der katholischen Lehre und Disziplin aus wären die Päpste mit vollem Recht verfahren. Hierin haben viele Fürsten und Regie­rungen den Päpsten vollkommen Recht gegeben, jene besonders, auf deren Anträge hin die Sekte der Frei­maurer beim Apostolischen Stuhle verklagt wurde, oder die sie durch Gesetze als staatsgefährlich verurteilten, wie dies in Holland, Österreich, in der Schweiz, in Spanien, Bayern, Savoyen und In anderen Teilen Italiens geschehen ist.

Von höchstem Interesse ist es aber, daß die Folgezeit bewies, wie klug Unsere Vorgänger gehandelt hatten. Ihre so weisen und väterlichen Ratschläge hatten nicht immer und überall den gewünschten Erfolg : und zwar teils infolge der Verstellung und Arglist der Betroffenen selbst, teils infolge der Unbedachtsamkeit und des Leicht­sinnes jener, in deren eigenstem Interesse es lag, die Augen offen zu halten. So ist denn die Sekte der Freimaurer in anderthalbhundert Jahren über alles Erwarten ange­wachsen; sie hat sich frech und listig in alle Zweige der Staatsverwaltung eingedrängt und fängt an, so mächtig zu werden, daß sie in den Staaten fast zu herrschen scheint. Aus dieser schnellen und furchtbaren Entwicklung ist in der Tat jenes Verderben entstanden, das Kirche, Fürsten­macht und Staatswohl zugleich bedroht, wie Unsere Vorgänger es längst voraus gesehen hatten. Es ist schon so weit gekommen, daß in der Zukunft alles zu befürchten ist, nicht zwar für die Kirche, denn sie hat ein viel zu festes Fundament, als daß sie durch Menschenmacht erschüttert werden könnte, wohl aber für jene Staaten, in denen die Freimaurersekte, oder andere ähnliche Geheim­bünde, die sich nur als die Büttel und Handlanger jener ersten entpuppen, gar mächtig sind.

Darum haben Wir, kaum erst mit der Leitung der Kirche betraut, mit aller Klarheit es als Unsere ernste Pflicht erkannt, diesem großen Übel mit der ganzen Macht Unserer Autorität, so weit es in Unseren Kräften steht, entgegenzutreten. — Des öfteren haben Wir schon die uns gebotene, günstige Gelegenheit benutzt und einige Hauptgrundsätze widerlegt, auf welche die falschen frei­maurerischen Ideen am meisten Einfluß zu haben scheinen. So haben Wir in Unserem Rundschreiben Quod apostolici muneris die groben Irrtümer der Sozialisten und Kommu­nisten zu widerlegen gesucht ; in einem anderen Rund­schreiben, Arcanum, haben Wir es uns zur Aufgabe gemacht, den wahren und ursprünglichen Begriff der Familie, die in der Ehe ihre Quelle und ihren Ursprung besitzt, zu schützen und zu erläutern ; in dem Rundschreiben, das mit Diu­turnum beginnt, haben Wir das Ideal einer Staatsverfassung nach den Grundsätzen der christlichen Weisheit gezeichnet, das mit dem Wesen des Staates und dem Heil der Völker und Fürsten wunderbar harmoniert. Jetzt aber haben Wir beschlossen, nach dem Beispiel Unserer Vorfahren, die Sekte der Freimaurer selbst, ihre Grundsätze, ihre Pläne, ihre Denk- und Handlungsweise scharf ins Auge zu fassen, damit die boshafte Macht derselben in immer helleres Licht gerückt werde und die Gefahr der An­steckung vonseiten dieser unheilvollen Pest überwunden werde.

Es gibt eine Reihe von Sekten, die zwar von dem Frei­maurerbunde und voneinander nach Namen, Gebräuchen, Form und Ursprung verschieden sind, aber durch eine gewisse Übereinstimmung in ihrem Ziele und durch die Ähnlichkeit ihrer Grundsätze in engem Zusammenhange stehen, sowohl miteinander als auch mit dem genannten Bunde, wesentlich also mit der Sekte der Freimaurerei eins sind. Diese bildet gleichsam das Zentrum, von dem alle übrigen ausgehen, zu dem alle zurückkehren. Wenn sie auch nicht mehr geheim bleiben wollen, und ihre Versammlungen öffentlich und unter den Augen ihrer Mitbürger abhalten und ihre Zeitschriften veröffentlichen, so bewahren sie dennoch, genauer betrachtet, das Wesen und den Charakter geheimer Gesellschaften. Manches bei ihnen ist geheimnisvoll. Sie müssen es nach ihren Statuten nicht bloß vor Fremden, sondern auch vor sehr vielen ihrer eigenen Mitglieder aufs peinlichste geheim halten ; z. B. ihre geheimsten und letzten Pläne, die Namen der Hauptführer der Sekte, gewisse geheime Beratungen über die innersten Angelegenheiten ; ferner die Beschlüsse und die Art und Weise, wie und womit diese durchzuführen sind. Dementsprechend besteht unter den Mitgliedern ein großer Unterschied an Rechten, Ämtern und Würden, gibt es verschiedene Ordnungen und Grade, und herrscht eine stramme Disziplin, wodurch sie regiert werden. Die Neueintretenden müssen versprechen, ja vielfach mit einem besonderen Eide beschwören, keinem in der Welt jemals auf irgend eine Weise die Brüder, die Erkennungszeichen, die Lehren verraten zu wollen. So bemühen sich die Freimaurer unter erlogenem Scheine und mit derselben Heuchelei, wie einst die Manichäer, sich zu verbergen und keine anderen Zeugen ihres Trei­bens zu haben als die Ihrigen. Sie verbergen sich gerne unter dem Titel von Literaten und Freunden der Wissen­schaft, die sich zu gelehrten Zwecken vereinigen ; sie führen immer die Förderung höherer Bildung im Munde und die Sorge für das ärmere Volk ; sie erstreben ja nur, sagen sie, das Beste des Volkes und wollen nur möglichst viele an den staatlichen Wohltaten teilnehmen lassen. Wenn das auch alles wahr wäre, so beschränkt sich doch ihre Tätigkeit durchaus nicht darauf. Die aufgenommenen Mitglieder müssen versprechen und fest daran halten, daß sie den Führern und Meistern aufs Wort Folge leisten wollen, in strengstem Gehorsam und in unverbrüchlicher Treue ; sie müssen auf alle ihre Winke und Zeichen bereit stehen und den Befehl sofort ausführen ; im Wei­gerungsfalle sollen sie die grausamsten Strafen und selbst den Tod über sich ergehen lassen. In der Tat wird die Todesstrafe nicht selten vollzogen, wenn einer überführt wird, ihr Geheimnis verraten oder das Befohlene nicht aus­geführt zu haben, und dies geschieht mit solch einer Frech­heit und Schlauheit, daß nur zu häufig der Mörder dem wachsamen Auge der strafenden Gerechtigkeit entschlüpft.

