Koch: Katholiken und Orthodoxe können voneinander lernen

Der Ökumene-Verantwortliche des Papstes, Kardinal Kurt Koch, plädiert dafür, dass Katholiken und Orthodoxe voneinander lernen. Vor allem in Sachen Synodalität könne sich die katholische Kirche von ihren orthodoxen Geschwistern einiges abschauen.

Das sagte der Präsident des päpstlichen Einheitsrates jetzt bei einem Besuch in Salzburg. Im Spiegel der Tradition der orthodoxen Kirchen werde die katholische Kirche eingestehen müssen, dass sie in ihrem Leben und in ihren Strukturen noch nicht jenes Maß an Synodalität ausgebildet habe, „das theologisch möglich und notwendig wäre“.

Koch hielt einen Festvortrag beim 35-Jahr-Jubiläum der Sektion Salzburg der Stiftung „Pro Oriente“. Dabei sprach er sich für eine glaubwürdige Verbindung der Prinzipien Primat und Synodalität aus: Es könne, falls es gelänge, eine wesentliche Hilfe für das weitere ökumenische Gespräch mit der Orthodoxie sein.

„Die jeweiligen starken Seiten beider Kirchen miteinander ins Gespräch bringen“

Kardinal Koch hob gleichzeitig hervor, dass der theologische Dialog aber nur dann in die Zukunft führen werde, wenn „die jeweiligen starken Seiten beider Kirchen miteinander ins Gespräch gebracht werden“. Dies sollte in der „Hoffnung auf Lernbereitschaft auf beiden Seiten“ und in der „Bewährung des Grundprinzips des ökumenischen Dialogs“ geschehen, „das im gegenseitigen Austausch von Gaben besteht, in dem von den ‚Anderen‘ gelernt werden kann“.

Für Papst Franziskus sei es evident, dass das katholische Engagement, eine synodale Kirche aufzubauen, große Auswirkungen auf die Ökumene hat und auch eine „neue Sicht auf den Primat des Bischofs von Rom“ ermöglicht, stellte Kardinal Koch fest. Auf der anderen Seite werde man von den orthodoxen Kirchen erwarten dürfen, dass sie im ökumenischen Dialog lernen, „dass ein Primat auch auf der universalen Ebene nicht nur möglich und theologisch legitim, sondern auch notwendig ist“, betonte Kardinal Koch in Salzburg.

Primat und Synodalität verbinden

Die innerorthodoxen Spannungen und Konflikte, die vor allem beim orthodoxen Konzil auf Kreta 2016 deutlich zum Ausdruck gekommen seien, legten nahe, „auch auf der universalen Ebene der Kirche über ein Amt der Einheit nachzudenken“. Den orthodoxen Kirchen sei auch die Einsicht zuzumuten, dass ein solches Amt der Einheit „mehr sein muss als ein reiner Ehrenprimat“. Dieses Amt müsse auch „rechtliche Elemente“ einschließen.

Ein ökumenischer Austausch der Gaben zwischen Ost und West könne sich auch in „noch grundlegenderen theologischen Fragen“ als fruchtbar erweisen. Der Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen nannte als Beispiel die Tatsache, dass in der westlichen Tradition in der Neuzeit die „kosmische Dimension des christlichen Glaubens und theologischen Denkens weithin aus dem Bewusstsein entschwunden ist“. Stattdessen gebe es eine starke Anthropozentrik, es werde nur mehr über den Menschen nachgedacht, während das östliche Christentum die Erlösung des Menschen und die Erlösung der Natur nie voneinander getrennt habe.

Die kosmische Dimension

Die Auswirkungen der Ausblendung der kosmischen Dimension zeigten sich auch im Verständnis des Gottesdienstes, so Kardinal Koch. In der westlichen Tradition liege in der liturgischen Praxis und in der Liturgiewissenschaft der Akzent weitgehend auf der Versammlung der Gemeinde und folglich auch auf der Frage, wie die Liturgie zu gestalten ist, sodass sie dem Glaubensbewusstsein der Gemeinde entspricht. Im Unterschied zu dieser forcierten Konzentration der Liturgie auf die Gemeindeperspektive werde die Liturgie in der ostkirchlichen Tradition vorrangig als ein „kosmisches Geschehen“ verstanden.

Wörtlich stellte Kardinal Koch fest: „Im ostkirchlichen Verständnis ist Liturgie sehr viel mehr als die Zusammenkunft einer mehr oder weniger großen Gemeinschaft von Menschen. Sie wird vielmehr in die Weite des Kosmos hinein gefeiert, sie umgreift Geschichte und Schöpfung“. Die Feier der Eucharistie werde nicht einfach als historischer Rückblick auf das Letzte Abendmahl verstanden, sondern als Vorwegfeier der Vollendung des Kosmos und der Verherrlichung Gottes.

Auf die ökologische Herausforderung aus der Kernmitte des Glaubens antworten

Die Christen des Westens sollten diese kosmische Dimension des Glaubens und des theologischen Denkens neu entdecken und sich von der orthodoxen Theologie bereichern lassen, vor allem im Hinblick auf die Sorge um die bedrohte Schöpfung, stellte Kardinal Koch fest. Auf diesem Hintergrund sei es wahrscheinlich kein Zufall, dass sich der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., so sehr für die Bewahrung der Schöpfung engagiere und als „grüner Patriarch“ gelte. Denn auf die ökologische Herausforderung müsse eine „Antwort aus der Kernmitte des christlichen Glaubens“ erfolgen.

Kardinal Koch dankte der Salzburger „Pro Oriente“-Sektion für ihren „großen Dienst des Dialogs der Liebe und des Dialogs der Wahrheit“ mit dem Ziel der Wiedergewinnung der „einen und ungeteilten Kirche“. Bei der – coronabedingt eingeschränkten – 35-Jahr-Feier hob der Salzburger Erzbischof Franz Lackner die Absicht seines Vorgängers Karl Berg hervor, „die ökumenische Intention des Zweiten Vatikanischen Konzils“ im diözesanen Bereich fortzuführen. Es sei eine „bahnbrechende Leistung“ gewesen, die Überzeugungen des Konzils auf die diözesane Ebene zu übertragen.

