PREDIGT BENEDIKT XVI.: CHRISAM-MESSE 1. APRIL 2010

CHRISAM-MESSE

PREDIGT VON BENEDIKT XVI.

Petersdom
Gründonnerstag, 1. April 2010

(Video)

Bilder von der Feier

Liebe Brüder und Schwestern!

Das Zentrum des Gottesdienstes der Kirche ist das Sakrament. Sakrament bedeutet, dass zuallererst nicht wir Menschen etwas tun, sondern dass Gott uns im voraus mit seinem Handeln entgegengeht, uns ansieht und zu sich hinführt. Und da ist noch einmal etwas Besonderes: Gott rührt uns an durch materielle Wirklichkeiten, durch Gaben der Schöpfung hindurch, die er in seinen Dienst nimmt, zu Instrumenten der Begegnung zwischen uns und sich selber macht. Es sind vier Elemente der Schöpfung, aus denen der Kosmos der Sakramente gebaut ist: das Wasser, das Weizenbrot, der Wein und das Olivenöl. Das Wasser als das Grundelement und die Grundbedingung allen Lebens ist das wesentliche Zeichen der Christwerdung in der Taufe, der Geburt ins neue Leben hinein. Während das Wasser das Lebenselement überhaupt ist und so den gemeinsamen Zugang aller zur neuen Geburt ins Christsein hinein darstellt, gehören die drei anderen Elemente der Kultur des Mittelmeerraums an. Sie verweisen so auf den konkreten geschichtlichen Raum, in dem das Christentum geworden ist. Gott hat an einer ganz bestimmten Stelle der Erde gehandelt, wirklich Geschichte mit den Menschen gemacht. Diese drei Elemente sind einerseits Gaben der Schöpfung und andererseits doch auch Ortsbezeichnungen der Geschichte Gottes mit uns. Sie sind eine Synthese von Schöpfung und Geschichte: Gaben Gottes, die uns immer an jene Orte der Welt knüpfen, in denen Gott mit uns in der Zeit der Geschichte handeln, einer von uns werden wollte.

In diesen drei Elementen gibt es wieder eine Stufung. Das Brot verweist auf den Alltag. Es ist die grundlegende Gabe des Lebens Tag um Tag. Der Wein verweist auf das Fest, auf die Köstlichkeit der Schöpfung, in der sich zugleich auf besondere Weise die Freude der Erlösten ausdrücken kann. Das Öl des Olivenbaumes hat umfassende Bedeutung. Es ist Nahrung, es ist Medizin, es gibt Schönheit, es rüstet zum Kampf und gibt Stärke. Die Könige und die Priester werden mit Öl gesalbt, das so Zeichen von Würde und Verantwortung wie auch der Kraft von Gott her ist. In unserem Namen „Christen“ ist das Geheimnis des Öls anwesend. Denn das Wort „Christen“, mit dem die Jünger Christi schon zu Beginn des Heidenchristentums benannt werden (vgl. Apg 11, 20f.), ist von dem Wort Christus her genommen – der griechischen Übersetzung des Wortes Messias, das „der Gesalbte“ bedeutet. Christsein heißt: Von Christus herkommen, zu Christus gehören, zu dem Gesalbten Gottes, zu dem, dem Gott das Königtum und das Priestertum geschenkt hat. Zu dem, den Gott selbst gesalbt hat – nicht mit materiellem Öl, sondern mit dem, wofür das Öl steht: mit seinem Heiligen Geist. Das Öl der Olive ist so in ganz besonderer Weise Symbol für das Durchdrungensein des Menschen Jesus mit dem Heiligen Geist.

In der Chrisam-Messe des Gründonnerstags stehen die heiligen Öle im Mittelpunkt der liturgischen Handlung. Sie werden in der Kathedrale vom Bischof geweiht für das ganze Jahr. So drücken sie auch die Einheit der Kirche aus, die durch das Bischofsamt gewährleistet wird und verweisen auf Christus, den wahren „Hirten und Bischof unserer Seelen“, wie der heilige Petrus ihn nennt (1 Petr 2, 25). Und sie halten zugleich das ganze liturgische Jahr zusammen, verankert im Geheimnis des Gründonnerstags. Endlich verweisen sie auf den Ölgarten, in dem Jesus sein Leiden von innen her angenommen hat. Der Ölgarten ist aber auch der Ort, von wo aus er zum Vater aufgestiegen ist und so der Ort der Erlösung: Gott hat Jesus nicht im Tod gelassen. Jesus lebt für immer beim Vater und ist eben deshalb allgegenwärtig, immer bei uns. Dieses doppelte Geheimnis des Ölbergs ist immer mit anwesend im sakramentalen Öl der Kirche. In vier Sakramenten ist das Öl Zeichen der Güte Gottes, die uns anrührt: in der Taufe, in der Firmung als dem Sakrament des Heiligen Geistes, in den verschiedenen Stufen des Weihesakraments und schließlich in der Krankensalbung, in der das Öl uns gleichsam als Medizin Gottes angeboten wird – als die Medizin, die uns jetzt seiner Güte versichert, uns stärken und trösten soll, die aber zugleich über den Augenblick der Krankheit hinaus auf die endgültige Heilung verweist, auf die Auferstehung (vgl. Jak 5, 14). So begleitet das Öl in seinen verschiedenen Formen uns das ganze Leben hindurch: vom Katechumenat und der Taufe angefangen bis in den Augenblick, da wir uns auf die Begegnung mit dem richtenden und rettenden Gott bereiten. Die Chrisam-Messe, in der uns das sakramentale Zeichen des Öls als Schöpfungssprache Gottes vor Augen gestellt wird, spricht schließlich in besonderer Weise uns Priester an: Sie spricht uns von Christus, den Gott zum König und zum Priester gesalbt hat – von Ihm, der uns an seinem Priestertum, an seiner „Salbung“ teilhaben lässt in unserer Weihe zum Priestertum.

So möchte ich versuchen, das Geheimnis dieses heiligen Zeichens nun noch kurz in seiner wesentlichen Beziehung zur priesterlichen Berufung auszulegen. In volkstümlichen Ethymologien hat man schon im Altertum das griechische Wort Elaion – Öl – mit dem Wort Eleos – Erbarmen – in Verbindung gebracht. In der Tat: Das geweihte Öl ist in den verschiedenen Sakramenten immer Zeichen der Barmherzigkeit Gottes. Die Salbung zum Priestertum bedeutet daher immer auch den Auftrag, das Erbarmen Gottes zu den Menschen zu bringen. In der Ampel unseres Lebens sollte das Öl des Erbarmens nie ausgehen. Holen wir es uns immer rechtzeitig beim Herrn – in der Begegnung mit seinem Wort, im Empfangen der Sakramente, im betenden Verweilen bei ihm.

