Manfred Adler: ZEICHEN DER ZEIT: DIE HERZ-MARIÄ-VEREHRUNG

Der Priester Manfred Adler [gestorben 2005] war Mitglied des Ordens der “Missionare vom heiligen Johannes dem Täufer” (MSJ)
Der nachfolgende Text stammt aus dem Jahre 1958:


5. Das unbefleckte Herz Mariens, ein endzeitliches Heilszeichen für die sündenbefleckte Menschenwelt.

In Lourdes erschien die Unbefleckte Jungfrau, und in Fatima verlangte sie die Verehrung ihres unbefleckten Herzens und die Weihe an ihr unbeflecktes Herz.

a) Sinn der Herz-Mariä-Verehrung

Worum geht es bei dieser Verehrung? Maria sagte es am 13. Juni 1917: „Er (Jesus) will die Verehrung meines unbefleckten Herzens in der Welt begrün­den. Wer sie übt, dem verspreche ich das Heil.“ Es geht also um das ewige Heil der Seelen.

Am 13. Juli 1917 zeigte Maria den Kindern die Hölle. Die Hölle gehört zu den „Letzten Dingen“, zu den Eschata. Es ist erfreulich, daß heute die allgemeine Eschatologie (Lehre von den Letzten Dingen) in der Glaubensverkündigung wieder stär­ker betont wird, bedauerlich aber ist, daß die per­sönlichen Eschata (Himmel und Hölle) immer mehr aus dem Glaubensbewußtsein schwinden.

Maria erschien in Fatima, um uns darauf aufmerk­sam zu machen, daß es eine Hölle gibt und daß viele auf sie zugehen. „Um sie zu retten, will der Herr die Andacht zu meinem unbefleckten Herzen in der Welt einführen. Wenn man tut, was ich euch sage, werden viele Seelen gerettet.“

Daraus erhellt, daß die Herz-Maria-Verehrung ge­rade heute eine große heilsgeschichtliche Aufgabe zu erfüllen hat und ganz und gar eschatologischen Charakter trägt. Es geht um das Letzte: es geht um die Rettung vieler.

Die Herz-Mariä-Verehrung, die keine romanische Andachtsform, sondern in ihrem Ursprung typisch deutsch ist (heilige Mechthild, heilige Gertrud), nahm im hohen Mittelalter ihren Anfang. Im 17. Jahrhundert wurde sie vor allem durch den heiligen Johannes Eudes und die heilige Margareta Maria Alacoque stark gefördert und erlangte im 19. Jahrhundert immer weitere Verbreitung. Im Jahre 1848 gründete Claret die Genossenschaft der Söhne des unbefleckten Herzens Mariens (außerdem gibt es etwa 30 weibliche Genossenschaften vom heiligen Herzen Mariens). Überall entstanden die Herz-Mariä-Bruderschaften, 1855 führte Papst Pius IX. ein eigenes HerzMariäFest ein.

Den Höhepunkt erreichte die Herz-Mariä-Ver­ehrung im 20. Jahrhundert in der Weihe der Welt an das unbefleckte Herz Mariens durch Papst Pius XII. (am 31. Oktober und 8. Dezember 1942). 1944 wurde das Fest zur Ehren des unbefleckten Herzens Mariens eingesetzt, das von der Gesamt­kirche am 22. August gefeiert und im neuen römi­schen Kalender auf den Samstag nach dem Herz­ Jesu-Fest verlegt wurde. Am 7. Juli 1952 hat Papst Pius XII. eigens die Völker Rußlands dem unbe­fleckten Herzen der Gottesmutter geweiht.

Herz Mariä steht als Teil für das Ganze. Im Her­zen Mariens verehren wir die Person der Gottes­mutter, nicht nur ihr Herz allein. Das leibliche Herz der Unbefleckten war der Lebensbrunnen des gött­lichen Kindes, das durch den Blutstrom, der vom Herzen der Mutter ausging, ernährt und gespeist wurde. Trotz dieser unvergleichlichen Auszeichnung und Aufgabe des leiblichen Herzens der Gottesmut­ter liegt der Schwerpunkt unserer Herz-Mariä-Ver­ehrung nicht in der Verehrung ihres leiblichen, son­dern in der ihres „geistigen“ Herzens.