„Pro Oriente“-Präsident Alfons M. Kloss bezeichnete die Salzburger Sektion der Stiftung als eine „sehr dynamische und eigenständige Kraftquelle“. So wie Österreich föderal aufgebaut sei, lebe auch „Pro Oriente“ durch die Sektionen in Salzburg, Graz und Linz in einer Struktur von Einheit in der Vielfalt. Gerade ein Jubiläum wie der 35. Jahrestag der Gründung der Salzburger „Pro Oriente“-Sektion sei aber auch eine gute Gelegenheit, um vorauszublicken. „Pro Oriente“ müsse sich in „einer so fragilen Welt“ wie heute sehr deutlich orientieren und auf die Bedürfnisse der Zeit ausrichten, so Kloss. Auf der Basis des Erreichten sei die Frage zu stellen, was die „mission“ von „Pro Oriente“ angesichts der Welt von heute und ihrer Fragestellungen sein muss. Aufbauend auf der wertvollen Arbeit der Vorgängerinnen und Vorgänger laufe derzeit ein „Zukunftsprozess“ für „Pro Oriente“. Ein Leitstrahl sei dabei ein Wort von Papst Franziskus: „gemeinsam vorangehen“ („camminare insieme“) mit den Schwesterkirchen, im Gebet, in der Aktivität, im christlichen Zeugnis in der Welt von heute.

(poi – sk)

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Bartholomaios über „Fratelli tutti“: „Geben wir Gleichgültigkeit und Zynismus auf“

Archivbild: Papst Franziskus und Patriarch Bartholomaios

Im Interview von Radio Vatikan/Vatican News mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel geht das Ehren-Oberhaupt der Orthodoxie auf die Bedeutung der Enzyklika von Papst Franziskus ein. Bartholomaios sagt: „Wir träumen von unserer Welt als geeinter Familie“.

Andrea Tornielli – Vatikanstadt  

Patriarch Bartholomaios spricht von einer Einladung und Herausforderung, wenn er von „Fratelli tutti“ spricht. Im Interview mit unserem Chefredakteur Andrea Tornielli sagt das Ehrenoberhaupt der Orthodoxie wörtlich: „Wir stimmen der Einladung von Papst Franziskus voll und ganz zu, wir alle sollten die Gleichgültigkeit oder, mehr noch, den Zynismus aufgeben, der unser ökologisches, politisches, wirtschaftliches und soziales Leben im Allgemeinen beherrscht.“ Das Problem der heutigen Zeit sei, so der Patriarch von Konstantinopel, dass die Menschheit von egozentrischer oder selbstloser Einstellung geprägt sei. Stattdessen lade der Papst mit seiner Enzyklika alle dazu ein, „unsere Welt als eine geeinte Menschheitsfamilie zu träumen“.

Einstimmigkeit mit Bruder Franziskus

Noch bevor die Enzyklika „Fratelli tutti“ erschien, habe er mit seinem „Bruder Franziskus“ darin übereingestimmt, dass es konkrete Vorschläge zur Bewältigung der großen Herausforderungen der Gegenwart bedürfe. Weiter sagte der Patriarch, dass die Inspiration dazu „aus der unerschöpflichen Quelle der christlichen Tradition“ hervorgehe. So würdigte Bartholomaios die Haltung des Papstes, der „ein Herz voller Liebe“ habe. „Unsere Erwartungen wurden nach Abschluss der Analyse dieser höchst interessanten Enzyklika, die nicht einfach ein Kompendium oder eine Zusammenfassung früherer Enzykliken oder anderer Texte von Papst Franziskus ist, sondern die Krönung und der erfolgreiche Abschluss aller Soziallehre, voll erfüllt“, so die lobenden Worte des Patriarchen.

In diesem Sinne bringt er die Hoffnung und den Wunsch zum Ausdruck, „dass sich die Enzyklika durch entschlossene Initiativen und transversale Aktionen auf interchristlicher, interreligiöser und gesamtmenschlicher Ebene als Quelle der Inspiration und des fruchtbaren Dialogs erweisen wird“.

„Zu Recht beunruhigt uns jedoch die Tatsache, dass die modernen technischen und wissenschaftlichen Entwicklungen die ,Hybris´ des Menschen gestärkt haben.“

Über die Hoffnung, die man aus dem Blick des Evangeliums auf die Welt schöpfen könne, sagt Bartholomaios: „Mit seinem ausgeprägten humanistischen, sozialen und spirituellen Sinn identifiziert und benennt Papst Franziskus die ,Schatten´ in der modernen Welt. Wir sprechen von ,modernen Sünden´, obwohl wir gerne betonen, dass die Erbsünde in unserer Zeit und in unserem Zeitalter nicht aufgetreten ist. Wir idealisieren die Vergangenheit keineswegs. Zu Recht beunruhigt uns jedoch die Tatsache, dass die modernen technischen und wissenschaftlichen Entwicklungen die ,Hybris´ des Menschen gestärkt haben. Die Errungenschaften der Wissenschaft antworten weder auf unsere existenzielle Grundlagenforschung, noch haben sie sie beseitigt. Wir stellen auch fest, dass wissenschaftliche Erkenntnisse nicht bis in die Tiefen der menschlichen Seele vordringen. Der Mensch weiß das, aber er tut so, als wüsste er es nicht.“

Kluft zwischen Arm und Reich

Zur Armutsproblematik, die der Papst in „Fratelli tutti“ behandelt, erläutert der Ökumenische Patriarch, dass die wirtschaftliche Entwicklung die Kluft zwischen Arm und Reich nicht verringert habe. Vielmehr habe sie auf Kosten des Schutzes der Schwachen den Profit in den Vordergrund gestellt und habe auch zur Verschärfung von Umweltproblemen beigetragen. Die Politik sei hierbei „zum Diener der Wirtschaft“ geworden. „Das Flüchtlingsproblem, der Terrorismus, die staatliche Gewalt, die Erniedrigung der Menschenwürde, moderne Formen der Sklaverei und die Covid-19-Epidemie stellen die Politik nun vor neue Verantwortlichkeiten und löschen ihre pragmatische Logik aus“, so der Patriarch von Konstantinopel. Der Vorschlag des kirchlichen Lebens sei hingegen die Wende zu einer solidarischen Hingabe, was nichts anderes bedeutet als „die Liebe, die Offenheit für das Andere und die Kultur der Solidarität der Menschen“ zu fördern.