Heucheln und sich im Dunkeln verbergen wollen, andere wie Sklaven mit den festesten Banden an sich zu ketten, ohne den Grund dafür klar erkennen zu lassen ; Leute, welche sich einem fremden Willen verkauft haben, als Werkzeug zu jeder Freveltat zu gebrauchen, ihnen die Mordwaffe in die Hand zu drücken, nachdem man sich der Straflosigkeit versichert hat — das ist etwas so Entsetzliches, daß es die Natur nicht dulden kann. Deshalb sagt uns die eigene Vernunft und die Wahrheit, wie sie sich von selbst offenbart, daß die Gesellschaft, von der Wir reden, der Gerechtigkeit und natürlichen Sittlichkeit widerspricht.

Sie ist umsomehr zu verdammen, als noch andere und noch klarere Gründe beweisen, daß diese Sekte ihrem Wesen nach eine unsittliche ist. Mag auch die Arglist und Verlogenheit in einem Menschen noch so groß sein, es muß wie bei jeder Ursache so auch hier in den Wirkungen sich zeigen, wie die Ursache beschaffen ist. Ein guter Baum kann nicht schlechte Früchte bringen, und ein schlechter Baum kann nicht gute Früchte bringen 11. Die Sekte der Freimaurer gebiert aber verderbenbringende und äußerst bittere Früchte. Denn aus den ganz unver­kennbaren Anzeichen, die Wir oben genannt haben, geht klar hervor, welches das letzte Ziel ihrer Pläne ist : nämlich die gesamte religiöse und staatliche Ordnung, die das Christentum eingeführt hat, von Grund aus zu zerstören und eine neue zu schaffen nach ihrem eigenen Plan, eine Ordnung, deren Fundamente und Gesetze auf dem Naturalismus beruhen.

Was Wir hier sagen oder noch sagen werden, ist von der Sekte der Freimaurer im allgemeinen zu verstehen und von denen, welche sie als verwandte und verbündete Sekten in sich begreift, nicht aber von ihren einzelnen Mit­gliedern. Zu diesen können manche gehören, die zwar nicht ohne Schuld sich diesen Gesellschaften angeschlossen haben, jedoch nicht selbst an den Verbrechen teilnehmen und auch nicht jenes letzte Ziel kennen, das die Sekten verwirklichen wollen. Vielleicht billigen sogar  einige jener Gesellschaften nicht jene letzten Folgerungen, die sie, weil sie sich notwendigerweise aus den allgemeinen Grundsätzen ergeben, eigentlich annehmen müßten. Nur deren grobe Abscheulichkeit schreckt sie davon ab. Auch legen die Orts- und Zeitverhältnisse manchen es nahe, nicht das Äußerste zu wagen, obgleich sie selbst es wünschen oder andere es zu tun pflegen. Trotzdem muß man sie doch zum Bunde der Freimaurer rechnen, weil dieser nicht nach den Taten, die er vollbracht, zu beurteilen ist, sondern nach der Gesamtheit seiner Grundsätze.

Wie der Name genugsam andeutet, heißt der Haupt­grundsatz der Naturalisten : die menschliche Natur und die menschliche Vernunft muß in allem oberste Lehrerin und Führerin sein. Von dieser Voraussetzung ausgehend, kümmern sie sich wenig um die Pflichten gegen Gott, oder entstellen dieselben durch irrige und schwankende Meinungen. Sie leugnen nämlich jede göttliche Offen­barung ; sie anerkennen kein Dogma in der Religion, keine Wahrheit, die der menschliche Verstand nicht begreift, keinen Lehrer, der Kraft seiner Amtsgewalt das Recht hätte, Glauben von uns zu fordern. Da aber der katholischen Kirche einzig und allein die Aufgabe zu­teil wurde, die geoffenbarten Wahrheiten und das Lehr­amt samt den übrigen zum Heile notwendigen Gnaden­mitteln unverkürzt zu besitzen und unversehrt zu be­schützen, so richtet sich demnach der ganze Zorn und der Ansturm der Feinde gegen sie.

Wenn wir betrachten, welche Stellung die Freimaurer­sekte, namentlich dort, wo sie freier auftreten kann, in religiösen Fragen einnimmt, so müssen wir sagen, daß sie die Grundsätze der Naturalisten wirklich ins Leben umsetzen will. In der Tat ist sie seit langem unermüdlich bestrebt, den Einfluß des kirchlichen Lehr­amtes und der kirchlichen Autorität im Staate zu ver­nichten ; aus diesem Grunde verkündigt und verteidigt sie überall den Satz, Kirche und Staat seien vollständig zu trennen. Dadurch will sie den so heilsamen Einfluß der katholischen Religion von den Gesetzen und der Verwaltung des Staates ausschließen, und glaubt folge­richtig, das Staatswesen ohne Rücksicht auf die Einrich­tungen und Vorschriften der Kirche regeln zu können. Die Freimaurer sind aber damit nicht zufrieden, die Kirche, diese beste Führerin, beiseite geschoben zu haben, sie müssen sie selbst auch noch durch feindliche Angriffe schädigen. Und wahrhaftig, so weit ist es gekommen, daß man die Fundamente der katholischen Religion ungestraft in Rede, Schrift und auf dem Katheder an­greifen darf ; man schont nicht mehr die Rechte der Kirche und selbst die Ämter, die ihr von Gott verliehen, sind nicht vor den Angriffen der Feinde sicher. Ihr wird nur ein möglichst geringer Wirkungskreis zuerkannt. Diese Beschränkung geschieht durch Gesetze, die scheinbar gar nicht so gewalttätig sind, in Wirklichkeit aber so recht dazu geschaffen und angetan sind, die Kirche in ihrer Frei­heit zu behindern. Ebenso sehen wir, wie dem Klerus schwere Ausnahmegesetze auferlegt werden, so daß er von Tag zu Tag an Zahl und an den notwendigen Existenz­mitteln verliert. Der Gebrauch der übrigen Kirchengüter ist durch die härtesten Gesetze eingeschränkt und der Gewalt und Willkür der Regierung überantwortet ; die religiösen Ordensgesellschaften sind aufgehoben und zerstreut.

