Papst Franziskus erinnert an heilige Faustyna Kowalska

Papst Franziskus hat am ersten Sonntag der Fastenzeit an die polnische Ordensfrau und Heilige Maria Faustyna Kowalska erinnert.

„Heute gehen meine Gedanken zum Heiligtum von Płock in Polen, wo sich der Herr Jesus vor 90 Jahren der heiligen Faustina Kowalska offenbarte und ihr eine besondere Botschaft der göttlichen Barmherzigkeit anvertraute. Durch den heiligen Johannes Paul II. hat es die ganze Welt erreicht, und es ist kein anderes als das Evangelium von Jesus Christus, dem Toten und Auferstandenen, der uns die Barmherzigkeit des Vaters schenkt. Öffnen wir unsere Herzen und sagen wir im Glauben: ,Jesus, ich vertraue auf dich‘.“

Apostelin der Barmherzigkeit

Karol Wojtyła förderte bereits als Erzbischof von Krakau den Seligsprechungsprozess und Heiligsprechungsprozess von Maria Faustyna Kowalska (1905-1938). Am 18. April 1993 sprach er die 1905 in Głogowiec geborene Ordensfrau als Papst Johannes Paul II. selig und am 30. April 2000 heilig. Der Gedenktag der heiligen Maria Faustyna ist der 5. Oktober.

Papst Franziskus würdigte Faustyna Kowalska 2015 im Kontext des von ihm ausgerufenen Außerordentlichen Heiligen Jahres der Barmherzigkeit als „große Apostelin der Barmherzigkeit“. Der Vatikan gab am 100. Geburtstag des polnischen Papstes im Mai 2020 bekannt, dass der Papst die polnische Heilige in den weltweit gültigen liturgischen Kalender aufgenommen hat.

(vatican news – pr)

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Ab heute: Vierzig heilige Tage

Das Auflegen der Asche am Aschermittwoch: Ein Zeichen der Buße

Das Auflegen der Asche am Aschermittwoch: Ein Zeichen der Buße

Mit dem Aschermittwoch beginnt heute die Fastenzeit: Vierzig heilige Tage. Auf Latein heißt das „Quadragesima“. Aber warum gerade vierzig?

Vierzig ist in der Bibel eine besondere Zahl. Vierzig Jahre dauerte die Wüstenwanderung des Volkes Israel, vierzig Tage fasteten Mose auf dem Berg Sinai und der Prophet Elija auf dem Weg zum Horeb und schließlich Jesus nach seiner Taufe. Das ist der Grund, warum auch die österliche Bußzeit, die auf die Feier von Leiden, Tod und Auferstehung Jesu vorbereitet, genau vierzig Tage dauert.

In der frühen Christenheit bereiteten sich in dieser Zeit die Katechumenen (Taufbewerber) intensiv auf ihre Taufe in der Osternacht vor, während die bereits Getauften sich ihrer eigenen Taufwürde neu bewusst wurden und sie im Hören von Gottes Wort und im Gebet vertieften. Menschen, die durch eine schwere Sünde ihre Gemeinschaft mit Gott und ihren Brüdern und Schwestern verletzt hatten, bereiteten sich durch strenges Fasten auf die Versöhnung vor.

Aschekreuz

Aschekreuz

Eine Idee der Gallier

Das Auflegen der Asche am Aschermittwoch geht auf die Aufnahme der Sünder in den Stand der Büßer zurück. In Gallien wurden sie in Anlehnung an die Vertreibung der Stammeltern aus dem Paradies aus der Kirche getrieben, mussten ein Bußgewand anlegen und wurden mit Asche bestreut. Während diese öffentliche Buße vor der Jahrtausendwende aufgegeben wurde, blieb der Ascheritus für alle Gläubigen bis heute erhalten.

Mit dem Ascheritus beginnt die Fastenzeit als eine Zeit nicht nur leiblichen Fastens, sondern auch der geistlichen Umkehr, der erneuernden Hinwendung zu Gott. So wird die österliche Bußzeit zu den „großen Jahresexerzitien des Volkes Gottes“ (Balthasar Fischer).

Statue des hl. Benedikt in seinem Geburtsort Norcia

Statue des hl. Benedikt in seinem Geburtsort Norcia

Für den heiligen Benedikt gab’s Wichtigeres als das leibliche Fasten

Übrigens gibt die Regel des hl. Benedikt in ihrem Programm für die Fastenzeit dem Beten und Lesen den Vorrang vor dem leiblichen Fasten. Und sie unterstreicht das freudige Klima christlichen Fastens als intensive Pflege der Beziehung zu Gott.

„Deshalb raten wir, dass wir wenigstens in diesen Tagen der Fastenzeit in aller Lauterkeit auf unser Leben achten. ( …) So möge jeder über das ihm zugewiesene Maß hinaus aus eigenem Willen und in der Freude des Heiligen Geistes Gott etwas darbringen ( …) und mit geistlicher Sehnsucht und Freude das heilige Osterfest erwarten“ (RB 49).

(te deum maria laach – sk)

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15/02/2021

Papstpredigt bei der Bußliturgie im Petersdom

Franziskus bei der Bußfeier (Vatican Media)

BUSSFEIER

HOMILIE VON PAPST FRANZISKUS

Vatikanische Basilika
Freitag, 29. März 2019

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»Es blieben nur zwei: die Erbärmliche und das Erbarmen« (In Joh 33,5). So umschreibt der heilige Augustinus das Ende des Evangeliums, das wir gerade gehört haben. Die gekommen waren, um Steine auf die Frau zu werfen oder um Jesus im Hinblick auf das Gesetz anzuklagen, sind weggegangen. Sie sind weggegangen, sie hatten keine anderen Interessen. Jesus hingegen bleibt. Er bleibt, weil das geblieben ist, was in seinen Augen kostbar ist: jene Frau, diese Person. Für ihn geht der Sünder der Sünde vor. Ich, du, jeder von uns geht im Herzen Gottes vor: wir gehen den Fehlern, Regeln, Urteilen und unserem Scheitern vor. Bitten wir um die Gnade eines Blickes, der dem Blick Jesu ähnlich ist; bitten wir darum, die christliche Bildeinstellung des Lebens zu haben, in der wir voll Liebe den Sünder vor der Sünde sehen, den Fehlenden vor dem Fehler, den Menschen vor seiner Geschichte.

»Es blieben nur zwei: die Erbärmliche und das Erbarmen.« Für Jesus stellt die beim Ehebruch ertappte Frau nicht einen Gesetzesparagraphen dar, sondern eine konkrete Situation, in die man sich einbringen soll. Daher bleibt er dort mit der Frau und schweigt fast immer. Und unterdessen vollbringt er zwei Mal eine geheimnisvolle Geste: er schreibt mit dem Finger auf die Erde (Joh 8,6.8). Wir wissen nicht, was er geschrieben hat, und vielleicht ist es nicht das Wichtigste: die Aufmerksamkeit des Evangeliums ist nämlich auf die Tatsache gerichtet, dass der Herr schreibt. Es kommt einem die Episode vom Sinai in den Sinn, als Gott die Gesetzestafeln mit seinem Finger geschrieben hatte (vgl. Ex 31,18), gerade so, wie es Jesus jetzt tut. Durch die Propheten hatte Gott dann verheißen, nicht mehr auf Tafeln aus Stein zu schreiben, sondern unmittelbar auf die Herzen (vgl. Jer 31,33), auf die Tafeln von Fleisch unserer Herzen (vgl. 2 Kor 3,3). Mit Jesus, dem fleischgewordenen Erbarmen, ist der Augenblick gekommen, in das Herz des Menschen zu schreiben, der menschlichen Erbärmlichkeit eine sichere Hoffnung zu geben: nicht so sehr äußere Gesetze zu erlassen, durch die Gott und Mensch oft einander fern bleiben, sondern das Gesetz des Geistes, das in das Herz eintritt und es befreit. So geschieht es für jene Frau, die Jesus begegnet und wieder zu leben beginnt. Und sie geht hin, um nicht mehr zu sündigen (vgl. Joh 8,11). Es ist Jesus, der uns mit der Kraft des Heiligen Geistes vom Bösen befreit, das wir in uns tragen, von der Sünde, welche das Gesetz behindern, aber nicht entfernen konnte.

Und doch ist das Böse stark, es hat eine verführerische Macht: es zieht an, es betört. Um uns davon zu lösen, genügt unser Bemühen nicht, es bedarf einer größeren Liebe. Ohne Gott kann man das Böse nicht besiegen: Nur seine Liebe richtet innerlich wieder auf, nur seine ins Herz ausgegossene Zärtlichkeit macht uns frei. Wenn wir die Befreiung vom Bösen wollen, müssen wir dem Herrn Raum geben, der verzeiht und heilt. Und er tut es vor allem durch das Sakrament, das wir gleich feiern werden. Die Beichte ist der Übergang von der Erbärmlichkeit zum Erbarmen, sie ist die Schrift Gottes auf dem Herzen. Dort lesen wir jedes Mal, dass wir in den Augen Gottes kostbar sind, dass er Vater ist und uns mehr liebt, als wir selbst uns lieben.

