Papst Franziskus in Santa Maria Maggiore: „Maria ist die Arche in der Sintflut“

Der Papst bei der Messe zu Ehren der Übertragung des Gnadenbildes in Santa Maria Maggiore (Vatican Media)

Die Gottesmutter als Sinnbild für Schutz, Mütterlichkeit und Orientierung für den Gläubigen: ausgehend von der antiken Marianischen Antiphon „Unter deinen Schutz und Schirm“ schlüsselte Papst Franziskus an diesem Sonntag Grundlagen marianischer Verehrung auf. Er stand erstmals der Messe in der römischen Basilika Santa Maria Maggiore vor, die anlässlich der Übertragung der beliebten Marienikone Salus Populi Romani jeweils am letzten Januarsonntag gefeiert wird.

Christine Seuss – Vatikanstadt

In herrlichem neuen Glanz erstrahlte die Ikone, die nach aufwändigen Restaurierungsarbeiten im Vatikan wieder an ihren angestammten Platz in der römischen Basilika Santa Maria Maggiore zurück gekehrt ist – „aus dem Krankenhaus entlassen“, wie Papst Franziskus zu Ende seiner Predigt scherzhaft einwarf. In der Gegenwart der Mutter Gottes seien die Gläubigen „daheim“, betonte der Papst in seiner Predigt, die ganz auf Maria konzentriert war:

„Das christliche Volk hat von Anfang an verstanden, dass man sich in den Schwierigkeiten und Prüfungen an die Mutter wenden muss, wie es die ganz alte Marianische Antiphon zum Ausdruck bringt: Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, heilige Gottesmutter. Verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten, sondern errette uns jederzeit aus allen Gefahren, o du glorwürdige und gebenedeite Jungfrau.“

Bereits die Väter im Glauben hätten gelehrt, dass man sich in „turbulenten Zeiten“ unter dem Mantel der Gottesmutter sammeln müsse. Das Bild, das dabei gebraucht werde, sei nicht von ungefähr entstanden, erläuterte der Papst mit Blick auf antike Gepflogenheiten: denn hochgestellte adlige Frauen konnten Verfolgten und Bedürftigen Schutz gewähren, wenn sie ihren Mantel, der als unantastbar galt, über ihn breiteten.

“ Wo die Jungfrau Maria zu Hause ist, da kommt der Teufel nicht hinein ”

„So ist es mit uns in Bezug auf die selige Jungfrau Maria, die höchste Frau der Menschheit. Ihr Mantel ist immer geöffnet, um uns aufzunehmen und uns zu sammeln.“ Besonders in den Ostkirchen werde des Schutzes der Gottesmutter gedacht, und diese Weisheit helfe auch uns, betonte Franziskus: „Die Mutter wacht über den Glauben, schützt die Beziehungen, rettet in den Unbilden und bewahrt vor dem Bösen. Wo die Jungfrau Maria zu Hause ist, kommt der Teufel nicht herein. Wo die Mutter ist, da gewinnt die Verwirrung nicht überhand und kann sich die Angst nicht verbreiten. Wer von uns hat da keinen Bedarf?“ Maria, so fuhr der Papst fort, sei „die Arche inmitten der Sintflut“ in unseren aufgewühlten Herzen. „Nicht die Ideen oder die Technologie verschaffen uns Beruhigung und Hoffnung, sondern das Angesicht der Mutter, ihre Hände, die das Leben streicheln, ihr Mantel, der uns schützt. Lernen wir, Schutz zu finden, indem wir jeden Tag zur Mutter gehen.“

Verschmähe nicht unser Gebet“, so die Bitte der antiken Antiphon. Maria, so betonte der Papst, zögere niemals, wenn sie um Fürbitte angerufen werde. „Wenn es uns an Hoffnung mangelt, wenn die Freude geringer wird, wenn sich die Kräfte erschöpfen und wenn der Stern des Lebens sich verdunkelt, dann greift die Mutter ein. Sie merkt unsere Mühen, sie spürt unsere Unruhe und ist unserem Herzen nahe. Und niemals, nie schätzt sie unsere Gebete gering.“ Maria sei wie eine Mutter, die es sich wünscht, die Schmerzen ihrer Kinder auf sich zu nehmen, erläuterte Franziskus mit Blick auf den natürlichen Wunsch einer jeden Mutter, Schmerzen von ihren Kindern fernzuhalten. „Und Maria, die Mutter Gottes und unsere Mutter, weiß auf sich zu nehmen, zu trösten und zu heilen.“