Seit langem ist aber schon der Kampf der Feinde entbrannt gegen den Apostolischen Stuhl und den Römi­schen Papst. Zuerst ist er aus nichtigen Gründen seiner weltlichen Herrschaft beraubt worden, die eine Schutz­mauer seiner Freiheit und seines Rechtes war ; bald hat man dann die Schwierigkeit seiner Lage auf alle nur erdenkliche Weise bis zur Unerträglichkeit gesteigert, schließlich ist man in unserer Zeit dabei angelangt, daß die Sektenhäupter offen aussprechen, was sie im Geheimen schon lange im Schilde führten : die heilige Gewalt der Päpste müsse abgeschafft und das auf göttlichem Rechte fußende Papsttum müsse von Grund aus vernichtet wer­den. Wenn auch alle anderen Zeugnisse fehlen würden, so ist dies zur Genüge durch das Zeugnis von Eingeweihten erwiesen. Von ihnen haben viele schon früher, viele aber auch in neuester Zeit immer wieder erklärt, es sei die wahre Absicht der Freimaurer, die katholische Religion mit unversöhnlichem Hasse zu bekämpfen und nicht zu ruhen, bis sie alles vernichtet sehen, was jemals die Päpste zum Wohle der Religion geschaffen haben.

Wenn auch jene, welche sich in die Zahl der Frei­maurer aufnehmen lassen, keineswegs gezwungen werden, ausdrücklich den katholischen Glauben abzuschwören, so widerspricht das keineswegs den Plänen der Frei­maurer, kommt ihnen vielmehr zugute. Zunächst täuschen sie auf diese Weise leicht die Einfältigen und Unvorsich­tigen und locken dadurch noch viel mehr an. Während sie dann Anhänger jedweder Religion aufnehmen, gelingt es ihnen, diesen den großen Irrtum unserer Zeit beizu­bringen : Religion sei Privatsache, und es gebe keinen Unterschied unter den Religionsbekenntnissen. Diese Ansicht ist geeignet, jede Religion zu vernichten, nament­lich aber die katholische. Die katholische Religion ist unter allen die einzig wahre, und darum ist es das höchste Unrecht, sie auf gleiche Stufe mit den anderen zu stellen.

Aber die Naturalisten gehen noch weiter. Da sie in den wichtigsten Dingen kopflos in die Irre gegangen sind, so gelangen sie auf dem abschüssigen Wege bald zum Äußersten, sei es infolge der natürlichen Schwäche des Menschen, sei es, weil Gott in seinem Ratschlusse dadurch die gerechte Strafe für ihren Stolz über sie ver­hängt. So kommt es, daß ihnen auch das nicht einmal mehr sicher zu sein und festzustehen scheint, was Wir mit dem natürlichen Lichte unserer Vernunft erkennen, wie z. B. das Dasein Gottes, die Geistigkeit und Un­sterblichkeit der Seele. — Auch die Sekte der Freimaurer bleibt auf ihrer Irrfahrt an diesen Klippen hängen. Wenn sie auch im allgemeinen das Dasein Gottes noch bekennen, so sind sie selbst ihre eigenen Zeugen dafür, daß sie diese Wahrheit in ihrem Geiste nicht fest und unerschüt­terlich bewahren. Sie leugnen nämlich nicht, daß die Frage nach dem Dasein Gottes in ihren Reihen die erste Quelle und Ursache der Streitigkeiten unter ihnen ist ; ja, es steht fest, daß es unter ihnen in letzter Zeit noch zu großem Streite über diesen Punkt gekommen ist. In der Tat gestattet die Sekte ihren Mitgliedern hierin große Freiheit ; es ist erlaubt, beides zu verteidigen : daß es einen Gott gibt und auch daß es keinen gibt ; und diejenigen, die frech behaupten, es gebe keinen Gott, werden ebenso leicht aufgenommen, wie die, welche zwar das Dasein Gottes annehmen, aber nach Art der Pantheisten eine irrige Vorstellung von ihm haben. Dies heißt aber von Gottes Natur einen gewissen widersinnigen Schein beibehalten, in Wahrheit aber Gott leugnen. Ist dieses feste Fundament ins Wanken gebracht, so wird auch folgerichtig alles schwanken, was uns schon die Natur lehrt, daß nämlich alle Dinge durch Gottes freien Willen erschaffen worden sind, daß Gottes Vorsehung die Welt regiert, daß die Seelen unsterblich sind und daß auf dieses irdische Leben ein anderes, ewiges Leben folgt.

Kommen der Menschheit aber diese Wahrheiten abhanden, welche man als die ersten Grundsätze der Natur für unsere Erkenntnis und unser Leben bezeichnen könnte, dann leuchtet es leicht ein, wie es mit den Sitten im Leben des Einzelnen und in der Öffentlichkeit bestellt sein wird. Wir schweigen von den höheren Tugenden, welche niemand ohne ein besonderes Gnadengeschenk Gottes üben oder erreichen kann. Von ihnen wird man natürlicherweise dort keine Spur finden, wo man die Erlösung des Menschengeschlechtes, die übernatürliche Gnade, die Sakramente, die Erlangung des himmlischen Glückes als etwas Unbekanntes verwirft. Nur von den Pflichten sprechen Wir, welche man aus der natürlichen Sittlichkeit herleitet. Der Schöpfer der Welt und ihr weiser Lenker, Gott ; das ewige Gesetz, das die Wahrung der in der Natur begründeten Ordnung gebietet und ihre Störung verbietet ; der Menschen letztes Ziel, welches alles Menschliche weit überragt und über der zeitlichen Wohnstätte dieser Welt liegt : das sind die Quellen, das die ersten Grundsätze der ganzen Gerechtigkeit und Sittlichkeit. Wenn man diese leugnet, wie es die Natu­ralisten und Freimaurer tun, dann wird die Kenntnis von Recht und Unrecht jeglichen Halt und Schutz ver­lieren. Und in Wirklichkeit ist die sittliche Zucht, welche allein dem Bunde der Freimaurer zusagt, und in welcher das heranwachsende Geschlecht erzogen werden müsse, jene, welche man als die rein bürgerliche (rein mensch­liche) und die unabhängige, freie bezeichnet ; das ist jene, welche von allem Religiösen absieht. Doch ihre Armseligkeit, Haltlosigkeit und Unbeständigkeit bei jedem Hauch der Leidenschaften, beweisen zur Genüge ihre bedauerlichen Früchte, die teilweise schon jetzt zu Tage treten. Wo nämlich die freie Erziehung nach Verdrängung der christlichen zu herrschen begann, da schwanden schnell auch die guten, reinen Sitten : die ungeheuer­lichsten Anschauungen griffen Platz, und mit raschem Schritt stiegen Verwegenheit und Verbrechen. Und diese Tatsache, welche man allgemein bitter beklagte, die muß gar mancher von denen, welchen das Geständnis am wenigsten behagt, nicht selten bezeugen, weil die Wahr­heit dieser Erfahrung zu klar vor Augen liegt.