Durch die Geschichte von der Taube mit dem Ölzweig, die das Ende der Flut und so den neuen Frieden Gottes mit der Welt der Menschen verkündete, ist nicht nur die Taube, sondern auch der Ölzweig und das Öl selber zum Symbol des Friedens geworden. Die Christen der ersten Jahrhunderte liebten es, die Grabstätten ihrer Toten mit Siegeskranz und Olivenzweig, dem Symbol des Friedens, zu schmücken. Sie wussten, dass Christus den Tod besiegt hat und dass ihre Toten im Frieden Christi ruhten. Dass sie selber von Christus erwartet wurden, der ihnen seinen Frieden verheißen hatte, den die Welt nicht geben kann. Sie erinnerten sich daran, dass das erste Wort des Auferstandenen an die Seinen lautete: Friede sei mit euch (Joh 20, 19). Er selbst bringt gleichsam den Ölzweig, trägt seinen Frieden in die Welt herein. Er verkündet Gottes rettende Güte. Er ist unser Friede. So sollten Christen Menschen des Friedens sein, die das Geheimnis des Kreuzes als Geheimnis der Versöhnung erkennen und leben. Christus siegt nicht durch das Schwert, sondern durch das Kreuz. Er siegt, indem er den Hass überwindet. Er siegt durch die Kraft seiner größeren Liebe. Das Kreuz Christi drückt das Nein zur Gewalt aus. Und gerade so ist es das Siegeszeichen Gottes, das den neuen Weg Jesu verkündigt. Der Leidende war stärker als die Inhaber der Gewalt. In der Hingabe am Kreuz hat Christus die Gewalt besiegt. Als Priester sind wir berufen, in der Gemeinschaft mit Jesus Christus Menschen des Friedens zu sein, der Gewalt entgegenzustehen und der größeren Macht der Liebe zu vertrauen.

Zur Symbolik des Öls gehört es auch, dass es stark macht zum Kampf. Das steht nicht gegen das Thema Friede, sondern ist ein Teil davon. Der Kampf der Christen bestand und besteht nicht im Gebrauch der Gewalt, sondern darin, dass sie für das Gute, für Gott zu leiden bereit waren und sind. Er besteht darin, dass die Christen sich als gute Staatsbürger an das Recht halten, das Rechte und das Gute tun. Er besteht darin, dass sie nicht tun, was in den geltenden Rechtsordnungen nicht Recht, sondern Unrecht ist. Der Kampf der Märtyrer bestand in ihrem konkreten Nein zum Unrecht: Indem sie sich dem Götzenkult, der Anbetung des Kaisers versagten, haben sie sich geweigert, sich vor der Unwahrheit zu beugen, vor der Anbetung von Menschen und ihrer Macht. Sie haben mit dem Nein zur Unwahrheit und zu allen ihren Folgen die Macht des Rechts und der Wahrheit aufgerichtet. So haben sie dem wirklichen Frieden gedient. Auch heute ist es für Christen wichtig, dem Recht zu folgen, das die Grundlage des Friedens ist. Auch heute ist es für Christen wichtig, Unrecht, das zu Recht erhoben wird, nicht anzunehmen – etwa wenn es um die Tötung unschuldiger ungeborener Kinder geht. Gerade so dienen wir dem Frieden, und gerade so sind wir auf der Spur Jesu Christi, von dem der heilige Petrus sagt: „Er wurde geschmäht, schmähte aber nicht; er litt, drohte aber nicht, sondern überließ seine Sache dem gerechten Richter. Er hat unsere Sünden mit seinem Leib auf das Holz des Kreuzes getragen, damit wir tot seien für die Sünde und für die Gerechtigkeit leben“ (1 Petr 2, 23f).

Die Kirchenväter waren fasziniert von einem Wort aus Ps 45 (44) – nach der Überlieferung der Hochzeitspsalm Salomons, der von den Christen neu gelesen wurde als der Hochzeitspsalm des neuen Salomon Jesus Christus mit seiner Kirche. Da wird dem König – Christus – gesagt: „Du liebst das Recht und hasst das Unrecht, darum hat Gott, dein Gott, dich gesalbt mit dem Öl der Freude wie keinen deiner Gefährten“ (v. 8). Was ist das – das Öl der Freude, mit dem der wahre König, Christus, gesalbt wurde? Die Kirchenväter hatten keinen Zweifel darüber: Das Öl der Freude ist der Heilige Geist selbst, der ausgegossen ist über Jesus Christus. Der Heilige Geist ist die von Gott kommende Freude. Von Jesus strömt diese Freude auf uns über in seinem Evangelium, in der frohen Botschaft, dass Gott uns kennt, dass er gut ist, dass seine Güte Macht ist über allen Mächten. Dass wir gewollt und geliebt sind von ihm. Die Freude ist Frucht der Liebe. Das Öl der Freude, das über Christus ausgegossen ist und von ihm zu uns kommt, ist der Heilige Geist, die Gabe der Liebe, die uns des Seins froh werden lässt. Weil wir Christus und in Christus den wahren Gott kennen, wissen wir, dass es gut ist, ein Mensch zu sein. Es ist gut zu leben, weil wir geliebt sind. Weil die Wahrheit selbst gut ist.

In der alten Kirche ist das geweihte Öl in besonderer Weise als Zeichen für die Gegenwart des Heiligen Geistes angesehen worden, der sich uns von Christus her mitteilt. Er ist das Öl der Freude. Diese Freude ist etwas anderes als der Spaß oder die äußere Lustigkeit, die sich die moderne Gesellschaft wünscht. Spaß ist an seinem rechten Ort durchaus etwas Gutes und Erfreuliches. Lachen zu können, ist gut. Aber Spaß ist nicht alles. Er ist nur ein kleiner Teil unseres Lebens, und wo er das Ganze sein will, wird er zur Maske, hinter der sich die Verzweiflung verbirgt oder doch mindestens der Zweifel, ob das Leben wirklich gut ist, ob es nicht besser wäre, nicht zu sein als zu sein. Die Freude, die von Christus auf uns zukommt, ist anders. Sie gibt uns Fröhlichkeit, ja, aber sie kann sehr wohl auch mit dem Leid zusammengehen. Sie gibt uns die Fähigkeit zu leiden und im Leiden doch zuinnerst froh zu bleiben. Sie gibt uns die Fähigkeit, das Leiden anderer mitzutragen und so im Füreinandersein das Licht und die Güte Gottes spürbar zu machen. Mir gibt immer die Erzählung in der Apostelgeschichte zu denken, dass die Apostel, nachdem der Hohe Rat sie hatte auspeitschen lassen, „sich freuten, dass sie gewürdigt worden waren, für seinen Namen Schmach zu erleiden“ (Apg 5, 41). Wer liebt, ist bereit, für den Geliebten und um seiner Liebe willen zu leiden und erfährt gerade so eine tiefere Freude. Die Freude der Märtyrer war stärker als die Qualen, die ihnen angetan wurden. Diese Freude hat letztlich gesiegt und Christus die Tore der Geschichte geöffnet. Als Priester sind wir, wie der heilige Paulus sagt, „Diener eurer Freude“ (2 Kor 1, 24). In der Frucht des Ölbaums, im geweihten Öl rührt uns die Güte des Schöpfers, die Liebe des Erlösers an. Bitten wir darum, dass seine Freude uns immer tiefer durchdringt und dass wir sie neu hineinzutragen vermögen in eine Welt, die der aus der Wahrheit kommenden Freude so dringend bedarf. Amen.

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Quelle

Papstpredigt während der Chrisam-Messe

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Papst Franziskus bei der Predigt in der Chrisam-Messe

Predigt von Papst Franziskus bei der Feier der Chariam-Messe am Donnerstagmorgen im Petersdom.

Als nach der Lektüre einer Prophetie des Jesaja aus dem Munde Jesu die Worte zu hören waren: » Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt « (Lk 4,21), hätte in der Synagoge von Nazareth eigentlich ein Beifall losbrechen müssen. Und dann hätten sie vor Freude weinen können, wie das Volk weinte, als Nehemia und der Priester Esra das Buch des Gesetzes vorlasen, das sie beim Wiederaufbau der Mauern entdeckt hatten (vgl. Neh 8,9). Doch die Evangelien berichten uns, dass unter den Landsleuten Jesu ganz andere Gefühle aufkamen: Sie trieben ihn fort und verschlossen ihm ihr Herz. Anfangs hatte » seine Rede bei allen Beifall [gefunden]; sie staunten darüber, wie begnadet er redete « (Lk 4,22), doch dann verbreitete sich eine heimtückische Frage: » Ist das nicht der Sohn Josefs, [des Zimmermanns]? « (ebd.) Und schließlich » gerieten sie alle in Wut « (Lk 4,28). Sie wollten ihn vom Felsen hinabstürzen… So erfüllte sich, was der greise Simeon der Mutter Jesu geweissagt hatte: » Er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird « (Lk 2,34). Jesus bewirkt mit seinen Worten und seinen Gesten, dass offenbar wird, was jeder Mensch in seinem Herzen trägt.

Und dort, wo der Herr das Evangelium der bedingungslosen Barmherzigkeit des Vaters gegenüber den Ärmsten, den am weitesten Entfernten und den am meisten Unterdrückten verkündet, genau dort sind wir aufgerufen, uns zu entscheiden, » den guten Kampf des Glaubens « (1 Tim 6,12) zu kämpfen. Der Kampf des Herrn richtet sich nicht gegen die Menschen, sondern gegen den Dämon (vgl. Eph 6,12), den Feind der Menschheit. Aber der Herr geht » mitten durch die Menge [derer] hindurch « (Lk 4,30), die ihn aufhalten wollen und setzt seinen Weg fort. Jesus kämpft nicht, um einen Raum der Macht zu festigen. Wenn er Umzäunungen niederreißt und Sicherheiten zur Diskussion stellt, dann tut er das, um eine Bresche zu öffnen für den Strom der Barmherzigkeit, den er gemeinsam mit dem Vater und dem Heiligen Geist auf die Erde gießen möchte. Eine Barmherzigkeit, die vom Guten zum Besseren fortschreitet, die etwas Neues verkündet und bringt, die heilt, befreit und ein Gnadenjahr des Herrn ausruft.

Die Barmherzigkeit unseres Gottes ist grenzenlos und unsagbar erhaben. Und die Dynamik dieses Geheimnisses drücken wir aus als eine „immer noch größere“ Barmherzigkeit, als eine Barmherzigkeit auf dem Weg, eine Barmherzigkeit, die jeden Tag nach der Möglichkeit sucht, einen Schritt voranzukommen, einen kleinen Schritt durch das Niemandsland dorthin, wo Gleichgültigkeit und Gewalt herrschten.

Das war die Dynamik des Samariters, der » barmherzig […] gehandelt hat « (Lk 10,37): Er hatte Mitleid, ging zu dem Verletzten hin, verband seine Wunden, brachte ihn in die Herberge, blieb in der Nacht dort und versprach, bei seiner Rückkehr eventuell noch anfallende Mehrkosten zu begleichen. Das ist die Dynamik der Barmherzigkeit, die eine kleine Geste mit der anderen verbindet und, ohne irgendeine Schwachheit zu beleidigen, sich in ihrer Hilfe und ihrer Liebe immer ein bisschen weiter ausstreckt. Jeder von uns kann, wenn er mit dem gütigen Blick Gottes das eigene Leben betrachtet, eine Gedächtnisübung machen und entdecken, wie der Herr uns gegenüber Barmherzigkeit hat walten lassen, wie er viel barmherziger war, als wir glaubten. Und so können wir Mut fassen ihn zu bitten, noch einen weiteren kleinen Schritt zu tun, dass er sich in Zukunft als noch viel barmherziger erweisen möge. » Erweise uns, Herr, deine Huld « (Ps 85,8). Diese in sich widersprüchliche Art, zu einem immer noch barmherzigeren Gott zu beten, hilft, jene engen Schablonen zu durchbrechen, in die wir den Überfluss seines Herzens so oft einzwängen. Es tut uns gut, aus unseren Einzäunungen hinauszutreten, denn es ist dem Herzen Gottes eigen, von Erbarmen überzulaufen, im Ausgießen seiner Zärtlichkeit überzuströmen, so dass immer etwas übrig bleibt. Denn es ist dem Herrn lieber, dass etwas verloren geht, als dass ein Tropfen fehlt; es ist ihm lieber, dass viele Samen von den Vögeln gefressen werden, als dass bei der Aussaat auch nur ein einziges Samenkorn fehlt, da alle die Fähigkeit haben, reiche Frucht zu tragen: dreißigfach, sechzigfach und bis zu hundertfach.

Als Priester sind wir Zeugen und Ausspender dieser immer noch größeren Barmherzigkeit unseres Vaters; wir haben die sanfte und Trost bringende Aufgabe, sie zu verkörpern – wie Jesus, der » umherzog, Gutes tat und alle heilte « (Apg 10,38) –, und dies in tausenderlei Art, damit sie alle erreiche. Wir können dazu beitragen, sie zu „inkulturieren“, damit jeder Mensch sie in seinem eigenen Leben empfängt und persönlich erfährt, so dass er sie verstehen und kreativ so in die Praxis umsetzen kann, wie es der besonderen Eigenart seines Volkes und seiner Familie entspricht.

Heute, an diesem Gründonnerstag des Jubiläumsjahres der Barmherzigkeit, möchte ich über zwei Bereiche sprechen, in denen der Herr sein Erbarmen im Übermaß walten lässt. Da er es ist, der uns das Beispiel gibt, müssen auch wir keine Angst haben zu übertreiben. Ein Bereich ist der der Begegnung; der andere ist der seiner Vergebung, die uns beschämt und uns Würde verleiht.

Der erste Bereich, in dem wir sehen, dass Gott eine immer noch größere Barmherzigkeit im Übermaß walten lässt, ist der Bereich der Begegnung. Er schenkt sich ganz und gar und zwar so, dass er in jeder Begegnung unmittelbar dazu übergeht, ein Fest zu feiern. Im Gleichnis vom barmherzigen Vater verblüfft uns dieser Mann, der tief bewegt seinem Sohn entgegenläuft, um ihm um den Hals zu fallen; wir sind verblüfft, wenn wir sehen, wie er ihn umarmt, ihn küsst und dafür sorgt, dass ihm der Ring an den Finger gesteckt wird, der ihm das Gefühl der Ebenbürtigkeit vermittelt, und die Sandalen angezogen werden, die ihn als Sohn kennzeichnen und nicht als Untergebenen; wenn wir dann sehen, wie er alle in Bewegung bringt und beauftragt, ein Fest zu organisieren. Wenn wir – immer neu staunend – dieses Übermaß der Freude des Vaters betrachten, dem die Rückkehr seines Sohnes erlaubt, rückhaltlos und ohne auf Distanz zu bleiben seiner Liebe freien Lauf zu lassen, dann dürfen wir keine Angst haben, in unserer Danksagung zu übertreiben. Die richtige Haltung können wir von jenem armen Aussätzigen übernehmen: Als er sieht, dass er geheilt ist, verlässt er seine neun Gefährten, die gehen, um den Auftrag Jesu zu erfüllen, und kehrt zurück, um sich dem Herrn zu Füßen zu werfen und mit lauter Stimme Gott zu loben und ihm zu danken.

Die Barmherzigkeit stellt alles wieder her und versetzt die Menschen in ihre ursprüngliche Würde zurück. Darum ist die überströmende Danksagung die richtige Antwort: Man muss sofort zum Fest schreiten, das entsprechende Gewand anziehen, den Groll des älteren Sohnes hinter sich lassen, sich freuen und feiern… Denn nur so, wenn man sich voll und ganz in diese Feststimmung begibt, kann man sich danach gründlich besinnen, kann man um Vergebung bitten und deutlicher sehen, wie man das angerichtete Übel wiedergutmachen kann. Es kann uns gut tun, uns zu fragen: Nachdem ich gebeichtet habe, feiere ich da? Oder gehe ich schnell zu anderen Dingen über – wie wenn wir nach dem Arztbesuch sehen, dass die Analysen nicht allzu schlecht ausgefallen sind, diese in ihren Umschlag zurückstecken und uns anderen Dingen zuwenden? Und wenn ich ein Almosen gebe, lasse ich dem, der es empfängt, die Zeit, seinen Dank auszudrücken, feiere ich sein Lächeln und jenen Segen, den die Armen uns spenden, oder fahre ich eilig mit meinen Angelegenheiten fort, nachdem ich „eine Münze habe fallen lassen“?

Der andere Bereich, in dem wir sehen, dass Gott eine immer noch größere Barmherzigkeit im Übermaß walten lässt, ist die Vergebung selbst. Er erlässt nicht nur unermessliche Schulden – wie dem Diener, der ihn anfleht und sich dann seinem Gefährten gegenüber als kleinlich erweist –, sondern er lässt uns von der zutiefst beschämenden Schande unmittelbar zur größten Würde übergehen, ohne Zwischenstufen. Der Herr lässt zu, dass die Sünderin, der vergeben wurde, ihm in einer familiären Vertrautheit mit ihren Tränen die Füße wäscht. Kaum gesteht Simon Petrus ihm seine Sünde und bittet ihn, auf Abstand von ihm zu gehen, schon erhebt Jesus ihn zum Menschenfischer. Wir hingegen neigen dazu, die beiden Haltungen voneinander zu trennen: Wenn wir uns der Sünde schämen, verbergen wir uns und lassen den Kopf hängen wie Adam und Eva, und wenn wir zu irgendeiner Würde erhoben worden sind, versuchen wir, die Sünden zu verbergen, und es gefällt uns, uns sehen zu lassen, uns gleichsam ins Rampenlicht zu stellen.

Unsere Antwort auf die überreiche Vergebung des Herrn müsste darin bestehen, immer in jener heilsamen Spannung zu bleiben zwischen einer würdevollen Beschämung und einer Würde, die sich zu schämen weiß – der Haltung dessen, der von sich aus danach trachtet, sich zu demütigen und zu erniedrigen, der aber fähig ist anzunehmen, dass der Herr ihn zum Wohl seiner Aufgabe erhöht, ohne deswegen persönliche Genugtuung zu empfinden. Das Vorbild, das vom Evangelium gewürdigt wird und das uns dienlich sein kann, wenn wir beichten, ist das des Petrus: Er lässt sich ausführlich über seine Liebe befragen und bekräftigt zugleich seine Bereitschaft zu dem Dienst, die Schafe zu weiden, die der Herr ihm anvertraut.

Um tiefer einzudringen in diese „Würde, die sich zu schämen weiß“ und die uns davor bewahrt, uns für mehr oder für weniger zu halten als das, was wir aus Gnade sind, kann es uns helfen zu sehen, wie der Abschnitt aus dem Buch Jesaja weitergeht, den der Herr heute in seiner Synagoge von Nazareth vorliest. Der Prophet sagt dort: » Ihr alle aber werdet „Priester des Herrn“ genannt, man sagt zu euch „Diener unseres Gottes“ « (61,6). Das arme, hungrige Volk in Kriegsgefangenschaft, ohne Zukunft, ein ausgesonderter Rest – dieses Volk ist es, das der Herr in ein priesterliches Volk verwandelt.

Als Priester identifizieren wir uns mit jenem ausgesonderten Volk, das der Herr rettet, und wir erinnern uns daran, dass es unzählige Mengen armer, ungebildeter, gefangener Menschen gibt, die sich in jener Situation befinden, weil andere sie unterdrücken. Aber wir erinnern auch daran, dass jeder von uns weiß, in welchem Maß wir oft blind sind und ohne das schöne Licht des Glaubens – nicht etwa weil wir nicht das Evangelium zur Hand hätten, sondern wegen eines Übermaßes an komplizierten Theologien. Wir spüren, dass unsere Seele dahinschwindet vor Durst nach Spiritualität, aber nicht aus Mangel an „lebendigem Wasser“ – das wir nur schlückchenweise trinken –, sondern aus einem Übermaß an Formen „prickelnder“ Spiritualität, an Spiritualitäten mit dem Prädikat „light“. Wir fühlen uns auch als Gefangene, nicht – wie viele Völker – umgeben von unübersteigbaren Mauern aus Stein oder von Drahtzäunen aus Stahl, sondern von einer virtuellen Weltlichkeit, die man mit einem einfachen „mouse click“ öffnen und schließen kann. Wir sind unterdrückt, aber nicht von Drohungen und Fußtritten wie viele arme Menschen, sondern vom Reiz tausender Konsumangebote, die wir nicht abschütteln können, um frei auf den Wegen zu gehen, die uns zur Liebe führen – Liebe zu unseren Brüdern und Schwestern, zur Herde des Herrn, zu den Schafen, die auf die Stimme ihres Hirten warten.

Und Jesus kommt, um uns zu befreien, uns herauszuholen, um uns von Armen und Blinden, von Gefangenen und Unterdrückten zu verwandeln in Ausspender von Barmherzigkeit und Trost. Und mit den Worten des Propheten Ezechiel an das Volk, das sich zur Dirne gemacht und seinen Herrn schwer verraten hatte, sagt er uns: » Ich will meines Bundes gedenken, den ich mit dir in deiner Jugend geschlossen habe […] Du sollst dich an dein Verhalten erinnern und dich schämen, wenn ich deine älteren und jüngeren Schwestern nehme und sie dir zu Töchtern gebe, aber nicht deshalb, weil du den Bund gehalten hättest. Ich selbst gehe einen Bund mit dir ein, damit du erkennst, dass ich der Herr bin. Dann sollst du dich erinnern, sollst dich schämen und vor Scham nicht mehr wagen, den Mund zu öffnen, weil ich dir alles vergebe, was du getan hast – Spruch Gottes, des Herrn. «  (Ez 16, 60-63).

In diesem Jubiläumsjahr feiern wir mit all der Dankbarkeit, zu der unser Herz fähig ist, unseren himmlischen Vater und bitten ihn, dass er „immer an sein Erbarmen denke“. Mit der Würde, die sich zu schämen weiß, nehmen wir die Barmherzigkeit im verwundeten Leib unseres Herrn Jesus Christus an und bitten ihn, uns von jeder Sünde reinzuwaschen und von allem Bösen zu befreien. Und mit der Gnade des Heiligen Geistes setzen wir uns ein, die Barmherzigkeit Gottes an alle Menschen weiterzugeben, indem wir die Werke tun, die der Geist in jedem Einzelnen anregt, zum gemeinsamen Wohl des gesamten gläubigen Gottesvolkes.

(rv 24.03.2016 ord)

JOHANNES PAUL II.: SCHREIBEN ZUM GRÜNDONNERSTAG 1998

25-12-012

L’ultimo incontro di don Giussani con Giovanni Paolo II, piazza San Pietro, 30 maggio 1998

SCHREIBEN VON
JOHANNES PAUL II.

An die Priester

ZUM GRÜNDONNERSTAG 1998

Liebe Brüder im Priesteramt!

Während Herz und Sinn auf das Große Jubiläum ausgerichtet sind, auf die Zweitausend-Jahrfeier der Geburt Christi und den Beginn des dritten christlichen Jahrtausends, möchte ich mit Euch den Geist des Herrn anrufen, dem die zweite Etappe des geistlichen Weges der unmittelbaren Vorbereitung auf das Heilige Jahr 2000 gewidmet ist.

Seinen liebevollen Eingebungen willig gehorchend, bereiten wir uns darauf vor, diese Zeit des Heils mit großer Anteilnahme zu leben, während wir vom Spender aller Gaben die notwendigen Gnaden erbitten, um die Zeichen des Heils zu erkennen und in voller Treue auf Gottes Ruf zu antworten.

Unser Priestertum ist mit dem Heiligen Geist und seiner Sendung eng verbunden. Am Tag der Priesterweihe hat der Auferstandene durch eine außerordentliche Ausgießung des göttlichen Beistandes in jedem von uns das erneuert, was er in den Jüngern am Abend des Ostertages gewirkt hatte. Zugleich hat er uns dazu eingesetzt, seine Sendung in der Welt fortzuführen (vgl. Joh 20,21-23). Dieses Geschenk des Geistes ist auf Grund seiner geheimnisvollen Heiligungsmacht Quelle und Ursprung des uns aufgetragenen besonderen Dienstes der Evangelisierung und Heiligung.

Der Gründonnerstag, der Tag, an dem wir das Gedächtnis des Herrenmahls feiern, stellt uns Jesus vor Augen, den Knecht, der gehorsam war bis zum Tod (vgl. Phil 2,8), und der die Eucharistie sowie das Weiheamt als einzigartige Zeichen seiner Liebe einsetzt. Er hinterläßt uns dieses außerordentliche Vermächtnis der Liebe, damit sich das Geheimnis seines Leibes und seines Blutes zu allen Zeiten und an allen Orten fortsetzt und die Menschen zur unerschöpflichen Quelle der Gnade hinzutreten können. Kann es für uns Priester einen angemesseneren und eindrucksvolleren Augenblick als diesen geben, um uns auf das zu besinnen, was der Heilige Geist in uns gewirkt hat, und seine Gaben zu erbitten, damit er uns immer mehr Christus, dem Priester des Neuen Bundes, gleichförmig mache?

1. Der Heilige Geist, der Leben schafft und heilig macht

Veni Creator Spiritus,
Mentes tuorum visita,
Imple superna gratia,
quae tu creasti pectora

Komm, Heiliger Geist, der Leben schafft,
erfülle uns mit deiner Kraft.
Dein Schöpferwort rief uns zum Sein:
nun hauch uns Gottes Odem ein.

Dieser alte liturgische Hymnus weckt in jedem Priester die Erinnerung an seinen Weihetag und an die bei dieser außerordentlichen Gelegenheit gefaßten Vorsätze zur vollen Verfügbarkeit für das Wirken des Heiligen Geistes. Er erinnert ihn auch an den besonderen Beistand des Parakleten und an die vielen Augenblicke der Gnade, Freude und Nähe, die ihn der Herr im Laufe seines Lebens verkosten lieb.

Wenn die Kirche im Nizäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis ihren Glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, bekennt, stellt sie klar die Rolle heraus, die er spielt, indem er die Wechselfälle menschlichen Lebens und besonders die der Jünger des Herrn auf dem Heilsweg begleitet.

Er ist der Schöpfergeist, den die Heilige Schrift an den Anfang der Menschheitsgeschichte als über dem Wasser schwebend (vgl. Gen1,2) und an den Beginn der Erlösung als Urheber der Menschwerdung des Wortes Gottes (vgl. Mt 1,20; Lk 1,35) stellt.

Eines Wesens mit dem Vater und dem Sohn, ist er »im absoluten Geheimnis des dreieinigen Gottes die „Liebe in Person“, das ungeschaffene Geschenk, das die ewige Quelle allen Schenkens Gottes in der Schöpfungsordnung ist sowie unmittelbarer Ursprung und gewissermaßen Subjekt der Selbstmitteilung Gottes in der Gnadenordnung. Das Geheimnis der Menschwerdung ist der Höhepunkt dieses Schenkens und dieser Selbstmitteilung« (Dominum et vivificantem, 50).

Der Heilige Geist lenkt das Leben Jesu auf Erden zum Vater hin. Dank seines geheimnisvollen Eingreifens wird der Sohn Gottes im Schoß der Jungfrau Maria empfangen (vgl. Lk 1,35) und wird Mensch. Und wiederum ist es der göttliche Geist, der, indem er bei der Taufe im Jordan in Gestalt einer Taube auf Jesus herabkommt, ihn als Sohn des Vaters bezeugt (vgl. Lk 3,21-22) und ihn gleich danach in die Wüste führt (vgl. Lk 4,1). Nach Überwindung der Versuchungen beginnt Jesus, erfüllt von der Kraft des Geistes (Lk4,14), seine Sendung: in Ihm ruft er voll Freude aus und preist den Vater wegen dessen liebevollen Planes (vgl. Lk 10,21); mit Ihm treibt er die Dämonen aus (vgl. Mt 12,28; Lk 11,20). In der dramatischen Stunde des Kreuzestodes bringt er sich selbst dar »kraft ewigen Geistes« (Hebr 9,14); durch ihn wird er dann auferweckt (vgl. Röm 8,11) und »eingesetzt als Sohn Gottes in Macht« (Röm1,4).

Am Abend des Ostertages sagt der Auferstandene zu den im Abendmahlssaal versammelten Aposteln: »Empfangt den Heiligen Geist« (Joh 20,22), und nachdem er dessen zukünftige Ausgießung verheißen hat, vertraut er ihnen mit der Sendung in die Welt das Heil der Brüder und Schwestern an: »Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,19-20).

Die Gegenwart Christi in der Kirche zu allen Zeiten und an allen Orten wird durch das Wirken des göttlichen Beistandes in den Herzen der Gläubigen lebendig und wirksam gemacht (vgl. Joh 14, 26). Der Geist ist auch für unsere Zeit »die Hauptkraft der Neuevangelisierung«; derjenige, »der im Laufe der Geschichte das Reich Gottes aufbaut und seine volle Offenbarwerdung in Jesus Christus dadurch vorbereitet, daß er die Menschen innerlich anregt und im menschlichen Erleben die Keime der endgültigen Rettung, die am Ende der Zeiten eintreten wird, aufgehen läßt« (Tertio millennio adveniente, 45).

2. Eucharistie und Weihe, Früchte des Heiligen Geistes

Qui diceris Paraclitus,
Altissimi donum Dei,
Fons vivus, ignis, caritas
Et spiritalis unctio.

Komm, Tröster, der die Herzen lenkt,
du Beistand, den der Vater schenkt
aus dir strömt Leben, Licht und Glut,
du gibst uns Schwachen Kraft und Mut.

Mit diesen Worten ruft die Kirche den Heiligen Geist als spiritalis unctio an, der Kraft und Mut schenkt. Kraft der Salbung durch den Heiligen Geist im unbefleckten Schoß Marias hat der himmlische Vater Christus zum ewigen Hohenpriester des Neuen Bundes geweiht, der sein Priestertum mit uns teilen wollte, indem er uns dazu berief, seine Sendung in der Geschichte zum Heil der Brüder und Schwestern fortzusetzen.

Am Gründonnerstag, Feria quinta in Cena Domini, sind wir Priester eingeladen, mit der ganzen Gemeinschaft der Gläubigen für das Geschenk der Eucharistie zu danken und uns der Gnade unserer außerordentlichen Berufung stärker bewußt zu werden. Wir werden auch angespornt, uns mit erneuertem Herzen und vollständiger Verfügbarkeit dem Handeln des Geistes anzuvertrauen, indem wir uns von Ihm Tag für Tag Christus, dem Hohenpriester, gleichgestalten lassen.

Das Johannesevangelium berichtet in geheimnisvollen und feinfühligen Worten über den ersten Hohen Donnerstag, an dem der Herr mit den Jüngern im Abendmahlssaal zu Tisch lag. »Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte«, erwies er »ihnen seine Liebe bis zur Vollendung« (Joh 13,1). Bis zur Vollendung! Bis zur Einsetzung der Eucharistie, der Vorwegnahme des Karfreitags, des Kreuzesopfers und des gesamten Ostergeheimnisses. Während des Letzten Abendmahls nimmt Christus das Brot in die Hände und spricht erstmals die Wandlungsworte: »Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird«. Gleich darauf spricht er über den mit Wein gefüllten Kelch die folgendenWandlungsworte: »Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden«, und fügt hinzu: »Tut dies zu meinem Gedächtnis«. So vollzieht sich in unblutiger Weise im Abendmahlssaal das Opfer des neuen Bundes, das am Tag danach, als Christus am Kreuz sagt: »Consummatum est« »Es ist vollbracht!« (Joh 19,30), blutig verwirklicht wird.

Dieses ein für allemal auf Golgota dargebrachte Opfer ist den Aposteln kraft des Heiligen Geistes als das Allerheiligste Sakrament der Kirche anvertraut. Vor den Wandlungsworten betet die Kirche, um das geheimnisvolle Eingreifen des Geistes zu erbitten: »Darum bitten wir dich, allmächtiger Gott: Heilige unsere Gaben durch deinen Geist, damit sie uns werden Leib und Blut unseres Herrn Jesus Christus, der uns aufgetragen hat, dieses Geheimnis zu feiern« (III. Eucharistisches Hochgebet). In der Tat, wie könnten menschliche Lippen ohne die Kraft des göttlichen Geistes bewirken, daß sich bis zum Ende der Zeiten Brot und Wein in den Leib und das Blut des Herrn verwandeln? Nur durch die Kraft des göttlichen Geistes kann die Kirche unaufhörlich das große Geheimnis des Glaubens bekennen: »Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit«.

Eucharistie und Weihe sind Früchte desselben Geistes: »Wie er in der heiligen Messe Urheber der Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi ist, so ist er im Sakrament des Ordo auch Urheber der Priester- oder Bischofsweihe« (Geschenk und Geheimnis, S. 51).

3. Die Gaben des Heiligen Geistes

Tu septiformis munere
Digitus paternae dexterae
Tu rite promissum Patris
Sermone ditans guttura.

Dich sendet Gottes Allmacht aus
im Feuer und in Sturmes Braus;
du öffnest uns den stummen Mund
und machst der Welt die Wahrheit kund.

Sollte man den Gaben des Heiligen Geistes, die die Tradition der Kirche, den biblischen und patristischen Quellen folgend, als heilige Siebenzahl bezeichnet, nicht besondere Aufmerksamkeit schenken? Diese Lehre fand große Beachtung in der scholastischen Theologie, die deren Bedeutung und Merkmale auch eingehend dargelegt hat.

»Gott (sandte) den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abbà, Vater!« (Gal 4,6). »Denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes … So bezeugt der Geist selber unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind« (Röm 8,14.16). Die Worte des Apostels Paulus erinnern uns daran, daß die grundlegende Gabe des Geistes die heiligmachende Gnade (gratia gratum faciens) ist, mit der man die theologalen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe sowie alle eingegossenen Tugenden (virtutes infusae) empfängt, die dazu befähigen, unter der Einwirkung des Geistes zu handeln. In der von der himmlischen Gnade erleuchteten Seele wird diese übernatürliche Ausrüstung durch die Gaben des Heiligen Geistes vervollständigt. Im Unterschied zu den Charismen, die zum Nutzen anderer geschenkt werden, werden diese Gaben allen angeboten, weil sie auf die Heiligung und Vervollkommnung der Person abzielen.

Ihre Namen sind bekannt. Der Prophet Jesaja nennt sie, während er die Gestalt des kommenden Messias beschreibt: »Der Geist des Herrn läßt sich nieder auf ihm: der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht« (Jes 11,2-3). Die Zahl der Gaben wird dann von den Fassungen von Septuaginta und Vulgata auf sieben erhöht, wobei die Frömmigkeit hinzugefügt und aus dem Jesajatext die Wiederholung der Gottesfurcht gestrichen wird.

Schon der hl. Irenäus erwähnt die Siebenzahl und fügt hinzu: »Dann hat Gott der Kirche diesen Geist geschenkt […], indem er seinen Beistand über die ganze Erde aussandte« (vgl. Adv. haereses III, 17,3). Der hl. Gregor der Große seinerseits erklärt die übernatürliche Dynamik, die vom Geist in die Seele eingegossen ist, und zählt die Gaben in umgekehrter Reihenfolge auf: »Denn durch die Gottesfurcht steigen wir auf zur Frömmigkeit, von der Frömmigkeit zur Erkenntnis, von der Erkenntnis erlangen wir die Stärke, von der Stärke den Rat, vom Rat schreiten wir fort zur Einsicht und mit der Einsicht zur Weisheit, und so wird uns durch die siebenförmige Gnade des Geistes am Ende des Aufstiegs der Eingang zum himmlischen Leben geöffnet« (Homiliae in Hezechielem, II, 7,7).

Weil die Gaben des Heiligen Geistes — so erklärt der Katechismus der Katholischen Kirche — eine besondere Sensibilisierung der menschlichen Seele und ihrer Fähigkeiten für das Handeln des Parakleten bedeuten, »vervollständigen und vervollkommnen (sie) die Tugenden derer, die sie empfangen. Sie machen die Gläubigen bereit, den göttlichen Eingebungen willig zu gehorchen« (Nr. 1831). Das moralische Leben der Christen wird also von solchen »bleibenden Anlagen (gestützt), die den Menschen geneigt machen, dem Antrieb des Heiligen Geistes zu folgen« (ebd., Nr. 1830). Durch sie wird der übernatürliche Organismus, der sich in jedem Menschen durch die Gnade herausbildet, zur Reife geführt. Denn die Gaben passen sich wunderbar unseren geistlichen Anlagen an, vervollkommnen sie und öffnen sie dem Handeln Gottes in besonderer Weise.

4. Einwirkung der Gaben des Heiligen Geistes auf den Menschen

Accende lumen sensibus
Infunde amorem cordibus;
Infirma nostri corporis
Virtute firmans perpeti.

Entflamme Sinne und Gemüt,
daß Liebe unser Herz durchglüht
und unser schwaches Fleisch und Blut
in deiner Kraft das Gute tut.

Durch den Geist macht Gott sich mit der Person vertraut und dringt immer mehr in die Welt des Menschen ein: »Der dreieinige Gott, der in sich selbst als transzendente Wirklichkeit eines interpersonalen Geschenkes „existiert“,verwandelt, indem er sich im Heiligen Geist dem Menschen als Geschenk mitteilt, die Welt des Menschen von innen her, vom Innern der Herzen und der Gewissen« (Dominum et vivificantem, 59).

Diese Wahrheit führt in der großen scholastischen Tradition dazu, dem Wirken des Heiligen Geistes im menschlichen Leben den Vorrang zu geben und die Heilsinitiative Gottes im moralischen Leben hervorzuheben: Ohne unsere Persönlichkeit auszulöschen und ohne uns der Freiheit zu berauben, erlöst er uns in einer Art, die unsere Erwartungen und Pläne übersteigt. Die Gaben des Heiligen Geistes gehen in diese Logik ein und sind »Vervollkommnungen des Menschen, die ihn dafür bereiten, der göttlichen Bewegung willig zu folgen« (Thomas von Aquin, Summa Theologiae I-II, q. 68, a. 2).

Mit den sieben Gaben wird dem Gläubigen in der Freiheit, die den Kindern Gottes eigen ist, die Möglichkeit zu einer innigen persönlichen Beziehung zum Vater gegeben. Das unterstreicht der hl. Thomas, indem er beschreibt, wie der Heilige Geist uns anleitet, nicht aus Zwang, sondern aus Liebe zu handeln: »Die Kinder Gottes« — so stellt er fest — »werden vom Heiligen Geist in Freiheit bewegt, aus Liebe, nicht als Knechte aus Furcht« (Contra Gentes, IV, 22). Der Geist macht das Tun des Christen gottförmig, was bedeutet, daß es im Einklang steht mit der göttlichen Weise zu denken, zu lieben und zu handeln. Auf diese Weise wird der Gläubige zu einem erkennbaren Zeichen der Heiligsten Dreifaltigkeit in der Welt. Gestützt von der Freundschaft des Parakleten, vom Licht des Wortes und von der Liebe des Vaters, kann er sich mutig vornehmen, die göttliche Vollkommenheit nachzuahmen (vgl. Mt5,48).

Der Geist übt seinen Einfluß in zwei Bereichen aus, woran mein ehrwürdiger Vorgänger, der Diener Gottes Paul VI., erinnert hat: »Der erste Bereich ist derjenige der einzelnen Seelen …, unser Ich: in dieser uns selbst oft unbekannten innersten Kammer unserer Existenz tritt das Wehen des Heiligen Geistes ein; er breitet sich in der Seele durch jenes erste und höchste Charisma aus, das wirGnade nennen. Sie ist wie ein neues Leben und macht die Seele unverzüglich zu Handlungen fähig, die ihre natürliche Leistungsfähigkeit übersteigen«. Der zweite Bereich, »in dem sich die Tugend von Pfingsten ausbreitet«, ist »der sichtbare Leib der Kirche … Gewiß weht der Geist, wo er will (vgl. Joh 3,8); aber in der von Christus eingesetzten Heilsökonomie durchläuft der Heilige Geist den Kanal des apostolischen Amtes«. Kraft dieses Amtes wird den Priestern die Vollmacht gegeben, den Heiligen Geist den Gläubigen zu vermitteln. Dies geschieht »in der authentischen Verkündigung des Wortes Gottes, zu der sie beauftragt sind, in der Leitung des christlichen Volkes und in der Spendung der Sakramente (vgl. 1 Kor 4,1), der Quellen der Gnade, das heißt des heiligmachenden Wirkens des Parakleten« (Homilie zum Pfingstfest, 25. Mai 1969).

5. Die Gaben des Heiligen Geistes im Leben des Priesters

Hostem repellas longius,
Pacemque dones protinus:
Ductore sic te praevio
Vitemus omne noxium.

Die Macht des Bösen banne weit,
schenk deinen Frieden allezeit.
Erhalte uns auf rechter Bahn,
daß Unheil uns nicht schaden kann.

Der Heilige Geist stellt im menschlichen Herzen die volle Harmonie mit Gott wieder her und, indem er es des Sieges über den Bösen versichert, öffnet er es für die universalen Dimensionen der göttlichen Liebe. Auf diese Weise läßt er den Menschen von der Selbstliebe zur Liebe der Dreifaltigkeit übergehen, während er ihn zur Erfahrung der inneren Freiheit und des Friedens führt und dazu anleitet, sein Leben zu einem Geschenk zu machen. Durch die heilige Siebenzahl führt der Geist den Getauften zur vollen Gleichförmigkeit mit Christus und zur vollständigen Übereinstimmung mit den Plänen des Reiches Gottes.