(vatican news – mg)

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D: Bartholomaios kritisiert orthodoxe Fundamentalisten

Patriarch Bartholomaios in einer Aufnahme vom April

Das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, hat das Konzept der Menschenrechte gegen Kritik aus fundamentalistischen orthodoxen Kreisen verteidigt. Menschenrechte seien „kein Menschenwerk“, sondern ein „Geschenk Gottes“, betonte der Ökumenische Patriarch am Donnerstag in Berlin bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung. Ein Grundbegriff der orthodoxen Lehre vom Menschen sei der der Person; von dort aus ergäben sich Anknüpfungspunkte für die aus der Aufklärung stammenden Begriffe Freiheit und Autonomie.

Der historische Schritt der Bejahung der ausformulierten Menschenrechte war in der katholischen Kirche beim Zweiten Vatikanischen Konzil erfolgt, und die Orthodoxie zog beim Panorthodoxen Konzil von Kreta im Juni 2016 nach. Allerdings wurde das Konzil von mehreren Patriarchaten – darunter Moskau, Sofia und Tiflis – sabotiert.

Bartholomaios I. wandte sich in Berlin gegen die auch von manchen nichtchristlichen Religionen vorgebrachten Thesen, die Menschenrechte seien an die westliche Kultur gebunden und Ausdruck des westlichen Imperialismus. Auch wenn es von kirchlicher Seite zunächst „Animositäten“ gegen die Menschenrechtserklärungen gegeben habe, wurzelten sie doch tief in der christlichen Kultur, die auch in die humanistischen Bewegungen ausgestrahlt habe.

Zugleich betonte der Patriarch, unabhängig von ihrer Entstehung sei es wichtig, dass die Menschenrechte von verschiedenen Kulturen und Völkern in den lebendigen Zusammenhang ihrer eigenen Tradition integriert würden. Jedenfalls sei es inakzeptabel, wenn Religionen die Menschenrechte unterminierten statt zu ihrer Stärkung beizutragen. Letzteres sei umso wichtiger, als die Menschenrechte keine „sichere Realität“ seien, sondern der Einsatz für sie eine bleibende Aufgabe sei.

Wahrhaft globale Engagement

Der Erzbischof von Berlin, Heiner Koch, würdigte in einem Grußwort „das wahrhaft globale Engagement“ des Patriarchen im ökumenischen und interreligiösen Dialog. Zugleich erklärte er die „uneingeschränkte Solidarität“ der Berliner Katholiken mit den um ihres Glaubens willen verfolgten Christen vor allem im Nahen Osten. Im Anschluss an die Adenauerstiftungs-Veranstaltung hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Patriarchen von Konstantinopel zu einem gut einstündigen Gespräch empfangen. Bei der Unterregung mit dem Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie im Berliner Schloss Bellevue habe sich Steinmeier vor allem über die Lage der Flüchtlinge und der orthodoxen Kirche in der Türkei informiert, wie die deutsche Katholische Nachrichtenagentur KNA aus Teilnehmerkreisen erfuhr.

(kap 02.06.2017 mg)

Papst würdigt Einsatz des Patriarchen Bartholomaios I. für die Einheit der Christen

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Basilica San Nicola, Bari / Wikimedia Commons

Ökumenischer Patriarch empfing am Montag
den „Nikolaus-Preis“ in Bari

Papst Franziskus hat den Einsatz des ökumenischen Patriarchen Konstantinopels, Bartholomaios I., ‪„zur Förderung einer immer größeren Gemeinschaft unter allen Gläubigen in Christus“ gewürdigt. Der im Februar 1940 auf der Insel Imbros (oder Gökçeada, in der türkischen Provinz Çanakkale) geborene Patriarch wurde am Montag im süditalienischen Bari mit dem ökumenischen ‪„Sankt-Nikolaus-Preis“ ausgezeichnet.

Der von der Theologischen Fakultät Apuliens gestiftete „Premio Ecumenico San Nicola“ wird katholischen und orthodoxen Persönlichkeiten verliehen, die sich in besonderer Art und Weise um die Förderung der Einheit der Christen verdient gemacht haben. Der Preis besteht aus einer gold-silbernen Reproduktion der ‪„einflammigen Lampe“, die seit 1936 bei den Reliquien des heiligen Nikolaus von Myra in der päpstlichen Nikolaus-Basilika in Bari brennt.

In seinem Telegramm an den Erzbischof von Bari, Msgr. Francesco Cacucci, vereint der Papst sich ‪„geistlich mit dem sehr lieben Bruder Bartholomaios in der Verehrung des heiligen Bischofs von Myra Nikolaus, dessen Reliquien seit fast tausend Jahren in Bari aufbewahrt werden“.

Im Schreiben vertraut Papst Franziskus „die ersehnte Verwirklichung der vollen Einheit der Christen“ der Fürsprache des ‪„sowohl im Westen wie im Osten sehr geliebten Hirten“ Nikolaus an.

Mit ihrer ‪„lobenswerten“ Initiative – so heißt es weiter – bezeugen „die Theologische Fakultät Apulien‪s und die ganze Kirche Apuliens ihre Treue an ihrer Berufung als Brücke zwischen den Christen des Ostens und des Westens.“

Der hl. Nikolaus wird am 6. Dezember gefeiert (19. Dezember im Julianischen Kalender) und genießt vor allem Bekanntheit als Freund der Kinder und Geber guter Gaben.

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Quelle

Papst Franziskus und Patriarch Bartholomaios: Neuevangelisierung wichtiges Ökumene-Thema

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Vatikanstadt/Athen. Die Neuevangelisierung der Christen, die sich »des Geschenks des Glaubens nicht mehr bewusst sind«, muss ein Thema der ökumenischen Diskussion in Europa sein. Dies betonte Papst Franziskus in einer Grußbotschaft an die Teilnehmer des 14. Interchristlichen Symposions der römischen Franziskaner-Universität »Antonianum« und der orthodoxen Theologischen Fakultät der Aristoteles- Universität Saloniki in der nordgriechischen Metropole. Auch der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. richtete eine Grußbotschaft an die Teilnehmer.

In dem Schreiben von Franziskus, das von Kardinal Kurt Koch, dem Präsidenten des Päpstlichen Einheitsrates, am Beginn des Symposions verlesen wurde, heißt es u.?a. wörtlich: »Die lobenswerte Initiative der beiden Universitäten fördert die theologische und kulturelle Begegnung zwischen Katholiken und Orthodoxen, um sich der Herausforderung zu stellen, die Verbindung mit den christlichen Wurzeln des Kontinents zu erneuern, die leider immer weniger gesehen wird.«

Der Dialog zwischen katholischen und orthodoxen Theologen solle dabei helfen, hofft der Papst. Es gelte, »neue Wege und kreative Methoden« zu erschließen, um eine Sprache zur Verkündigung der Botschaft Jesu »in all ihrer Schönheit« an den europäischen Mensch von heute zu ermöglichen.