Da außerdem die menschliche Natur durch die Makel der Erbsünde befleckt ist und infolgedessen mehr zum Bösen als zur Tugend neigt, so ist es ein unabweisbares Erfordernis der Sittlichkeit, daß man die stürmischen Triebe des Herzens und seine Begierden unter die Herr­schaft der Vernunft bringe. In diesem Kampfe aber ist gar oft Verachtung des Irdischen erforderlich, und muß man die schwersten Mühen und Beschwerden ertragen, damit die Vernunft siegreich die ihr zukommende Ober­herrschaft behaupte. Die Naturalisten und Freimaurer aber, die jeglichen Offenbarungsglauben verwerfen, leugnen den Sündenfall unseres Stammvaters und huldigen daher der Ansicht, daß der freie Wille gar nicht geschwächt und irgendwie zum Bösen geneigt sei 12. Im Gegenteil — sie über­treiben die Kraft und Vorzüglichkeit der Natur und verlegen einzig und allein in dieselbe die Quelle und Norm der Gerechtigkeit, so daß sie auch nicht daran denken, daß zur Unterdrückung der sinnlichen Triebe und zur Regelung ihrer Begierden ein unausgesetzter Kampf und höchste Standhaftigkeit erforderlich seien. Daher müssen wir allgemein die Beobachtung machen, daß man den Menschen Lockmittel für die Sinnlichkeit in großer Zahl darreicht : Zeitschriften und Tageblätter ohne Anstand und Scham ; Schauspiele, so recht geeignet, die Zügellosigkeit zu fördern ; künstlerische Darstellungen, in schamloser Weise nach den Gesetzen des sogenannten Realismus entworfen ; fein ausgedachte Mittel zu genuß­reichem, weichlichem Leben, endlich alle nur erdenklichen Lockmittel für die Sinnlichkeit, um die Tugend voll­kommen einzuschläfern. Das ist ein schändliches Unter­fangen, aber ihr Vorgehen ist folgerichtig, da sie die Aussicht auf die himmlischen Güter leugnen und ihr ganzes Streben nach Glück auf das Irdische richten und gleichsam in die Erde versenken. Das Gesagte wird durch etwas bestätigt, was nicht so sehr an sich überrascht, als vielmehr deshalb, weil man sich untersteht, es aus­zusprechen. Da nämlich verschlagenen und schlauen Menschen in der Regel niemand so knechtisch zu Willen ist, als die entnervten und entkräfteten Sklaven der Leiden­schaften, so sind unter den Freimaurern Stimmen laut geworden, welche den Vorschlag machten : man müsse bewußt und mit kluger Berechnung darauf hinarbeiten, daß die Menge sich dem Laster ohne Grenze und Schranke in die Arme werfe : wenn das erreicht sei, dann würde sie ein urteilloses und willenloses Werkzeug zur Aus­führung aller gottlosen Pläne sein.

Was nun das häusliche Leben anlangt, so läßt sich das System der Naturalisten in folgende Sätze zusammen­fassen : Die Ehe sei ein rein weltlicher Vertrag und könne nach der Willkür derer, welche sie geschlossen, auch rechtmäßig gelöst werden ; die Träger der bürgerlichen Gewalt hätten die Entscheidung über das Ehebündnis. Bei der Kindererziehung solle, das ist ihre sichere und feste Ansicht, kein Unterricht in einer bestimmten Religion erteilt werden, vielmehr müsse es einem jeden völlig überlassen bleiben, wenn er herangewachsen ist, sich der Richtung, der er wolle, anzuschließen 1 Das ist auch in allen Punkten das Programm der Freimaurer : ja, sie sind nicht bloß damit einverstanden, sondern schon längst an der Arbeit, dieses Programm im wirklichen Leben durch­zuführen. So ist es in vielen Gegenden, selbst auch in katholischen, gesetzlich festgelegt, daß nur die nach dem bürgerlichen Rechte geschlossenen Ehen als rechtmäßige gelten : anderwärts ist die Ehescheidung gesetzlich erlaubt, und wieder an anderen Orten sucht man, es dahin zu bringen, daß man auch da diese Freiheit habe. So kommt es rasch so weit, daß die Ehen ein ganz anderes Wesen bekommen, d. h. sie werden in unbeständige und flüchtige Verbindungen umgewandelt, welche die sinnliche Liebe knüpft und auch wieder löst, wenn sie anderen Sinnes geworden.

Mit größter Einmütigkeit strebt auch der Freimaurer­bund danach, den Unterricht der Jugend an sich zu reißen. Denn es sei leicht für sie, das zarte und schmieg­same Alter nach ihrem Gutdünken zu bilden und es in die Bahnen zu lenken, die ihnen gefallen. Dieser Weg scheint ihnen der geeignetste, um dem Staate einen Nach­wuchs von Bürgern, wie sie sich ihn denken, zu schaffen.

Daher schließen sie bei der Erziehung und dem Unter­richte die Diener der Kirche sowohl von der Ausübung des Lehramtes, als auch von der Beaufsichtigung der Jugend völlig aus. An mehreren Orten haben sie es durchgesetzt, daß der ganze Unterricht in Händen von Laien liegt, und daß auch aus der sittlichen Erziehung die so bedeutsamen, hohen und heiligen Pflichten, welche den Menschen mit Gott verbinden, gänzlich ausgeschaltet werden.

Wir kommen auf die bürgerlichen Gesetze zu sprechen. Da vertreten sie den Standpunkt, daß alle Menschen dasselbe Recht hätten und unter ihnen in jeder Beziehung völlige Gleichheit obwalte ; ein jeder sei von Natur aus frei ; die Menschen einer Autorität unterwerfen zu wollen, die nicht aus ihnen selbst wäre, das hieße, ihnen Gewalt antun. Alles liege also in dem freien Volke ; eine Regie­rung bestehe nur, insoweit das Volk sie angeordnet oder eingeräumt habe, so zwar, daß, ändert das Volk seinen Willen, die Inhaber der Regierungsgewalt auch wider ihren Willen vom Throne entfernt werden dürften. Die Quelle aller bürgerlichen Rechte und Pflichten sei zu suchen in der Menge oder in der staatlichen Regierungs­gewalt, insoweit dieselbe nach diesen modernen Grund­sätzen gestaltet sei. Außerdem dürfe der Staat nicht auf dem Boden des Glaubens an Gott stehen. Was die ver­schiedenen Religionsformen anlangt, so habe man keinerlei Grund, die eine der anderen vorzuziehen, sie seien vielmehr alle als gleich anzusehen. Daß aber diese Anschauungen auch den Beifall der Freimaurer finden, und daß sie das Staatswesen nach diesem Muster gestalten wollen, ist so bekannt, daß man es nicht mehr erst zu beweisen braucht. Seit langem wenden sie ja offen alle Macht und alle Mittel dazu auf. Und dadurch ebnen sie auch jenen vielen den Weg, welche, weil kühner, noch schlimmeren Dingen zueilen, indem sie darauf abzielen, nach Beseitigung aller bestehenden Standes- und Vermögensunterschiede voll­kommene Gleichheit und Gütergemeinschaft durchzu­führen.