»Es blieben nur zwei: die Erbärmliche und das Erbarmen«. Nur sie. Wie oft fühlen wir uns allein und verlieren den Faden des Lebens. Wie oft wissen wir nicht mehr, wie wir von neuem beginnen sollen, weil wir von der Anstrengung, uns selbst anzunehmen, erdrückt werden. Wir müssen von vorne beginnen, aber wir wissen nicht von wo aus. Der Christ wird mit der Vergebung geboren, die er in der Taufe empfängt. Und er wird immer von da aus wiedergeboren: von der überraschenden Vergebung Gottes, von seinem Erbarmen, das uns wiederherstellt. Nur als solche, die Vergebung empfangen haben, können wir neu gestärkt wieder aufbrechen, nachdem wir die Freude erfahren haben, vom Vater vollkommen geliebt zu sein. Nur durch die Vergebung Gottes geschehen wahrhaft neue Dinge in uns. Hören wir nochmals den Satz, den der Herr heute durch den Propheten Jesaja zu uns gesprochen hat: »Siehe, nun mache ich etwas Neues« (Jes 43,19). Die Vergebung schenkt uns einen neuen Anfang, sie macht uns zu neuen Geschöpfen, sie lässt uns das neue Leben mit Händen greifen. Die Vergebung Gottes ist nicht eine Fotokopie, die jedes Mal, wenn wir in den Beichtstuhl kommen, identisch vervielfältigt wird. Durch den Priester die Vergebung der Sünden zu erhalten ist eine stets neue, ursprüngliche und unnachahmliche Erfahrung. Sie führt uns, wie bei der Frau im Evangelium, vom Alleinsein mit unserer Erbärmlichkeit und unseren Anklägern dahin, dass wir vom Herrn wiederaufgerichtet und ermutigt werden, der uns neu beginnen lässt.

»Es blieben nur zwei: die Erbärmliche und das Erbarmen.« Was soll man tun, um das Erbarmen ins Herz zu schließen, um die Angst vor der Beichte zu überwinden? Nehmen wir wiederum die Einladung Jesajas an: »Merkt ihr es nicht?« (Jes 43,19). Der Vergebung Gottes gewahr werden. Das ist wichtig. Es wäre schön, nach der Beichte wie jene Frau den Blick fest auf Jesus gerichtet zu halten, der uns gerade befreit hat: nicht mehr auf unsere Erbärmlichkeit, sondern auf sein Erbarmen. Auf den Gekreuzigten schauen und mit Erstaunen sagen: „Hier sind also meine Sünden gelandet. Du hast sie auf dich genommen. Du hast nicht mit dem Finger auf mich gezeigt, du hast die Arme ausgebreitet und mir wieder vergeben.“ Es ist wichtig, der Vergebung Gottes zu gedenken, sich an deren Zärtlichkeit zu erinnern, deren Frieden und Freiheit wieder zu kosten, die wir erfahren haben. Denn das ist der Kern der Beichte: nicht die Sünden, die wir sagen, sondern die göttliche Liebe, die wir empfangen und der wir stets bedürfen. Es kann uns noch ein Zweifel kommen: „Beichten nützt nichts, ich begehe immer die gleichen Sünden.“ Aber der Herr kennt uns, er weiß, dass der innere Kampf hart ist, dass wir schwach sind und dazu neigen zu fallen, oftmals rückfällig sind und Böses tun. Und er bietet uns an, damit zu beginnen, im Guten rückfällig zu sein, im Bitten um Erbarmen. Denn er wird uns wiederaufrichten und uns zu neuen Geschöpfen machen. Beginnen wir also wieder mit der Beichte, geben wir diesem Sakrament den Platz zurück, den es im Leben und in der Pastoral verdient!

»Es blieben nur zwei: die Erbärmliche und das Erbarmen.« Auch wir erleben heute diese Heilsbegegnung in der Beichte: wir mit unserer Erbärmlichkeit und unserer Sünde; der Herr, der uns kennt, liebt und vom Bösen befreit. Treten wir in diese Begegnung ein mit der Bitte um die Gnade, sie wiederzuentdecken.

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Quelle

Siehe auch:

«UNSERE HOFFNUNG FÜR EUCH STEHT FEST»

Joachim Kardinal Meisner

Fastenhirtenbrief 2014

 

Liebe Schwestern, liebe Brüder!

Seit meiner Bischofsweihe vor 39 Jahren steht in meinem Bischofswappen das Wort des Apostels Paulus aus dem 2. Korintherbrief: „Spes nostra firma est pro vobis“, das heißt übersetzt: „Unsere Hoffnung für euch steht fest“. Ich schreibe Ihnen zur österlichen Bußzeit 2014 meinen letzten Fastenhirtenbrief als Erzbischof von Köln, der auch mein Abschiedsbrief sein sollte, wenngleich ich in Köln wohnen bleiben werde. Ich möchte Ihnen gern das, was mich fast vier Jahrzehnte meines bischöflichen Wirkens hindurch begleitet und gestärkt hat, als Vermächtnis hinterlassen: Das ist die Wirklichkeit der Hoffnung.

Die Hoffnung gehört zu den göttlichen Tugenden, die wir zum Beispiel bei jedem Rosenkranzgebet am Anfang erbitten: Glaube, Hoffnung und Liebe. Diese Reihenfolge ist nicht zufällig oder willkürlich gewählt, sondern entspricht der Realität, die Gott uns Menschen mit der Hoffnung schenkt. Die Wurzel der Hoffnung ist und bleibt der Glaube an den lebendigen Gott, und das Ziel der Hoffnung ist die Liebe Gottes. Die Hoffnung ist also die Mitte der drei göttlichen Tugenden.

1. Der Glaube ist die Wurzel, der Ausgangspunkt und die Energie der Hoffnung. Wo Glaube fehlt, gibt es keine Hoffnung. Und umgekehrt: wo ein lebendiger Glaube vorhanden ist, dort gibt es eine starke und lebendige Hoffnung. Das Ziel der Hoffnung aber ist die Liebe Gottes. Sie ist wie ein Magnet, der den Menschen anzieht. Um sie zu erreichen, braucht man den langen Atem, und den schenkt uns die Hoffnung. Der Glaube ist gleichsam der Motor der Hoffnung, die den Menschen dynamisiert, ihm immer wieder neue Ideen eingibt, um das Reich Gottes voranzubringen. Die Liebe ist die Zugkraft. Sie bewahrt uns vor Resignation und vor der inneren Müdigkeit. Hoffnungslosigkeit lässt dagegen das menschliche Herz austrocknen und macht es unempfindlich für neue Möglichkeiten, die zu einem neuen Aufbruch motivieren möchten.

Unsere Gesellschaft ist weithin von einer Hoffnungslosigkeit geprägt. Es gibt in unserem Land nicht mehr allzu viele Frauen, die „in guter Hoffnung“ sind und ein Kind zur Welt bringen. Denn das Ja zum Kind ist ein lebendiges Hoffnungszeichen für die menschliche Gesellschaft. Der so genannte wissenschaftliche Fortschritt auf vielen Gebieten könnte uns eigentlich Anlass zur Hoffnung sein, um den Menschen Erleichterung, Hilfe und Zukunft zu bringen. Und trotzdem ist unser gesellschaftliches Leben von Hoffnungslosigkeit, Überdruss, Lustlosigkeit und Fantasielosigkeit überlagert.

2. In meinem 25-jährigen bischöflichen Wirken in der Erzdiözese Köln, aber auch schon vorher neun Jahre in dem damals noch geteilten Berlin und davor fünf Jahre als Weihbischof in Erfurt, war es der Glaube, der mich nicht in die Hoffnungslosigkeit versinken ließ. Nicht nur in der Zeit des staatlich verordneten Atheismus der DDR war das Leben für Christen, namentlich für junge Christen, sehr schwer. Danach in einem weithin gelebten Materialismus voller Pluralität, verbunden mit einem praktischen Atheismus des Westens, war und ist es eigentlich für einen Christen nicht viel anders. In diesen Jahrzehnten meiner Tätigkeit als Bischof begleitete mich bis heute das Gebet des seligen Kardinals John Henry Newman: „Die Zeit ist voller Bedrängnis. Die Sache Christi liegt wie im Todeskampf. Und doch – nie schritt Christus mächtiger durch die Erdenzeit, nie war sein Kommen deutlicher, nie seine Nähe spürbarer, nie sein Dienst köstlicher als jetzt. Darum lasst uns in diesen Augenblicken des Ewigen zwischen Sturm und Sturm in der Erdenzeit zu ihm beten: »O Gott, du kannst das Dunkel erleuchten, du kannst es allein«“. Dieser Glaube ist und bleibt der Ursprung der Hoffnung, die uns realistisch die Wirklichkeiten nüchtern erkennen lässt, aber auch die unbegrenzten Möglichkeiten, die darin enthalten sind.

Je größer der Glaube, desto intensiver die Hoffnung. Hoffnung ist nicht die billige Tugend der Optimisten, sondern sie ist die Grundkraft, die der menschlichen Seele zum Aufbruch verhilft und sie vor dem Scheitern bewahrt. Die große heilige Theresia drückt das in ihrem Gebet aus:

„Nichts soll dich ängstigen, nichts dich erschrecken, alles geht vorüber,
nur Gott bleibt derselbe. Wer Gott hat, der hat alles. Gott allein genügt!“

„Wer Gott hat, der hat alles“, das ist die Wirklichkeit eines lebendigen Glaubens, der die Hoffnung zu einer unüberwindlichen Kraft der christlichen Wirklichkeit werden lässt.