Das Herz Mariens ist in erster Linie symbolisch zu verstehen: Es ist Sinnbild für das überreiche Innen­leben, die einzigartige Heiligkeit, die überragende Tugendfülle und absolute Sündenlosigkeit Mariens, Sinnbild für ihre edlen Gesinnungen und gnaden­haften Beziehungen zum dreifaltigen Gott, nicht zuletzt Sinnbild für ihre glühende Gottesliebe und unerschöpfliche Mutterliebe, die unvergleichlich innig ist und alle Menschen umschließt. Maria ist die Mutter aller Menschen. Das unbefleckte Herz ist unsere Zuflucht, weil in unserer Zeit das Menschen­bild befleckt ist durch schamloseste Unreinheit und unheimlichen Sündenschmutz. Eine wahre Sünden­flut wälzt sich über unsere Welt dahin, die schon viele in die Tiefe gerissen hat. Gott bietet uns in dieser grauenhaften Unheilszeit einen Anker des Heils an, einen Rettungsanker, an den wir uns fest­klammern sollen: das unbefleckte Herz Mariens.

Die Verehrung des unbefleckten Herzens wird des­halb ein Herzensanliegen aller Kinder Mariens sein müssen. Sie werden sich alle Mühe geben, um sie in ihr religiöses Leben einzubauen (Stoßgebete zum unbefleckten Herzen Mariens, Ave-Maria für die Rettung der Sünder, Herz-Mariä-Samstag im Geist der Sühne, Ehrenwache des unbefleckten Herzens usw.).

b) Die Weihe an das unbefleckte Herz Mariens

Weihe besagt Hingabe an Gott. Eine Person oder eine Sache wird aus dem Bereich der Welt, die ja durch den Sündenfall dem Bösen verfallen und in den Machtbereich Satans geraten ist, herausgenom­men und Gott zurückgegeben, in seinen Dienst

In der heiligen Taufe sind wir der „Macht der Finsternis entrissen und in das Reich seines gelieb­ten Sohnes versetzt worden“ (Kol 1, 13; vgl. 1 Petr 2, 9). Nach der Taufe haben wir uns aber erneut in die Sünde gestürzt. Nur die Immakulata ist von dieser Tatsache ausgenommen. Weihe an Maria bedeutet nun, daß wir uns erneut Gott hingeben durch Maria. Die Marienweihe, die der heilige Ludwig Maria Grignion lehrt, ist nichts anderes als eine „vollkommene Erneuerung der Taufgelübde“ (vgl. Die vollkommene Hingabe an Maria, Nr. 120 ff, Das Goldene Buch, 17. Auflage, Freiburg 1957, S. 131 ff).

Der Weg über Maria (per Mariam ad Jesum) ist kein Umweg, sondern der kürzeste, sicherste und vollkommenste Weg zu Christus, zu dem „niemand kommen kann als durch seine Mutter“ (Leo XIII. in „Octobri mense“, 1891, vgl. Graber, Marianische Weltrundschreiben, S. 48).

Die Weihe an Maria ist auch eine wirkliche Hin­gabe an Maria. Ihr ist das ganze Menschenge­schlecht anvertraut. Da sie unsere Mutter ist, hat sie Mutterrechte auf uns. Sie macht in der For­derung der Weltweihe an ihr unbeflecktes Herz diese Rechte geltend, nicht um ihretwillen, sondern weil Gott es will, dem sie in alle Ewigkeit als „kleine Magd“ (Lk 1, 38) dient. Gott hat sie „zwi­schen Christus und die Kirche“ gestellt (Pius IX. in „Ubi primum“, 1849, Graber, a. a. 0. A 11), als „Mittlerin“ zum (einzigen) Mittler hin (Leo XIII. in „Fidentem Piumque“, 1896, Graber, a. a. 0. S. 107). Die Weihe an Maria erklärt sich also letztlich aus der heilsgeschichtlichen Stellung und Sendung Mariens.

Die Weihe (Hingabe) an Maria ist ein gewaltiger Schritt. Wer sie vollzieht, gehört nicht mehr sich selbst, sondern gehört als Eigentum der Gottesmut­ter und durch sie auf vollkommenste Weise Gott allein, ähnlich wie Maria, deren Hingabe an Gott eine einzigartige ist.

Weihe an Maria heißt schließlich der Mutter ge­horchen. Was sagt sie? „Tut alles, was er euch sagt“ (Joh 2, 6). Was sagt sie in Lourdes und in Fatima? „Buße, Buße, Buße!“ — „Betet jeden Tag den Rosenkranz“ — „Bete für die Sünder, bete für die kranke Welt!“ Ein gutes Kind tut, was die Mut­ter sagt.