Wesen und Ziel des Freimaurerbundes geht aus dieser Unserer Darlegung, in welcher nur die Hauptsachen

erreichen soll, und die Rechte und Pflichten, welche sich von selbst daraus ergeben, in Betracht kommen. Da aber die Anlagen aller nicht gleich sein können und einer vom andern bezüglich der Körper- und Geistes­kräfte sich unterscheidet und sehr viele Unterschiede in Sitten, Willensrichtung und Charakteren obwalten, widerstreitet nichts so sehr der Vernunft, als alles in einen Begriff zusammenfassen zu wollen und jene in jeder Beziehung vollkommene Gleichheit der Gestaltung des Staatswesens zugrundezulegen. Die vollkommene Gestaltung des Körpers ergibt sich aus der Verbindung und Aneinandergleichung verschiedener Glieder. Diese sind voneinander verschieden nach ihrer Gestalt und nach dem Zwecke, dem sie dienen. Zusammengenommen aber — und jedes an seiner Stelle — bewirken sie ein einheitliches Ganzes von schöner Erscheinung, verläß­lichen Kräften und dienlicher Zielstrebigkeit. So gibt es nun auch in der menschlichen Gemeinschaft eine fast unbegrenzte Verschiedenheit der Glieder. Würden sich nun diese alle für gleich halten und jeder von ihnen nach seinem Gutdünken handeln, dann würde ein Staatsgebilde zum Vorschein kommen, wie man es sich mißgestalteter nicht denken kann. Wenn aber die verschiedenen Stände, Bestrebungen und Fertigkeiten zum Wohl der Allgemein­heit passend zusammenwirken, dann werden sie das Bild eines wohlgeordneten und mit der Natur im Einklang stehenden Staatswesens darstellen.

Übrigens haben von den erwähnten Aufruhr stiftenden Irrtümern unsere Staaten das größte Unheil zu befürchten. Denn wenn die Gottesfurcht und die Achtung vor den göttlichen Gesetzen aus der Welt gewichen sind, wenn die Autorität der Verachtung preisgegeben ist und die revolutionären Gelüste gebilligt und erlaubt sind, wenn man den Volksleidenschaften die Zügel schießen läßt und sie nur durch die Furcht vor Strafe zurückgedämmt werden, dann muß eine allgemeine Umwälzung und die Zerstörung alles Bestehenden erfolgen. Aber die Um­wälzung und Zerstörung beabsichtigen ja die meisten miteinander verbrüderten Bünde der Sozialisten und Kommunisten und tragen diese Absicht offen zur Schau.

Und der Freimaurerbund wage es nicht zu behaupten, daß er mit dem Vorhaben der Sozialisten nichts zu tun habe ; begünstigt er doch ihre Pläne gar zu sehr und hat er doch die Hauptlehren mit ihnen gemein. Wenn sie ihre frevelhaften Bestrebungen nicht bis zum äußersten durchführen, so ist das nicht ein Verdienst ihrer Lehre oder ihres guten Willens, sondern man verdankt es der unzerstörbaren Kraft der göttlichen Religion und dem vernünftigen Teile der Menschen, welche den Bestre­bungen der Geheimbünde nicht dienen wollen und deren unsinnigem Unterfangen tapferen Widerstand entgegen­setzen.

Wenn doch alle den Baum an seinen Früchten erkennen und zur Einsicht gelangen würden, welches der wahre Ursprung der Übel ist, unter denen wir seufzen, und der Gefahren, die uns drohen, und wo sie ihren Ausgang genommen ! Wir haben es mit einem heuchlerischen und listigen Feinde zu tun, welcher den Völkern und Fürsten schmeichelt und beide durch seine süßtönenden Reden und seine Speichelleckerei für sich einnimmt. Indem sie sich unter der Maske der Freundschaft bei den Fürsten einschmeicheln, gehen die Freimaurer darauf aus, jene zur Unterdrückung des Katholizismus als Bundesgenossen und mächtige Helfer zu gewinnen. Um sie noch mehr dazu anzustacheln, verleumden sie die Kirche unablässig, als streite sie eifersüchtig mit den Fürsten um die Gewalt und die Rechte der Könige. Inzwischen durch ihre Kunst­griffe zu großer Sicherheit und Kühnheit gelangt, haben sie auf die Regierung der Staaten schon einen großen Einfluß gewonnen ; aber trotzdem bleiben sie bereit, die Grundlagen der Throne zu erschüttern, die Fürsten zu verfolgen, sie zu beschuldigen und sogar aus ihrem Reiche zu jagen, so oft diese in der Regierung Maßnahmen treffen, die ihnen nicht gefallen. Nicht anders treiben sie mit den Völkern, denen sie nach dem Munde reden, ihr böses Spiel. Freiheit und Wohlfahrt des Volkes ver­kündigen sie mit vollem Munde und erheben Anklage gegen die Kirche und Fürsten, daß es an diesen gelegen habe, wenn das Volk noch nicht aus der ungerechten Knechtschaft und Not befreit sei. So führen sie das Volk hinter das Licht, erregen in ihm das Verlangen nach Neuerungen und stacheln es zum Kampfe gegen die beiden höchsten Gewalten auf. Trotzdem bleibt betreffs der erhofften Vorteile die Wirklichkeit weit hinter den Erwartungen zurück ; vielmehr ist das Volk noch härter bedrückt und entbehrt dabei zum großen Teil jenen Trost, welchen es leicht und in Fülle finden könnte, wenn die menschliche Gesellschaft nach den Satzungen des Christentums geordnet wäre. Aber wie viele sich immer auflehnen mögen gegen die von der göttlichen Vorsehung bestimmte Ordnung, alle müssen für ihren Stolz dadurch büßen, daß sie dort Zertrüm­merung ihres Lebensglückes und Elend erfahren, wo sie unbesonnen Glück in Hülle und Fülle erwartet hatten.Was nun das Gebot der Kirche anlangt, die Menschen sollten zu allererst und in ganz besonderer Weise dem allerhöchsten Herrn und Gott, gehorchen, so tut man der Kirche Unrecht und beurteilt sie falsch, wenn man sie deshalb beschuldigt, daß sie mit Mißgunst auf die staat­liche Gewalt blicke und sich etwas von den Rechten der Fürsten anmaße. Im Gegenteil, sie gebietet, der staatlichen Obrigkeit aus voller Überzeugung und mit ernstem Pflichtbewußtsein das zu geben, was ihr gebührt. Daß sie aber das Recht, zu herrschen, von Gott selbst herleitet, das erhöht die Würde der staatlichen Obrigkeit ungemein und hilft dieser in bedeutendem Maße, die Hochachtung und Liebe der Bürger zu gewinnen. Die Kirche sichert den Frieden, nährt die Eintracht, umfaßt alle mit der Liebe einer Mutter ; und, indem ihr Sinnen und Trachten einzig und allein darauf gerichtet ist, den Menschen zu helfen, lehrt sie, die Gerechtigkeit mit Milde, die Gewalt mit Billigkeit, die Gesetze mit weiser Mäßigung zu verbinden. Keines Menschen Recht dürfe man verletzen, Ordnung und Ruhe im öffentlichen Leben solle man fördern, die Not der Armen nach besten Kräften durch private Mildtätigkeit und durch Beteiligung an der öffentlichen Wohltätigkeit lindern. Aber « man glaubt oder will glauben machen — um uns der Worte des heiligen Augustinus zu bedienen —, daß die christliche Volk hinter das Licht, erregen in ihm das Verlangen nach Neuerungen und stacheln es zum Kampfe gegen die beiden höchsten Gewalten auf. Trotzdem bleibt betreffs der erhofften Vorteile die Wirklichkeit weit hinter den Erwartungen zurück ; vielmehr ist das Volk noch härter bedrückt und entbehrt dabei zum großen Teil jenen Trost, welchen es leicht und in Fülle finden könnte, wenn die menschliche Gesellschaft nach den Satzungen des Christentums geordnet wäre. Aber wie viele sich immer auflehnen mögen gegen die von der göttlichen Vorsehung bestimmte Ordnung, alle müssen für ihren Stolz dadurch büßen, daß sie dort Zertrüm­merung ihres Lebensglückes und Elend erfahren, wo sie unbesonnen Glück in Hülle und Fülle erwartet hatten.