Patriarch Bartholomaios I. betonte in seiner Grußbotschaft die »entscheidende« Rolle der gläubigen Christen in einer Zeit, in der Zusammenarbeit und Einheit immer notwendiger würden. Der Patriarch bezog sich dabei auch auf die Verwundungen durch die jüngsten terroristischen Attacken. Gerade diese Verbrechen seien ein Hinweis auf die »absolute Notwendigkeit«, den europäischen Kontinent neu zu evangelisieren. Denn das Problem bestehe nicht so sehr in der Entwicklung des Terrorismus durch die Mitglieder einer bestimmten Religion, sondern in der ausgedehnten Entchristlichung Europas, das in den letzten Jahrzehnten »einen Weg der Entfremdung von den christlichen Werten und Traditionen« eingeschlagen habe und sich neuen Theorien und Gewohnheiten zuwende, die »dem Gesetz Gottes diametral entgegengesetzt sind«.

Die Liebe zum Dialog, zur friedlichen Überwindung der Gegensätze und zur Versöhnung würden die Christen vereinen, unterstrich Bartholomaios I. abschließend. Zugleich seien die Christen gemeinsam überzeugt, dass Christus »die große und einzige Hoffnung der Welt« sei; diese Überzeugung müsse von allen durch »Wort und Werk« gelebt werden.

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Quelle: Osservatore Romano 36/2016

Lesbos-Erklärung: „Diese Tragödie ist eine Krise der Menschheit“

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Papst und Patriarch im Flüchtlingslager auf Lesbos

Hier die Kernsätze der gemeinsamen Erklärung von Papst Fanziskus dem ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. und dem orthodoxen Erzbischof Hieronymus II. bei seiner apostolischen Reise nach Lesbos:

„Wir haben uns auf der griechischen Insel Lesbos getroffen, um unsere tiefe Besorgnis über die tragische Lage der zahlreichen Flüchtlinge, Migranten und Asylsuchenden zum Ausdruck zu bringen, die nach Europa gekommen sind, weil sie vor Konfliktsituationen und – in vielen Fällen – vor der täglichen Bedrohung ihres Lebens geflohen sind.“

„Die Tragödie erzwungener Migration und Vertreibung betrifft Millionen von Menschen und ist eine Krise der Menschheit, die zu einer Antwort der Solidarität, des Mitgefühls, der Großherzigkeit und zu einem unverzüglichen  praktischen Einsatz der Ressourcen aufruft.“

„Es bedarf dringend eines breiteren internationalen Konsenses und eines Hilfsprogrammes, um die Rechtsordnung aufrechtzuerhalten, in dieser unhaltbaren Situation die grundlegenden Menschenrechte zu verteidigen, Minderheiten zu schützen, Menschenhandel und -schmuggel zu bekämpfen, gefährliche Routen wie die über das Ägäische Meer und das gesamte Mittelmeer auszuschließen und um sichere Umsiedlungsverfahren zu entwickeln.“

„Solange die Not besteht, ersuchen wir nachdrücklich alle Länder, zeitlich beschränktes Asyl zu verlängern, denen, die dafür infrage kommen, den Flüchtlingsstatus zu gewähren, ihre Hilfskapazitäten auszudehnen und mit allen Männern und Frauen guten Willens für eine schnelle Beilegung der laufenden Konflikte zu arbeiten.“

„Was uns betrifft, so beschließen wir im Gehorsam gegenüber dem Willen unseres Herrn Jesus Christus fest und aus ganzem Herzen, unsere Anstrengungen zur Förderung der vollen Einheit aller Christen zu verstärken.“

„Wir bitten die internationale Gemeinschaft dringend, den Schutz menschlichen Lebens zur Priorität zu erheben und auf allen Ebenen inklusive Politik zu unterstützen, die sich auf alle Religionsgemeinschaften erstreckt.“

„Die schreckliche Situation all derer, die von der gegenwärtigen humanitären Krise betroffen sind, einschließlich so vieler unserer christlichen Brüder und Schwestern, verlangt unser fortwährendes Gebet.“

(rv 16.04.2016 gs)


 

Gemeinsame Erklärung

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Papst Franziskus bei seiner Ankunft in Griechenland

Gemeinsam mit dem ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. und dem orthodoxen Erzbischof Hieronymus II. hat Papst Franziskus bei seiner apostolischen Reise nach Lesbos eine Erklärung abgegeben. Hier der Text im Wortlaut:

„Wir, Papst Franziskus, der Ökumenische Patriarch Bartholomäus und Erzbischof Hieronymus von Athen und ganz Griechenland, haben uns auf der griechischen Insel Lesbos getroffen, um unsere tiefe Besorgnis über die tragische Lage der zahlreichen Flüchtlinge, Migranten und Asylsuchenden zum Ausdruck zu bringen, die nach Europa gekommen sind, weil sie vor Konfliktsituationen und – in vielen Fällen – vor der täglichen Bedrohung ihres Lebens geflohen sind. Die Weltöffentlichkeit darf ihre Augen nicht verschließen vor der ungeheuren humanitären Krise, die durch die Ausbreitung von Gewalt und bewaffneten Konflikten, durch Verfolgung und Vertreibung religiöser und ethnischer Minderheiten und durch die Entwurzelung von Familien aus ihrer Heimat unter Verletzung ihrer Menschenwürde und ihrer grundlegenden Menschenrechte und Freiheiten entstanden ist.

Die Tragödie erzwungener Migration und Vertreibung betrifft Millionen von Menschen und ist eine Krise der Menschheit, die zu einer Antwort der Solidarität, des Mitgefühls, der Großherzigkeit und zu einem unverzüglichen  praktischen Einsatz der Ressourcen aufruft. Von Lesbos aus appellieren wir an die Internationale Gemeinschaft, mutig zu reagieren und dieser massiven humanitären Krise und den ihr zugrundeliegenden Ursachen durch diplomatische, politische und karitative Initiativen zu begegnen wie auch durch gemeinsame Anstrengungen sowohl im Nahen Osten als auch in Europa.