Jeder von uns, der lebendig unsere Welt wahrnimmt, weiß, wie sehr wir Christen gerade heute die Hoffnung in Kirche und Welt nötig haben. Die Bitte: „Der die Hoffnung in uns stärke“ sollte unser Tagesgebet sein. Es ist zwar kurz, aber umso kräftiger. So gibt es keine hoffnungslosen Fälle und hoffnungslosen Angelegenheiten, wenn man die Wirklichkeit unter der Realität des Glaubens sieht. Die Quelle der Hoffnung ist der Glaube. Würden wir den Rhein von seinen Quellen trennen, dann brauchte es nur kurze Zeit, bis das Wasser abgelaufen ist, und es bliebe nur Schlick und Schlamm im Flussbett übrig. Der Rhein wäre dann nicht mehr die Lebensader unserer Region und unseres Erzbistums. Wenn wir die Hoffnung nicht mehr rückkoppeln an den Glauben, dann stirbt die Hoffnung. Sie gibt uns keine Impulse mehr zur christlichen Bewältigung unseres Lebens.

3. Die Hoffnung hat als Schubkraft den Glauben im Rücken, aber die Hoffnung hat vor sich – gleichsam als Anziehungskraft wie ein starker Magnet – die Liebe Gottes. Je stärker die Sehnsucht nach dieser Liebe, desto größer die Spannkraft der Hoffnung. Die Liebe Gottes zu mir und dann meine Liebe zu Christus und seiner Kirche waren und sind es, die meine Hoffnung nie erlahmen ließen und meine Fantasie neu beflügelten und meine Kräfte gestärkt haben, um das Evangelium Christi vorwärts zu bringen. Dafür bin ich zutiefst dankbar und hoffe, Ihnen hier im Erzbistum Köln wenigstens ein wenig davon mitgegeben zu haben.

Auch habe ich vielen Frauen und Männern in unserem Erzbistum zu danken, die mir in schwierigen Situationen schlicht ihr Gebet versprochen haben. Was ich oft in den Gemeinden bei Gottesdiensten am Schluss gesagt habe, wiederhole ich hier dankbar: „Petrus und damit die Bischöfe stehen unter dem Wort des Herrn: Du aber stärke deine Brüder und Schwestern! – Wer aber stärkt denn einen Bischof?“, war dann immer meine Frage; „auch Bischöfe sind schwache Menschen“. Ich wusste aus Erfahrung, dass der Glaube des Volkes Gottes und das Beten der Mitchristen den Bischof in seinem apostolischen Dienst stärken und ermutigen. Dafür habe ich allen Mitchristen in der Erzdiözese Köln herzlich zu danken.

Auch unseren Priestern, den Diakonen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Seelsorge und Caritas, in den Schulen und auch in der Verwaltung, ob hauptamtlich oder ehrenamtlich, gilt mein besonderer Dank. Ihnen musste ich oft neue Aufgabenstellungen abverlangen, die mir die Situation auferlegte. Sie haben meinen Anliegen entsprochen. Mit viel Sympathie denke ich auch an unsere Ordenschristen, die in großer Treue trotz weniger Schwestern und Brüder zu ihrer Berufung stehen. Die häufigen Begegnungen mit Jugendlichen bei Firmfeiern gaben mir Impulse, nicht der Resignation, sondern der Zuversicht im Herzen Raum zu geben. Regelrechte Feste der Hoffnung waren für mich immer die Fronleichnamsfeiern in Köln und die Gottesdienste im Dom. Feste des Glaubens und damit der Hoffnung und Liebe waren die Besuche in den Gemeinden, von denen ich buchstäblich gelebt habe. Ich denke gerade an meine Hoffnung im Hinblick auf geistliche Berufungen, die sich täglich in den Fürbitten der Heiligen Messe artikuliert und die in der großen „Rogamus-Gemeinschaft“ äußere Gestalt angenommen hat. Die Hoffnung, die inspiriert worden ist durch die Liebe zu Jesus Christus besonders in der Heiligen Eucharistie, habe ich noch im letzten Jahr in ergreifender Weise bei unserem Eucharistischen Kongress in Köln erleben dürfen, und sie stellt sich mir täglich in der immerwährenden eucharistischen Anbetung in der Kapelle des Maternushauses dar. Unsere Hoffnung muss verankert bleiben in der Kraft des lebendigen Glaubens hinter uns und in der Sehnsucht nach der Liebe Gottes vor uns, die ausgegossen ist in unsere Herzen durch den Heiligen Geist (vgl. Röm 5,5). Dann bleibt die Hoffnung vital und bringt unser Leben und das Glaubensleben der Kirche in eine neue Dimension ihres Daseins.

Wie auch immer die Zeiten sein mögen, Christus ist der Herr aller Zeiten. Wer hofft, fürchtet sich nicht vor der Gegenwart und der Zukunft, und wer hofft, bewegt die Welt zum Positiven hin. Alle Welt bewundert

Papst Franziskus, der als Südamerikaner die Kirche und das Interesse an der Kirche so positiv vorwärts bewegt, nicht weil er resigniert nach dem Motto handeln würde: „Das haben wir alles schon versucht. Das haben wir schon alles getan. Das hat ja alles nichts genützt. Das war immer alles ohne Erfolg!“ – Nein! Als Mann der Hoffnung weiß er, dass Gott uns immer wieder Türen auftut, der doch selbst gesagt hat: „Klopft an, dann wird euch geöffnet“ (Mt 7,7). Der Papst probiert das, und wöchentlich ist der Petersplatz bei der Generalaudienz mit fast 100.000 Leuten gefüllt.

Hoffnungslosigkeit, Resignation, Traurigkeit und Trostlosigkeit dürften wir Christen wohl nur vom Hörensagen kennen. Uns ist die Hoffnung als die Grundkraft unseres Lebens gegeben. Und sie bleibt vital, wenn sie im Glauben verankert und auf die Liebe hin orientiert ist. Aller guten Dinge sind drei: Glaube, Hoffnung und Liebe.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

Ihnen durfte ich als Erzbischof von Köln ein Vierteljahrhundert dienen. Ich wollte Ihnen immer und überall die Freude an Gott bezeugen und vermitteln, weil sie ja die Stärke unserer Hoffnung ist. Ich danke Ihnen nochmals herzlich für alle Stärkung, die ich dabei gefunden habe, und bitte alle sehr um Vergebung, wenn Ihnen mein Dienst nicht Stärkung, sondern vielleicht auch Ärgernis war. Der Herr möge alles ergänzen, was bruchstückhaft in meinem Dienst geblieben ist. Ich bleibe – so Gott will – bis zur Stunde meines Todes in eurer Mitte und werde wohl jetzt mehr Zeit haben, um für euch alle zu beten und eure Sorgen und Hoffnungen durch mein Gebet dem Herzen Gottes entgegenzuhalten.

Es segne euch alle der allmächtige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist!

Köln, am Fest der Darstellung des Herrn 2014

Euer
Joachim Kardinal Meisner

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Quelle

Das Aschenkreuz als Zeichen des Heils: Predigt von Kardinal Kurt Koch zum Aschermittwoch

Eine Kreuzdarstellung vom Meister von Sankt Lorenz in Köln Foto: Paul Badde / EWTN

Von CNA Deutsch/EWTN News

In der Kirche am Campo Santo Teutonico im Vatikan hat der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch am heutigen Aschermittwoch-Abend zum Auftakt der Fastenzeit gepredigt.

CNA Deutsch dokumentiert den Wortlaut mit freundlicher Genehmigung.

Am Beginn und am Ende eines Gebetes und eines Gottesdienstes machen wir das Zeichen des Kreuzes und sprechen: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Wir zeichnen das Kreuz über uns und lassen uns in den Segen des Dreifaltigen Gottes hinein nehmen. Wir zeichnen das Kreuz über andere Menschen, indem wir ihnen den Segen Gottes zusprechen und damit das Herzensanliegen verbinden, dass sie nicht mehr aus dem Lebensraum dieses Segens fortgehen mögen. Das Kreuzzeichen ist die eigentliche Segensgebärde des Christen und seine grundlegende Gebetsgebärde überhaupt, und das Kreuzzeichen ist das elementarste Glaubensbekenntnis, ein leiblich ausgedrücktes Bekenntnis unseres Glaubens an den Dreifaltigen Gott.

Das Kreuz als Ausdruck und Siegel der Liebe

Eine besondere Bedeutung hat das Zeichen des Kreuzes, das wir am Aschermittwoch mit Asche auf das Haupt zeichnen. Wir eröffnen damit die Österliche Busszeit und bringen zum Ausdruck, dass diese Zeit besonders unter dem Zeichen des Kreuzes steht. Wir sagen damit ein sichtbares und öffentliches Ja zu Jesus Christus, der Mensch geworden ist und für unsere Sünden am Kreuz gelitten hat. Denn Gottes Wille besteht darin, dass wir uns mit Gott versöhnen, wie dies Paulus in der heutigen Lesung von Christus bekennt: „Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit würden“ (2 Kor 5, 21). Um uns Menschen mit Gott zu versöhnen, hat Gott einen sehr hohen Preis bezahlt, nämlich das Blut seines eingeborenen Sohnes. Am Kreuz Jesu wird sichtbar, dass Gottes Liebe keine Grenzen kennt, dass er uns Menschen bis zum Ende liebt und diese Liebe teuer bezahlt hat.