“ Ohne Mutter können wir nicht Kinder sein ”

Es sei die Mutter, die Zuflucht und Schutz in der Gefahr gewähre, Jesus selbst habe seine Jünger am Kreuz aufgefordert, die Mutter aufzunehmen. Dies sei keineswegs ein „geistlicher Anstand“, sondern eine „Erfordernis des Lebens“, betonte der Papst: „Denn ohne Mutter können wir nicht Kinder sein. Und wir sind vor allem Kinder, geliebte Kinder, die Gott zum Vater und die Jungfrau Maria zur Mutter haben.“

Maria sei das Zeichen, das „Gott für uns gesetzt hat“, erläuterte Franziskus unter Berufung auf das Zweite Vatikanische Konzil, das dem Pilgernden dabei helfe, nicht von der „Fahrbahn“ abzukommen. Es gelte, die Mutter wie der Lieblingsjünger Jesu „aufzunehmen“ und ins eigene Haus, Herz und Leben einzuladen: „Gegenüber der Mutter kann man nicht neutral oder unbeteiligt bleiben. Andernfalls verlieren wir unsere Identität als Kinder und als Volk und leben wir ein Christentum der Ideen und Programme ohne Anvertrauen, ohne Zärtlichkeit, ohne Herz. Ohne Herz aber gibt es keine Liebe, und der Glaube läuft Gefahr, zu einer schönen Fabel einer anderen Zeit zu werden.“

Die Mutter hingegen liebe und behüte ihre Kinder, damit diese ihrerseits die Welt liebten und schützten. Es gelte, sie zum ständigen Gast im Alltag zu machen, ihr die Unruhen anzuvertauen und im Dank zu ihr zurückzukehren, betonte Franziskus, der seine Predigt mit der Aufforderung abschloss, die Gottesmutter wie die Christen in Ephesus zu grüßen: „Alle zusammen, dreimal: ,Heilige Mutter Gottes, Heilige Mutter Gottes, Heilige Mutter Gottes´.“

Ein oft gesehener Gast in der Basilika

Die Verehrung, die der Papst dem Gnadenbild der Salus Populi Romani entgegenbringt, ist mittlerweile allgemein bekannt: so macht er verlässlich vor und nach jeder Auslandsreise einen Abstecher in die römische Basilika, um sich vor der Ikone Gnadenbild zu sammeln, um Beistand für seine Reise zu bitten oder für deren erfolgreichen Abschluss zu danken. Das erste Mal kam der frisch gewählte Papst bereits am Tag nach seiner Wahl im März 2013, um für sein Pontifikat den Schutz der Gottesmutter zu erbitten.

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Papst feiert Messe an Roms beliebtester Marienikone

Santa Maria Maggiore (AFP or licensors)

Zum ersten Mal leitet Papst Franziskus am kommenden Sonntag eine Eucharistiefeier zum Fest der Marienikone „Salus Populi Romani“ in Santa Maria Maggiore. Das frisch renovierte Bildnis gilt als die Madonnenikone Roms schlechthin.

„Dies heiliges Bild kam der Überlieferung zufolge aus dem christlichen Orient nach Rom“, erzählt Kardinal Stanislaw Rylko, der Erzpriester von Santa Maria Maggiore. Die Überführung werde jedes Jahr am letzten Sonntag im Januar feierlich begangen, unter großer Anteilnahme der katholischen Gläubigen Roms. „Sie sehen in dieser Ikone ihre Muttergottes, die Muttergottes von Rom. Manche sagen sogar, sie empfinden die Marien-Ikone wie ein Schutzschild für die Stadt.“ Tatsächlich heißt die Ikone mit ihrem römischen Namen „Salus Populi Romani“, also: „Heil des römischen Volkes“.