Marienweihe bedeutet aber noch mehr. Die Menschen, die sich Maria geweiht haben, sollen der himmlischen Mutter ganz ähnlich sein, in ihrem Glauben, in ihrem Gehorsam, in ihrer Demut und in ihrer Liebe leben; kurz gesagt: sie sollen in allem der Mutter gleich sein. Wer ihr ganz gehört, steht unter ihrem besonderen Schutz und darf vertrauens­voll der Zukunft harren. Maria geweiht sein heißt zuletzt, sich wie Maria und mit Maria einsetzen für das Reich Gottes, für die Rettung und das Heil der Menschen. Die echte Marienverehrung erweist sich im Apostolat. Marianisch geprägte Frömmigkeit — und die Marienweihe ist es im vollsten Sinn des Wortes — ist die entschiedene Absage an das laue, satte Gewohntheitschristentum und religiöse Mit­läufertum. Die Kinder Mariens, die sich wie Maria dem Reiche Gottes verpflichtet wissen, können keine mittelmäßigen Leisetreter sein, sondern müssen sich mit aller Kraft als Apostel für die Sache Gottes ein­setzen. Und das ist heute mehr denn je notwendig.

Maria ist die „Siegerin in allen Schlachten Gottes“ (Pius XII.), die Drachenzertreterin.

1917 trat sie in Fatima dem bolschewistischen Dra­chen entgegen und hat dort schon ihren Sieg über dieses blutigrote Ungeheuer, das im gleichen Jahr (1917) seinen unheilvollen Weg in die Geschichte antrat, angekündigt mit den Worten: „Am Ende aber wird mein unbeflecktes Herz triumphieren.“ Maria, die „alle Irrlehren auf der ganzen Welt allein vernichtet hat“, wird auch diesen Feind Got­tes und der Menschen besiegen, und alle, die ihr geweiht sind, haben besonderen Anteil an ihrem Triumph.

Schreckliches, ja Unbeschreibliches steht der Welt bevor, denn grausam und entsetzlich ist die Herz­losigkeit des gnadenlosen Menschen, und sie wird von Tag zu Tag grauenvoller. „Wehe der Welt um der Ärgernisse willen“ (Mt 17, 7). Es ist schreck­lich, daran zu denken. Und doch stehen wir aufrecht und zuversichtlich in dieser dem Tod und Gericht verfallenen „bösen Welt“ (Gal 1, 4), weil wir wis­sen, Gott hat ein Herz für uns: das unbefleckte Herz Mariens. Es ist unsere Rettung, das Heilszeichen Gottes für die sündenbefleckte Welt unserer Tage. Darum hat der Heilige Vater die ganze Welt ver­trauensvoll diesem Herzen geweiht.

Alles Unheil kommt aus der Sünde. Sie ist die größte Katastrophe, in die ein Mensch in dieser Welt stürzen kann. Die Sünde ist die falsche Hin­gabe des Menschen, Hingabe an Scheinwerte, an die vielen Götzen, deren Aufzählung sich hier er­übrigt. Mit welcher Leidenschaft ist heute der Mas­senmensch und die Menschenmasse in die Sünde verkrampft! In der Hingabe an die Sünde gibt der Mensch alles preis, er verliert sich selbst und Gott, sein Leben.

Unsere Situation ist gewiß überaus ernst, aber nicht ausweglos. Es gibt noch eine Überwindung des hemmungslosen Diesseitsfanatismus unserer Gegen­wart: die wahre, totale Hingabe an Gott und an das Herz, das er uns außer dem Herzen seines Sohnes in diesen unheiligen Zeiten gegeben hat: das unbe­fleckte Herz Mariens.

  • Die Welt dem Herzen Mariens!
  • Deutschland dem Herzen Mariens!
  • Jeder Katholik dem Herzen Mariens!