Was nun das Gebot der Kirche anlangt, die Menschen sollten zu allererst und in ganz besonderer Weise dem allerhöchsten Herrn und Gott, gehorchen, so tut man der Kirche Unrecht und beurteilt sie falsch, wenn man sie deshalb beschuldigt, daß sie mit Mißgunst auf die staat­liche Gewalt blicke und sich etwas von den Rechten der Fürsten anmaße. Im Gegenteil, sie gebietet, der staatlichen Obrigkeit aus voller Überzeugung und mit ernstem Pflichtbewußtsein das zu geben, was ihr gebührt. Daß sie aber das Recht, zu herrschen, von Gott selbst herleitet, das erhöht die Würde der staatlichen Obrigkeit ungemein und hilft dieser in bedeutendem Maße, die Hochachtung und Liebe der Bürger zu gewinnen. Die Kirche sichert den Frieden, nährt die Eintracht, umfaßt alle mit der Liebe einer Mutter ; und, indem ihr Sinnen und Trachten einzig und allein darauf gerichtet ist, den Menschen zu helfen, lehrt sie, die Gerechtigkeit mit Milde, die Gewalt mit Billigkeit, die Gesetze mit weiser Mäßigung zu verbinden. Keines Menschen Recht dürfe man verletzen, Ordnung und Ruhe im öffentlichen Leben solle man fördern, die Not der Armen nach besten Kräften durch private Mildtätigkeit und durch Beteiligung an der öffentlichen Wohltätigkeit lindern. Aber « man glaubt oder will glauben machen — um uns der Worte des heiligen Augustinus zu bedienen —, daß die christliche Lehre nicht das Staatswohl fördere, bloß darum, weil man den Staat nicht auf der festen Grundlage der Tugenden, sondern auf der Straflosigkeit der Laster aufbauen will. » 13

Im Lichte dieser Erkenntnis wäre es wahre Staats­klugheit und täte es im Interesse der allgemeinen Wohl­fahrt und Sicherheit not, daß Fürsten und Völker sich nicht mit den Freimaurern zum Sturze der Kirche, sondern vielmehr mit der Kirche zur Abwehr der Freimaurer zusammentäten.

Was die Zukunft auch bringen wird, Uns fällt die Aufgabe zu, gegen dieses schwere und schon weit verbreitete Übel auf Abhilfe zu sinnen. Da Wir aber erkennen, daß man die Hoffnung auf Heilung am besten und sichersten auf die Kraft der göttlichen Religion setzt, — welche die Frei­maurer um so glühender hassen, je mehr sie sie fürchten müssen, — deshalb halten Wir es für unsere Hauptaufgabe, diese so heilsame Kraft gegen den gemeinsamen Feind aufzurufen und ins Feld zu führen. Was immer daher Unsere Vorgänger, die Römischen Päpste, verordnet haben, um die Anschläge und Unternehmungen des Freimaurer­bundes unschädlich zu machen ; was immer sie bestimmt haben, um die Menschen vom Anschluß an diese Geheim­bünde abzuschrecken und zur Lossagung von denselben zu bewegen, dem allem stimmen Wir im allgemeinen und im besonderen zu und bekräftigen es durch Unsere Apo­stolische Autorität. Wir bauen hierbei am meisten auf den guten Willen der Christen und bitten jeden einzelnen von ihnen inständig, bei seinem eigenen Heile, daß er es für seine heilige Gewissenspflicht halte, auch nicht einen Finger breit von den Vorschriften abzuweichen, welche hierüber der Apostolische Stuhl gegeben hat.

Euch aber, Ehrwürdige Brüder, bitten Wir dringend, daß Ihr Euch im Verein mit Uns alle Mühe gebet, diese verabscheuungswürdige Seuche, welche alle Adern der menschlichen Gesellschaft durchdringt, auszurotten. Es handelt sich darum, Gottes Ehre zu schützen und der Mitmenschen Seelenheil zu sichern. Wenn Ihr beim heiligen Kampfe dies vor Augen habt, dann wird Euch der Mut nicht sinken, und die Tapferkeit Euch nicht verlassen. Eure Klugheit wird dann zu beurteilen haben, mit welchen Mitteln ihr vorzüglich die Euch entgegentretenden Hindernisse überwinden müßt.

Da es aber in Anbetracht der Würde Unseres Amtes Uns zukommt, selbst einen geeigneten Plan zum Kampfe zu entwerfen, so sind Wir der festen Überzeugung, daß die Freimaurer zu allererst entlarvt und der Menschheit in ihrer wahren Gestalt gezeigt werden müssen. Ferner müssen die Völker durch mündliche Belehrung und durch darauf bezugnehmende Hirtenbriefe über die Kunst­griffe aufgeklärt werden, mit denen diese Geheimbünde den Menschen schmeicheln und sie an sich locken, und unterrichtet werden über die Verderblichkeit ihrer Lehren und über die Schlechtigkeit ihrer Handlungsweise. Wie es Unsere Vorgänger des öfteren bestimmt haben, möge niemand es für erlaubt halten, aus irgend welchem Grunde dem Freimaurerbunde beizutreten, wenn er auf sein Seelenheil den Wert legt, den er ihm beimessen muß. Möge sich niemand von ihrer erheuchelten Sittlichkeit irreführen lassen. Es kann nämlich den Schein erwecken, als verlangten die Freimaurer nichts, was offenbar gegen die Heiligkeit der Religion und der guten Sitten ver­stoße. In Wirklichkeit ist die Sekte ihrem ganzen Wesen nach und von Grund aus Laster und Schande. Deshalb ist es nicht erlaubt, sich den Freimaurern anzuschließen oder ihre Bestrebungen in irgend welcher Weise zu fördern.