Als Hirten unserer jeweiligen Kirchen sind wir einig in unserem Wunsch nach Frieden und unserer Bereitschaft, die Lösung von Konflikten durch  Dialog und Versöhnung zu fördern. Während wir die bereits unternommenen Anstrengungen, um Hilfe und Fürsorge für Flüchtlinge, Migranten und Asylsuchende bereitzustellen, anerkennen, fordern wir alle politischen Verantwortungsträger auf, jegliche Mittel einzusetzen, um zu gewährleisten, dass Einzelne und Gemeinschaften, einschließlich der Christen, in ihren Heimatländern bleiben und ihr Grundrecht, in Frieden und Sicherheit zu leben, genießen. Es bedarf dringend eines breiteren internationalen Konsenses und eines Hilfsprogrammes, um die Rechtsordnung aufrechtzuerhalten, in dieser unhaltbaren Situation die grundlegenden Menschenrechte zu verteidigen, Minderheiten zu schützen, Menschenhandel und -schmuggel zu bekämpfen, gefährliche Routen wie die über das Ägäische Meer und das gesamte Mittelmeer auszuschließen und um sichere Umsiedlungsverfahren zu entwickeln. Auf diese Weise werden wir fähig sein, den Ländern zu helfen, die unmittelbar damit zu tun haben, den Bedürfnissen so vieler unserer leidenden Brüder und Schwestern entgegenzukommen. Besonders bringen wir unsere Solidarität gegenüber den Menschen in Griechenland zum Ausdruck, die trotz ihrer eigenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten mit Großherzigkeit auf diese Krise reagiert haben.

Gemeinsam plädieren wir mit Nachdruck für ein Ende von Krieg und Gewalt im Nahen Osten, für einen gerechten und dauerhaften Frieden und für eine ehrenvolle Heimkehr derer, die gezwungen waren, ihre Häuser zu verlassen. Wir bitten die Religionsgemeinschaften, ihre Anstrengungen zu verstärken, Flüchtlinge aller Glaubensrichtungen zu empfangen, zu unterstützen und zu schützen und dass religiöse und zivile Hilfsdienste sich bemühen, ihre Initiativen zu koordinieren. Solange die Not besteht, ersuchen wir nachdrücklich alle Länder, zeitlich beschränktes Asyl zu verlängern, denen, die dafür infrage kommen, den Flüchtlingsstatus zu gewähren, ihre Hilfskapazitäten auszudehnen und mit allen Männern und Frauen guten Willens für eine schnelle Beilegung der laufenden Konflikte zu arbeiten.

Europa steht heute vor seiner ernstesten humanitären Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Um dieser schweren Herausforderung zu begegnen, appellieren wir an alle Christen, auf die Worte des Herrn, nach denen wir einst gerichtet werden, zu achten: » Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen […] Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan « (Mt 25,35-36.40).

Was uns betrifft, so beschließen wir im Gehorsam gegenüber dem Willen unseres Herrn Jesus Christus fest und aus ganzem Herzen, unsere Anstrengungen zur Förderung der vollen Einheit aller Christen zu verstärken. Wir bekräftigen erneut unsere Überzeugung, dass es: » zur Versöhnung gehört […], die soziale Gerechtigkeit in und unter allen Völkern zu fördern […]. Gemeinsam wollen wir dazu beitragen, dass Migranten und Migrantinnen, Flüchtlinge und Asylsuchende in Europa menschenwürdig aufgenommen werden « (Charta Oecumenica [Straßburg 2001], 8). Indem wir die grundlegenden Menschenrechte der Flüchtlinge, Asylsuchenden und Migranten sowie der vielen ausgegrenzten Menschen in unseren Gesellschaften verteidigen, sind wir bestrebt, die Sendung der Kirche zum Dienst an der Welt zu erfüllen.

Unser heutiges Treffen möchte dazu beitragen, denen, die Zuflucht suchen, und allen, die sie empfangen und ihnen beistehen, Mut und Hoffnung zu bringen. Wir bitten die internationale Gemeinschaft dringend, den Schutz menschlichen Lebens zur Priorität zu erheben und auf allen Ebenen inklusive Politik zu unterstützen, die sich auf alle Religionsgemeinschaften erstreckt. Die schreckliche Situation all derer, die von der gegenwärtigen humanitären Krise betroffen sind, einschließlich so vieler unserer christlichen Brüder und Schwestern, verlangt unser fortwährendes Gebet.“

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Quelle

BENEDIKT XVI. UND FRANZISKUS: OEKUMENE MIT DER ORTHODOXIE

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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST BENEDIKT XVI.
IN DIE TÜRKEI
(28. NOVEMBER – 1. DEZEMBER 2006)

GEMEINSAME ERKLÄRUNG VON PAPST BENEDIKT XVI.
UND PATRIARCH BARTHOLOMAIOS I.

»Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen« (Ps 118,24).

Die brüderliche Begegnung, die wir, Benedikt XVI., Papst von Rom, und Bartholomaios I., Ökumenischer Patriarch, miteinander hatten, ist das Werk Gottes und gewissermaßen ein Geschenk von ihm. Wir danken dem Urheber alles Guten, der uns noch einmal gewährt, im Gebet und im Austausch unsere Freude darüber zum Ausdruck zu bringen, daß wir uns als Brüder fühlen, und unser Engagement im Hinblick auf die volle Gemeinschaft zu erneuern. Dieses Engagement ergibt sich für uns aus dem Willen unseres Herrn und aus unserer Verantwortung als Hirten in der Kirche Christi. Möge unsere Begegnung ein Zeichen und eine Ermutigung für uns sein, dieselben Empfindungen und dieselbe Haltung der Brüderlichkeit, der Zusammenarbeit und der Gemeinschaft in der Liebe und in der Wahrheit miteinander zu teilen. Der Heilige Geist wird uns helfen, den großen Tag der Wiederherstellung der vollen Einheit vorzubereiten, wann und wie Gott will. Dann werden wir uns wahrhaft freuen und frohlocken können.