Dann brauchen wir die dunkle Zukunft nicht zu fürchten, weder Tod noch Teufel, noch Hölle; denn Maria gibt die sieghafte Verheißung: „Am Ende wird mein unbeflecktes Herz triumphieren!“

Manfred Adler: ZEICHEN DER ZEIT: DIE ZEICHEN SATANS

Der Priester Manfred Adler [gestorben 2005] war Mitglied des Ordens der „Missionare vom heiligen Johannes dem Täufer“ (MSJ)
Der nachfolgende Text stammt aus dem Jahre 1958:

Die Zeichen Satans

Die Heilige Schrift belehrt uns eingehend über das Wirken der dämonischen Mächte in der Geschichte. Und dieses Wirken ist in gewissem Sinne ein Wir­ken aus dem Glauben. Der heilige Jakobus schreibt nämlich: „Auch die bösen Geister glauben und zit­tern“ (2, 19). Ein beachtliches Wort. Die gefallenen Geister haben keine Hoffnung und erst recht keine Liebe mehr. Aber sie glauben. (Der Glaube der Dämonen ist freilich kein Heilsglaube.) Sie wissen um die göttliche Heilsoffenbarung, kennen das Wort Gottes und zitieren es (vgl. Mt 4, 6; Lk 4, 41). Das ist nicht verwunderlich, denn Satan gibt sich nicht selten „als Engel des Lichtes“ (2 Kor II, 14) aus. Da er die Schriften kennt, weiß er auch recht gut, was manche, die sogar das Credo beten, noch nicht recht zu begreifen scheinen, daß nämlich mit Jesus Christus die Endzeit begonnen hat, wie das Wort Gottes klar bezeugt.

Gott hat in seinem Sohn und durch ihn „am Ende dieser Tage zu uns gesprochen“ (Hebr 1, 1). Er ist „am Ende der Zeiten erschienen, um die Sünde durch sein Opfer zu tilgen“ (Hebr 9, 26). Wir leben also schon am „Ende der Zeiten“ (1 Petr 1, 20), in den „letzten Tagen“ (Jak 5, 3) oder in der „letzten Stunde“ (1 Joh 2, 18). Der heilige Petrus schreibt: „Das Ende aller Dinge hat sich genähert; seid da­her besonnen und nüchtern, um beten zu können“ (1 Petr 4, 7), und fügt anschließend die Mahnung hinzu: „Seid nüchtern und wachsam! Euer Wider­sacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wenn er verschlingen könne. Widersteht ihm fest im Glauben“ (1 Petr 5, 8 f).

Auf Grund seines Glaubens weiß Satan, daß seine Herrschaft über die ganze Menschheit nicht mehr lange dauern wird. „Er weiß, daß er nur wenig Zeit hat“ (Offb 12, 12), weil „die Zeit drängt“ (1 Kor 7, 29). Durch das Heilswirken Christi und das Kommen des Reiches (Lk 11, 20-22) ist seine Macht bereits gebrochen, aber erst beim Endgericht wird er endgültig entmachtet. Seine Zeit ist also noch nicht um. Zwar kämpft er jetzt mit „gebroche­nem Rückgrat“, um so verbissener aber wirkt er die ihm von Gott eingeräumte Macht aus, soweit nur seine Bewegungsfreiheit reicht. Heute ist seine Macht geradezu greifbar.

Man hat unsere Zeit die Epoche Satans genannt. Es wäre angesichts gewisser Tatsachen, von denen noch die Rede sein wird, sicher nicht übertrieben, wenn wir unsere Gegenwart als das Zeitalter Satans bezeichnen wollten. Aber mit Recht könnte man uns dann die Frage entgegenhalten: Ist nicht die ganze Geschichte das Zeitalter Satans? Ist er nicht schon von jeher „der Fürst dieser Welt“ (Joh 12, 31; 14, 30), ja sogar „der Gott dieser Welt, der den Ungläubigen den Sinn verblendet hat, daß ihnen das Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi, der das Ebenbild Gottes ist, nicht leuchte“ (2 Kor 4, 4)? Geht er nicht allezeit wie ein „brüllen­der Löwe umher“ (1 Petr 5, 8), um mit den „Mächten und Gewalten und Weltherrschern dieser Fin­sternis“ (Eph 6, 12), den „Mächtigen“ (1 Kor 2, 6) dieser Weltzeit die „gegenwärtige böse Welt“ (Gal 1, 4), der wir uns nicht gleichgestalten dürfen (Röm 12, 2), zu beherrschen?

I. Der Verführer der ganzen Welt

Es ist richtig, daß die ganze Weltzeit seine Zeit ist, in der er „in den Söhnen des Ungehorsams wirkt“ (Eph 2, 2). Aus diesem Grunde werden wir unsere Jetztzeit nicht als Epoche oder Zeitalter Satans be­zeichnen. Da aber das Wirken der „Mächte und Gewalten“ in unseren Tagen aufdringlicher und schrecklicher denn je ist — nie war ihr „teuflischer“ Einfluß so ungeheuerlich und unheilvoll wie heute —, wollen wir unsere gegenwärtige Stunde als „Großoffensive Satans“ kennzeichnen.