Wie aber gehen Liebe und Kreuz zusammen? Für viele Menschen und selbst Christen heute gehen diese beiden Wirklichkeiten gerade nicht zusammen, sondern werden als strikter Gegensatz wahrgenommen. Eine tragfähige Antwort auf diese brennende Frage kommt uns nur zu, wenn wir genauer danach fragen, worin denn Liebe besteht, und dabei wahrnehmen, dass es Liebe gar nicht ohne Opfer geben kann. Denn Liebe als Hingabe seiner selbst an den Anderen und deshalb als Hingabe des eigenen Lebens gegenüber einem Anderen, ist Opfer. Diese Wahrheit zeigt sich am deutlichsten am Kreuz Jesu. Es offenbart uns die Logik seiner radikalen Liebe zu uns Menschen und zeigt uns, dass der Gute Hirte selbst dann nicht von seiner barmherzigen Suche nach dem Verlorenen ablässt, wenn die bösen Mächte in den Menschen entbrennen und den Guten Hirten selbst treffen. Der Kreuzestod Jesu offenbart uns das konsequente Handeln eines grenzenlos liebenden Guten Hirten, der uns Menschen bis in die tiefsten Abgründe und verborgenen Katakomben eines durch-Kreuz-ten Lebens nahe sein will, um uns mit seiner Liebe zu erlösen. Das Kreuz ist die Erscheinung der grössten Liebe Gottes oder, wie Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika über die christliche Liebe sagt, „Liebe in ihrer radikalsten Form“[1]. Denn das Kreuz ist das deutlichste Zeichen dafür, dass Jesus sich nicht mit verbalen Liebeserklärungen an uns Menschen begnügt, sondern selbst einen hohen Preis für seine Liebe bezahlt hat, indem er am Kreuz in Liebe sein Herzblut für uns Menschen investiert hat.

Um die Tiefe dieser grenzenlosen Liebe erahnen zu können, haben die Kirchenväter im Opfertod Jesu am Kreuz die endgültige Erfüllung der Opferung Isaaks durch Abraham erblickt. Wiewohl Abraham bereit gewesen ist, den eigenen Sohn hinzugeben und damit Gott seine grösste Liebe zu opfern, hat Gott Isaak verschont und sich mit dem Widder begnügt, der sich im Gestrüpp verfangen hat und den Abraham anstelle seines Sohnes Gott dargebracht hat. Während der alttestamentliche Isaak nicht sterben musste, sondern durch einen Widder ersetzt wurde, hat der neue Isaak, nämlich Jesus Christus, sein Leben selbst ohne jeden Ersatz dahingegeben, wie Origenes sensibel bemerkt hat: „In wunderbarer Weise wetteifert Gott in der Freigebigkeit mit den Menschen: Abraham hat Gott einen sterblichen Sohn geopfert, ohne dass dieser sterben musste; Gott hat den unsterblichen Sohn dem Tod überliefert für die Menschen.“[2] Und Maximus der Bekenner war deshalb überzeugt, dass Christus „sozusagen göttlich gestorben ist, weil er freiwillig gestorben ist“[3]. Das wahre und neue Opfer Jesu Christi konnte nicht mehr wie im Tempel in der Übergabe von Tieren bestehen, sondern nur in der Selbsthingabe des Sohnes an seinen Vater für uns Menschen. Indem der Gute Hirte selbst Lamm geworden ist, um auf die Seite der bedrängten Lämmer zu treten, hat Jesus den alttestamentlichen Kult von Tieropfern überwunden, und an seine Stelle ist der neue Kult getreten, den Christus am Kreuz seinem Vater dargebracht hat und der im Sich-Selbst-Geben besteht. In diesem neuen Kult gibt es keinen Ersatz durch Tieropfer mehr, sondern nur Einsatz des eigenen Lebens.

Zeichen des Todes – Zeichen des Lebens

Diesen neuen Kult hat Christus für uns Menschen dargebracht. Wird diese Botschaft der Liebe aber nicht Lügen gestraft, wenn am Aschermittwoch das Kreuzzeichen mit Asche gemacht wird und der Priester dazu spricht: „Bedenke Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst“? Mit diesen Worten werden wir zu den Anfängen der Menschheitsgeschichte zurückgeführt, als nach dem Sündenfall Gott zu Adam gesprochen hat: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du zurückkehrst zum Ackerboden, von ihm bist du ja genommen. Denn Staub bist du, zum Staub musst du zurück“ (Gen 3, 19). Damit werden wir an unsere Verletzlichkeit, Gebrechlichkeit, Hinfälligkeit und damit an unseren bevorstehenden Tod erinnert, der die letzte Konsequenz unserer conditio humana ist. Staub und Asche sind Zeichen des Sterbens und des Todes.

Das Zeichen des Aschenkreuzes erinnert uns unmissverständlich daran, dass wir Menschen Staub sind und wieder zum Staub zurückkehren werden. Es ist gut, daran erinnert zu werden, zumal in einer Zeit, in der wir Menschen den Tod aus unserem Leben zu verdrängen pflegen und damit keineswegs dem Leben dienen. Denn wenn der Tod nicht mehr als zum Leben selbst gehörend betrachtet wird, gefährden wir nicht nur die Würde des Sterbens, sondern auch die Würde des Lebens. Die heutigen Diskussionen und Bestrebungen um die Straflosigkeit der Beihilfe zum Suizid zeigen uns, wohin es führt, wenn wir Menschen nur noch gesund sterben wollen.

Der Aschermittwoch fordert uns heraus, uns dem eigenen Tod zu stellen. Dies ist aber nur deshalb heilsam, weil der Aschermittwoch uns noch eine andere Botschaft bereithält. In der Liturgie dieses Tages wird die Asche nicht nur als Zeichen des Todes, sondern auch als Zeichen des Lebens gefeiert. Denn die Liturgie verkündet uns, dass selbst der menschliche Staub für Gott kostbar ist, weil Gott uns Menschen geschaffen und zum ewigen Leben bestimmt hat. Wie Jesus mit uns Menschen das Geschick der Verletzlichkeit und Sterblichkeit teilen wollte, aber am Kreuz seinen gewaltsamen Tod in einen Akt der Liebe verwandelt hat, der zum Weg hin zur Auferstehung geworden ist, so ist auch uns in der Taufe verheißen, dass wir wieder zum Staub zurückkehren, dass Gott aber diesen Staub ins ewige Leben hinein verwandeln wird. Der Aschermittwoch als Beginn der Österlichen Bußzeit lädt uns deshalb ein, dass wir in dieser Zeit das Paschamysterium von Tod und Auferstehung Jesu Christi und unsere Teilnahme an diesem Geheimnis bedenken und unseren Glauben erneuern.

Der Weg zum ewigen Leben

Darauf weist auch der ursprüngliche Name der Österlichen Busszeit hin, nämlich Quadragesima. Er erinnert uns an die vierzig Tage des Fastens Jesu in der Wüste, die für ihn eine Zeit der Versuchung, aber auch eine Zeit der besonderen Nähe mit seinem himmlischen Vater gewesen ist. Auch wir Christen werden in dieser Zeit in die Wüste geschickt, um uns neu zu orientieren und den Weg auf Ostern, das Fest des ewigen Lebens neu zu gehen. Dies kann uns aber nur gelingen, wenn wir das Ziel klar vor Augen haben, zu dem uns Gott bestimmt hat, nämlich das ewige Leben, das im Kern darin besteht, dass wir Gott erkennen, wie der Johanneische Jesus dies uns nahebringt: „Dies ist das ewige Leben: dich, den einzigen und wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“ (Joh 17, 3). Worin anders könnte denn das ewige Leben bestehen wenn nicht darin, Gott in seinem dreifaltigen Leben zu erkennen und in seiner Gegenwart ewig zu leben. Je mehr wir uns dieses Ziel vor Augen halten, desto mehr werden wir bereits im jetzigen Leben das ewige Leben erfahren, indem wir Gott erkennen und in seiner Gegenwart unser Leben gestalten.

Darin besteht der Anruf der Österlichen Bußzeit, der ein Ruf zur Umkehr ist, wie dies in der neueren Spendeformel bei der Austeilung des Aschenkreuzes zum Ausdruck gebracht wird: „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium.“ Wie bereits Israel in seiner Spätzeit rückblickend die vierzig Jahre der Wüstenwanderung als die Zeit der ersten Liebe Gottes zu Israel und Israels zu Gott verstanden hat, so lädt uns die Österliche Bußzeit zwischen Aschermittwoch und Ostern ein, uns an die erste Liebe Gottes zu uns, die uns im Sakrament der Taufe geschenkt worden ist, zu erinnern und zu ihr umzukehren.

Die Österliche Bußzeit zeigt uns auch die Wege auf, die uns helfen, diesen Anruf zu befolgen. Es sind dieselben Wege, die Jesus im heutigen Evangelium seinen Jüngern empfiehlt und die zu den klassischen Wegweisungen in der Österlichen Bußzeit geworden sind, nämlich das Gebet, das Fasten und das Geben von Almosen. Jesus legt dabei einen besonderen Akzent darauf, dass diese Wegweisungen nicht nur äußerlich befolgt, sondern innerlich vollzogen werden. Nur so sind sie Wege zu Gott.

Damit wird der eigentliche Sinn der christlichen Askese, beziehungsweise des christlichen Training sichtbar. Sie bringt zum Ausdruck, dass das Leben des christlichen Glaubens kein leichter Weg ist, sondern Übung und Training braucht. Doch auf diesem Weg gelangen wir zu Christus als dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Indem wir uns zu ihm hin führen lassen, entdecken wir in frischer Weise, wie sehr Gott die Welt liebt und wie unendlich kostbar wir Menschen Gott sind. Davon legt auch die Asche Zeugnis ab, die uns heute auf den Kopf gestreut wird. Sie verheißt uns, dass wir zwar Staub sind und wieder zu Staub werden, dass aber selbst der Staub bei Gott aufgehoben ist und zum ewigen Leben verwandelt wird. In dieser frohen Gewissheit vollziehen wir diesen schönen und tiefen Ritus am Beginn der Österlichen Bußzeit und bekennen damit unseren Glauben an den lebendigen Gott und sein Geschenk des ewigen Lebens.

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[1]  Benedikt XVI., Deus caritas est. Nr. 12.

[2]  Origenes, Homilia in Genesim, 8.

[3]  Maximus Confessor, Ambigua 91, 1056.

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Quelle

Papst Benedikt XVI.: Zur Fastenzeit: „Der Glaube an die Liebe weckt Liebe“

BOTSCHAFT VON PAPST BENEDIKT XVI.
ZUR FASTENZEIT 2013
 

 

Der Glaube an die Liebe weckt Liebe
„Wir haben die Liebe erkannt, die Gott zu uns hat, und ihr geglaubt“ (
Joh 4,16)

Liebe Brüder und Schwestern!

Die Fastenzeit gibt uns im Jahr des Glaubens die kostbare Gelegenheit, über die Beziehung zwischen Glaube und Nächstenliebe nachzudenken: zwischen dem Glauben an Gott, den Gott Jesu Christi, und der Liebe, der Frucht des Wirkens des Heiligen Geistes, die uns auf einem Weg der Hingabe an Gott und an unsere Mitmenschen leitet.

1. Der Glaube als Antwort auf die Liebe Gottes.

Schon in meiner ersten Enzyklika hatte ich einige Anhaltspunkte dargelegt, um auf die enge Verbindung zwischen diesen beiden theologalen Tugenden – zwischen dem Glauben und der Liebe – hinzuweisen. Ausgehend von der grundlegenden Aussage des Apostels Johannes: „Wir haben die Liebe erkannt, die Gott zu uns hat, und ihr geglaubt“ (1 Joh 4,16), erinnerte ich daran, daß „am Anfang des Christseins nicht ein ethischer Entschluß oder eine große Idee steht, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt. […] Die Liebe ist nun dadurch, daß Gott uns zuerst geliebt hat (vgl. 1 Joh 4,10), nicht mehr nur ein »Gebot«, sondern Antwort auf das Geschenk des Geliebtseins, mit dem Gott uns entgegengeht“ (Deus caritas est, 1). Der Glaube ist jene persönliche Zustimmung – die alle unsere Fähigkeiten einbezieht – zur Offenbarung der bedingungslosen und „leidenschaftlichen“ Liebe Gottes für uns, die sich voll und ganz in Jesus Christus zeigt. Der Glaube ist Begegnung mit Gott, der die Liebe ist, welche nicht nur das Herz einbindet, sondern auch den Verstand: „Die Erkenntnis des lebendigen Gottes ist Weg zur Liebe, und das Ja unseres Willens zu seinem Willen einigt Verstand, Wille und Gefühl zum ganzheitlichen Akt der Liebe. Dies ist freilich ein Vorgang, der fortwährend unterwegs bleibt: Liebe ist niemals »fertig« und vollendet” (ebd., 17). Hieraus ergibt sich für alle Christen und insbesondere für die Mitarbeiter karitativer Dienste die Notwendigkeit des Glaubens, jener „Begegnung mit Gott in Christus […], die in ihnen die Liebe weckt und ihnen das Herz für den Nächsten öffnet, so daß Nächstenliebe für sie nicht mehr ein sozusagen von außen auferlegtes Gebot ist, sondern Folge ihres Glaubens, der in der Liebe wirksam wird“ (ebd., 31a). Der Christ ist ein Mensch, der von der Liebe Christi ergriffen ist, und deshalb ist er, von dieser Liebe gedrängt – „caritas Christi urget nos” (2 Kor 5,14) –, auf tiefste und konkrete Weise für die Nächstenliebe offen (vgl. ebd., 33). Diese Haltung entspringt vor allem dem Bewußtsein, daß der Herr uns liebt, vergibt und sogar dient – er, der sich bückt, um die Füße der Jünger zu waschen und sich selbst am Kreuz hingibt, um die Menschheit in die Liebe Gottes hineinzuziehen.

„Der Glaube zeigt uns den Gott, der seinen Sohn für uns hingegeben hat, und gibt uns so die überwältigende Gewißheit, daß es wahr ist: Gott ist Liebe! […] Der Glaube, das Innewerden der Liebe Gottes, die sich im durchbohrten Herzen Jesu am Kreuz offenbart hat, erzeugt seinerseits die Liebe. Sie ist das Licht — letztlich das einzige –, das eine dunkle Welt immer wieder erhellt und uns den Mut zum Leben und zum Handeln gibt“ (ebd., 39). An all dem erkennen wir, daß die typische Grundhaltung der Christen eben diese „im Glauben gründende und von ihm geformte Liebe“ ist (ebd., 7).

2. Die Nächstenliebe als Leben aus dem Glauben

Das gesamte christliche Leben ist ein Antworten auf die Liebe Gottes. Die erste Antwort ist, wie gesagt, der Glaube, der voll Staunen und Dankbarkeit die einzigartige göttliche Initiative annimmt, die uns vorausgeht und uns anspornt. Und das „Ja“ des Glaubens kennzeichnet den Beginn einer großartigen Geschichte der Freundschaft mit dem Herrn, die unser gesamtes Leben erfüllt und ihm vollen Sinn gibt. Gott genügt es aber nicht, daß wir seine bedingungslose Liebe annehmen. Er beschränkt sich nicht darauf, uns zu lieben, sondern will uns zu sich ziehen, uns so tiefgreifend verwandeln, daß wir mit dem heiligen Paulus sagen können: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20). Wenn wir der Liebe Gottes Raum geben, so werden wir ihm ähnlich und seiner Nächstenliebe teilhaftig. Sich seiner Liebe zu öffnen bedeutet zuzulassen, daß er in uns lebt und uns dazu bringt, mit ihm, in ihm und wie er zu lieben; erst dann wird unser Glaube „in der Liebe wirksam“ (Gal 5,6) und wohnt Gott in uns (vgl. 1 Joh 4,12).

Glaube heißt die Wahrheit erkennen und ihr zustimmen (vgl. 1 Tim 2,4); Nächstenliebe bedeutet, den Pfad der Wahrheit zu beschreiten (vgl. Eph 4,15). Durch den Glauben entsteht unsere Freundschaft mit dem Herrn; durch die Nächstenliebe wird diese Freundschaft gelebt und gepflegt (vgl. Joh 15,14ff). Der Glaube läßt uns das Gebot unseres Herrn und Meisters annehmen; die Nächstenliebe schenkt uns die Glückseligkeit, danach zu handeln (vgl. Joh 13,13-17). Im Glauben werden wir als Kinder Gottes geboren (vgl. Joh 1,12ff); die Nächstenliebe läßt uns konkret in der Gotteskindschaft verweilen und die Frucht des Heiligen Geistes bringen (vgl. Gal 5,22). Der Glaube läßt uns die Gaben erkennen, die uns Gott in seiner Güte und Großzügigkeit anvertraut; die Nächstenliebe läßt sie Früchte tragen (vgl. Mt 25,14-30).

3. Die unauflösliche Verbindung zwischen Glaube und Nächstenliebe

Im Licht der vorangehenden Ausführungen wird deutlich, daß wir Glaube und Nächstenliebe niemals voneinander trennen oder gar in Widerspruch zueinander setzen können. Diese beiden theologalen Tugenden sind eng miteinander verbunden, und es wäre irreführend, zwischen ihnen einen Kontrast oder eine „Dialektik“ erkennen zu wollen. Denn einerseits ist die Haltung jener verengt, die auf den Vorrang und die entscheidende Bedeutung des Glaubens solchen Nachdruck legen, daß sie die konkreten Werke der Nächstenliebe unterbewerten, ja gleichsam gering schätzen und die Nächstenliebe auf einen unbestimmten Humanitarismus reduzieren. Andererseits ist es aber genauso verengt, eine übertriebene Vorrangstellung der Nächstenliebe und ihrer Werke zu verfechten in der Überzeugung, die Werke würden den Glauben ersetzen. Für ein gesundes geistliches Leben ist es notwendig, sowohl einen Fideismus als auch einen moralisierenden Aktivismus zu meiden.

Das christliche Leben besteht darin, den Berg der Begegnung mit Gott immer wieder hinaufzusteigen, um dann, bereichert durch die Liebe und die Kraft, die sie uns schenkt, wieder hinabzusteigen und unseren Brüdern und Schwestern mit der gleichen Liebe Gottes zu dienen. In der Heiligen Schrift sehen wir, daß der Eifer der Apostel für die Verkündigung des Evangeliums, die den Glauben weckt, eng mit der liebenden Sorge für den Dienst an den Armen verbunden ist (vgl. Apg 6,1-4). In der Kirche müssen Kontemplation und Aktion, die in gewisser Hinsicht durch die Gestalten der Schwestern Maria und Marta im Evangelium versinnbildlicht werden, miteinander bestehen und sich gegenseitig ergänzen (vgl. Lk 10,38-42). Die Beziehung zu Gott hat immer Vorrang, und das wahre Teilen gemäß dem Evangelium muß im Glauben verwurzelt sein (vgl. Katechese bei der Generalaudienz am 25. April 2012). Manchmal neigt man in der Tat dazu, den Begriff „Nächstenliebe“ auf die Solidarität oder die einfache humanitäre Hilfeleistung zu beschränken. Es gilt jedoch zu bedenken, daß das höchste Werk der Nächstenliebe gerade die Evangelisierung, also der „Dienst am Wort“ ist. Es gibt kein heilsameres und somit wohltätigeres Werk am Nächsten, als das Brot des Wortes Gottes mit ihm zu brechen, ihn an der Frohen Botschaft des Evangeliums teilhaben zu lassen, ihn in die Beziehung zu Gott einzuführen: Die Evangelisierung ist die höchste und umfassendste Förderung des Menschen. Wie der Diener Gottes Papst Paul VI. in der Enzyklika Populorum progressio schreibt, ist die Verkündigung Christi der erste und hauptsächliche Entwicklungsfaktor (vgl. Nr. 16). Es ist die ursprüngliche, die gelebte und verkündete Wahrheit der Liebe Gottes zu uns, die unser Leben für die Aufnahme dieser Liebe öffnet und die volle Entfaltung der Menschheit und jedes einzelnen ermöglicht (vgl. Enzyklika Caritas in veritate, Nr. 8).

Im wesentlichen geht alles von der Liebe aus, und alles strebt zur Liebe hin. Die bedingungslose Liebe Gottes hat sich uns durch die Verkündigung des Evangeliums kundgetan. Wenn wir das Evangelium glaubend annehmen, so erhalten wir jene erste und unerläßliche Verbindung zum Göttlichen, die bewirken kann, daß wir uns „in die Liebe verlieben“, um dann in dieser Liebe zu leben und zu wachsen und sie mit Freude an unsere Mitmenschen weiterzugeben. Was das Verhältnis zwischen Glaube und Werken der Nächstenliebe betrifft, so finden wir im Brief des heiligen Paulus an die Epheser eine Aussage, die ihre wechselseitige Beziehung vielleicht am besten zusammenfaßt: „Denn aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet, nicht aus eigener Kraft – Gott hat es geschenkt –, nicht aufgrund eurer Werke, damit keiner sich rühmen kann. Seine Geschöpfe sind wir, in Christus Jesus dazu geschaffen, in unserem Leben die guten Werke zu tun, die Gott für uns im voraus bereitet hat“ (2,8-10). Hier wird deutlich, daß alle heilbringende Initiative von Gott ausgeht, von seiner Gnade, von seiner im Glauben angenommenen Vergebung. Diese Initiative schränkt jedoch in keiner Weise unsere Freiheit und unsere Verantwortung ein, sondern macht sie erst authentisch und richtet sie auf die Werke der Nächstenliebe aus. Letztere sind nicht etwa die Früchte vorwiegend menschlicher Bemühungen, derer man sich rühmen kann; sie entstehen vielmehr aus dem Glauben selbst, sie entspringen der Gnade, die Gott in Fülle schenkt. Ein Glaube ohne Werke ist wie ein Baum, der keine Früchte trägt: Diese beiden  Tugenden bedingen sich gegenseitig. Die Fastenzeit fordert uns mit den traditionellen Weisungen für ein christliches Leben genau dazu auf, unseren Glauben dadurch zu stärken, daß wir aufmerksamer und beständiger auf das Wort Gottes hören und an den Sakramenten teilnehmen, und gleichzeitig in der Nächstenliebe, in der Liebe zu Gott und zum Nächsten zu wachsen, auch durch die konkrete Übung des Fastens, der Buße und des Almosengebens.

4. Vorrang des Glaubens, Primat der Liebe

Wie alle Gaben Gottes, so verweisen auch Glaube und Liebe auf das Wirken des einen Heiligen Geistes (vgl. 1 Kor 13), jenes Geistes, der in uns „Abba, Vater!“ ruft (Gal 4,6), der uns sagen läßt: „Jesus ist der Herr!“ (1 Kor 12,3) und „Marána tha“ (1 Kor 16,22; Offb 22,20). Der Glaube – Gabe und Antwort – offenbart uns die Wahrheit Christi als menschgewordene und gekreuzigte Liebe, uneingeschränkte und vollkommene Erfüllung des väterlichen Willens und unendliche göttliche Barmherzigkeit gegenüber dem Nächsten; der Glaube verankert in Herz und Geist die unerschütterliche Überzeugung, daß eben diese Liebe die einzige Wirklichkeit ist, die über das Böse und den Tod siegt. Der Glaube fordert uns auf, mit der Tugend der Hoffnung nach vorne zu blicken in der zuversichtlichen Erwartung, daß der Sieg der Liebe Christi zu seiner Vollendung gelangt. Die Nächstenliebe wiederum läßt uns in die in Christus sichtbar gewordene Liebe Gottes eintreten sowie persönlich und existenziell die volle und uneingeschränkte Selbsthingabe Christi an den Vater und an die Mitmenschen annehmen. Indem er die Liebe in uns ausgießt, läßt uns der Heilige Geist an der besonderen Hingabe Christi teilhaben: an seiner Hingabe als Sohn gegenüber Gott dem Vater und als Bruder gegenüber allen Menschen (vgl. Röm 5,5).

Die Beziehung zwischen diesen beiden Tugenden ist ähnlich jener zwischen zwei grundlegenden Sakramenten der Kirche: der Taufe und der Eucharistie. Die Taufe (sacramentum fidei) geht der Eucharistie (sacramentum caritatis) voraus, ist aber auf sie ausgerichtet, da sie die Fülle des christlichen Weges darstellt. Auf analoge Weise geht der Glaube der Liebe voraus, erweist sich aber erst als echt, wenn er von ihr gekrönt wird. Alles geht von der demütigen Annahme des Glaubens aus (das Wissen, von Gott geliebt zu sein), muß aber zur Wahrheit der Nächstenliebe gelangen (die Fähigkeit, Gott und den Nächsten zu lieben), die für alle Ewigkeit besteht als Vollendung aller Tugenden (vgl. 1 Kor 13,13).

Liebe Brüder und Schwestern, während der Fastenzeit bereiten wir uns darauf vor, das Ereignis des Kreuzes und der Auferstehung zu feiern, durch das die Liebe Gottes die Welt erlöst und die Geschichte erleuchtet hat. Möge diese kostbare Zeit euch allen Gelegenheit sein, den Glauben in Jesus Christus neu zu beleben, um in seinen Kreislauf der Liebe einzutreten – der Liebe zum Vater und zu jedem Menschen, dem wir in unserem Leben begegnen. Dafür wende ich mich im Gebet an Gott und erbitte zugleich für jeden von euch und für alle Gemeinschaften den Segen des Herrn!

Aus dem Vatikan, am 15. Oktober 2012

BENEDICTUS PP. XVI

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BOTSCHAFT VON PAPST FRANZISKUS ZUR FASTENZEIT 2019

Papst Franziskus empfängt am 1. März 2017 während des Gottesdienstes zum Aschermittwoch in der Basilika Santa Sabina in Rom das Aschenkreuz.

«Die Schöpfung wartet sehnsüchtig
auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes
» (Röm 8, 19)

 

Liebe Brüder und Schwestern,

jedes Jahr schenkt Gott durch die Mutter Kirche seinen »Gläubigen die Gnade, das Osterfest in der Freude des Heiligen Geistes zu erwarten«. Er ruft uns »zur Feier der Geheimnisse, die in uns die Gnade der Kindschaft erneuern«, und führt uns »mit geläutertem Herzen […] zur Fülle des Lebens durch unseren Herrn Jesus Christus« (Präfation für die Fastenzeit I). Auf diese Weise können wir von einem Osterfest zum nächsten der Vollendung der Erlösung entgegengehen, die wir bereits durch das Paschamysterium Christi empfangen haben: »Denn auf Hoffnung hin sind wir gerettet« (Röm 8,24). Dieses Heilsgeheimnis, das in uns schon im irdischen Leben am Werk ist, ist ein dynamischer Prozess, der auch die Geschichte und die gesamte Schöpfung umfasst. Der heilige Paulus sagt sogar: »Die Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes« (Röm 8,19). Vor diesem Hintergrund möchte ich ein paar Anstöße zum Nachdenken geben, die unseren Weg der Umkehr während der nächsten Fastenzeit begleiten sollen.

  1. Die Erlösung der Schöpfung

Als Höhepunkt des Kirchenjahres ruft uns die Feier des Ostertriduums vom Leiden, vom Tod und von der Auferstehung Christi jedes Mal dazu auf, die Vorbereitung darauf in dem Bewusstsein zu leben, dass unsere Gleichgestaltung mit Christus (vgl. Röm 8,29) ein unermessliches Geschenk der Barmherzigkeit Gottes ist.

Wenn der Mensch als Kind Gottes, als erlöste Person lebt, die sich vom Heiligen Geist leiten lässt (vgl. Röm 8,14) und das Gesetz Gottes – angefangen bei dem Gesetz, das schon in sein Herz und in die Natur eingeschrieben ist – zu erkennen und in die Praxis umzusetzen weiß, dann wird er auch der Schöpfung Gutes tun und an ihrer Erlösung mitwirken. Darum ist es der sehnliche Wunsch der Schöpfung – so sagt Paulus –, dass Gottes Söhne und Töchter offenbar werden, das heißt, dass diejenigen, die bereits die Gnade des Paschamysteriums Jesu empfangen haben, dessen Früchte in ihrer Fülle leben. Sie sind nämlich dazu bestimmt, ihre vollkommene Reife in der Erlösung des menschlichen Leibes selbst zu erlangen. Wenn die Liebe Christi das Leben der Heiligen – Geist, Seele und Leib – verwandelt, dann lobpreisen sie Gott. In ihrem Gebet, in der Betrachtung und Kunst beziehen sie dabei auch die Geschöpfe mit ein, wie es der „Sonnengesang“ des Franz von Assisi (vgl. Enzyklika Laudato si, 87) wunderbar zeigt. Doch in dieser Welt ist die durch die Erlösung geschaffene Harmonie noch immer und ständig von der negativen Kraft der Sünde und des Todes bedroht.

  1. Die zerstörerische Kraft der Sünde

Wenn wir nicht als Söhne und Töchter Gottes leben, ist unser Verhalten unserem Nächsten und den anderen Geschöpfen – aber auch uns selbst – gegenüber oft zerstörerisch, da wir mehr oder weniger bewusst davon ausgehen, von allem nach unserem Belieben Gebrauch machen zu können. Dann gewinnt die Unmäßigkeit die Oberhand und führt zu einer Lebensweise, die jene Grenzen verletzt, die zu respektieren unser Menschsein und die Natur von uns verlangen. Wir geben den ungezügelten Wünschen nach, die im Buch der Weisheit den Ungläubigen zugeschrieben werden beziehungsweise denen, die weder Gott zum Bezugspunkt ihres Handelns nehmen noch eine Hoffnung für die Zukunft haben (vgl. 2,1-11). Wenn wir uns nicht ständig nach dem Osterfest ausrichten und die Auferstehung als Ziel vor Augen halten, dann ist klar, dass sich am Ende die Logik des Alles-und-sofort und des Immer-mehr-habenWollens durchsetzt.

Die Ursache von allem Bösen ist, wie wir wissen, die Sünde. Seit ihrem ersten Auftreten unter den Menschen hat sie die Gemeinschaft mit Gott, mit den anderen und mit der Schöpfung, der wir vor allem durch unseren Leib verbunden sind, unterbrochen. Durch den Bruch der Gemeinschaft mit Gott wurde auch die Harmonie des Menschen mit der ihm zugedachten Umwelt gestört, sodass der Garten zu einer Wüste wurde (vgl. Gen 3,17-18). Es handelt sich dabei um jene Sünde, die den Menschen dazu führt, sich für den Gott der Schöpfung zu halten, sich als ihr absoluter Herrscher zu fühlen und sie nicht zu dem von Gott bestimmten Zweck zu nutzen, sondern nur im eigenen Interesse und auf Kosten der Geschöpfe und der Mitmenschen.

Wenn das Gesetz Gottes, das Gesetz der Liebe, aufgegeben wird, setzt sich das Gesetz des Stärkeren gegen den Schwächeren durch. Die Sünde, die im Herzen des Menschen wohnt (vgl. Mk 7,20-23) – sie drückt sich in der Begierde, im Verlangen nach unmäßigem Wohlstand, in der Gleichgültigkeit gegenüber dem Wohl der anderen und häufig auch gegenüber dem eigenen Wohl aus –, führt zur Ausbeutung der Schöpfung, der Menschen und der Umwelt in einer unersättlichen Gier, für die jeder Wunsch zu einem Recht wird und die früher oder später auch den zerstören wird, der von ihr beherrscht wird.

  1. Die heilende Kraft von Reue und Vergebung

Daher ist es für die Schöpfung so dringend notwendig, dass die Söhne und Töchter Gottes, all jene, die „neue Schöpfung“ geworden sind, offenbar werden: »Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden« (2 Kor 5,17). Durch ihr Offenbarwerden kann nämlich auch die Schöpfung selbst Ostern feiern“: sich dem neuen Himmel und der neuen Erde öffnen (vgl. Offb 21,1). Der Weg auf Ostern hin ruft uns eben dazu auf, unser christliches Angesicht und unser christliches Herz durch Reue, Umkehr und Vergebung zu erneuern, damit wir den ganzen Reichtum der Gnade des Paschamysteriums leben können.

Diese „Ungeduld“, diese Erwartung der Schöpfung wird erfüllt, wenn die Söhne und Töchter Gottes offenbar werden, das heißt, wenn die Christen und alle Menschen diese „Geburtswehen“ der Umkehr entschlossen auf sich nehmen. Die gesamte Schöpfung soll gemeinsam mit uns »von der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes« (Röm8,21). Die Fastenzeit ist sakramentales Zeichen dieser Umkehr. Sie ruft die Christen dazu auf, das Paschamysterium in ihrem persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Leben stärker und konkreter Gestalt werden zu lassen, insbesondere durch das Fasten, Beten und Almosengeben.

Fasten bedeutet zu lernen, unsere Haltung gegenüber den anderen und den Geschöpfen zu ändern: von der Versuchung, alles zu „verschlingen“, um unsere Begierde zu befriedigen, hin zu der Fähigkeit, aus Liebe zu leiden, welche die Leere unseres Herzens füllen kann. Beten, damit wir auf die Idiolatrie und die Selbstgenügsamkeit unseres Ichs verzichten lernen und eingestehen, dass wir des Herrn und seiner Barmherzigkeit bedürfen. Almosen geben, damit wir die Torheit hinter uns lassen, nur für uns zu leben und alles für uns anzuhäufen in der Illusion, uns so eine Zukunft zu sichern, die uns nicht gehört. So finden wir die Freude an dem Plan wieder, den Gott der Schöpfung und unserem Herzen eingeprägt hat: ihn, unsere Brüder und Schwestern und die gesamte Welt zu lieben und in dieser Liebe das wahre Glück zu finden.

Liebe Brüder und Schwestern, die „Fastenzeit“ des Sohnes Gottes war ein Eintreten in die Wüste der Schöpfung, um sie wieder zu dem Garten der Gemeinschaft mit Gott werden zu lassen, der sie vor dem Sündenfall war (vgl. Mk 1,12-13; Jes 51,3). In unserer Fastenzeit wollen wir den gleichen Weg noch einmal gehen, um auch der Schöpfung die Hoffnung Christi zu bringen, dass sie »von der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit werden [soll] zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes« (Röm 8,21). Lassen wir diese günstige Zeit nicht nutzlos verstreichen! Bitten wir Gott um seine Hilfe, den Weg wahrer Umkehr einzuschlagen. Lassen wir den Egoismus, den auf uns selbst fixierten Blick hinter uns und wenden wir uns dem Ostern Jesu zu; unsere Brüder und Schwestern in Not sollen unsere Nächsten sein, mit denen wir unsere geistlichen und materiellen Güter teilen. So ziehen wir, wenn wir in unserem konkreten Leben den Sieg Christi über Sünde und Tod annehmen, seine verwandelnde Kraft auch auf die Schöpfung herab.

Aus dem Vatikan, am 4. Oktober 2018, dem Fest des heiligen Franz von Assisi

FRANZISKUS

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Quelle

„Bedenke Mensch, dass du Staub bist, und zum Staub zurückkehrst“ 

„Memento homo, quia pulvis es, et in pulverem reverteris“)

 

Diese Aussage beruht auf:

Genesis 2,7:

Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.

 

Nun wollen wir doch einmal fragen:

Ist «der Mensch» wirklich (jemals) «Staub»?

Kehrt «der Mensch», wenn er stirbt, wirklich zum «Staub» zurück?

Die Antwort auf beide Fragen ist natürlich eindeutig NEIN!

Jeder Mensch beginnt sein Dasein ab dem Augenblick der «Empfängnis»; bei dieser erschafft GOTT seine SEELE, ohne die der Mensch in keinem Stadium, auch nicht dem frühesten, nicht leben kann. Der Mensch ist also zu keiner Zeit «Staub».

Und wenn er stirbt, kehrt «der Mensch», der bis zum Eintreten des Todes aus Leib und Seele besteht, als vom Körper getrennte Seele ewig weiterlebend zu ihrem Schöpfer zurück.

Nur der Körper, der Leib des Menschen also, kehrt durch die Verwesung «zum Staub zurück».