1. Wir haben uns in Dankbarkeit die vom Herrn gesegneten Begegnungen unserer verehrten Vorgänger in Erinnerung gerufen, die der Welt die Dringlichkeit der Einheit gezeigt und sichere Wege vorgezeichnet haben, um im Dialog, im Gebet und im täglichen kirchlichen Leben dorthin zu gelangen. Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras I., die als Pilger in Jerusalem waren, an dem Ort, wo Jesus Christus für das Heil der Welt gestorben und auferstanden ist, hatten danach weitere Begegnungen hier im Phanar und in Rom. Sie haben uns eine gemeinsame Erklärung hinterlassen, die ihre volle Gültigkeit behält, wenn sie betont, daß der wahre Dialog der Liebe alle Beziehungen zwischen den Menschen und zwischen den Kirchen stützen und inspirieren und »in der vollkommenen Treue zu dem einen Herrn Jesus Christus und in einem gegenseitigen Respekt der ihnen eigenen Traditionen verwurzelt sein muß« (Tomos Agapis, 195). Wir haben auch die gegenseitigen Besuche Seiner Heiligkeit Papst Johannes Pauls II. und Seiner Heiligkeit Dimitrios’ I. nicht vergessen. Eben während des Besuches von Papst Johannes Paul II., seinem ersten ökumenischen Besuch, wurde die Einsetzung der Gemischten Kommission für den theologischen Dialog zwischen der römisch-katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche angekündigt. Sie hat unsere Kirchen in dem erklärten Ziel verbunden, die volle Einheit wiederherzustellen.

Was die Beziehungen zwischen der Kirche von Rom und der Kirche von Konstantinopel betrifft, dürfen wir den feierlichen kirchlichen Akt nicht vergessen, durch den die alten gegenseitigen Exkommunikationen, die jahrhundertelang die Beziehungen zwischen unseren Kirchen negativ beeinflußt haben, aus dem Gedächtnis getilgt wurden. Wir haben aus diesem Akt noch nicht alle positiven Konsequenzen gezogen, die daraus hervorgehen können für unseren Weg zur vollen Einheit, zu dem die Gemischte Kommission einen wichtigen Beitrag leisten soll. Wir rufen unsere Gläubigen auf, durch das Gebet und durch aussagekräftige Zeichen an diesem Prozeß aktiv teilzunehmen.

2. Anläßlich der Vollversammlung der Gemischten Kommission für den theologischen Dialog, die vor kurzem in Belgrad stattfand und der von der serbisch-orthodoxen Kirche großherzig Gastfreundschaft gewährt wurde, haben wir unsere tiefe Freude über die Wiederaufnahme des theologischen Dialogs zum Ausdruck gebracht. Nach mehrjähriger Unterbrechung aufgrund verschiedener Schwierigkeiten konnte die Kommission nun im Geiste der Freundschaft und der Zusammenarbeit wieder tätig werden. Mit der Behandlung des Themas »Konziliarität und Autorität in der Kirche« auf lokaler, regionaler und universaler Ebene hat sie eine Phase der Untersuchung über die ekklesiologischen und kirchenrechtlichen Folgen der sakramentalen Natur der Kirche eingeleitet. Dies wird erlauben, sich mit einigen der grundlegenden noch strittigen Fragen auseinanderzusetzen. Wir sind entschlossen, die dieser Kommission anvertraute Arbeit wie schon in der Vergangenheit unablässig zu unterstützen, und begleiten ihre Mitglieder mit unserem Gebet.

3. Als Hirten haben wir vor allem über unseren Sendungsauftrag nachgedacht, das Evangelium in der heutigen Welt zu verkünden. Diese Sendung – »Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern« (Mt 28,19) – ist heute aktueller und notwendiger denn je, sogar in den traditionell christlichen Ländern. Zudem können wir die Zunahme der Säkularisierung, des Relativismus, ja sogar des Nihilismus vor allem in der westlichen Welt nicht ignorieren. All das erfordert eine erneuerte und machtvolle Verkündigung des Evangeliums, die geeignet ist für die Kulturen unserer Zeit. Unsere Traditionen stellen für uns ein Erbe dar, das beständig mit anderen geteilt, immer wieder vorgelegt und aktualisiert werden muß. Darum müssen wir die Zusammenarbeit und unser gemeinsames Zeugnis vor allen Völkern stärken.

4. Wir haben den Weg zur Bildung der Europäischen Union positiv bewertet. Die Protagonisten dieser großen Initiative werden es nicht versäumen, alle Aspekte zu berücksichtigen, die den Menschen und seine unveräußerlichen Rechte betreffen, vor allem die Religionsfreiheit, die Beweis und Garant für die Achtung jeder anderen Freiheit ist. Bei jeder Initiative zur Vereinigung müssen die Minderheiten mit ihren kulturellen Traditionen und ihren religiösen Besonderheiten geschützt werden. In Europa müssen wir – bei aller Offenheit gegenüber den anderen Religionen und ihrem Beitrag zur Kultur – unsere Bemühungen vereinen, die christlichen Wurzeln, Traditionen und Werte zu bewahren, die Achtung der Geschichte zu gewährleisten sowie zur Kultur des künftigen Europa, zur Qualität der menschlichen Beziehungen auf allen Ebenen, beizutragen. Wie könnten wir in diesem Zusammenhang die ältesten christlichen Zeugen und das hervorragende christliche Erbe des Landes, in dem unsere Begegnung stattfindet, unerwähnt lassen – angefangen bei dem, was uns die Apostelgeschichte mitteilt, wenn sie uns die Gestalt des hl. Paulus, des Völkerapostels, vor Augen führt. Auf diesem Boden sind die Botschaft des Evangeliums und die antike Kulturtradition miteinander verwachsen. Diese Verbindung, die soviel zu unserem gemeinsamen christlichen Erbe beigetragen hat, bleibt aktuell und wird auch in Zukunft noch Früchte tragen für die Evangelisierung und für unsere Einheit.

5. Wir haben unseren Blick auf die Gegenden der heutigen Welt gerichtet, wo die Christen leben, und auf die Schwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert sind, insbesondere Armut, Kriege und Terrorismus, aber auch verschiedene Formen von Ausbeutung der Armen, der Emigranten, der Frauen und der Kinder. Wir sind aufgerufen, uns gemeinsam einzusetzen für die Achtung der Menschenrechte, der Rechte eines jeden Menschen, der nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen ist, sowie für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung. Unsere theologischen und ethischen Traditionen können eine solide Grundlage für eine gemeinsame Verkündigung und ein gemeinsames Handeln bieten. Wir möchten vor allem bekräftigen, daß die Ermordung Unschuldiger im Namen Gottes eine Beleidigung Gottes und der Würde des Menschen ist. Wir alle müssen uns für einen erneuerten Dienst am Menschen und für den Schutz des menschlichen Lebens, jedes menschlichen Lebens, einsetzen.