Diese hat mit dem Zeitalter der Maschine begonnen und ist im 19. Jahrhundert offenbar geworden. Die Maschine führte ein neues Zeitalter herauf: die Zeit der Masse. Im Jahrhundert der industriellen, tech­nischen Revolution hat sich die Weltbevölkerung verdreifacht (die Bevölkerung Europas ist in diesem Zeitraum von 180 Millionen auf über 500 Millionen angewachsen). Die Menschen konzentrieren sich zunächst zur Menschenmasse (Massierungsprozeß). Die Menschenmasse bringt dann unter dem Einfluß der Maschine einen neuen Menschentyp hervor: den Massenmenschen (Vermassungsprozeß), der auf Grund seiner spezifischen Qualitäten wie kein ande­rer Menschentyp vor ihm dazu geschaffen ist, die Großoffensive Satans zu ermöglichen, indem er ihr zuerst erliegt und dann als aktives Werkzeug Satans bei der Verführung der Welt mitwirkt.

Eine Großoffensive, die aufs Ganze geht und bei der es ums Ganze geht, muß auf lange Sicht ge­plant und gründlich vorbereitet sein. Schließlich muß sie im entscheidenden Augenblick einsetzen. Der Generalangriff der Hölle war in verschiedener Hinsicht lange vorbereitet. Mit zäher Ungeduld wirkte der Teufel dahin, in den Menschen nach und nach die Glaubenssubstanz zu vernichten oder doch soweit als möglich zu schwächen. Denn er weiß, daß man gegen glaubensstarke Menschen keine Großoffensive starten kann.

Einen vernichtenden Schlag versetzte er der christ­lichen Glaubenseinheit und Glaubensmächtigkeit in der abendländischen Glaubensspaltung (ab 1517), die weitaus gefährlicher und in ihrer Auswirkung viel tiefer und weitgreifender war als das morgen­ländische Schisma (11. Jahrhundert), weil die bis dahin vorhandene Glaubensgemeinsamkeit und all­gemeine Glaubenssubstanz durch den breiten Abfall vom einen Glauben und vielen Glaubenswahrheiten, besonders aber durch die endgültige Trennung von der einen Kirche (Entkirchlichung), die schließlich zu einer immer verhängnisvoller sich auswachsen­den Entchristlichung führte und in einem radikalen Massenabfall von Gott selbst (Antichristentum, Atheismus) endete, immer mehr geschwächt und in vielen total zerstört wurde. Der schon im Mittel­alter und in der Vorreformation teils latente, teils offensichtlich, durch die Glaubensspaltung mächtig geförderte und in der nachfolgenden Entwicklung zur letzten Konsequenz getriebene Zersetzungspro­zeß war im 19. Jahrhundert schließlich so weit ge­diehen, daß der Menschentyp dieser Zeit als solcher für den Generalangriff der Hölle schon hinreichend vorbereitet und reif war.

Nun kommt noch hinzu, daß dieser moderne Mensch zur gleichen Zeit im Zuge der industriellen Entwicklung auch die technischen Machtmittel lie­fert, die für die Großoffensive Satans unerläßlich notwendig sind: die Maschine und die mit ihrer Hilfe gemachten naturwissenschaftlichen Erfindun­gen und Entdeckungen (vor allem auf der Basis des Elektromagnetismus: Funk, Fernsehen usw.).

Die dämonischen „Weltbeherrscher“ stellten alle neuzeitlichen Machtmittel (Maschine, Presse, Funk, Film, Fernsehen usw.) sofort in ihren Dienst und wirkten mit ihrer Hilfe durch den Massenmenschen mit verzweifelter Wut, mit rastloser, immer mehr sich steigernder Aktivität auf die Menschenmassen ein. Der Erfolg war und ist eine wahre Dämoni­sierung der Masse, eine ausgesprochene Massen­dämonie, wie sie die Geschichte bislang unmöglich kennen konnte, weil die technischen Voraussetzun­gen und Hilfsmittel zu einer derartigen Massenver­führung früher fehlten.

Im Zeitalter der Technik und Vertechnisierung des Lebens war es dem Teufel endlich möglich geworden, die Masse umweglos zu beeinflussen. Früher konnte er nur auf dem Umweg über viele einzelne eine kleine „Masse“ (die diesen Namen eigentlich gar nicht verdient) erreichen; jetzt hat er die Mög­lichkeit, durch einen einzelnen auf die ganze Masse, ja unter Umständen auf die ganze Welt einzuwirken (zum Beispiel ein Funkspruch durch den Äther, „Spiel mit dem Licht“ = Film; die „Hochschule der Verführung“). Die Welt ist in den letzten Jahr­zehnten bekanntlich immer kleiner geworden, für manche ist sie anscheinend schon zu klein, da sie sich auf der Erde nicht mehr heimisch fühlen. Sie träumen bereits von Weltraumreisen und wollen den Weltraum erobern. Oder sind sie etwa „welt­flüchtig“ geworden, weil sie merken, daß das Leben in dieser „bösen Welt“ immer unerträglicher wird? Wir wissen es nicht. Aber sicher ist, daß man auch auf dem Mond seinem bösen Gewissen und den „bösen Geistern in den Höhen“ (Eph 6, 12) nicht entfliehen kann.

Tatsächlich wird das Leben auf der Erde von Tag zu Tag unheimlicher. Die Macht Satans wird immer größer, und sie war niemals so gewaltig wie heute, weil er niemals die Machtmittel zur Verfügung hatte, die er heute im Zeitalter der Maschine und der Vermassung besitzt. Jetzt kann er sich im Voll­sinn des Wortes erweisen als „die alte Schlange, die Teufel und Satan heißt und die ganze Welt verführt“ (Offb 12, 9).

Das „Geheimnis der Gesetzlosigkeit“ (2 Thess 2, 7) konzentriert sich heute in der Masse und erfährt dadurch eine zunehmende extensive und intensive Verdichtung. Es wird als „geballte Kraft“ offenbar. Die gegenwärtige unheimliche Weltsituation darf daher nicht allein als natürliche Entwicklung be­trachtet werden, sondern findet ihre letzte Erklä­rung in dem „großen Zorn“ des Teufels, der weiß, daß „seine Zeit kurz ist“ (Offb 12, 12). Je kürzer seine Zeit wird, um so größer wird sein Zorn. Aus dieser Tatsache darf man auf den endzeitlichen Charakter der Zeichen unserer Zeit schließen. Der Begriff „endzeitlich“ ist allerdings noch zu weit, um die konkrete Gegenwartssituation exakt erfassen zu können. Betrachten wir nämlich die konkreten Aus­wirkungen der Großoffensive Satans, wie wir es an­schließend versuchen, so drängt sich uns unwillkür­lich der Gedanke auf: Die Situation unserer Jetzt­zeit ist nicht nur eine endzeitliche, sondern eine letztzeitliche, das heißte, das „Ende aller Dinge“ (1 Petr 4, 7) ist jetzt näher denn je. Wir möchten deshalb das letztzeitliche Moment in den allgemei­nen Begriff der Endzeitlichkeit mit einbeziehen.

Nun zur konkreten Wirklichkeit. Das hervorste­chendste Kennzeichen, das die Großoffensive des Weltverführers offensichtlich bestätigt, ist die Tat­sache, daß im 19. Jahrhundert in der abendländi­schen Christenheit ein Massenabfall einsetzte, der in der Kirchengeschichte ohne Beispiel ist. Nach dem Zeugnis der Schrift geht der Abfall dem Auftreten des Antichrists und der Wiederkunft des Herrn voraus, hat also letztzeitlichen Charakter. „Zuvor muß der Abfall kommen. Der Mensch der Gesetzlosigkeit muß offenbar werden, er, der Sohn des Verderbens, der Widersacher, der sich über Gott und alles Heilige erhebt. Er setzt sich sogar in den Tempel Gottes und gibt sich für Gott aus“ (2 Thess 2, 3 f).

Es ist hier nicht die Frage zu entscheiden, ob der Antichrist ein Individuum (Einzelmensch) oder ein Kollektivum (böse Masse) oder ob er beides ist (Cor­pus diabolicum im Gegensatz zum Corpus Christi mysticum). Uns interessiert vielmehr, ob der Typ des modernen, abgefallenen Massenmenschen nicht schon jene Merkmale verkörpert, die der heilige Paulus in der eben zitierten Stelle erwähnt. Ist er vielleicht „der Mensch der Gesetzlosigkeit, der sich über Gott und alles Heilige erhebt, sich sogar in den Tempel Gottes setzt und für Gott ausgibt“? (Man denke nur an die Anbetung der „Göttin der Vernunft“ in Notre-Dame, eine satanische Szene, die gleichsam die „Zeit der Gesetzlosigkeit“ ein­leitete.) Selbst wenn man diese Worte auf das Individuum Antichrist bezieht, kann man nicht leug­nen, daß sie ebenso für den abgefallenen Kollektiv­menschen gelten. Im 19. und 20. Jahrhundert ist der gesetzlose Mensch nicht nur individuell aufge­treten (Atheisten gab es vereinzelt auch schon vor­her), sondern in regelrechten Großorganisationen, ein Phänomen, das in der Menschheitsgeschichte einzigartig dasteht. Denken wir nur an die vielen Spielarten des wissenschaftlichen und vulgären Atheismus der Gegenwart (Rationalismus, Libera­lismus, Sozialismus, Bolschewismus, Existentialismus, Nihilismus usw.). Diese Großorganisationen der Gottlosigkeit existieren erst, seitdem der Mensch der Gesetzlosigkeit offenbar geworden ist, im Zeit­alter der Maschine und der Masse durch die Groß­offensive Satans.

„Das Geheimnis der Gesetzlosigkeit, das schon wirksam ist“ (2 Thess 2, 7), wirkt sich in unseren Tagen derart massiv aus, daß die Offenbarung des „Gottlosen (Antichrist), den der Herr Jesus mit dem Hauche seines Mundes vernichten und durch den Lichtstrahl seiner Widerkunft verderben wird“ (2 Thess 2, 8), näher denn je zu sein scheint. In den letzten Tagen „werden böse Menschen und Betrü­ger immer ärger werden, sie irren und führen in Irrtum“ (2 Tim 3, 13), „Spötter werden mit frechen Reden auftreten, die nach ihren eigenen Lüsten wandeln und sagen: ,Wo bleibt seine verheißene Wiederkunft?‘ “ (2 Petr 3, 3). All diese endzeit­lichen Vorzeichen, die sich heute immer mehr ver­dichten, sprechen den letztzeitlichen Charakter unserer aufgewühlten, apokalyptischen Zeit aus und verstärken den Eindruck, daß das Ende aller Zeiten näher denn je ist.

In dieser Zeitsituation darf das Wort des Völker­apostels, das er seinem Schüler Timotheus, dem Bischof von Ephesus, schrieb, nicht unbeachtet blei­ben: „Bedenke wohl, daß für die letzten Tage schwere Zeiten bevorstehen. Die Menschen werden selbstsüchtig sein, geldgierig, prahlerisch, über­mütig, schmähsüchtig, den Eltern ungehorsam, un­dankbar, ehrfurchtslos, lieblos, unverträglich, verleumderisch und unbeherrscht, roh, rücksichtslos, verräterisch, frech, aufgeblasen, werden die Lüste mehr lieben als Gott. Sie tragen zwar den Schein der Frömmigkeit an sich, verleugnen aber ihre Kraft. Solche sollst du meiden! Zu ihnen gehören die, die sich in die Häuser schleichen, leichtfertige Weiber betören, die mit Sünden beladen und von mancherlei Leidenschaften getrieben, immer Neues lernen wollen und doch nie zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (2 Tim 3, 1 ff).

„Du aber bleibe bei dem, was du gelernt hast und was dir zur Gewißheit geworden ist. Du weißt ja, von wem du es gelernt hast. Von Kindheit an kennst du die heiligen Schriften, die dich unterweisen kön­nen zum Heile durch den Glauben in Christus Jesus. Jede von Gott eingegebene Schrift ist nützlich zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Besserung und zur Erziehung in der Gerechtigkeit“ (2 Tim 3, 14-17).

Kennen auch wir die heiligen Schriften, lesen wir die Worte Gottes täglich und bewahren wir sie wie Maria in unserem Herzen? Niemand kann die Zei­chen der Zeit verstehen und in der Großoffensive Satans „am bösen Tage widerstehen und in allem unerschütterlich aushalten“ (Eph 6, 13) ohne „das Schwert des Geistes, das ist das Wort Gottes“ (Eph 6 ,17).

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Quelle: „Zeichen der Zeit“, Johannes-Verlag, Leutesdorf, 1958