Papst Franziskus kennt die Ikone gut, resümiert Kardinal Rylko. „Es ist ja bekannt, dass er die Muttergottes sehr verehrt. Noch als Erzbischof von Buenos Aires kam er, wenn er in Rom war, immer hierher in die Basilika und besuchte die Ikone. Und als er zum Papst gewählt wurde, kam er sofort, um sein Pontifikat der Salus Populi Romani anzuvertrauen. Und er kommt jedesmal vor und nach einer Papstreise ins Ausland, er betet hier und legt Blumen ab. Das Fest der Traslation wird also sein 60. Besuch als Papst in unserer Basilika sein.“

In diesem Jahr ist die Feier der Überführung doppelt bedeutsam, denn das Marienbildnis kehrt frisch renoviert an seinen Platz zurück. In einer aufwendigen Restauration brachten Fachleute der Vatikanischen Museen unter Schichten von Ruß und Übermalungen die ursprünglichen Farben wieder zum Leuchten. Die Fachleute gingen „mit Können und Liebe“ vor, lobte Kardinal Rylko. Restauriert wurde auch die Seitenkapelle, die der Ikone als Aufbewahrungsort dient. Santa Maria Maggiore ist die älteste Marienbasilika der westlichen Welt.

Der Überlieferung nach sei das Bildnis der Muttergottes mit dem segnenden Jesuskind in ihrem Arm in Jerusalem entstanden und unter Papst Sixtus III. (432-440) nach Rom gekommen, schreibt die Direktorin der Vatikanischen Museen Barbara Jatta in einem Beitrag für die Vatikanzeitung „Osservatore Romano“ am Donnerstag. Neuere kunsthistorische und chemische Untersuchungen legten jedoch nahe, dass die Ikone zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert in Rom entstanden sei – allerdings nach älteren griechischen Vorbildern.

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PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS IN SANTA MARIA MAGGIORE

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Papst Franziskus

Die Predigt von Papst Franziskus während der Heiligen Messe in Santa Maria Maggiore, nachdem er dort die Heilige Pforte geöffnet hat, im Wortlaut.

Salve, Mater misericordiae!

Mit diesem Gruß wollen wir uns an die Jungfrau Maria wenden in der römischen Basilika, die ihr unter dem Titel „Mutter Gottes“ geweiht ist. Dieser Gruß ist der Anfang eines alten Hymnus, den wir am Ende dieser Eucharistiefeier singen werden. Er geht auf einen unbekannten Autor zurück und kam auf uns als ein Gebet, dass spontan dem Herzen der Gläubigen entspringt: „Gruß dir, Mutter der Barmherzigkeit, Mutter Gottes und Mutter der Vergebung, Mutter der Hoffnung und Mutter der Gnade, Mutter reich an heiliger Fröhlichkeit.“ In diesen wenigen Worten findet sich eine Zusammenfassung des Glaubens von Generationen von Menschen, die ihre Augen fest auf die Ikone der Jungfrau gerichtet halten und Maria um ihre Fürsprache und um Trost bitten.

Mehr denn je ist es angebracht, am heutigen Tag die Jungfrau Maria vor allem als Mutter der Barmherzigkeit anzurufen. Die Heilige Pforte, die wir geöffnet haben, ist tatsächlich eine Pforte der Barmherzigkeit. Wer immer über jene Schwelle schreitet, ist gerufen, voll Vertrauen und ohne irgendwelche Furcht in die barmherzige Liebe des Vaters einzutauchen; und er kann von dieser Basilika mit der Zuversicht wieder fortgehen, dass Maria ihn an seiner Seite begleitet. Sie ist die Mutter der Barmherzigkeit, denn sie hat in ihrem Schoß das Antlitz der göttlichen Barmherzigkeit geboren, Jesus, den Emmanuel, Erwartung aller Völker und „Fürst des Friedens“ (Jes 9,5). Der Sohn Gottes, der zu unserem Heil Fleisch annahm, hat uns seine Mutter geschenkt. Zusammen mit uns wird sie zur Pilgerin, um uns auf dem Weg unseres Lebens nicht allein zu lassen, vor allem in den Augenblicken der Unsicherheit und des Schmerzes.

Maria ist die Mutter des Gottes, der vergibt, der Vergebung schenkt, und deswegen können wir sagen, sie ist Mutter der Vergebung. Dieses Wort – „Vergebung“ –, das vom weltlichen Denken so unverstanden ist, weist hingegen auf die eigentliche, originale Frucht des christlichen Glaubens hin. Wer nicht zu vergeben weiß, hat die Fülle der Liebe noch nicht erfahren. Und nur wer wirklich liebt, ist imstande, bis zur Vergebung zu gelangen, indem er die erlittene Beleidigung vergisst. Unter dem Kreuz sieht Maria ihren Sohn, der sich selbst ganz hingibt und auf diese Weise bezeugt, was es heißt, zu lieben wie Gott liebt. In diesem Augenblick hört sie Jesus Worte sprechen, die wahrscheinlich dem entspringen, was sie selbst ihn von Kind auf gelehrt hat: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34). In diesem Augenblick wurde Maria für uns alle zur Mutter der Vergebung. Nach dem Beispiel Jesu und mit seiner Gnade war sie fähig, denen zu vergeben, die gerade ihren unschuldigen Sohn töteten.

Für uns wird Maria zum Bild, wie die Kirche die Vergebung auf die ausdehnen muss, welche sie erflehen. Die Mutter der Vergebung lehrt die Kirche, dass die auf Golgota dargebotene Vergebung keine Grenzen kennt. Das Gesetz mit seinen Spitzfindigkeiten kann sie nicht aufhalten, noch die Weisheit der Welt mit ihren Unterscheidungen. Die Vergebung der Kirche muss die gleiche Ausdehnung haben wie die Vergebung Jesu am Kreuz und jene Marias unter dem Kreuz. Es gibt keine Alternative. Eben deswegen hat der Heilige Geist die Apostel zu wirksamen Werkzeugen der Vergebung gemacht, damit das, was vom Tod Jesu erlangt wurde, jeden Menschen an jedem Ort und zu jeder Zeit erreichen kann (vgl. Joh 20,19-23).

Der Marienhymnus fährt schließlich weiter fort: „Mutter der Hoffnung und Mutter der Gnade, Mutter reich an heiliger Fröhlichkeit.“ Die Hoffnung, die Gnade und die heilige Fröhlichkeit sind Schwestern: alle sind sie Gabe Christi, ja mehr noch, sie sind ebenso seine Namen, die sozusagen in sein Fleisch eingeschrieben sind. Das Geschenk, das uns Maria mit der Gabe Jesu Christi macht, ist das der Vergebung, die das Leben erneuert, die es dem Leben erlaubt, wieder den Willen des Vaters zu tun, und die es mit wahrer Glückseligkeit erfüllt. Diese Gnade öffnet das Herz, um mit der Freude dessen, der Hoffnung hat, auf die Zukunft zu schauen. Diese Lehre kommt auch vom Psalm: „Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist! […] Mach mich wieder froh mit deinem Heil“ (Ps 51,12.14). Die Kraft der Vergebung ist das wahre Gegenmittel zur Traurigkeit, die von Groll und Rache hervorgerufen wird. Die Vergebung öffnet für die Freude und die Gelassenheit, denn sie befreit die Seele von den Gedanken des Todes, während der Groll und die Rache den Geist aufstacheln und das Herz zerreißen, indem sie ihm die Ruhe und den Frieden wegnehmen.

Durchschreiten wir also die Heilige Pforte der Barmherzigkeit in der Gewissheit, dass die heilige Jungfrau und Mutter Maria uns begleitet, die Mutter Gottes, die für uns als Fürsprecherin eintritt. Lassen wir uns von ihr begleiten, um die Schönheit der Begegnung mit ihrem Sohn Jesus zu entdecken. Öffnen wir weit unser Herz für die Freude über die Vergebung, und tun wir dies im Bewusstsein der vertrauensvollen Hoffnung, die uns wiedergegeben wird, um unser tägliches Leben zu einem einfachen Werkzeug der Liebe Gottes zu machen.

Und mit kindlicher Liebe rufen wir Maria mit denselben Worten an wie das Volk von Ephesus zu Zeiten des geschichtsträchtigen Konzils: „Heilige Mutter Gottes!“

(rv 01.01.2015 pdy)