Der Friede im Nahen Osten, wo unser Herr gelebt und gelitten hat, gestorben und auferstanden ist und wo seit vielen Jahrhunderten eine große Schar unserer christlichen Brüder und Schwestern lebt, liegt uns zutiefst am Herzen. Wir wünschen uns sehnlichst, daß der Friede in diesem Land wiederhergestellt und das freundschaftliche Zusammenleben seiner verschiedenen Bevölkerungsgruppen sowie der dort befindlichen Kirchen und unterschiedlichen Religionen gestärkt werde. Darum ermutigen wir dazu, engere Beziehungen zwischen den Christen zu knüpfen und einen echten und aufrichtigen interreligiösen Dialog zu pflegen, um jede Form der Gewalt und der Diskriminierung zu bekämpfen.

6. In der gegenwärtigen Zeit wollen wir angesichts der großen Gefahren, denen die Natur und die Umwelt ausgesetzt sind, unserer Besorgnis Ausdruck geben im Hinblick auf die negativen Folgen für die Menschheit und für die gesamte Schöpfung, die sich aus einem wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt ergeben können, der seine Grenzen nicht erkennt. Als Religionsführer sehen wir es als eine unserer Pflichten an, alle Bemühungen zu ermutigen und zu unterstützen, die unternommen werden, um die Schöpfung Gottes zu schützen und den zukünftigen Generationen eine Erde zu hinterlassen, auf der sie leben können.

7. Schließlich wenden sich unsere Gedanken euch allen zu, den Gläubigen unserer Kirchen überall auf der Welt – den Bischöfen, Priestern, Diakonen, Ordensleuten, Männern und Frauen im Laienstand, die sich im kirchlichen Dienst engagieren, sowie allen Getauften. Wir grüßen in Christus die anderen Christen und versichern sie unseres Gebetes und unserer Bereitschaft zum Dialog und zur Zusammenarbeit. Wir grüßen euch alle mit den Worten des Völkerapostels: »Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus« (2 Kor 1,2).

Im Phanar, am 30. November 2006.

Benedictus PP. XVI

Bartholomaios I.

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Quelle


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PRIVATE BEGEGNUNG MIT DEM ÖKUMENISCHEN PATRIARCHEN VON KONSTANTINOPEL

Gemeinsame Erklärung von Papst Franziskus
und dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus

Apostolische Delegation (Jerusalem)
Sonntag, 25. Mai 2014

 

1. Wie unsere verehrten Vorgänger Papst Paul VI. und der Ökumenische Patriarch Athenagoras, die sich vor fünfzig Jahren hier in Jerusalem trafen, waren auch wir, Papst Franziskus und der Ökumenische Patriarch Bartholomäus, entschlossen, uns im Heiligen Land zu treffen, „wo unser gemeinsamer Erlöser, unser Herr Jesus Christus, lebte, lehrte, starb, auferstand und in den Himmel auffuhr, von wo aus er den Heiligen Geist auf die entstehende Kirche herabsandte“ (Gemeinsame Erklärung von Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras, die nach ihrer Begegnung am 6. Januar 1964 veröffentlicht wurde.) Unser Treffen, eine weitere Begegnung der Bischöfe der Kirchen von Rom und Konstantinopel, die von Petrus bzw. Andreas, den beiden Apostel-Brüdern, gegründet wurden, ist für uns eine Quelle inniger geistlicher Freude. Es bietet eine günstige Gelegenheit, über die Tiefe und die Echtheit der zwischen uns bestehenden Bande nachzudenken, die selbst Frucht eines von Gnade erfüllten Weges sind, auf welchem der Herr uns seit jenem segensreichen Tag vor fünfzig Jahren geführt hat.

2. Unsere heutige brüderliche Begegnung ist ein erneuter und notwendiger Schritt auf dem Weg zu der Einheit, zu der allein der Heilige Geist uns führen kann, der Einheit der Verbundenheit in der legitimen Vielfalt. Mit tiefer Dankbarkeit erinnern wir uns an die Schritte, die zu tun der Herr uns bereits befähigt hat. Die gegenseitige Umarmung von Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras hier in Jerusalem nach Jahrhunderten des Schweigens ebnete den Weg für eine bedeutsame Geste, die Aufhebung der Akte der gegenseitigen Exkommunikation von 1054 und ihre Entfernung aus dem Gedächtnis und dem Herzen der Kirche. Darauf folgten ein Austausch von Besuchen zwischen den jeweiligen Sitzen von Rom und Konstantinopel, ein regelmäßiger Schriftwechsel und später die von Papst Johannes Paul II. und Patriarch Dimitrios – beide seligen Angedenkens – angekündigte Entscheidung, einen theologischen Dialog der Wahrheit zwischen Katholiken und Orthodoxen aufzunehmen. Im Laufe dieser Jahre hat Gott, der Quell allen Friedens und aller Liebe, uns gelehrt, einander als Glieder ein und derselben christlichen Familie zu betrachten, unter einem Herrn und Heiland, Jesus Christus, und einander zu lieben, so dass wir unseren Glauben an dasselbe Evangelium Christi bekennen können, wie er von den Aposteln empfangen und von den Ökumenischen Konzilen und den Kirchenvätern formuliert und an uns weitergegeben wurde. Während wir uns sehr wohl bewusst sind, dass wir das Ziel der vollen Gemeinschaft nicht erreicht haben, bekräftigen wir heute unseren Einsatz, unseren gemeinsamen Weg zur Einheit fortzusetzen, für die Christus, unser Herr, zum Vater gebetet hat: »Alle sollen eins sein« (Joh 17,21).

3. Im klaren Bewusstsein, dass die Einheit sich in der Liebe zu Gott und zum Nächsten ausdrückt, sehen wir erwartungsvoll dem Tag entgegen, an dem wir endlich gemeinsam am eucharistischen Mahl teilnehmen werden. Als Christen sind wir aufgerufen, uns auf den Empfang dieses Geschenks der eucharistischen Gemeinschaft entsprechend der Lehre des heiligen Irenäus von Lyon (Adv. haer.IV,18,5: PG  7,1028) durch das Bekenntnis des einen Glaubens, beharrliches Beten, innere Umkehr, Erneuerung des Lebens und brüderlichen Dialog vorzubereiten. Wenn wir dieses erhoffte Ziel erreichen, werden wir der Welt die Liebe Gottes zeigen, durch die wir als wahre Jünger Jesu Christi erkannt werden (vgl. Joh 13,35).