Eigentlich müsste darum die Aschermittwochs-Ermahnung an den das Aschen-Kreuz empfangenden Gläubigen (z.B.) lauten:

«Bedenke Mensch, dass dein Leib absterben muss und dass Du mit Deiner ewig fortlebenden Seele zu Deinem Schöpfer zurückkehren wirst.»

Angelus: „Wer mit Christus stirbt, wird mit ihm auferstehen“

Der Petersplatz beim Angelusgebet

Dass der Weg des Christen ein Weg der Hingabe und des Opfers ist – daran hat der Papst beim Angelusgebet auf dem Petersplatz erinnert. Am zweiten Fastensonntag rief der Papst die Gläubigen dazu auf, die Bereitschaft zum Kreuz im eigenen Alltag zu verankern.

Der Papst ging beim Angelus von der Transfiguration Jesu auf dem Berg Tabor aus, von der das Matthäusevangelium erzählt (Mt 17,1-9): dem Moment, als Jesus vor den drei Jüngern Petrus, Jakobus und Johannes in verklärter Form und mit den Propheten Mose und Elija erscheint. Das lichtvolle Ereignis nehme den Sieg Jesu vorweg und verweise zugleich auf den Weg, den die Jünger zu gehen hätten, so der Papst:

„Der verklärte Jesus auf dem Berg Tabor wollte den Jüngern seine Herrlichkeit nicht zeigen, um zu verhindern, dass sie den Weg des Kreuzes gehen, sondern um ihnen zu zeigen, wohin dieser führt. Wer mit Christus stirbt, wird mit Christus wiederauferstehen. Und das Kreuz ist die Tür der Auferstehung. Wer mit ihm zusammen kämpft, wird mit ihm siegen. Das ist die Botschaft der Hoffnung, die Jesu Kreuz beinhaltet, sie appelliert an die Stärke unserer Existenz. Das christliche Kreuz ist kein Hausrat oder ein Ornament, sondern ein Verweis auf die Liebe, mit der sich Jesus geopfert hat, um die Menschheit vom Bösen und von der Sünde zu retten.“

Nicht als mächtiger und ruhmsüchtiger Herr habe sich Jesus gezeigt, sondern als „demütiger und unbewaffneter Diener“, erinnerte der Papst. Mit seiner Offenbarung auf dem Berg der Verklärung habe Jesus seine Jünger auch auf den „Skandal der Kreuzigung“ vorbereiten wollen, die kurze Zeit später stattfinden sollte. Franziskus rief an dieser Stelle die Gläubigen dazu auf, sich in der Fastenzeit mit Buße auf das Osterfest vorzubereiten:

„Betrachten wir in dieser Fastenzeit mit Hingabe das Bild des Kreuzes, Jesus am Kreuz: es ist ein Symbol des christlichen Glaubens, das Sinnbild Jesu, der für uns starb und wiederauferstand. Bemühen wir uns darum, dass das Kreuz die Etappen unserer Fastenzeit prägt, damit wir immer mehr die Schwere der Sünde und den Wert des Opfers verstehen, mit dem der Erlöser uns gerettet hat, uns alle.“

(rv 12.03.2017 pr)

Die Papstpredigt am Aschermittwoch

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Stationengottesdienst zum Aschermittwoch: Hier in Santa Sabina – RV

Hier lesen Sie die Predigt des Papstes in der offiziellen Übersetzung

»Kehrt um zu mir von ganzem Herzen, […] kehrt um zum Herrn« (Joël 2,12.13): Das ist der Ruf, mit dem sich der Prophet Joël im Namen des Herrn an das Volk wendet. Keiner konnte sich ausgenommen fühlen: »Versammelt die Alten, holt die Kinder zusammen, auch die Säuglinge; […] Bräutigam […] und Braut« (V. 16). Das ganze gläubige Volk ist aufgerufen, sich auf den Weg zu machen und seinen Gott anzubeten, »denn er ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Huld« (V. 13).

Auch wir wollen diesem Aufruf Gehör verschaffen; wir wollen zurückkehren zum erbarmungsvollen Herzen des Vaters. In dieser Gnadenzeit, die wir heute beginnen, richten wir wieder unseren Blick auf seine Barmherzigkeit. Die Fastenzeit ist ein Weg: Sie führt uns zum Sieg der Barmherzigkeit über alles, was uns zu erdrücken sucht oder was uns zu irgend einer Sache machen will, die nicht unserer Würde als Kinder Gottes entspricht. Die Fastenzeit ist die Straße von der Knechtschaft in die Freiheit, vom Leiden zur Freude, vom Tod zum Leben. Das Zeichen der Asche, mit dem wir uns auf den Weg machen, erinnert uns an unsere ursprüngliche Situation: Wir sind von der Erde genommen, wir sind Staub. Ja, aber Staub in den liebenden Händen Gottes, der seinen Lebensgeist über jeden von uns blies und dies auch weiter tun will. Er will fortfahren, uns diesen Lebensatem zu geben, der uns vor anderen Weisen des Atemholens bewahrt: der Beklemmung, die durch unsere Egoismen hervorgerufen wird; dem Um-Luft-Ringen, das durch kläglichen Ehrgeiz und stumme Teilnahmslosigkeit hervorgerufen wird; der Atemnot, die den Geist erstickt, den Horizont verengt, den Herzschlag einschlafen lässt. Der Lebensatem Gottes rettet uns vor dieser Luftnot, die unseren Glauben auslöscht, unsere Nächstenliebe erkalten lässt und unsere Hoffnung vernichtet. Die Fastenzeit leben heißt nach diesem Lebensatem lechzen, den unser Vater uns unaufhörlich im Schmutz unserer Geschichte darbietet.

Der Lebensatem Gottes befreit uns von jener Luftnot, die uns so oft nicht bewusst ist und die wir in unserer Gewohnheit sogar als „normal“ ansehen, auch wenn ihre Wirkungen zu spüren sind. Sie scheint uns „normal“, weil wir uns daran gewöhnt haben, Luft zu atmen, wo die Hoffnung dünn geworden ist; Luft, die von Traurigkeit und Resignation belastet ist; Luft, die voll Angst und Feindseligkeit stickig ist.

Die Fastenzeit ist die Zeit, nein zu sagen. Nein zur Erstickung des Geistes wegen der Luftverschmutzung, die durch die Teilnahmslosigkeit verursacht wird oder durch die Nachlässigkeit, zu denken, dass das Leben des Anderen mich nichts angeht. Nein zur Erstickung des Geistes wegen jedes Versuchs, das Leben zu banalisieren, besonders bei denen, die am eigenen Fleisch die Last großer Oberflächlichkeit tragen. Die Fastenzeit will nein sagen zur giftigen Luftverschmutzung der leeren Worte und des sinnlosen Redens, der rüden und vorschnellen Kritik, der allzu simplen Rezepte, die die Vielschichtigkeit der Probleme der Menschen nicht zu erfassen vermögen, besonders derjenigen, die am meisten leiden. Die Fastenzeit ist die Zeit, nein zu sagen; nein zur Beklemmung durch ein Beten, das unser Gewissen ruhig stellt, und durch ein Almosengeben, das uns falsche Befriedigung schenkt; nein zur Atemnot durch ein Fasten, das uns das Gefühl gibt, dass alles in Ordnung ist. Die Fastenzeit ist die Zeit, nein zu sagen zur Erstickung, die von missverstandener Innerlichkeit herrührt, die ausschließt und zu Gott gelangen will, indem sie den Wunden Christi in den Wunden seiner Brüder und Schwestern ausweicht. Dies sind jene Formen von Spiritualität, die den Glauben zu einer Ghetto- und Ausschließungskultur machen.

Die Fastenzeit ist eine Zeit des Erinnerns. Sie ist die Zeit, nachzudenken und sich zu fragen: Was wäre mit uns, wenn Gott uns die Türen versperrt hätte? Was wäre mit uns ohne seine Barmherzigkeit, die nicht müde wird, uns zu verzeihen, und uns immer die Möglichkeit gibt, immer wieder neu anzufangen? Die Fastenzeit ist die Zeit, sich zu fragen: Wo wären wir ohne den Beistand so vieler stiller Gesichter, die uns auf tausendfache Weise die Hand hingestreckt und uns mit ganz konkreten Taten wieder Hoffnung geschenkt, uns geholfen haben, wieder neu anzufangen?

Die Fastenzeit ist die Zeit, um wieder durchzuatmen. Sie ist die Zeit, um das Herz dem Atem des Einzigen zu öffnen, der fähig ist, unseren Staub in Menschsein zu verwandeln. Es ist nicht die Zeit, um sich die Kleider zu zerreißen angesichts des Bösen, das uns umgibt; es geht vielmehr darum, in unserem Leben all dem Guten, das wir wirken können, Raum zu geben, indem wir uns dessen entledigen, was uns isoliert, uns verschließt und uns lähmt. Die Fastenzeit ist die Zeit des Mitfühlens, um mit dem Psalmisten zu sprechen: Herr, gib uns wieder die Freude deines Heils, rüste uns aus mit dem Geist der Großmut, damit wir mit unserem Leben dein Lob verkünden (vgl. Ps 51,14.17) und unser Staub – kraft deines Lebensatems – zu einem in dich „verliebten Staub“ wird.

(rv 01.03.2017 mg)