Dies hat Pater Ernst Fischer, geboren am 23.7.1914 in München, der den «Söhnen» Don Boscos, dem Salesianerorden angehörte, selber erlebt. Er wurde am 2.12.1945 in Chile zum Priester geweiht und wirkte 30 Jahre lang in Südamerika. Er berichtet: Es war am 24. Oktober 1941, am Vorabend des Festes des grossen Liebesengels und Reisebegleiters, des heiligen Erzengels Raphael. Damals war ich in Lima in unserem Oratorium Präfekt der Knabenschule. Wir hatten eine 40 Mann starke Blasmusikgruppe, die am Eucharistischen Kongress in Cuero in den Anden teilnehmen sollte.
Von Jokai aus mussten wir den Gebirgspass zum Inkatal nach Cusco überqueren. Mit den 40 Indianerbuben hatten wir uns vorbereitet und sassen mit dem Dirigenten und seiner Frau im grossen Bus. Diese hatte noch ein drei Monate altes Baby bei sich. Es brauchte natürlich eine entsprechende Ausbildung für unsere Musikanten, um mit dem grossen Bassinstrument bis zur Trompete und Trommel umgehen zu können. Doch sie waren flink und begabt. Alle diese Musikinstrumente hatte man auf dem Dach des grossen Busses verstaut. Ein Bub wollte sich von seiner Flöte nicht trennen und nahm sie mit in den Bus.
Vor der Abfahrt hatten wir alle zusammen zum Heiligen Erzengel Raphael gebetet. Es war, wie erwähnt, am Vorabend seines Festes am 24. Oktober. Er ist ja der Schützer für eine gute Reise. Dann sind wir eingestiegen und losgefahren. Ohne dass wir es vorher wussten, wurde unserem Bus ein waghalsiger Fahrer zugeteilt. Den nannten sie den «Teufel der Anden». Denn er schaffte die Strecke in der Abfahrt vom Pass in nicht viel mehr als 15 Minuten, während alle anderen Fahrer dafür 45 Minuten brauchten. Auf der genügend breiten Strasse verschaffte er sich die Überholung der vor ihm fahrenden Autos mit ständigem Hupen. Der Höhenunterschied beträgt gegen 900 Meter mit sehr vielen Kurven. Bei der Abfahrt von der Hochebene war bei der Polizeikontrolle eben sein Kollege vor uns abgefertigt worden. Der Beamte hatte ihn schon mehrmals durchgelassen. Als wir von der Polizeistation entferntwaren, fing unser Chauffeur wieder an zu hupen. Sein Kollege vor ihm wollte ihm zuerst das Überholen verwehren, weil er die Entfernung falsch einschätzte. Bei dem Tempo unseres Wagens jedoch war kein Anhalten mehr möglich, und unser Bus überschlug sich siebenmal die steile Böschung hinunter, wie hinter uns Fahrende bezeugten. Wir waren mit 80 km/h gefahren. Der Absturz unseres Busses vollzog sich vor den Augen der zahlreichen hinter uns Fahrenden. Auch die Polizei folgte gleich nach.
Bei dem Sturz war ich auf der Seite des Chauffeurs gesessen. Sechs Sitze hinter mir sass die Frau mit dem Säugling und ihrem Gatten, dem Kapellmeister. Der Wagen landete auf dem alten Weg, nur weiter unten. Dann hörte ich nur die Polizei rufen: «Holt die Toten heraus!» Die Schüler hatten bereits die Scheiben eingeschlagen, um ins Freie zu kommen. Es war zuvor totenstill, als die Frau einen Schrei ausstiess: «Wo ist mein Kind, das ich zuvor in meinen Armen hielt? Mein Kind!!!» Und siehe da, das Kind befand sich geschützt in meinem Mantel. Weder ihm noch irgendeinem der Buben, noch dem Ehepaar ist das Geringste passiert.
Einzig die zum Ausstieg zerschlagenen Fenster und die zerbeulte Flöte des ängstlichen Buben waren beschädigt, während sämtliche Instrumente auf dem Dach ohne jeden Schaden blieben. Der Bus wurde wieder auf die Räder gestellt und das ausgelaufene Dieselöl nachgefüllt, so konnte der gleiche Bus allerdings mit einem anderen Fahrer und einigen defekten Scheiben die Fahrt fortsetzen.
Als der Reporter Bonaventura Meyer aus Trimbach einwendete, dass diese Erzählung niemand glauben würde, erklärte Pater Fischer: «Wir konnten alle unversehrt weiterfahren. Die Kunde davon hatte sich schon vor unserer Ankunft in Cusco verbreitet. Mit unglaublicher Freude zogen wir winkend in die von jubelnden Menschen umsäumte Kirche. Mit einem Lobgesang der Priester wurden wir vom Bischof empfangen. Die Leute riefen: «Schaut das Wunderauto, schaut das Wunderauto!» Die Presse verbreitete das Geschehene im ganzen Land und auch im Ausland. Der Bischof von Kasch sagte mir folgendes: «Wenn man das nicht als Wunder annimmt, würde man vom Herrgott verlangen, dass ihr alle getötet und gleich wieder auferstanden wäret!» Das hat sich so abgespielt. Der heilige Erzengel Raphael, dem wir unserer Reise empfohlen hatten, hat uns auf wunderbare Weise gerettet. In grösster Dankbarkeit gegen Gott konnte Bischof Alvares zusammen mit unseren Musikanten den Eucharistischen Kongress durchführen.
So hat sich an uns das Wort aus dem 90 (91). Psalm, 11-12, buchstäblich verwirklicht: «Gott hat seinen Engeln deinetwegen befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen. Sie tragen dich auf ihren Händen, damit dein Fuss nicht an einen Stein stösst.»
Pater Fischer starb am 16.6.1989 in Gossau, im Schweizer Kanton St. Gallen.
Aus: «Gott wirkt Wunder ohne jemanden zu fragen», Guido Becker, SJM Verlag, 0049 821 34 32 25 11, post@sjm-verlag.de
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Quelle: Katholische Wochenzeitung, 11. September 2015 Nr. 37
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