Dann muß man durch unablässige Belehrung das Volk dahin bringen, daß es die Wahrheiten der Religion sorgfältig kennen lerne. Deshalb raten Wir dringend, die Grund­wahrheiten des hochheiligen Glaubens, welche die christ­liche Weisheit ausmachen, durch Schriften und zeitgemäße Predigten zu erklären. Dadurch soll erzielt werden, daß die Menschen bei der schrankenlosen Druck- und Pressefreiheit und bei der unersättlichen Wißbegier unserer Zeit durch Unterricht geheilt und gegen die vielgestaltigen Irrtümer und die mannigfachen Lockmittel zur Sünde geschützt werden. Wahrlich ein großes Werk ! Doch Ihr werdet bei diesen Euren Bemühungen besonders im Klerus einen bereitwilligen Bundesgenossen finden, wenn derselbe durch Eure Mühewaltung in strenger, priesterlicher Zucht und in der Wissenschaft gut ausgebildet worden ist. Aber eine so edle und bedeutsame Sache erfordert auch die eifrige Mitwirkung der Laien, welche Glaubenseifer und Vaterlandsliebe mit Rechtschaffenheit und Wissenschaft­lichkeit in sich vereinigen. Mit vereinten Kräften beider Stände arbeitet darauf hin, Ehrwürdige Brüder, daß die Menschheit die Kirche durch und durch kennen lerne und lieb gewinne ; denn mit dieser Kenntnis und Liebe wird auch die Abscheu und Flucht vor den geheimen Gesellschaften wachsen. Nicht ohne Grund ergreifen Wir die günstige Gelegenheit, die sich Uns hier bietet, um das zu wiederholen, was Wir schon bei anderen Gelegenheiten gesagt haben : man müsse den dritten Orden des hl. Franziskus, dessen Regel Wir vor kurzem aus kluger Nachsicht gemildert haben, eifrigst verbreiten und schützen. Denn es besteht nach der Bestimmung, die ihm sein Stifter gegeben, seine Aufgabe einzig und allein darin, die Menschheit zur Nachfolge Jesu Christi einzuladen, für die Liebe zur Kirche und für die Übung aller christlichen Tugenden zu gewinnen. Er muß also eine starke Macht zur Bekämpfung der nichtswürdigen, verderblichen Sekten sein. Möge diese heilige Vereini­gung durch täglichen Zuwachs an Mitgliedern erstarken 1 Dürfen wir doch von ihr neben vielen Früchten ins­besondere die erwarten, daß sie die Menschheit zur Freiheit, Brüderlichkeit, Gleichheit führe ; aber nicht zu einer Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit wie die Freimaurer in ihrer Unvernunft sie sich vorstellen, sondern wie sie Jesus Christus dem Menschengeschlecht erworben und Franziskus sie erstrebt hat. Wir meinen die Freiheit der Kinder Gottes, vermöge derer wir weder dem Satan noch den Leidenschaften, welche die schlimmsten Tyrannen sind, dienen. Die Brüderlichkeit, welche ihre Wurzel in Gott, dem gemeinsamen Schöpfer und Vater aller hat ; die Gleichheit, welche auf Gerechtigkeit und Liebe ge­gründet ist, nicht alle Unterschiede der Menschen unter­einander aufheben will, sondern aus der Mannigfaltigkeit der Lebensweise, der Ämter und Berufsarten jenen wun­derbaren Einklang zustande bringt, welcher ihrer Natur nach der bürgerlichen Gesellschaft Nutzen schafft und Würde verleiht.

An dritter Stelle nennen Wir eine Einrichtung, die unsere Vorfahren geschaffen haben, von der man aber im Laufe der Zeit abgekommen ist. Sie könnte in unseren Tagen als Muster und Vorbild für eine ähnliche unseren Zeitverhältnissen angepaßte Einrichtung dienen. Wir meinen die Zünfte und Innungen der Handwerker, welche unter religiöse Leitung gestellt, die Wahrung materieller Interessen und den Schutz der guten Sitten zur Aufgabe haben. Wenn unsere Vorfahren den Vorteil dieser Genossenschaften durch lange Erfahrung und in schwierigen Verhältnissen erprobt haben, so wird unsere Zeit vielleicht noch mehr den Nutzen derselben erkennen, weil sie ganz vorzüglich geeignet sind, die Macht der Sekten zu brechen. Die Menschen, welche sich durch der Hände Arbeit das tägliche Brot sauer verdienen müssen, verdienen eben wegen ihrer gedrückten Lage vor allen anderen Liebe und Trost, aber ebenso sind auch gerade sie am meisten den Verlockungen der durch Trug und List immer mehr um sich greifenden Sekten ausgesetzt. Deshalb muß man ihnen mit dem höchsten Maße von Güte zu Hilfe kommen und sie zum Eintritt in gute Vereine einladen, damit sie nicht in schlechte hineingezogen werden. Daher ist es Unser sehnlichster Wunsch, daß diese Innungen unter der obersten Leitung und unter dem Schutze der Bischöfe den Zeitverhältnissen ent­sprechend wieder hergestellt werden. Mit nicht geringer Freude erfüllt es Uns, daß schon an mehreren Orten solche Vereinigungen und Schutzvereine gegründet wor­den sind. Beide haben es sich zur Aufgabe gemacht, dem ehrbaren Proletariat Hilfe angedeihen zu lassen ; ihre Kinder und Familien zu behüten und zu beschirmen und die Übung der Frömmigkeit den religiösen Unter­richt und die Reinheit der Sitten unter ihnen zu fördern. Hierbei wollen Wir schweigen von dem so ungemein erbaulichen, zur Nachahmung aneifernden und um die niederen Volksklassen so außerordentlich verdienten Verein, welcher nach seinem Stifter, dem hl. Vinzenz, benannt ist. Sein Wirken und sein Ziel ist bekannt. Er geht ganz darin auf, die Armen und von Mißgeschick Heimgesuchten ungerufen aufzusuchen und übt seine Tätigkeit mit staunenswertem Scharfblick und bewunde­rungswürdiger Anspruchslosigkeit aus. Und je weniger er Aufhebens macht, desto tüchtiger ist er zur Übung christlicher Liebe, desto geeigneter zur Linderung des Elends.

Viertens empfehlen Wir, um leichter zu Unserem Ziele zu gelangen, in ganz besonderem Maße die Jugend Eurer Gewissenhaftigkeit und Eurer Obhut ; ist sie doch die Hoffnung der menschlichen Gesellschaft. Verwendet den größten Teil Eurer Hirtensorge auf ihren Unterricht ! Glaubet nur, Eure Vorsicht kann nie groß genug sein, wenn es sich darum handelt, das aufwachsende Geschlecht vor Schulen und Lehren zu hüten, von denen man be­fürchten muß, daß sie schon den Pesthauch der geheimen Sekten atmen. Die Eltern, die Lehrer der Frömmigkeit und die Seelsorger sollen es sich angelegen sein lassen, nach Eurer Anweisung beim Religionsunterricht die Kinder und Zöglinge über das schändliche Wesen dieser Gesellschaft aufzuklären und sollen sich Mühe geben, daß sich die Jugend beizeiten in acht nehmen lerne vor den mit List und Trug ersonnenen Fallen, welche die Ver­breiter der Geheimbünde den Menschen stellen, um sie zu fangen.

Und jene, welche die Kinder zum Empfange der heiligen Sakramente vorschriftsmäßig vorbereiten, würden gut tun, wenn sie alle einzeln anleiteten, den festen Vorsatz zu fassen, daß sie keinem Verein ohne Wissen der Eltern und ohne Gutheißung des Seelsorgers oder Gewissens­beraters (Beichtvaters) sich anschließen wollen.

Indes sind Wir Uns wohl bewußt, daß wir der schwie­rigen Aufgabe, diese unheilvolle Saat aus dem Acker des Herrn herauszureißen, ganz und gar nicht gewachsen sein werden, wenn nicht der Herr des Weinberges, der im Himmel wohnt, unserem Beginnen gnädig zu Hilfe kommt. Wir müssen ihn also so inständig und so fle­hentlich um seinen Beistand und seine Hilfe bitten, wie die Macht der Gefahr, die uns droht und die Größe der Bedrängnis, die uns umgibt, es von uns fordern.

Es erhebt die Sekte der Freimaurer, durch ihre Erfolge übermütig geworden, in maßlosem Stolze ihr Haupt, und ihre Frechheit scheint keine Grenze mehr zu kennen. Alle ihre Anhänger, durch ruchloses Bündnis und zu gemeinsamen Plänen im Geheimen verschworen, leisten einander Hilfe und reizen sich gegenseitig zu Taten gottloser Verwegenheit an. Ein so heftiger Angriff erfordert eine gleich starke Abwehr, d. h. alle Gut­gesinnten müssen einen einzigen mächtigen Bund zu gemeinsamer Arbeit und gemeinsamem Gebete schließen. Wir bitten sie daher, sie möchten doch einmütig, Schulter an Schulter und unentwegt gegen die vordringende Macht der Geheimbünde zusammenstehen ; auch möchten sie mit vielen und inständigen Seufzern und Gebeten ihre Hände zu Gott emporheben und von ihm erflehen, daß der christliche Name blühe und in Kraft bleibe, daß die Kirche ihre notwendige Freiheit wieder erlange, daß die Verirrten auf den rechten Weg zurückkehren, daß der Irrtum der Wahrheit und das Laster der Tugend endlich einmal Platz mache.

Um Hilfe und Fürsprache wollen wir uns an die Jungfrau und Gottesmutter Maria wenden, daß sie, die schon in ihrer Empfängnis den Satan besiegte, auch im Kampfe gegen die gottlosen Geheimbünde ihre Macht zeige, da in ihnen offenbar die satanischen Geister der Empörung mit ihrer alten Treulosigkeit und Heuchelei neu aufleben. Wir wollen auch den Fürsten der seligen Geister, den Sieger über die feindlichen Mächte der Hölle, den hl. Michael beschwören ; desgleichen den heiligen Joseph, den Bräutigam der seligsten Jungfrau, und mächtigen Patron der katholischen Kirche im Himmel, die großen Apostel Petrus und Paulus, die den christlichen Glauben ausgesät und siegreich beschützt haben. Auf den Schutz dieser Heiligen und auf die beharrlichen, gemeinschaftlichen Gebete vertrauend, hoffen Wir, daß Gott der von so vielen Gefahren um­ringten Menschheit zur rechten Zeit gnädig zu Hilfe kommen werde.

Als Unterpfand der himmlischen Gnade und als Zeichen Unserer Liebe erteilen Wir Euch, Ehrwürdige Brüder, Eurem Klerus und dem gesamten Eurer Hirtensorge anvertrauten Volke von ganzem Herzen den Apostolischen Segen im Herrn

Gegeben zu Rom, bei St. Peter, am 20. April des Jahres 1884, im siebenten Jahre Unseres Pontifikates.

PAPST LEO XIII.

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1 LEO XIII., Rundschreiben an die Ehrwürdigen Brüder, alle Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe und Bischöfe der katholischen Welt, die mit dem Apostolischen Stuhle in Gnaden und Gemeinschaft stehen. ASS xvI (1883-1884) 417-433.

2 AUGUSTINUS, De civitate Dei xiv 28, PL xLI 436.

3 Ps. LXXXII (LXXXIII) 3-5.

4 KLEMENS XII., In eminenti, 28. April 1738, Fontes n. 299.

5 BENEDIKT XIV., Providas, 18. März 1751, Fontes n. 412.

6 Pius VII., Ecclesiam, 13. September 1821, Fontes n. 479.

7 LEO XII., Quo graviora, 13. März 1825, Fontes n. 481 ; vgl. MG n. 30, Anmerkung.

8 Plus VIII., Rundschreiben Traditi, 21. Mai 1829, BRC Ix 23.

9 GREGOR XVI., Rundschreiben Mirari vos, 15. August 1832, ASS IV (1895) 336-345 ; MG SS. 16-31.

10 Pius IX., Rundschreiben Qui pluribus, 9. November 1846, Fontes n. 504. Ansprache Multiplices inter, 25. September 1865, Fontes n. 544.

11 MATTH. V 18.

12 Trid. Konzil, Sess. w c. 1, Denzinger n. 793.

13 AUGUSTINUS, Ep. cxxxvii ad Volusianum v 20, PL xxxill 525.

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(Quelle: MENSCH UND GEMEINSCHAFT IN CHRISTLICHER SCHAU – Dokumente – Herausgegeben von Dr. EMIL MARTY unter Mitwirkung von Josef Schafer und Anton Rohrbasser – Verlag der Paulusdruckerei Freiburg in der Schweiz, 1945)