4. Zu diesem Zweck leistet der von der Gemeinsamen Internationalen Kommission geführte Dialog einen grundlegenden Beitrag für die Suche nach der vollen Gemeinschaft zwischen Katholiken und Orthodoxen. Im Laufe der nachfolgenden Zeiten unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. und Patriarch Dimitrios war der Fortschritt unserer theologischen Begegnungen beachtlich. Heute bringen wir unsere tiefempfundene Anerkennung für die bisher erzielten Errungenschaften sowie für die gegenwärtigen Bemühungen zum Ausdruck. Dies ist keine bloß theoretische Übung, sondern eine Übung in Wahrheit und Liebe, die eine immer tiefere Kenntnis der beiderseitigen Traditionen erfordert, um sie zu verstehen und von ihnen zu lernen. Daher bekräftigen wir noch einmal, dass der theologische Dialog nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner in der Theologie anstrebt, auf dem ein Kompromiss erreicht werden kann, sondern es geht vielmehr darum, das eigene Verständnis der ganzen Wahrheit, die Christus seiner Kirche geschenkt hat, zu vertiefen – eine Wahrheit, in die wir unaufhörlich weiter eindringen, wenn wir den Eingebungen des Heiligen Geistes folgen. Darum erklären wir gemeinsam, dass unsere Treue zum Herrn eine brüderliche Begegnung und einen aufrichtigen Dialog verlangt. Solch ein gemeinsames Streben führt uns nicht von der Wahrheit weg; vielmehr wird es uns durch einen Austausch der Gaben und unter der Leitung des Heiligen Geistes in die ganze Wahrheit führen (vgl. Joh 16,13).

5. Doch auch während wir noch auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft sind, haben wir bereits die Pflicht, gemeinsam die Liebe Gottes zu allen Menschen zu bezeugen, indem wir im Dienst der Menschlichkeit zusammenarbeiten, besonders dadurch, dass wir die Würde des Menschen in allen Lebensphasen und die Unantastbarkeit der auf die Ehe gegründeten Familie verteidigen, den Frieden und das Gemeinwohl fördern und uns um das Leiden kümmern, das unsere Welt immer wieder heimsucht. Wir erkennen an, dass Hunger, Armut, Analphabetismus und die ungleiche Verteilung der Güter ständig unserer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen. Es ist unsere Pflicht, uns zu bemühen, gemeinsam eine gerechte und menschliche Gesellschaft aufzubauen, in der sich niemand ausgeschlossen oder an den Rand gedrängt fühlt.

6. Es entspricht unserer festen Überzeugung, dass die Zukunft der Menschheitsfamilie auch davon abhängt, wie wir – sowohl klug als auch leidenschaftlich, mit Gerechtigkeit und Fairness – das Geschenk der Schöpfung bewahren, das der Schöpfer uns anvertraut hat. Deshalb geben wir mit Bedauern die rücksichtslose Misshandlung unseres Planeten zu, die in Gottes Augen der Sünde gleichkommt. Erneut bestätigen wir unsere Verantwortung und Pflicht, den Sinn für Bescheidenheit und Maß zu fördern, so dass alle die Notwendigkeit empfinden, die Schöpfung zu achten und sorgsam zu bewahren. Gemeinsam versprechen wir unseren Einsatz, die Sensibilität für den Umgang mit der Schöpfung zu erhöhen; wir rufen alle Menschen guten Willens auf zu prüfen, wie sie weniger verschwenderisch und genügsamer leben können, indem sie weniger Gier und stattdessen mehr Großzügigkeit zeigen für den Schutz von Gottes Welt und das Wohl der Menschen.

7. In gleicher Weise ist es dringend notwendig, dass die Christen wirksam und engagiert zusammenarbeiten, um überall das Recht zu sichern, den eigenen Glauben öffentlich zu bekunden und fair behandelt zu werden, wenn sie das fördern, was das Christentum der heutigen Gesellschaft und Kultur weiterhin zu bieten hat. In diesem Zusammenhang laden wir alle Christen ein, einen echten Dialog mit dem Judentum, dem Islam und anderen religiösen Traditionen zu fördern. Gleichgültigkeit und wechselseitige Unkenntnis können nur zu Misstrauen und bedauerlicherweise sogar zu Konflikten führen.

8. Von dieser Heiligen Stadt Jerusalem aus bringen wir unsere gemeinsame tiefe Besorgnis angesichts der Situation der Christen im Nahen Osten zum Ausdruck sowie unsere Sorge um ihr Recht, vollberechtigte Bürger ihrer Heimatländer zu bleiben. Voll Vertrauen wenden wir uns im Gebet um Frieden im Heiligen Land wie überhaupt im Nahen Osten an den allmächtigen und barmherzigen Gott. Wir beten insbesondere für die Kirchen in Ägypten, Syrien und im Irak, die aufgrund der jüngsten Ereignisse sehr schmerzlich gelitten haben. Wir ermuntern alle Parteien, unabhängig von ihren religiösen Überzeugungen, weiter für Versöhnung und für die angemessene Anerkennung der Menschenrechte zu arbeiten. Wir sind davon überzeugt, dass nicht Waffen, sondern Dialog, Vergebung und Versöhnung die einzig möglichen Mittel sind, um Frieden zu erlangen.

9. In einem von Gewalt, Gleichgültigkeit und Egoismus gezeichneten geschichtlichen Kontext spüren heute viele Männer und Frauen, dass sie die Orientierung verloren haben. Gerade durch unser gemeinsames Zeugnis für die Frohe Botschaft des Evangeliums können wir den Menschen unserer Zeit helfen, den Weg wiederzuentdecken, der zu Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden führt. In unseren Bestrebungen vereint und in Erinnerung an das Beispiel von Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras vor fünfzig Jahren hier in Jerusalem, fordern wir alle Christen zusammen mit den Anhängern aller religiösen Traditionen und mit allen Menschen guten Willens auf, die Dringlichkeit der Stunde zu erkennen, die uns zwingt, die Versöhnung und Einheit der Menschheitsfamilie anzustreben, bei voller Berücksichtigung der legitimen Unterschiede, zum Wohl der gesamten Menschheit und der künftigen Generationen.

10. Indem wir zusammen zu dem Ort pilgern, wo unser gemeinsamer einziger Herr Jesus Christus gekreuzigt und begraben wurde und auferstanden ist, empfehlen wir unsere zukünftigen Schritte auf dem Weg zur Fülle der Gemeinschaft demütig der Fürbitte der Allerseligsten und allzeit jungfräulichen Mutter Maria und vertrauen die ganze Menschheitsfamilie der grenzenlosen Liebe Gottes an.

»Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden.« (Num 6,25-26).

Jerusalem, 25. Mai 2014

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Quelle


 

Siehe dazu ferner: