Enzyklika „Fratelli tutti“: Eine Zusammenfassung

Nach einer Messe in Assisi hat der Papst am Samstag seine neue Enzyklika unterzeichnet

Geschwisterlichkeit und soziale Freundschaft – das ist der Weg, den der Papst aufzeigt, um mit dem vereinten Einsatz aller Gutwilligen eine bessere, gerechtere und friedlichere Welt aufzubauen. Deutlich bekräftigt er sein Nein zum Krieg und zu einer Globalisierung der Gleichgültigkeit.

Isabella Piro – Vatikanstadt

Mit welchen großen Idealen, aber auch auf welchem konkreten Weg lässt sich eine gerechtere und geschwisterlichere Welt aufbauen, was die privaten, die sozialen, aber die politischen oder die internationalen Beziehungen betrifft? Das ist die Frage, auf die „Fratelli tutti“ zu antworten versucht. Der Papst stuft sie selbst als „Sozialenzyklika“ ein (6). Sie entlehnt ihren Titel den Ermahnungen des hl. Franz von Assisi, der sich mit diesen Worten „an alle Brüder und Schwestern“ wandte, „um ihnen eine dem Evangelium gemäße Lebensweise darzulegen“ (1).

„Von einer einzigen Menschheit träumen“

Es geht dem päpstlichen Lehrschreiben darum, das weltweite Verlangen nach Geschwisterlichkeit und sozialer Freundschaft zu fördern. Im Hintergrund steht die Corona-Pandemie, die, wie Franziskus formuliert, „unerwartet ausbrach, als ich dieses Schreiben verfasste“ (7). Der globale Gesundheitsnotstand habe einmal mehr gezeigt, dass niemand sich allein rette und dass jetzt wirklich die Stunde gekommen sei, um „von einer einzigen Menschheit zu träumen“ (8), in der wir „alle Geschwister“ sind.

Gegen eine „Kultur der Mauern“

„Die Schatten einer abgeschotteten Welt“ – so heißt das erste der insgesamt acht Kapitel, in dem das Dokument sich mit den negativen Seiten unserer Epoche beschäftigt. Da geht es um Manipulation und Entstellung von Begriffen wie Demokratie, Freiheit oder Gerechtigkeit; um Egoismus und Desinteresse am Gemeinwohl; um das Vorherrschen einer Logik des Marktes, die auf Profit aus ist und vermeintlich unnütze Menschen an den Rand drängt; um Arbeitslosigkeit, Rassismus, Armut; um rechtliche Ungleichheit, Sklaverei, Menschenhandel, Zwangsabtreibungen und Organhandel (10-24). Der Papst unterstreicht, dass diese globalen Probleme auch ein globales Handeln erforderlich machen, und wendet sich gegen eine „Kultur der Mauern“, die zu einer Blüte des organisierten Verbrechens, zu Angst und Einsamkeit führen (27-28).

Der barmherzige Samariter

„Wir sind für die Liebe geschaffen“

All diesen Schatten stellt die Enzyklika dann aber ein leuchtendes Beispiel entgegen: das des barmherzigen Samariters, mit dem sich das zweite Kapitel („Ein Fremder auf dem Weg“) beschäftigt. Der Papst arbeitet heraus, dass in einer kranken Gesellschaft, die dem Schmerz den Rücken kehrt und sich um die Schwachen und Verletzlichen nicht kümmert (64-65), wir alle dazu aufgerufen sind, uns um unsere Nächsten zu kümmern (81) und dabei Vorurteile und Privatinteressen beiseite zu lassen. Wir alle sind, wie Franziskus betont, mitverantwortlich für den Aufbau einer Gesellschaft, die alle Hilfsbedürftigen zu integrieren und zu unterstützen versteht (77). Die Liebe baut Brücken, und „wir sind für die Liebe geschaffen“ (88), schreibt der Papst, um vor allem die Christen dazu zu ermutigen, Christus in jedem ausgeschlossenen Menschen zu erkennen (85).

„Eine offene Welt denken und schaffen“

Die Vorstellung, dass Liebe „eine universale Dimension“ (83) haben sollte, wird im dritten Kapitel („Eine offene Welt denken und schaffen“), weitergedreht. Franziskus ruft uns dazu auf, aus uns herauszugehen, „um eine vollere Existenz in einem anderen zu finden“ (88), und uns für andere zu öffnen, so dass eine „universale Gemeinschaft“ denkbar wird. Das menschliche Leben wird, wie die Enzyklika formuliert, in spiritueller Hinsicht daran gemessen, ob uns die Liebe dazu antreibt, das Beste für die anderen zu suchen (92-93). Weil der Sinn für Solidarität und Geschwisterlichkeit im Raum der Familie entsteht, sind Familien mit ihrer „vorrangigen und unabdingbaren Erziehungsaufgabe“ (114) besonders zu schützen und zu respektieren.

Niemandem kann das Recht auf ein Leben in Würde verweigert werden, fährt der Papst fort, und weil Rechte keine Grenzen kennen, darf keiner ausgeschlossen werden, ganz egal wo er herkommt (121). Darum ruft Franziskus nach einer „Ethik der internationalen Beziehungen“ (126) und erinnert daran, dass kein Land sich gegen Fremde abschotten oder Fremden, die bedürftig sind, Hilfe verweigern darf. Das Recht auf Privatbesitz nennt er dem Prinzip der „universellen Bestimmung der geschaffenen Güter“ nachgeordnet (120). Auch in Sachen Auslandsschulden wird die Enzyklika deutlich: Natürlich müssten diese Schulden prinzipiell bezahlt werden, doch dürfe das nicht Wachstum und Erhalt der ärmeren Länder gefährden (126).

Seine erste Pastoralreise führte Franziskus 2013 zu Migranten nach Lampedusa

Migranten nicht abweisen

Dem Thema Migration sind ein Teil des zweiten und das ganze vierte Kapitel („Ein offenes Herz für die ganze Welt“) gewidmet: „Zerrissene Leben“ (37) auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung, Naturkatastrophen, skrupellosen Menschenhändlern. Migranten sollen aufgenommen, geschützt, gefördert und integriert werden, fordert der Papst. Dabei gilt es, in den Ankunftsländern die richtige Balance zwischen dem Schutz der Rechte der Bürger und einer Aufnahme und Hilfe für Migranten zu finden (38-40). Was Menschen, die vor schweren humanitären Krisen fliehen, betrifft, zählt der Papst einige wesentliche Punkte auf: eine vereinfachte Visa-Erteilung; das Öffnen humanitärer Korridore; ein Bereitstellen von Wohnraum, Sicherheit und Basis-Dienstleistungen; Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten; Familienzusammenführungen; Schutz von Minderjährigen und die Garantie der Religionsfreiheit. Vor allem aber hält das Dokument eine global governance im Migrationsbereich für dringlich, die im Namen einer solidarischen Entwicklung aller Völker über die einzelnen Notlagen hinausgehen und langfristige Projekte auf den Weg bringen sollte (129-132).

„Menschenhandel ist eine Schande für die Menschheit“

Um „Die beste Politik“ kreist das fünfte Kapitel. Gemeint ist eine Politik, die man als eine Form der Nächstenliebe bezeichnen kann, weil sie sich in den Dienst am Gemeinwohl (180) stellt und einen offenen, dialogischen Volks-Begriff hat (160). Damit stellt sich Franziskus dem Populismus entgegen, der den durchaus legitimen Begriff ‚Volk‘ zu Instrumentalisierungen aus Eigeninteressen missbraucht (159). „Die beste Politik“ ist außerdem für Franziskus die, die die Arbeit, diese „unverzichtbare Dimension des gesellschaftlichen Lebens“ (162), schützt und jedem Einzelnen die Möglichkeit gibt, das Beste aus seinen Möglichkeiten zu machen. Und die wirkliche Strategie gegen Armut besteht nach Darstellung der Enzyklika darin, Benachteiligte so zu fördern, dass sie zu Schmieden ihres eigenen Glückes werden können (187).

Darüber hinaus ist es Aufgabe der Politik, Antworten auf alles zu finden, was die grundlegenden Menschenrechte beeinträchtigt: soziale Ausschließung, Organ-, Waffen- und Drogenhandel, sexuelle Ausbeutung, Sklavenarbeit, Terrorismus und organisierte Kriminalität. Mit Verve ruft der Papst dazu auf, dem Menschenhandel, dieser „Schande für die Menschheit“, und dem Hunger (der angesichts des Rechts jedes Menschen auf Ernährung als „ein Verbrechen“ beschrieben wird) endlich ein Ende zu machen (188-189).

Franziskus im Januar 2020 mit US-Vizepräsident Mike Pence

„Der Markt allein löst nicht alle Probleme“

Die Politik, die wir heute brauchen, ist nach Ansicht von Franziskus eine Politik, die sich auf Menschenwürde konzentriert und sich nicht vor dem Finanzsektor beugt, denn „der Markt allein löst nicht alle Probleme“, wie das von den Finanzspekulationen ausgelöste „Vernichtungswerk“ gezeigt hat (168). Umso größere Bedeutung kommt darum Volksbewegungen zu: Dieser „Strom moralischer Energie“ muss auf koordinierte Weise in die Gesellschaft mit einbezogen werden – so dass man, wie der Papst formuliert, von einer Politik „gegenüber“ den Armen zu einer Politik „mit“ und „der“ Armen gelangt (169).

Für eine UNO-Reform

Ein weiterer Wunsch, den die Enzyklika ausspricht, betrifft die Reform der Vereinten Nationen: Angesichts der Vorherrschaft der wirtschaftlichen Komponente sollten sie das Bild einer „Familie der Nationen“ konkret werden lassen, indem sie für das Gemeinwohl, für eine Ausrottung der Armut und den Schutz der Menschenrechte eintreten. Durch unermüdlichen Rückgriff auf Verhandeln und Vermitteln sollten sie außerdem dafür sorgen, dass die Stärke des Rechts die Oberhand über das Recht des Stärkeren gewinnt (173-175).

Französische UNO-Blauhelme beim Aufräumen im Hafen von Beirut nach den Explosionen des 4. August 2020

„Niemand ist nutzlos“

Das sechste Kapitel („Dialog und soziale Freundschaft“) zeichnet schließlich das Leben als „Kunst der Begegnung“ mit allen, auch mit den Menschen an der Peripherie des Planeten und mit eingeborenen Völkern, denn „man kann von jedem etwas lernen, niemand ist nutzlos“ (215). Der Papst spricht vom „Wunder“ der Freundlichkeit, die es wieder neu zu üben gelte, weil sie „wie Sterne in der Dunkelheit“ leuchtet und „uns befreit von der Grausamkeit, von der Ängstlichkeit und von der zerstreuten Bedürfnisbefriedigung“, die heute so häufig sind (222-224).

Die Shoah niemals vergessen

Das siebte Kapitel hingegen („Wege zu einer neuen Begegnung“) kommt auf den Wert und die Förderung des Friedens zu sprechen: Friede ist, wie der Papst unterstreicht, „proaktiv“, ein „Handwerk“, bei dem jeder das Seine beiträgt und das nie an ein Ende kommt (227-232). Mit dem Frieden hängt das Vergeben zusammen: Alle verdienen Liebe, ohne Ausnahme, so die Enzyklika, aber die Liebe zu einem Unterdrücker bedeutet in dieser Lesart, ihm nicht zu erlauben, dass er die Menschen noch länger unterdrückt (241-242). Vergebung bedeutet nicht Straflosigkeit, sondern Gerechtigkeit und Erinnerung; es bedeutet nicht Vergessen, sondern Verzicht auf die zerstörerische Kraft des Bösen und auf die Rache. Nie dürfe man Greuel wie die Shoah, die Atombomben-Abwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, die ethnischen Verfolgungen und Massaker vergessen, fordert der Papst; an sie immer wieder neu zu erinnern, verhelfe dazu, nicht abzustumpfen und die Flamme des kollektiven Gewissens am Brennen zu halten. Zugleich ist es aber auch wichtig, sich an das Gute zu erinnern. (246-252)

„Nie wieder Krieg!“, rief Paul VI. 1965 vor der UNO in New York aus

„Man kann heute nicht mehr von gerechtem Krieg sprechen“

Auch auf den Krieg („eine ständige Bedrohung“) kommt das siebte Kapitel zu sprechen: Er stelle eine „Negierung aller Rechte“ dar, „ein Versagen der Politik und der Menschheit“, „eine Niederlage gegenüber den Mächten des Bösen“. Angesichts von nuklearen, chemischen und biologischen Waffen, die sich gegen Unschuldige richten, kann man heute nicht mehr, wie das in der Vergangenheit der Fall war, von einem „gerechten Krieg“ sprechen, sondern muss dem ein „Nie wieder Krieg!“ entgegenhalten. Die völlige Vernichtung aller Atomwaffen ist „eine moralische und humanitäre Pflicht“ – mit dem Geld, das jetzt für Rüstung ausgegeben wird, sollte eher ein Weltfonds zur Ausrottung des Hungers eingerichtet werden (255-262).

Nein zur Todesstrafe

Nicht weniger entschieden äußert sich Franziskus zur Todesstrafe: Sie ist nicht akzeptabel und sollte weltweit abgeschafft werden. „Nicht einmal der Mörder verliert seine Personenwürde, und Gott selber leistet dafür Gewähr“ (263-269). Der Papst betont, dass die „Heiligkeit des menschlichen Lebens“ (283) zu achten sei, wo auch immer „Teile der Menschheit geopfert werden zu können“ scheinen, etwa Ungeborene, Arme, Behinderte, alte Menschen (18).

Franziskus und der Großimam der al-Azhar-Universität 2019 in Abu Dhabi

„Religionen sollten für den Frieden zusammenarbeiten“

Das achte und letzte Kapitel („Die Religionen im Dienst an der Geschwisterlichkeit in der Welt“) bekräftigt, dass Terrorismus sich nicht auf Religion berufen darf, sondern in Wirklichkeit auf irrtümlichen Interpretationen religiöser Texte beruht und auch mit Hunger, Armut, Ungerechtigkeit und Unterdrückung zu tun hat (282-283). Also ist ein Weg des Friedens unter den Religionen möglich. Dafür muss aber die Religionsfreiheit, die für alle Glaubenden fundamental ist, respektiert werden (279). Die Enzyklika geht auch auf die Rolle der Kirche ein: Sie verlegt ihre Mission nicht in den privaten Bereich, und auch wenn sie selbst nicht Politik macht, verzichtet sie doch nicht auf die politische Dimension, auf die Aufmerksamkeit für das Gemeinwohl und auf die Sorge für eine integrale menschliche Entwicklung, so wie es den Prinzipien des Evangeliums entspricht (276-278).

Zu guter Letzt zitiert Franziskus das „Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen“, das er am 4. Februar 2019 zusammen mit dem Großimam der al-Azhar-Universität, Ahmed al-Tayyib, in Abu Dhabi unterzeichnet hat. Diesem grundlegenden interreligiösen Text entnimmt der Papst den Appell, dass um der Geschwisterlichkeit aller Menschen willen immer grundsätzlich auf den Dialog als Weg, die Zusammenarbeit als Stil und das Wissen umeinander als Methode und Kriterium gesetzt werden solle (285).

(vatican news – sk)

04/10/2020

In den Mitmenschen Brüder und Schwestern sehen

DER DEKALOG VON ASSISI FÜR DEN FRIEDEN

Der Dekalog von Assisi für den Frieden

1. Wir verpflichten uns, unsere feste Überzeugung kundzutun, daß Gewalt und Terrorismus dem authentischen Geist der Religion widersprechen. Indem wir jede Gewaltanwendung und den Krieg im Namen Gottes oder der Religion verurteilen, verpflichten wir uns, alles Mögliche zu tun, um die Ursachen des Terrorismus zu beseitigen.

2. Wir verpflichten uns, die Menschen zu gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Hochachtung zu erziehen, damit sich ein friedliches und solidarisches Zusammenleben zwischen den Angehörigen unterschiedlicher ethnischer Gruppen, Kulturen und Religionen verwirklichen läßt.

3. Wir verpflichten uns, die Kultur des Dialogs zu fördern, damit gegenseitiges Verständnis und Vertrauen zwischen den einzelnen und den Völkern wachsen, die Voraussetzung für einen wahren Frieden sind.

4. Wir verpflichten uns, das Recht jeder menschlichen Person auf ein würdiges Leben gemäß seiner kulturellen Identität und auf die freie Gründung einer eigenen Familie zu verteidigen.

5. Wir verpflichten uns zum aufrichtigen und geduldigen Dialog, indem wir nicht darauf achten, was uns wie eine unüberwindbare Mauer trennt, sondern im Gegenteil erkennen, daß die Begegnung mit dem, was uns von anderen Menschen unterscheidet, zu einem besseren gegenseitigen Verständnis beitragen kann.

6. Wir verpflichten uns, einander die Irrtümer und Vorurteile in Vergangenheit und Gegenwart zu verzeihen und uns im gemeinsamen Bemühen zu unterstützen, Egoismus und Übergriffe, Haß und Gewalt zu besiegen und aus der Vergangenheit zu lernen, daß Friede ohne Gerechtigkeit kein wahrer Friede ist.

7. Wir verpflichten uns, an der Seite derer zu stehen, die unter Not und Verlassenheit leiden, und uns zur Stimme derer zu machen, die selber keine Stimme haben. Wir müssen konkret an der Überwindung solcher Situationen mitwirken, von der Überzeugung getragen, daß niemand allein glücklich sein kann.

8. Wir verpflichten uns, uns den Ruf all jener zu eigen zu machen, die nicht vor der Gewalt und dem Bösen resignieren. Wir wollen mit all unseren Kräften dazu beitragen, der Menschheit unserer Zeit eine wirkliche Hoffnung auf Gerechtigkeit und Frieden zu geben.

9. Wir verpflichten uns, jede Initiative zu ermutigen, die die Freundschaft zwischen den Völkern fördert, in der Überzeugung, daß der technologische Fortschritt eine zunehmende Gefahr von Zerstörung und Tod für die Welt mit sich bringt, wenn ein solidarisches Einverständnis zwischen den Völkern fehlt.

10. Wir verpflichten uns, die Verantwortlichen der Nationen dazu aufzufordern, auf nationaler wie internationaler Ebene alle Anstrengungen zu unternehmen, damit auf der Grundlage der Gerechtigkeit eine Welt der Solidarität und des Friedens erbaut und gefestigt wird.

24. Januar 2002


Mein Kommentar:

Vorspann: Schon die missbräuchliche Verwendung des ehrfurchtgebietenden biblischen Begriffes „Dekalog“ (10 Gebote Gottes) für ein so törichtes Dokument, eine so unerleuchtete Beschlussfassung, eine so miserable Zusammenstellung von realitätsfremden Selbstverpflichtungen, die in Vielem bis Zentralem dem widersprechen, was GOTT im Alten Bund und JESUS CHRISTUS und Seine Apostel und Jünger und Nachfolger im Neuen Bund gelehrt und vorgelebt haben, ist unerhört, eigentlich unfassbar, ja schändlich.

Ad 1Gewalt und Terrorismus ist ist nicht dasselbe. Nicht „jede Gewaltanwendung im Namen Gottes oder der Religion“ ist verurteilenswürdig. Sonst wäre eine wirksame Verteidigung gegenüber einem ungerechten Gewaltanwender von vornherein nicht möglich. Sonst wäre David wegen seiner tödlichen Steinschleuder zu verurteilen. Sonst wäre Jahwe, der Sein Bundesvolk bei vielen Konfrontation mit seinen Feinden durch Gewaltanwendung siegreich machte, zu verurteilen. Sonst wäre Jesus Christus zu verurteilen, der die Geißel schwang und die Händlertische umstieß. Sonst wäre Kaiser Konstantin zu verurteilen, der „im Zeichen des Kreuzes Christi“ gewaltanwendend siegte. Sonst wären alle Kreuzzüge zu verurteilen. Sonst wäre jeder christliche, auch heiliggesprochene, Wehrmann zu verurteilen. Terrorismus aber, wie er von Islamisten ausgeübt wird, ist absolut verwerflich, abscheulich, hässlich und hassenswert. Dafür gibt es keine Rechtfertigung. Aber er geschieht „im Namen Allah’s“ und „im Namen des Islam“. Und damit ist bezeugt: Allah ist nicht der wahre Gott. Und der Islam ist nicht die wahre Religion.

Ad 2: Zwischen den Anhängern unterschiedlicher Religionen wie dem Christentum und dem Islam ist ein friedliches und solidarisches Zusammenleben prinzipiell nicht möglich. Christentum und Islam sind wesentlich unversöhnlich. Wer die Christen auffordert, die Muslime „mit Respekt und Hochachtung“ zu behandeln, fordert implizit dazu auf, Christus zu verleugnen. Wir Christen sind verpflichtet, „Respekt und Hochachtung“ zu haben vor jedem Menschen als Mensch und damit als möglichem Konvertiten zum allein rettenden christlichen Glauben. Wer aber Hochachtung bekundet gegenüber Muslimen als Anhängern des Islam, zollt auch dem antichristlichen Aberglaubenssystem Islam Hochachtung und damit dem GOTT-geoffenbarten christlichen Glauben ipso facto Verachtung.

Ad 5: Wenn wir (als Christen) nicht mehr achten auf das, was uns (von den Muslimen) trennt, dann heißt das, dass wir unsere Augen mutwillig vor der Realität verschließen, dass wir das Falsche, Gefährliche, Verführerische, Gott-Widrige, Teuflische absichtlich ausblenden, ja dieses am Ende (nach der intensiven Begegnung mit dem, was uns Christen anfänglich noch von den Muslimen unterscheidet) ins Gegenteil verdrehen; um des gegenseitigen Verständnisses willen, werden die dialogbeflissenen Christen an all das Täuschende und Betörende des Islam immer bereitwilliger glauben. Am Ende werden die beiden „Religionen“ vermeintlich mindestens gleichwertig, gleich gültig, gleich heilsam, beziehungsweise gleich unheilvoll sein.

Ad 6: Friede ohne Gerechtigkeit ist tatsächlich nie wahrer Friede. Deshalb wird auch ein Zusammenleben von Christen mit Muslimen in Frieden nie möglich sein; denn der Islam ist nicht Gerechtigkeit, nicht Friede, sondern Krieg, Krieg gegen alles Anti-Islamische, ja Nicht-Islamische. „Irrtümer und Vorurteile der Vergangenheit und Gegenwart“ müssten hier konkret benannt werden. Sonst kann darunter jeder verstehen, was er will. Was wird z.B. als Irrtum und/oder Vorurteil von Christen gegenüber den Muslimen angesehen?

Ad 10: Auf der Grundlage der Gerechtigkeit könnte in der Tat eine Welt der Solidarität und des Friedens aufgebaut werden. Aber welche „Gerechtigkeit“ ist hier gemeint? Wohl nicht die einzig richtige und wahre: die CHRISTLICHE Gerechtigkeit. Eine andere gibt es nicht; denn nur CHRISTUS ist GOTT, und nur GOTT ist gerecht und schafft Gerechtigkeit. „Ohne Mich könnt ihr nichts tun.“ „Wer nicht mit Mir sammelt, der zerstreut.“

Paul Otto Schenker

Allerseelenablass: Für die Seelen im Fegefeuer

In mancher römischen Kirche findet man den Hinweis – oft versteckt wie beispielsweise in Sankt Peter. Dort sind auf den Kniebänken vor den Beichtstühlen kleine Zettel aufgebracht: Indulgentia plenaria – vollständiger Ablass. Was ist das? Und was ist der Allerseelenablass?

Claudia Kaminski – Vatikanstadt

In vielen Sprachen ist aufgeführt, was man tun muss, um ihn zu bekommen, denn jeder Gläubige, der die Basilika besucht, kann ihn erlangen. Die Hilfestellung geht so weit, dass auch die notwendigen Gebete: Glaubensbekenntnis, Vater Unser und Ave Maria gleich mehrsprachig abgedruckt sind. Nicht ohne Grund findet sich der Hinweis vor den Beichtstühlen – denn zu den bekannten Bedingungen gehören neben den dort abgedruckten Gebeten, auch ein Gebet in der Meinung des Heiligen Vaters sowie die Beichte. Wer also den Zettel in Sankt Peter liest war zumindest schon in der Nähe der Beichte – und wenn er die Lossprechung bekommen hat, findet mit einigem Glück vielleicht auch gerade eine Heilige Messe am Josefs-Altar oder in der Apsis der Basilika statt. Damit wäre es ein Leichtes, die Bedingung der Heiligen Kommunion für den Ablass gleich mit zu erfüllen.

Entschlossene Abkehr von jeder Anhänglichkeit an Sünde

Das Schwierigste aber dürfte tatsächlich sein: der Ablass wird nur „vollkommen“ gewonnen, wenn mit der Beichte die entschlossene Abkehr von jeder Anhänglichkeit an irgendeine – auch lässliche – Sünde verknüpft ist. Aber wenn man sich da nicht sicher ist, dann ist noch nicht alles verloren: dann gilt er immerhin noch als Teil-Ablass.
Der Ablass selbst bedeutet dabei nicht die Vergebung der Sünden – das geschieht allein durch die personale Beichte und die Lossprechung des Priesters. Ein vollkommener Ablass vermag jedoch die zeitlichen Sündenstrafen zu tilgen. Unsere Sünden werden zwar in der Beichte vergeben, doch damit sind sie nicht aus der Welt und die zeitlichen Strafen, die sie mit sich bringen, werden nach katholischer Lehre im Fegefeuer abgebüßt. Diese Zeit soll der Ablass – vollkommen oder teilweise – verkürzen. Das geht allerdings auch durch geduldig ertragenes Leiden oder durchlittene Prüfungen sowie Wallfahrten und Pilgerreisen.

Allerseelen-Ablass

Übrigens „lohnt“ es sich besonders mit Blick auf den Monat November darüber nachzudenken, ob man nicht die Bedingungen zur Erlangung von Ablässen erfüllen möchte. Möglich ist dies unter Erfüllung der obengenannten Bedingungen:
Am Allerseelentag, 1. November, bzw. bereits ab 12 Uhr des Hochfestes Allerheiligen: Vollkommener Ablass bei Besuch einer Kirche sowie Gebet von Glaubensbekenntnis und Vater Unser.
Täglich vom 1. bis zum 8. November: Vollkommener Ablass für die Verstorbenen bei Friedhofsbesuch mit Gebet für die Verstorbenen.
Die sarkamentale Beichte kann dabei für mehrere Ablässe gelten, jedoch ist täglich nur ein vollkommener Ablass möglich während mehrere Teil-Ablässe am Tag gewonnen werden können.

Die katholische Kirche ist sicher: die Verstorbenen danken es uns, denn Ablässe können wir nur für uns selbst oder aber für diejenigen erlangen, die Gott schon heimgerufen hat. Stellvertretend für Lebende können wir da leider nichts machen.

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Aktuelle Gebetsmeinung des Heiligen Vaters

Unser Heiliger Vater Papst Franziskus bittet alle Gläubigen für die ganze Kirche und für ihn zu beten.

November 2018:

Wir beten zu Gott, unserem Vater,

  • dass die Sprache des Herzens und der Dialog stets Vorrang haben vor Waffengewalt.

Italien: Assisi begeht Portiuncula-Ablass mit Pater Pio

Mehr denn je braucht die Welt heute Versöhnung. Darum geht es bei einem Fest, das immer am 2. August in Assisi, der Stadt des Heiligen Franziskus, gefeiert wird: beim sogenannten Portiuncula-Ablass. Bei der „großen Vergebung von Assisi“, wie die Italiener dieses Fest nennen, spielt dieses Jahr eine Reliquie von Pater Pio eine Rolle.

Es handelt sich um die Kutte, die der Kapuziner trug, als er vor 100 Jahren die Stigmata empfing, die Wundmale Jesu. Pater Pio starb 1968, vor 50 Jahren, und gilt heute als populärster Heiliger Italiens – zusammen mit Franz von Assisi.

„Das ist ein schöner Anlass, weil er uns auch die Stigmatisierung des heiligen Franziskus vor Augen führt – und das heißt, die Annäherung des heiligen Franziskus wie des heiligen Pater Pio an die Passion von Jesus Christus”, sagte im Gespräch mit Vatican News Pater Giuseppe Renda, Kustode der Portiuncula. „Beide haben eine grundlegende Erfahrung Gottes gemacht. Sie weisen bis heute einen Weg, der zu Gott führt. Dieser Weg ist das Sich-selbst-Verschenken aus Liebe zur Menschheit und zum Herrn.“

“ Franz von Assisi und Pater Pio: Sie weisen bis heute einen Weg, der zu Gott führt ”

Portiuncula, so heißt das kleine Kirchlein innerhalb der Basilika Santa Maria degli Angeli in Assisi, das eng mit Franz von Assisi verbunden ist. Der Überlieferung zufolge stellte der Heilige die verfallene Kapelle mit eigenen Händen wieder her, nachdem Jesus ihn gebeten hatte: „Bau mein Haus wieder auf“. In der Portiuncula betend, entschloss sich der junge Mann aus reichem Haus, Jesus in Armut nachzufolgen: Hier nahm also der Franziskanerorden seinen Anfang und mit ihm eine einschneidende Reform der abendländischen Christenheit.

Der Überlieferung zufolge erwirkte Franz von Assisi vom Papst vor nunmehr gut 800 Jahren einen Ablass für Pilger zur Portiuncula, der noch heute allen Katholiken zugänglich ist. Die „große Vergebung von Assisi“ zieht nach wie vor jedes Jahr viele Pilger an. Pater Giuseppe Renda verortet den größten Bedarf an Vergebung und Versöhnung in unserer Zeit im Umgang der Völker miteinaner.

“ Wir müssen zu einer Ökonomie der Gemeinschaft kommen ”

„Wir sollten christlich darum ringen, dass die Völker sich gegenseitig als Brüder erkennen. Deshalb müssen wir zu einer Ökonomie der Gemeinschaft kommen. Wir müssen uns für ein echtes Gemeinwohl einsetzen, das parteiische Interessen übersteigt. Und dies kann nur geschehen, wenn die Heiligkeit des Lebens, der menschlichen Person, wiederhergestellt wird. Es gibt Rechte, die nicht verletzt werden dürfen: das Recht zu existieren, zu arbeiten, ein friedliches Leben zu führen. Der Apostel Paulus bittet auch darum, für die Herrscher zu beten, damit sie gerechte und weise Gesetze schaffen können. Gott will, dass die Menschen ein ruhiges Leben auf Erden führen. Wenn es uns gelingt, eine wirkliche Ökonomie der Gemeinschaft zu erreichen, werden wir bereits einen guten Schritt nach vorn gemacht haben.“

Papst Franziskus hatte vor zwei Jahren, am 4. August 2016, die Portiuncula-Kapelle besucht und sich dabei spontan als Beichtvater zur Verfügung gestellt. In seiner Ansprache sagte er, die Welt brauche Vergebung und Barmherzigkeit. „Die Barmherzigkeit in der Welt von heute zu bezeugen, ist eine Aufgabe, der sich keiner von uns entziehen kann“, sagte der Papst. Zu viele Menschen lebten eingeschlossen in Groll und Hass, weil sie unfähig seien zu vergeben. In Assisi, der Stadt seines Namenspatrons als Papst, war Franziskus bereits zuvor zum Friedensgebet der Religionen gewesen.

(Vatican News – gs)

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Biografie: Der heilige Franziskus von Assisi (1181/82 – 1226)

Franziskus: Fresco in der Abtei von Subiaco; angeblich das einzige zu Lebenszeiten angefertigte Bild

Er war ein außerordentlich redegewandter Mann mit fröhlichem Antlitz und gütigem Gesichtsausdruck, (…). Von nicht gerade großer Gestalt, eher klein als groß, hatte er einen nicht sonderlich großen, runden Kopf,  ein etwas längliches und gedehntes Gesicht, eine ebene und niedrige Stirn, nicht sonderlich große, schwarze, unverdorbene Augen, dunkles Haar, gerade Augenbrauen, eine gleichmäßige, feine und gerade Nase, aufwärts gerichtete, aber kleine Ohren, flache Schläfen, eine gewinnende, feurige und scharfe Sprache, eine mächtige, liebliche, klare und wohlklingende Stimme, dichte, gleichmäßige und weiße Zähne, schmale und zarte Lippen, einen schwarzen, nicht vollen Bart, einen schlanken Hals, gerade Schultern, kurze Arme, zarte Hände, lange Finger, etwas vorstehende Nägel, dünne Beine, sehr kleine Füße, eine zarte Haut, war sehr mager, trug ein raues Gewand, gönnte sich nur kurzen Schlaf, besaß eine überaus freigebige Hand.1

So beschreibt Bruder Thomas von Celano († 1260), ein glaubwürdiger Augenzeuge, den Poverello von Assisi. Die Florentiner Maler Cimabue (* 1240/50) und Giotto (* um 1266), die erst Jahrzehnte nach dem Tod des Heiligen zur Welt kamen und ihn daher nicht mehr persönlich kannten, ließen sich wohl für ihre Franziskus-Porträts von diesen Worten inspirieren.2 Ähnlich gehen auch wir vor: Um uns ein Bild zu machen vom „größten Heiligen, den das Christentum hervorgebracht hat“,3 lesen wir nach, was uns seine Freunde über ihn erzählen.

Als Sohn des reichen und angesehenen Stoffwarenhändlers Pietro Bernardone und seiner Frau Pica wurde er Ende 1181 in Assisi (Umbrien) geboren und zunächst auf den Namen Giovanni (Johannes) getauft. Sein Vater, der gerade von einer Geschäftsreise aus Frankreich zurückgekehrt war, veranlasste, ihn künftig Francesco (Französlein) zu nennen.4 Nachdem der kleine Franz in der Pfarrschule San Giorgio Rechnen, Lesen und Schreiben gelernt hatte,5 genoss er zunächst eine unbeschwerte Jugendzeit und träumte von Festen, Freiheit und Rittertum.6 Kaum hatte sich die Bevölkerung von Assisi der Fremdherrschaft des Hohenstaufen-Kaisers Friedrich II. entledigt (1198), kam es zwischen den Bürgern (Minores) und den aus der Stadt vertriebenen Adeligen (Maiores) zur kriegerischen Auseinandersetzung, die letztere mit Hilfe der Nachbarstadt Perugia für sich entscheiden konnten.7 Nach der verlorenen Schlacht Assisis bei Collestrada (1202) geriet Franz in Kriegsgefangenschaft, aus der er nach über einem Jahr schwerkrank heimkehrte.8 Nach seiner Gesundung flammte in ihm noch einmal die Sehnsucht auf, doch noch als Ritter zu Ehren zu kommen, diesmal bei einem Kreuzzug nach Apulien. Doch gleich bei Spoleto bewegte ihn ein nächtlicher Traum, seine militärische Laufbahn zu vergessen und umzukehren. Er träumte nämlich von einem Palast, der mit dem besten Rüstzeug ausgestattet war, und vernahm dabei eine innere Stimme, die an sein Gewissen appellierte, anstelle der irdischen Machthaber lieber Christus, dem wahren Herrn und Meister, nachzufolgen:

„Franziskus, wer kann dir mehr bieten, der Herr oder der Knecht ?“.9

Gefangenschaft und Krankheit hatten offensichtlich seinen bisherigen Lebensentwurf in Frage gestellt. In seiner Krise zog er sich an einsame Orte zurück, um dort dem eigenen Lebensweg und der Frage nachzuspüren:

Was willst du, Herr, dass ich tun soll?10

Es war wohl im Jahr 1205, als Franziskus in der Ebene einem Aussätzigen begegnete, vor dessen unappetitlichem Anblick und unangenehmen Fäulnisgeruch er sich zunächst ekelte.11 In seinem geistlichen Testament beschreibt er selbst dieses folgenreiche Erlebnis, das ihm viel Selbstüberwindung kostete, ihn künftig aber in jedem Armen und Aussätzigen das Gesicht des Gekreuzigten erkennen ließ:

So hat der Herr mir, dem Bruder Franziskus, gegeben, das Leben der Buße zu beginnen: denn als ich in Sünden war, kam es mir sehr bitter vor, Aussätzige zu sehen. Und der Herr selbst hat mich unter sie geführt, und ich habe ihnen Barmherzigkeit erwiesen. Und da ich fortging von ihnen, wurde mir das, was mir bitter vorkam, in Süßigkeit der Seele und des Leibes verwandelt.12

Etwa zur gleichen Zeit dürfte sich die Vision vor dem byzantinischen Kreuzbild der verfallenen Kirche San Damiano abgespielt haben,13 vor dem er zu Gott vertrauensvoll um einen Fingerzeig für seine Lebensentscheidung betete:

Höchster, glorreicher Gott, erleuchte die Finsternis meines Herzens und schenke mir rechten Glauben, gefestigte Hoffnung und vollendete Liebe. Gib mir, Herr, das rechte Empfinden und Erkennen, damit ich deinen heiligen und wahrhaften Auftrag erfülle.14

Tatsächlich hat ihn das Kreuz angesprochen und ihm den klaren Auftrag erteilt:

Franziskus, geh hin und stell mein Haus wieder her, das, wie du siehst, ganz verfallen ist!“15

Franz nahm Jesus beim Wort und restaurierte in der Folgezeit eigenhändig diese verwahrloste Kirche.16 Seinem Vater, der ihn einige Zeit in seinem Treiben gewähren ließ, riss der Geduldsfaden, als er feststellen musste, dass sein Sohn das hart verdiente Geld an die Armen verschenkte und ganz andere Dinge im Kopf hatte als sein Geschäft.17 Mit väterlicher Strenge versuchte er ihn zur Vernunft zu bringen und sperrte ihn daheim ein. Da auch das nichts half, und Francesco weiterhin seine „verrückten“ Ideen in die Tat umsetzte, entschloss sich der Vater, seinen Sohn zu enterben. So kam es schließlich zu jener Szene vor dem Bischofspalast, bei der sich Franz in aller Öffentlichkeit nackt auszieht, seinem empörten Vater alles zurückgibt und auf sein Erbe freiwillig verzichtet mit dem Hinweis, fortan nur mehr einen seinen Vater zu nennen, nämlich den im Himmel.18 In völliger Armut wollte er künftig im Gewand eines mittellosen Hirten Jesus nachfolgen, der arm und nackt geboren wurde und genau so für uns starb.19 Bereits bei seiner ersten Wallfahrt nach Rom 1206 hatte er vor der Peterskirche seine vornehme Kleidung gegen die eines Armen eingetauscht, um mit eigener Haut zu fühlen, wie es einem Bettler ergeht.20

Als er daher am Fest des hl. Matthias (24. Februar 1208) bei der Messe im Portiunkula-Kirchlein das Evangelium (Mt 10, 7-9) hörte, in dem Jesus seine Jünger ohne Geld, Vorratstasche, Brot und barfuss losschickt, treffen ihn diese Worte mitten ins Herz und er ruft voller Freude aus:

Das ist’s, was ich will, das ist’s, was ich suche, das verlange ich aus innerstem Herzen zu tun.21

Nach und nach schließen sich Franziskus erste Gefährten an, um mit ihm das Büßerleben in schlichter Armut und als Liebesdienst an den Hilfsbedürftigen zu teilen: ein reicher junger Mann, namens Bernhard von Quintavalle, der Rechtsgelehrte Petrus Catani, der Bauer Ägidius und der Priester Silvester.22 Ganz ehrlich gesteht Franz später in seinem Testament, dass er eigentlich gar keinen neuen Orden gründen wollte:

Und nachdem mir der Herr Brüder gegeben hat, zeigte mir niemand, was ich zu  tun hätte, sondern der Höchste selbst hat mir geoffenbart, dass ich nach der Vorschrift des heiligen Evangeliums leben sollte.23

Auch wollte er keineswegs einfach die monastische Lebensform der Benediktiner, Augustiner oder Zisterzienser (mit der Regel eines hl. Bernhard von Clairvaux) übernehmen. Das Leben Jesu, in den Evangelien berichtet, war ihm Orientierung und Leitbild, das er selbst in einer kleinen Regel anhand einiger Bibelzitate nachzeichnete. Papst Innozenz III., der nachts von einem kleinen, unscheinbaren Ordensmann geträumt hatte, der eigenhändig den Einsturz der Lateranbasilika verhinderte,24 bestätigte 1209/10 diese Lebensform zunächst mündlich und gab den „Minderen Brüdern“25 den oberhirtlichen Auftrag, predigend durch die Lande zu ziehen und die Menschen dadurch zur Umkehr zu bewegen.26 Als nichtsesshafte Wanderprediger und Tagelöhner lebten sie vom Ertrag ihrer Handarbeit, deren unschätzbaren Wert Franz in seinem Testament ausdrücklich unterstreicht:

Und ich arbeitete mit meinen Händen und will arbeiten; und es ist mein fester Wille, dass alle anderen Brüder eine Handarbeit verrichten. (…) Und würde uns einmal der Arbeitslohn nicht gegeben, so wollen wir zum Tisch des Herrn Zuflucht nehmen und Almosen erbitten von Tür zu Tür.27

Ein verlassener Schuppen bei Rivotorto in der Ebene von Assisi diente den Brüdern als erstes Domizil, aus dem sie aber schon bald wieder von einem Bauern mit seinem Esel vertrieben wurden.28 Die kleine Portiunkula-Kapelle S. Maria mit einem Häuschen daneben im Wald unterhalb von Assisi wurde ihnen danach als Obdach von den Benediktinern zur Verfügung gestellt.29 Dieser symbolträchtige Ort ist aufs engste mit den Urerlebnissen der franziskanischen Familie verknüpft und erinnert an die anfängliche Begeisterung der neuen Bewegung. In einer Nacht- und Nebelaktion nach dem Palmsonntag 1212 verpflichtete sich dort die 19-jährige Klara aus der Adelsfamilie Favarone di Offreduccio zu einem Leben in Armut und Gebet, ließ sich als äußeres Zeichen ihrer innerlich getroffenen Entscheidung von Franz die Haare abschneiden und einkleiden.30 Wenig später wagten auch ihre beiden Schwestern Katharina (die spätere hl. Agnes) und Beatrix, schließlich sogar ihre eigene Mutter Hortulana den gleichen Schritt und zogen zu den „armen Frauen“ nach San Damiano.31 In Portiunkula begegneten sich die Brüder jedes Jahr zum Mattenkapitel, tauschten gegenseitig ihre Erfahrungen aus, stellten die Weichen für die Zukunft, um von hier aus in die ganze Welt auszuschwärmen. Auch Franz selbst ließ sich vom Missionseifer anstecken und brach 1212 nach Syrien auf. Wegen eines Schiffbruchs verschlug es ihn jedoch an die dalmatische Küste. Als er kurz darauf nach Marokko unterwegs war, durchkreuzte eine unvorhergesehene Krankheit seinen Plan und zwang ihn, bereits in Spanien wieder umzukehren.32

Das IV. Laterankonzil (1215), auf dem es wohl zur einmaligen Begegnung des Franziskus mit dem hl. Dominikus kam, hatte einen entscheidenden Einfluss auf die junge franziskanische Bewegung ausgeübt: Oft bis in den genauen Wortlaut hinein übernimmt Franz den Konzilsdokumenten Vorschriften und Weisungen für seine Eucharistie- und Bußfrömmigkeit.33 Das Tau-Zeichen, das Papst Innozenz III. in der Eröffnungsansprache des Konzils allen Christen ans Herz legte,34 hatte er wohl 1210 bei den Antonitern in Rom kennengelernt, die dieses Emblem auf ihrem Ordensgewand trugen und dementsprechend ein Leben in Buße als Liebesdienst an den Aussätzigen und Kranken führten. Franz unterzeichnete damit nicht nur den Brief an die Kleriker und den Segen an Bruder Leo, sondern erwies diesem Zeichen auch sonst eine besondere Verehrung:

Vertraut war ihm vor allen anderen Buchstaben das Zeichen Tau; mit ihm allein pflegte er seine Sendschreiben zu beglaubigen; mit ihm bemalte er überall die Wände der Zellen.35

Auch zu einem Kreuzzug gegen die Mohammedaner im Hl. Land hatte das Konzil unter dem Zeichen des Kreuzes aufgerufen. Das Generalkapitel der Franziskaner in Portiunkula (Pfingsten 1217) hatte weitreichende Auslandsmissionen beschlossen und sandte zunächst Mitbrüder nach Frankreich, Österreich, Ungarn, Spanien und Syrien.36 1219 wurde die Mission auf den Nahen Osten, Palästina und Ägypten ausgeweitet. In einem der zahlreichen Kreuzfahrerschiffe, die von Ancona nach Damiette (Ägypten) zum 5. Kreuzzug aufbrachen, reiste Franz mit einigen Mitbrüdern mit, nicht um mit den Soldaten unter dem Kommando von Kardinal Pelagius Galvani gegen die Andersgläubigen zu kämpfen, sondern um in einer gewaltlosen Aktion Frieden zu schaffen. Erst nach einer vernichtenden Niederlage des christlichen Heeres gelang es dem Poverello, mit dem Sultan Melek-al-Kamil persönlich zu reden. Unter Einsatz des eigenen Lebens wagte er sich in die Höhle des Löwen und versuchte ihm seinen Glauben nahezubringen. Er wäre sogar bereit gewesen, dafür durchs Feuer zu gehen.37 Der Sultan, der mit den islamischen Asketen (Sufi) sympathisierte,38 war jedenfalls vom mutigen Bekenntnis des Heiligen stark beeindruckt, hörte ihm aufmerksam zu und bat ihn beim Abschied um sein Gebet. Diese ökumenische Begegnung ist bis heute mustergültig geblieben.39

Nach seiner Rückkehr aus dem Hl. Land musste Franz erstaunt feststellen, wie sehr inzwischen die Zahl seiner Brüder angewachsen war. Damit verbunden ergaben sich natürlich viele organisatorische Probleme und Anfragen an die bisherige radikale Lebensform. Er selbst fühlte sich dabei überfordert, und da er allen weiterhin ein Bruder bleiben wollte, übertrug er die Leitung künftig einem seiner ersten Gefährten Petrus Cattani und nach dessen baldigen Tod dem Bruder Elias von Cortona. Auch erbat er sich als Schutzherrn für seinen Orden den Kardinal Hugolin von Ostia, der bald darauf als Gregor IX. den Papstthron besteigen sollte.40 Im geistlichen Sinne blieb Franz jedoch die Autorität für seine Mitbrüder, wie seine zahlreichen Sendschreiben und die Regel dokumentieren. Auf dem Pfingstkapitel 1221 wurde die ausführlichere Fassung der nichtbullierten Regel anerkannt, aus welcher der Ordensvater in Fontecolombo (im Rietital) die endgültige, gekürzte Form der Regel erarbeitete, wie sie Papst Honorius III. 1223 mit einer Bulle bestätigte.41

Unübertroffen und einzigartig war seine Liebe zur Natur, in der er immer wieder Gottes Spuren erkannte:

Der selige Franziskus war versunken in der Liebe Gottes und sah (…) in jedem Geschöpf die Güte Gottes in ihrer Vollkommenheit.42

Bekannt wurde der Trobadour Gottes unter anderem für seine Vogelpredigt. Die gefiederten Tiere nämlich lauschten der Melodie seiner Worte so aufmerksam und flogen nicht eher weg, als dass er sie mit dem Kreuzzeichen gesegnet hatte.43 Sogar  der wilde Wolf von Gubbio, der den Bewohnern der Umgebung soviel Angst einflößte, dass sie sich kaum mehr aus ihrem Haus herauswagten, gebärdete sich dem Heiligen gegenüber wie ein sanftes Lamm, als er zu ihm sprach:

Ich aber, Bruder Wolf, will Frieden stiften zwischen dir und ihnen, dass du ihnen kein Leid mehr zufügst und sie dir alles vergangene Übel verzeihen.44

Selbst im Wurm, der sich mühsam fortbewegt und vom Fuß des  unaufmerksamen Spaziergängers zertreten wird, erblickte der Poverello in ansprechender Einfalt den am Kreuz sich im Todeskampf windenden Erlöser.45

Originell gestaltete der Heilige das Weihnachtsfest 1223 in Greccio (Rieti-Tal), wo er die Menschwerdung Gottes in einer lebendigen Krippenfeier nachspielen ließ und damit zum Mitbegründer unserer Weihnachtskrippe wurde:

Ich möchte nämlich das Gedächtnis an jenes Kind begehen, das in Bethlehem geboren wurde, und ich möchte die bittere Not, die es schon als kleines Kind zu leiden hatte, wie es in eine Krippe gelegt, an der Ochs und Esel standen, und wie es auf Heu gebettet wurde, so greifbar als möglich mit leiblichen Augen schauen.46

Das besondere Charisma des hl. Franz bestand ja gerade darin, jederzeit an Jesus zu erinnern:

Immer war er mit Jesus beschäftigt, Jesus trug er stets im Herzen, Jesus im Munde, Jesus in den Ohren, Jesus in den Augen, Jesus in den Händen, Jesus in seinen übrigen Gliedern.47

1224 verbringt er zwischen Mariä Himmelfahrt (15. August) und dem Fest St. Michael (29. September) eine freiwillige Fastenzeit auf dem Berg La Verna. Bereits bei seiner Berufung hatte sich ihm das Bild des Gekreuzigten von San Damiano innerlich eingeprägt.48 In seinem Passionsoffizium meditierte er tagtäglich den Leidensweg Christi.49 Bei der Stigmatisation um das Fest der Kreuzerhöhung (17. September) zeigte sich dann äußerlich an seinem Körper, was ihn innerlich sein ganzes Leben lang beschäftigt und verwandelt hatte: die Wundmale des Gekreuzigten.50 So wurde er zum Christussymbol des Mittelalters, da er in das Bild dessen verwandelt wurde, den er zeitlebens von ganzem Herzen liebte.

Seine letzten beiden Lebensjahre waren gezeichnet von Krankheiten und Schmerzen: Schon von Jugend an machte ihm die Malaria zu schaffen. Sein Leib, den er liebevoll „Bruder Esel“ nannte,51 litt zudem an Magen- und Darmgeschwüren, Milz- und Lebererkrankung, Blutarmut und Wassersucht.52 Bei seiner Reise nach Ägypten hatte er sich noch eine Augenentzündung zugezogen, die mit starken Kopfschmerzen und ständigem Tränenfluss aufgrund der hohen Lichtempfindlichkeit verbunden war. Aber selbst der beste (päpstliche) Augenarzt in Rieti konnte ihm nicht helfen, sondern wollte durch das Ausbrennen der Schläfen wenigstens den lästigen Dauerschmerz lindern.53 Nahezu erblindet brachte man den Todkranken zur Pflege nach San Damiano. Es mag verwundern, dass er gerade in dieser Zeit den wunderschönen Sonnengesang komponierte, in dem er alle Geschöpfe zärtlich seine Geschwister nannte:

Gepriesen seist du, mein Herr, mit allen deinen Geschöpfen (…) Schwester Sonne, (…) Bruder Mond und die Sterne, (…) Bruder Wind, (…) Schwester Wasser, (…) Bruder Feuer (…) und unsere Schwester, Mutter Erde.54

Als ihm der scheinbar unversöhnliche Konflikt zwischen Bischof und Bürgermeister von Assisi zu Ohren kam, fügte er gleich noch hinzu:

Gepriesen seist du, mein Herr, durch jene, die verzeihen um deiner Liebe willen und Schwachheit ertragen und Drangsal. Selig jene, die solches ertragen in Frieden, denn von dir, Erhabenster, werden sie gekrönt.55

Jedenfalls kam es doch noch zur Versöhnung der beiden Streithähne, die sich liebevoll und unter Tränen umarmten, als ihnen zwei Mitbrüder den Sonnengesang mit seiner neuen Strophe vorgetragen hatten.56

Den letzten Monat seines Lebens beherbergte und pflegte man den Friedensstifter im Bischofspalast von Assisi. Ende September 1226 fühlte er sein Ende herannahen und er bat deshalb darum, ihn auf einer Bahre zu seiner geliebten Portiunkula-Kapelle hinabzutragen. Auf halber Strecke ließ er beim Aussätzigenhospital Casa Gualdi anhalten und wenden. Das Panorama seiner Heimatstadt vor Augen, segnete er alle.57 Am 3. Oktober 1226, einem Samstagnachmittag, ließ er sich Brot bringen, brach es und teilte es an die anwesenden Brüder aus. Dann bat er, ihm den Sonnengesang zu singen und folgende Strophe anzufügen:

Gelobt seist du, mein Herr, durch unseren Bruder, den leiblichen Tod; ihm kann kein Mensch lebend entrinnen. (…) Selig jene, die sich in deinem heiligsten Willen finden, denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.58

Weiter ließ er den Psalm 141 anstimmen und sich die letzten Stunden Jesu aus dem Johannesevangelium vorlesen. Nackt wie bei seiner Geburt ließ er sich auf die Erde neben der Portiunkula-Kapelle legen und starb mit den Worten auf den Lippen:

Was ich tun konnte, habe ich getan; möge euch nun Christus lehren, was ihr tun sollt.59

Bis heute hat das Lebensprogramm des Armen von Assisi, der bereits am 16. Juli 1228 von Papst Gregor IX. heiliggesprochen wurde,60 nichts an Aktualität verloren:

Nahezu 38.000 Mitglieder zählen die franziskanischen Männerorden, noch größer ist die Zahl der Schwestern auf der ganzen Welt, die ihr Leben nach Franz und Klara ausrichten. Ihr Geist lebt auch unter Laien in den Franziskanischen Gemeinschaften weiter. Dabei ist Franz von Assisi nicht nur Umweltpatron, Modell der Friedensstifter und der großen Ökumene oder Symbol eines alternativen Lebensstils, sondern als „zweiter Christus“ eine ernst zu nehmende Einladung, Christus auf der Spur zu sein und sein Evangelium in die Tat umzusetzen.

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Quelle (mit Fußnoten)

 

Weltgebetstreffen in Assisi: Friedensappell der Religionsführer im Wortlaut

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Franziskus in Assisi

Zum Abschluss des Friedenstreffens der Religionen in Assisi haben der Papst und die übrigen Religionsvertreter einen gemeinsamen weltweiten Friedensappell unterzeichnet, der Kindern aus verschiedenen Nationen überreicht wurde. „Nichts ist unmöglich, wenn wir uns im Gebet an Gott wenden“, heißt es darin. Alle Menschen könnten „Handwerker“ des Friedens sein. „Von Assisi aus erneuern wir voller Überzeugung unser Vorhaben, dies zu sein, mit Gottes Hilfe und gemeinsam mit allen Männern und Frauen guten Willens.“ (rv)

 

Weltgebetstreffen in Assisi:
Abschließender Friedensappell
von Papst Franziskus im Wortlaut.
Assisi, 20. September 2016

Wir Männer und Frauen verschiedener Religionen sind als Pilger in der Stadt des heiligen Franziskus zusammengekommen. Hier versammelten sich 1986 – vor dreißig Jahren – auf Einladung von Papst Johannes Paul II. Religionsvertreter aus der ganzen Welt, um zum ersten Mal auf eine sehr intensive und feierliche Weise die unlösbare Verbindung zwischen dem hohen Gut des Friedens und einer echten religiösen Einstellung deutlich zu machen. Seit jenem historischen Ereignis hat sich ein langer Pilgerzug in Gang gesetzt, der viele Städte auf der Welt berührt und so zahlreiche Glaubende in den Dialog und das Gebet für den Frieden einbezogen hat. Er hat vereint ohne zu vermischen, indem er feste interreligiöse Freundschaften gestiftet und Unterstützung zur Beilegung nicht weniger Konflikte gewährt hat. Das ist der Geist, der uns beseelt: die Begegnung im Dialog zu verwirklichen und uns jeder Form von Gewalt und jedem Missbrauch der Religion zur Rechtfertigung von Krieg und Terrorismus zu widersetzen. Und doch sind in den vergangenen Jahren immer noch viele Völker schmerzlich vom Krieg in Mitleidenschaft gezogen worden. Man hat nicht immer verstanden, dass der Krieg die Welt nur verschlechtert und ein Erbe des Leids und des Hasses hinterlässt. Mit dem Krieg sind alle Verlierer, auch die Sieger.

Wir haben uns im Gebet an Gott gewandt, dass er der Welt den Frieden gebe. Wir erkennen die Notwendigkeit, beständig für den Frieden zu beten; denn das Gebet schützt die Welt und macht sie hell. Der Friede ist der Name Gottes. Wer den Namen Gottes anruft, um den Terrorismus, die Gewalt und den Krieg zu rechtfertigen, beschreitet nicht den Weg des Herrn: Der Krieg im Namen der Religion wird zu einem Krieg gegen die Religion selbst. Mit fester Überzeugung bekräftigen wir daher, dass die Gewalt und der Terrorismus dem wahren religiösen Empfinden widerstreiten.

Wir haben auf die Stimme der Armen, der Kinder und der jungen Generationen gehört, auf die der Frauen und so vieler Brüder und Schwestern, die unter dem Krieg leiden. Mit ihnen rufen wir aus voller Kraft: Nein zum Krieg! Der schmerzvolle Schrei so vieler Unschuldiger bleibe nicht ungehört! Wir flehen zu den Verantwortlichen der Nationen, dass sie die Beweggründe für die Kriege entschärfen: die Gier nach Macht und nach Geld, die Begierde derer, die mit Waffen handeln, die Eigeninteressen, die Vergeltungssucht für Vergangenes. Möge der konkrete Einsatz, die zugrunde liegenden Ursachen der Konflikte zu beseitigen, erhöht werden: die Situationen der Armut, der Ungerechtigkeit und der Ungleichheit, die Ausbeutung und die Geringschätzung des menschlichen Lebens.

Möge endlich eine neue Zeit anbrechen, in der die globalisierte Welt eine Familie von Völkern wird. Möge sich die Verantwortung konkretisieren, einen wahren Frieden aufzubauen, der auf die echten Bedürfnisse der Menschen und Völker achtet, der den Konflikten mit der Zusammenarbeit zuvorkommt, der den Hass besiegt und die Schranken mit der Begegnung und dem Dialog überwindet. Nichts ist verloren, wenn man wirklich den Dialog praktiziert. Nichts ist unmöglich, wenn wir uns im Gebet an Gott wenden. Alle können „Handwerker“ des Friedens sein. Von Assisi aus erneuern wir voller Überzeugung unser Vorhaben, dies zu sein, mit Gottes Hilfe und gemeinsam mit allen Männern und Frauen guten Willens.

(rv 20.09.2016 cz)

„Alle sind Brüder und Schwestern des Gekreuzigten“

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Assisi, Unterkirche / Wikimedia Commons – Dennis Jarvis, CC BY-SA 2.0

Weltgebetstreffen in Assisi:
Betrachtung von Papst Franziskus
in der Unterkirche der Basilika „S. Francesco“ — Volltext

Wir dokumentieren im Folgenden in der offiziellen Übersetzung vom Heiligen Stuhl die Betrachtung von Papst Franziskus in der Unterkirche der Basilika „S. Francesco“ anläßlich des Weltgebetstreffens in Assisi. 

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Vor dem gekreuzigten Jesus ertönen auch für uns seine Worte: »Mich dürstet« (Joh 19,28). Der Durst ist mehr noch als der Hunger das äußerste Bedürfnis des Menschen, stellt aber auch sein größtes Elend dar. Betrachten wir so das Geheimnis des allerhöchsten Gottes, der aus Barmherzigkeit arm wurde unter den Menschen.

Wonach dürstet den Herrn? Gewiss nach Wasser, dem Grundelement für das Leben. Aber vor allem hat er Durst nach Liebe, einem Element, das für das Leben nicht minder wesentlich ist. Ihn dürstet danach, uns das lebendige Wasser seiner Liebe zu schenken, aber auch unsere Liebe zu erhalten. Der Prophet Jeremia hat dieses Gefallen Gottes an unserer Liebe so ausgedrückt: »Ich denke an deine Jugendtreue, an die Liebe deiner Brautzeit« (Jer2,2). Der Prophet hat aber auch dem göttlichen Leiden Ausdruck verliehen, als der Mensch voll Undank die Liebe verlassen, als er – so scheint der Herr es auch heute zu sagen – »[mich] verlassen [hat], den Quell des lebendigen Wassers, um sich Zisternen zu graben, Zisternen mit Rissen, die das Wasser nicht halten« (V. 13). Es handelt sich um das Drama des „verstockten Herzens“, der unerwiderten Liebe. Dieses Drama wiederholt sich im Evangelium, als der Mensch auf den Durst Jesu mit Essig, dem schlecht gewordenen Wein, antwortet. So beklagte auf prophetische Weise der Psalmist: »Für den Durst reichten sie mir Essig« (Ps 69,22).

„Die Liebe wird nicht geliebt“: Nach einigen Erzählungen war dies die Wirklichkeit, die den heiligen Franz von Assisi aufwühlte. Aus Liebe zum leidenden Herrn schämte er sich nicht, zu weinen und mit lauter Stimme Weh zu klagen (vgl. Franziskus-Quellen, S. 620, Nr. 14). Die gleiche Wirklichkeit muss uns am Herzen liegen, wenn wir den gekreuzigten Gott betrachten, den nach Liebe dürstet. Mutter Teresa von Kalkutta wollte, dass in den Kapellen jeder Gemeinschaft neben dem Gekreuzigten die Schrift angebracht wurde: „Mich dürstet“. Ihre Antwort bestand darin, den Durst Jesu am Kreuz nach Liebe durch den Dienst an den Ärmsten der Armen zu stillen. Der Durst des Herrn wird nämlich gestillt durch unsere mitleidende Liebe; er ist getröstet, wenn wir uns in seinem Namen über das Elend der anderen beugen. Im Gericht wird er all jene „gesegnet“ nennen, die den Durstigen zu trinken gaben, die denen in Not konkret Liebe erwiesen haben: »Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan « (Mt25,40).

Die Worte Jesu sind eine Anfrage an uns, sie verlangen danach, im Herzen aufgenommen und im Leben beantwortet zu werden. In seinem „Mich dürstet“ können wir die Stimme der Leidenden vernehmen, den versteckten Schrei der unschuldigen Kleinen, denen das Licht dieser Welt verwehrt wird, die innige Bitte der Armen und derer, die am meisten des Friedens bedürfen. Um Frieden flehen die Opfer der Kriege, welche die Völker mit Hass und die Erde mit Waffen verschmutzen; um Frieden flehen unsere Brüder und Schwestern, die unter der Drohung von Bombardierungen leben oder gezwungen sind, ihr Zuhause zu verlassen und aller Dinge beraubt ins Unbekannte zu ziehen. Sie alle sind Brüder und Schwestern des Gekreuzigten, die Geringen seines Reiches, verwundete und ausgedorrte Glieder seines Fleisches. Sie sind durstig. Doch oft wird ihnen wie Jesus der bittere Essig der Ablehnung gereicht. Wer hört ihnen zu? Wer kümmert sich darum, ihnen zu antworten? Zu oft begegnen sie dem betäubenden Schweigen der Gleichgültigkeit, dem Egoismus derer, die sich belästigt fühlen, der Kälte derer, die ihren Hilfeschrei mit jener Mühelosigkeit abstellen, mit der sie den Fernsehkanal umschalten.

Vor Christus dem Gekreuzigten, »Gottes Kraft und Gottes Weisheit« (1 Kor 1,24), sind wir Christen gerufen, das Geheimnis der nicht geliebten Liebe zu betrachten und Barmherzigkeit über die Welt auszugießen. Am Kreuz, dem Baum des Lebens, wurde das Böse in Gutes verwandelt; auch wir, Jünger des Gekreuzigten, sind gerufen, „Bäume des Lebens“ zu sein, welche die Verschmutzung der Gleichgültigkeit absorbieren und der Welt den Sauerstoff der Liebe zurückgeben. Aus der Seite Christi am Kreuz floss Wasser, Symbol des Heiligen Geistes, der Leben schenkt (vgl. Joh 19,34); so soll aus uns, seinen Gläubigen, das Mitleiden mit allen Durstigen von heute fließen.

Möge der Herr uns gewähren, wie Maria unter dem Kreuz mit ihm vereint und dem nahe zu sein, der leidet. Wenn wir uns denen nähern, die heute als Gekreuzigte leben, und die Kraft zu lieben vom gekreuzigten und auferstandenen Herrn beziehen, werden die Eintracht und die Gemeinschaft unter uns noch mehr wachsen. »Denn er ist unser Friede« (Eph 2,14), er ist gekommen, den Frieden zu verkünden den Nahen und den Fernen (vgl. V. 17). Er bewahre uns alle in der Liebe und führe uns in die Einheit, zu der wir auf dem Weg sind, damit wir das werden, was er will: »eins« (Joh 17,21).

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Quelle

„Wir dürfen nicht gleichgültig bleiben“

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Assisi / ZENIT – SC, CC BY-NC-SA

Weltgebetstreffen in Assisi:
Schlussansprache des Papstes — Volltext

Die Gleichgültigkeit. Dies sei die große Krankheit unserer Zeit. So betonte Papst Franziskus in seiner Ansprache bei der Abschlußzeremonie des Weltgebetstreffens in Assisi. Die Gleichgültigkeit sei ein Virus, „das lähmt, das unbeweglich und unempfindlich macht, eine Krankheit, welche die Mitte der Religiösität selbst befällt und ein neues, überaus trauriges Heidentum hervorruft: das Heidentum der Gleichgültigkeit.“

‪Die Welt habe aber einen brennenden Durst nach Frieden, so der Papst weiter, während er an seine Reise zur Insel Lesbos erinnerte, wo er zusammen mit dem ökumenischen Patriarchen Bartolomaios I. „in den Augen der Flüchtlinge das Leid des Krieges“ gesehen habe.‬

‪„Der Friede, um den wir in Assisi bitten, ist kein einfacher Protest gegen den Krieg, nicht einmal ‚das Ergebnis von Verhandlungen, politischen Kompromissen oder wirtschaftlichen Verträgen. Er ist das Ergebnis des Gebets’“, so fuhr der Papst fort, den hl. Johannes Paul II. zitierend.‬

‪„Heute haben wir um das heilige Geschenk des Friedens gefleht“, sagte Jorge Bergoglio. „Wir haben darum gebetet, dass sich die Gewissen in Bewegung setzen, die Heiligkeit des menschlichen Lebens zu verteidigen, den Frieden unter den Völkern zu fördern und die Schöpfung, unser gemeinsames Haus, zu bewahren“, so fuhr er fort, während er vier Eigenschaften des Friedens erwähnte und beschrieb. Friede heiße Vergebung, bedeute Aufnahme, Zusammenarbeit sowie Erziehung, so unterstrich er.‬

‪Am Ende seiner Ansprache zitierte er erneut Karol Wojtyła, der vor dreißig Jahren in Assisi gesagt hatte: „Der Friede ist eine Werkstatt, die allen offensteht, nicht nur Fachleuten, Gebildeten und Strategen. Der Friede ist eine universale Verantwortung.“‬

Wir übernehmen die Papstrede in der offiziellen Übersetzung des Heiligen Stuhls.

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Eure Heiligkeiten,
ehrenwerte Vertreter der Kirchen, der kirchlichen Gemeinschaften und der Religionen,
liebe Brüder und Schwestern!

Ich grüße euch mit großer Achtung und Zuneigung und danke euch für eure Teilnahme. Ich danke der Gemeinschaft von Sant’Egidio, der Diözese Assisi und den franziskanischen Familien, die diesen Tag des Gebets vorbereitet haben. Wir sind nach Assisi als Pilger auf der Suche nach Frieden gekommen. Wir tragen in uns die Erwartungen und Ängste vieler Völker und Menschen und legen sie Gott zu Füßen. Wir haben Durst nach Frieden, wir haben das Verlangen, den Frieden zu bezeugen, vor allem aber müssen wir um den Frieden beten, denn der Friede ist ein Geschenk Gottes und unsere Aufgabe ist es, um ihn zu bitten, ihn zu empfangen und ihn jeden Tag mit seiner Hilfe aufzubauen.

„Selig, die Frieden stiften“ (Mt 5,9). Viele von euch haben einen weiten Weg zurückgelegt, um zu diesem gesegneten Ort zu kommen. Hinausgehen, sich auf den Weg machen, sich zusammenfinden, sich um den Frieden mühen – das sind nicht nur Bewegungen des Körpers, sondern vor allem des Geistes, konkrete geistliche Antworten, um die Verschlossenheit zu überwinden und sich Gott und den Brüdern zu öffnen. Gott bittet uns darum und ermahnt uns, der großen Krankheit unserer Zeit entgegenzutreten: der Gleichgültigkeit. Sie ist ein Virus, das lähmt, das unbeweglich und unempfindlich macht, eine Krankheit, welche die Mitte der Religiosität selbst befällt und ein neues, überaus trauriges Heidentum hervorruft: das Heidentum der Gleichgültigkeit.

Wir dürfen nicht gleichgültig bleiben. Die Welt hat heute einen brennenden Durst nach Frieden. In vielen Ländern leidet man unter Kriegen, die oft ausgeblendet werden, und doch immer Ursache für Leid und Armut sind. In Lesbos haben wir – der geschätzte ökumenische Patriarch Bartholomäus und ich – in den Augen der Flüchtlinge das Leid des Krieges gesehen, die Angst der Völker, die nach Frieden dürsten. Ich denke an Familien, deren Leben aus den Fugen geraten ist, an Kinder, die im Leben nichts anderes als Gewalt erlebt haben, an alte Menschen, die gezwungen wurden, ihre Heimat zu verlassen: Sie alle haben einen großen Durst nach Frieden. Wir wollen nicht, dass diese Tragödien in Vergessenheit geraten. Wir möchten gemeinsam allen, die leiden, eine Stimme geben, allen, die keine Stimme haben und die niemand hört. Sie wissen gut, oft besser als die Mächtigen, dass es im Krieg kein Morgen gibt und dass die Gewalt der Waffen die Lebensfreude zerstört.

Wir haben keine Waffen. Wir glauben aber an die milde und demütige Kraft des Gebets. An diesem Tag ist der Durst nach Frieden zu einer Anrufung Gottes geworden, damit Kriege, Terrorismus und Gewalt aufhören. Der Friede, um den wir in Assisi bitten, ist kein einfacher Protest gegen den Krieg, nicht einmal „das Ergebnis von Verhandlungen, politischen Kompromissen oder wirtschaftlichen Verträgen. Er ist das Ergebnis von Gebet“ (Johannes Paul II., Ansprache zu Beginn des Weltgebetstags der Religionen für den Frieden in der Basi­lika Santa Maria degli Angeli, Assisi, 27. Oktober 1986: L’Osservatore Romano[dt.], Jg 16, Nr. 45 (7. November 1986), S. 9, 1). Suchen wir in Gott, der Quelle der Gemeinschaft, das klare Wasser des Friedens, nach dem die Menschheit dürstet: Es kann nicht aus der Wüste des Hochmuts und der parteiischen Interessen entspringen, nicht aus dem ausgedörrten Boden des Gewinns um jeden Preis und des Waffenhandels.

Unsere religiösen Traditionen sind verschieden. Für uns ist die Verschiedenheit aber kein Grund für einen Konflikt, für Polemik oder kalte Absonderung. Heute haben wir nicht gegeneinander gebetet, wie es leider manches Mal in der Geschichte vorgekommen ist. Ohne Synkretismus und ohne Relativismus haben wir hingegen nebeneinander und füreinander gebetet. Der heilige Johannes Paul II. sagte an diesem Ort hier: „Mehr vielleicht als je zuvor in der Geschichte ist die innere Verbindung zwischen einer aufrichtigen religiösen Haltung und dem großen Gut des Friedens allen deutlich geworden“ (Ansprache zum Abschluss des Weltgebetstags der Religionen für den Frieden vor der Franziskus-Basilika, Assisi, 27. Oktober 1986: L’Osservatore Romano [dt.], Jg. 16, Nr. 45 (7. November 1986), S. 10, 6). In Fortführung des Weges, der vor dreißig Jahren in Assisi begonnen hat, wo die Erinnerung an den heiligen Franziskus, den Mann Gottes und des Friedens, lebendig ist, „bekräftigen wir, die wir hier versammelt sind, noch einmal, dass derjenige, der die Religion dazu benützt, um die Gewalt zu schüren, ihrem eigentlichen inneren Antrieb widerspricht“ (Ders.,Ansprache an die Vertreter der Religionen, Assisi, 24. Januar 2002:L’Osservatore Romano [dt.], Jg. 32, Nr. 5 (1. Februar 2002), S. 8, 4). Jegliche Form von Gewalt repräsentiert nicht „das wahre Wesen der Religion. Sie ist ihre Entstellung und trägt zu ihrer Zerstörung bei“ (Benedikt XVI., Ansprache zum Tag der Reflexion, des Dialogs und des Gebets für Frieden und Gerechtigkeit auf der Welt, Assisi, Basilika „Santa Maria degli Angeli“, 27. Oktober 2011: L’Osservatore Romano [dt.] 41. Jg., Nr. 44 (4. November 2011), S. 7). Werden wir nicht müde zu wiederholen, dass der Name Gottes die Gewalt nie rechtfertigen kann. Allein der Friede ist heilig. Nur der Friede ist heilig, nicht der Krieg!

Heute haben wir um das heilige Geschenk des Friedens gefleht. Wir haben darum gebetet, dass sich die Gewissen in Bewegung setzen, die Heiligkeit des menschlichen Lebens zu verteidigen, den Frieden unter den Völkern zu fördern und die Schöpfung, unser gemeinsames Haus, zu bewahren. Das Gebet und die konkrete Zusammenarbeit helfen, nicht in der Logik des Konflikts gefangen zu bleiben und die rebellischen Haltungen, die nur Protest und Ärger zu erregen wissen, zurückzuweisen. Das Gebet und der Wille zur Zusammenarbeit sind ein Unterpfand für einen wahren und nicht für einen trügerischen Frieden: nicht für die Ruhe dessen, der Schwierigkeiten vermeidet und sich abwendet, wenn seine eigenen Interessen nicht berührt werden; nicht für den Zynismus dessen, der sich die Hände reinwäscht von Problemen, die nicht die eigenen sind; nicht für die virtuelle Annäherung dessen, der alles und alle über die Tastatur eines Computers beurteilt, ohne die Augen für die Nöte der Brüder zu öffnen und sich die Hände für die Bedürftigen schmutzig zu machen. Unser Weg ist der, sich in diese Situationen hineinzubegeben und den Leidenden den ersten Platz zu geben; die Konflikte auf sich zu nehmen und sie von innen her zu heilen; beständig Pfade des Guten zu beschreiten und die Schleichwege des Bösen zu meiden; geduldig, mit der Hilfe Gottes und dem guten Willen Friedensprozesse zu beginnen.

Friede – ein Faden der Hoffnung, der die Erde mit dem Himmel verbindet, ein Wort, so einfach und so schwierig zugleich. Friede heißt Vergebung, die als Frucht der Umkehr und des Gebets von innen her geboren wird und im Namen Gottes die Heilung der Wunden der Vergangenheit möglich macht. Friede bedeutet Aufnahme, Bereitschaft zum Dialog, Überwindung der Verschlossenheit, nicht Strategien zur Absicherung, sondern Brücken zur Überwindung des Abgrunds. Friede heißt Zusammenarbeit, lebendiger und konkreter Austausch mit dem anderen, der ein Geschenk und kein Problem ist, ein Bruder, mit dem man eine bessere Welt aufzubauen versucht. Friede bedeutet Erziehung, ein Aufruf, um jeden Tag die schwierige Kunst der Gemeinschaft zu erlernen, um sich die Kultur der Begegnung anzueignen und das Gewissen von jeder Versuchung zu Gewalt und Verhärtung, die dem Namen Gottes und der Würde des Menschen entgegenstehen, zu reinigen.

Wir hier, die wir in Frieden versammelt sind, glauben an eine brüderliche Welt und erhoffen sie. Wir wünschen, dass Männer und Frauen unterschiedlicher Religionen überall zusammenkommen und Eintracht schaffen, besonders wo es Konflikte gibt. Unsere Zukunft ist das Zusammenleben. Daher sind wir aufgerufen, uns von den schweren Bürden des Misstrauens, der Fundamentalismen und des Hasses zu befreien. Die Gläubigen mögenHandwerker des Friedens sein, mit dem Gebet zu Gott und mit der Tat für den Menschen! Und als Religionsführer sind wir gehalten, feste Brücken des Dialogs zu sein, kreative Vermittler des Friedens. Wir wenden uns auch an die höchsten Verantwortlichen im Dienst an den Völkern, an die Staatslenker, damit sie nicht müde werden, Wege des Friedens zu suchen und zu fördern und den Blick über partikuläre und momentane Interessen hinauszurichten: Der Aufruf Gottes an die Gewissen, der Schrei der Armen nach Frieden und die guten Erwartungen der jungen Generationen mögen nicht ungehört bleiben. Vor dreißig Jahren sagte hier der heilige Johannes Paul II.: „Der Friede ist eine Werkstatt, die allen offensteht, nicht nur Fachleuten, Gebildeten und Strategen. Der Friede ist eine universale Verantwortung“ (Ansprache zum Abschluss des Weltgebetstags der Religionen für den Frieden vor der Franziskus-Basilika, Assisi, 27. Oktober 1986:L’Osservatore Romano[dt.] Jg. 16, Nr. 45 (7. November 1986), S.10, 7). Schwestern und Brüder, stellen wir uns dieser Verantwortung, bekräftigen wir heute erneut unser Ja, zusammen Erbauer des Friedens zu sein, den Gott will und nach dem die Menschheit dürstet!

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Quelle

„Der Friede ist der Name Gottes“

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Assisi / ZENIT – SC, CC BY-NC-SA

Weltgebetstreffen in Assisi:
Friedensappell der Religionsführer — Volltext

„Der Friede ist der Name Gottes“ und „wer den Namen Gottes anruft, um den Terrorismus, die Gewalt und den Krieg zu rechtfertigen, beschreitet nicht den Weg des Herrn.“ So heißt es im gemeinsamen Friedensappell, den Papst Franziskus und die Teilnehmer am Friedenstreffen der Religionen in Assisi am Dienstagabend unterzeichnet haben.‬

‪„Nein zum Krieg!“, so lautet es ausdrücklich, „mit dem Krieg sind alle Verlierer, auch die Sieger“. Man habe ja nicht immer verstanden, so betonen die Unterzeichner, dass der Krieg die Welt nur verschlechtere und ein Erbe des Leids und des Hasses hinterlasse.  ‬

‪Der Krieg im Namen der Religion werde zu einem Krieg gegen die Religion selbst, so warnen die Unterzeichner, die im Appell an das erste von Papst Johannes Paul II. 1986 einberufene Weltgebetstreffen der Religionen und Kulturen in Assisi erinnern.‬

‪Wunsch und Ziel der Unterzeichner des Aufrufs ist es, „einen wahren Frieden aufzubauen, der auf die echten Bedürfnisse der Menschen und Völker achtet, der den Konflikten mit der Zusammenarbeit zuvorkommt, der den Hass besiegt und die Schranken mit der Begegnung und dem Dialog überwindet.“‬

‪„Nichts ist verloren, wenn man wirklich den Dialog praktiziert. Nichts ist unmöglich, wenn wir uns im Gebet an Gott wenden“, so heißt es am Schluß: „alle können ‚Handwerker’ des Friedens sein.“‬

‪Wir dokumentieren den Aufruf in der offiziellen Übersetzung.‬

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Wir Männer und Frauen verschiedener Religionen sind als Pilger in der Stadt des heiligen Franziskus zusammengekommen. Hier versammelten sich 1986 – vor dreißig Jahren – auf Einladung von Papst Johannes Paul II. Religionsvertreter aus der ganzen Welt, um zum ersten Mal auf eine sehr intensive und feierliche Weise die unlösbare Verbindung zwischen dem hohen Gut des Friedens und einer echten religiösen Einstellung deutlich zu machen. Seit jenem historischen Ereignis hat sich ein langer Pilgerzug in Gang gesetzt, der viele Städte auf der Welt berührt und so zahlreiche Glaubende in den Dialog und das Gebet für den Frieden einbezogen hat. Er hat vereint ohne zu vermischen, indem er feste interreligiöse Freundschaften gestiftet und Unterstützung zur Beilegung nicht weniger Konflikte gewährt hat. Das ist der Geist, der uns beseelt: die Begegnung im Dialog zu verwirklichen und uns jeder Form von Gewalt und jedem Missbrauch der Religion zur Rechtfertigung von Krieg und Terrorismus zu widersetzen. Und doch sind in den vergangenen Jahren immer noch viele Völker schmerzlich vom Krieg in Mitleidenschaft gezogen worden. Man hat nicht immer verstanden, dass der Krieg die Welt nur verschlechtert und ein Erbe des Leids und des Hasses hinterlässt. Mit dem Krieg sind alle Verlierer, auch die Sieger.

Wir haben uns im Gebet an Gott gewandt, dass er der Welt den Frieden gebe. Wir erkennen die Notwendigkeit, beständig für den Frieden zu beten; denn das Gebet schützt die Welt und macht sie hell. Der Friede ist der Name Gottes. Wer den Namen Gottes anruft, um den Terrorismus, die Gewalt und den Krieg zu rechtfertigen, beschreitet nicht den Weg des Herrn: Der Krieg im Namen der Religion wird zu einem Krieg gegen die Religion selbst. Mit fester Überzeugung bekräftigen wir daher, dass die Gewalt und der Terrorismus dem wahren religiösen Empfinden widerstreiten.

Wir haben auf die Stimme der Armen, der Kinder und der jungen Generationen gehört, auf die der Frauen und so vieler Brüder und Schwestern, die unter dem Krieg leiden. Mit ihnen rufen wir aus voller Kraft: Nein zum Krieg! Der schmerzvolle Schrei so vieler Unschuldiger bleibe nicht ungehört! Wir flehen zu den Verantwortlichen der Nationen, dass sie die Beweggründe für die Kriege entschärfen: die Gier nach Macht und nach Geld, die Begierde derer, die mit Waffen handeln, die Eigeninteressen, die Vergeltungssucht für Vergangenes. Möge der konkrete Einsatz, die zugrunde liegenden Ursachen der Konflikte zu beseitigen, erhöht werden: die Situationen der Armut, der Ungerechtigkeit und der Ungleichheit, die Ausbeutung und die Geringschätzung des menschlichen Lebens.

Möge endlich eine neue Zeit anbrechen, in der die globalisierte Welt eine Familie von Völkern wird. Möge sich die Verantwortung konkretisieren, einen wahren Frieden aufzubauen, der auf die echten Bedürfnisse der Menschen und Völker achtet, der den Konflikten mit der Zusammenarbeit zuvorkommt, der den Hass besiegt und die Schranken mit der Begegnung und dem Dialog überwindet. Nichts ist verloren, wenn man wirklich den Dialog praktiziert. Nichts ist unmöglich, wenn wir uns im Gebet an Gott wenden. Alle können „Handwerker“ des Friedens sein. Von Assisi aus erneuern wir voller Überzeugung unser Vorhaben, dies zu sein, mit Gottes Hilfe und gemeinsam mit allen Männern und Frauen guten Willens.

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Papstmesse: „Schämen wir uns für den Krieg“

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Papst Franziskus bei der Predigt in der Casa Santa Marta

Papst Franziskus erklärt „Assisi“: Die Welt braucht Frieden, und um Frieden zu bitten, sei eine Pflicht. Das verdeutlichte der Papst bei seiner Frühmesse am Dienstag, bevor er nach Assisi zum Friedenstreffen abreiste. Man soll um den Frieden beten, „bis man sich der Kriege schämt“, die es noch gibt, und vor allem dürfe man die Augen vor dem Krieg nicht verschließen. Es gebe kein „Gott der Kriege“, so der Papst. Die Gewalt zwischen den Menschen sei das Werk des Bösen, und dagegen müsse jeder Mensch vorgehen. Dies könne durch das Gebet wie auch durch das „Weinen für den Frieden“ geschehen, so der Papst. Jede Religion glaube, dass Gott „nur für den Frieden einstehen“ könne.

Zum Friedenstreffen in Assisi, das 30 Jahre nach dem ersten Treffen mit Johannes Paul II. stattfindet, sagte Franziskus: „Es geht nicht darum, dort ein Schauspiel zu veranstalten, sondern einfach darum, zu beten, und zwar für den Frieden.“ Er lud alle Bischöfe – und auch alle Gläubigen – ein, an diesem Dienstag gemeinsam für Frieden zu beten, egal wo man sich befindet.

„Die heutige Erste Lesung endet auf diese Weise: ,Wer sein Ohr verschließt vor dem Schreien des Armen, wird selbst nicht erhört, wenn er um Hilfe ruft.´ (vgl. Spr 21, 1-6.10-13) Wenn wir unsere Ohren verschließen vor dem Leid jener, die bombardiert werden, die durch den Menschenhandel leiden, dann kann es sein, dass eines Tages dies an uns geschieht und wir auf Antworten warten. Wir können die Ohren nicht verschließen vor dem Geschrei des Leids unserer Geschwister, die wegen des Krieges leiden.“

Hier im Westen sehe man den Krieg nicht, stattdessen fürchten sich viele vor terroristischen Anschlägen, fuhr Franziskus fort. Doch dies sei nichts im Vergleich zu dem, was in den heutigen Kriegsgebieten der Welt passiere: Bomben töteten Alte, Kinder, Männer und Frauen; im Übrigen seien die klassischen Kriegsschauplätze gar nicht so weit entfernt von den vermeintlich sicheren Orten. Jeder Krieg entstehe zuerst in den Herzen der Menschen.

„Möge der Herr uns den Frieden in unseren Herzen schenken. Er möge die Habsucht, die Gier und die Gewaltbereitschaft in uns beseitigen. Wir brauchen Frieden! Möge unser Herz den Frieden aufnehmen und ohne Unterscheidung der Religionen. Das gilt für alle! Denn wir sind alle Kinder Gottes! Eines Gottes des Friedens. Es gibt keinen Gott des Krieges. Der Krieg ist immer ein Werk des Bösen, des Teufels, der uns alle umbringen will.”

Davor könne es keine religiöse Unterschiede geben. Es sei falsch, Gott dafür zu danken, „vom Krieg verschont zu sein“. Man müsse auch an die Betroffenen denken, so der Papst weiter.

„Denken wir heute nicht nur an die Bomben, Toten, Verletzten, denken wir an all jene – ob Kinder oder Alte – die keine humanitären Hilfe bekommen und nichts zu essen haben, die keine Medizin erhalten, die hungern und krank sind. Sie erhalten keine Hilfe, weil Bomben dies verhindern. Und wenn wir heute für den Frieden beten, dann wäre es schön, wenn jeder von uns sich der Kriege schämt, die es auf der Welt gibt. Schämen wir uns, dass Menschen dazu fähig sind, ihren Geschwistern solche schreckliche Taten zu vollbringen. Es ist ein Tag des Gebets, der Reue, des Weinens um des Friedens willen. Möge der Schrei der Leidenden gehört werden und die Herzen der Menschen sich der Barmherzigkeit und der Liebe öffnen, die uns vor dem Egoismus retten.“

(rv 20.09.2016 mg)