Während das der Weg ist, auf dem der Heilige Geist jeden Getauften freundlich führt, achtet er doch besonders auf diejenigen, die die heilige Weihe empfangen haben, damit sie ihren anspruchsvollen Dienst angemessen erfüllen. So führt der Geist den Priester durch die Gabe der Weisheit dahin, alles im Licht des Evangeliums abzuwägen, während er ihm hilft, in den eigenen Angelegenheiten und in denen der Kirche den verborgenen und liebevollen Plan des Vaters zu erkennen; durch die Einsicht fördert er in ihm eine Vertiefung der offenbarten Wahrheit, indem er ihn drängt, die frohe Heilsbotschaft mit Überzeugung und Entschlossenheit zu verkünden; durch die Gabe des Rates erleuchtet der Geist den Diener Christi, damit er das eigene Tun gemäß den Ausblicken der Vorsehung auszurichten weiß, ohne sich von den Meinungen der Welt beeinflussen zu lassen; durch die Gabe der Stärke stützt er ihn in den Schwierigkeiten des Dienstes, indem er ihm die notwendige »parresia« in der Verkündigung des Evangeliums gibt (vgl. Apg 4,29.31); durch die Gabe der Wissenschaft macht er ihn bereit, die bisweilen geheimnisvolle Verflechtung der Zweit-Ursachen mit der Erst-Ursache in den Vorgängen des Kosmos zu erfassen und anzunehmen; durch die Gabe der Frömmigkeit belebt er in ihm die Beziehung enger Gemeinschaft mit Gott und vertrauensvoller Hingabe an seine Vorsehung; durch die Gottesfurcht, der letzten in der Reihe der Gaben, festigt der Geist im Priester das Bewußtsein der eigenen menschlichen Hinfälligkeit und der unerläßlichen Rolle der göttlichen Gnade, weil »weder der etwas (ist), der pflanzt, noch der, der begießt, sondern nur Gott, der wachsen läßt« (1 Kor 3,7).

6. Der Heilige Geist führt in das dreifaltige Leben ein

Per te sciamus da Patrem,
Noscamus atque Filium,
Teque utriusque Spiritum
Credamus omni tempore.

Laß gläubig uns den Vater sehn,
sein Ebenbild, den Sohn, verstehn
und dir vertraun, der uns durchdringt
und uns das Leben Gottes bringt.

Wie beeindruckend ist es, sich den Priester mit diesem Hymnus auf den Lippen vorzustellen, während er zusammen mit den Gläubigen, die seiner pastoralen Sorge anvertraut sind, dem Herrn entgegengeht! Er will mit ihnen zur wahren Erkenntnis des Vaters und des Sohnes gelangen und so von der Erfahrung, die vom Werk des Parakleten in der Geschichte nur rätselhafte Umrisse wie in einem Spiegel sieht (vgl. 1 Kor 13,12), zur Anschauung der lebendig pulsierenden dreifaltigen Wirklichkeit »von Angesicht zu Angesicht« (ebd.) gelangen. Er ist sich wohl bewußt, »auf kleinen Booten eine lange Überfahrt« vor sich zu haben und sich auf dem Weg zum Himmel »kleiner Flügel zu bedienen« (Gregor von Nazianz, Carmina, 1); aber er weiß auch, daß er auf den zählen kann, der den Auftrag hatte, die Jünger alles zu lehren (vgl. Joh 14,26).

Weil er gelernt hat, die Zeichen der Liebe Gottes in seiner persönlichen Lebensgeschichte zu lesen, wird der Priester, wenn sich allmählich die Stunde der entscheidenden Begegnung mit dem Herrn nähert, sein Gebet immer mehr verstärken in dem Wunsch, sich mit gereiftem Glauben dem Willen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zu übergeben.

Der Paraklet, »die Leiter unseres Aufstiegs zu Gott« (Irenäus, Adversus haereses, III, 24,1), zieht ihn zum Vater, indem er ihm den brennenden Wunsch ins Herz legt, sein Antlitz zu sehen. Er läßt ihn alles, was den Sohn betrifft, verstehen, indem er ihn zu Ihm mit wachsender Sehnsucht hinzieht. Er erleuchtet ihn in bezug auf das Geheimnis seiner Person selbst, indem er ihn seine Gegenwart im eigenen Herzen und in der Geschichte spüren und erkennen läßt.

Unter Freuden und Mühen, Leiden und Hoffnungen des Dienstes lernt der Priester, auf den endgültigen Sieg der Liebe dank des zuverlässigen Handelns des göttlichen Beistands zu vertrauen, der trotz der Begrenzungen der Menschen und Institutionen die Kirche dazu führt, das Geheimnis der Einheit und der Wahrheit voll zu leben. Er weiß also, daß er sich auf die Kraft des Wortes Gottes verlassen kann, die jedes menschliche Wort übersteigt, und auf die Kraft der Gnade, die die Sünden und Unzulänglichkeiten der Menschen überwindet. Das macht ihn stark, trotz der menschlichen Hinfälligkeit im Augenblick der Prüfung, und bereit, mit dem Herzen in den Abendmahlssaal zurückzukehren, wo er, im Gebet mit Maria und den Brüdern verharrend, den notwendigen Enthusiasmus wiederfinden kann, um die Mühe des apostolischen Dienstes erneut auf sich zu nehmen.

7. Ausgestreckt in der Gegenwart des Heiligen Geistes

Deo Patri sit gloria,
et Filio, qui a mortuis
Surrexit, ac Paraclito,
In saeculorum saecula.
Amen.

Den Vater auf dem ewigen Thron
und seinem auferstandenen Sohn,
dich, Odem Gottes, Heiliger Geist,
auf ewig Erd und Himmel preist.
Amen.

Während wir heute am Gründonnerstag über den Ursprung unseres Priestertums nachdenken, kommt jedem von uns der höchst eindrucksvolle liturgische Augenblick in den Sinn, als wir am Tag unserer Priesterweihe auf dem Boden ausgestreckt lagen. Jene Geste tiefer Demut und gehorsamer Bereitschaft war höchst angemessen, um uns innerlich auf die sakramentale Handauflegung zu bereiten, durch die der Heilige Geist in unser Inneres trat, um sein Werk zu tun. Nachdem wir uns vom Boden erhoben hatten, haben wir uns vor dem Bischof niedergekniet, um die Priesterweihe zu empfangen. Dann hat er uns die Hände gesalbt für die Feier des heiligen Meßopfers. Dabei sang die Gemeinde: »Lebendiges Wasser, Feuer, Liebe, heiliges Chrisam der Seele«.

Diese symbolischen Gesten, die die Gegenwart und das Wirken des Heiligen Geistes andeuten, laden uns ein, jeden Tag an dieses Erlebnis zu denken, um in uns seine Gaben zu festigen. Denn es ist wichtig, daß er in uns weiterwirkt und daß wir unter seinem Einfluß fortschreiten, aber noch mehr, daß er selbst durch uns handelt. Wenn die Versuchung gefährlich wird und die menschlichen Kräfte erlahmen, ist der Augenblick gekommen, noch inniger den Heiligen Geist anzurufen, damit er unserer Schwachheit zu Hilfe kommt und uns eingibt, klug und stark zu sein, wie Gott es will. Es ist notwendig, das Herz ständig diesem Einwirken offen zu halten, das die Kräfte des Menschen erhebt und veredelt sowie jene geistliche Tiefe verleiht, die zur Erkenntnis und Liebe des unbegreiflichen Geheimnisses Gottes führt.

Liebe Brüder im Priesteramt! Die feierliche Anrufung des Heiligen Geistes und die während der Priesterweihe vollbrachte eindrucksvolle Geste der Demut haben auch in unserem Leben das fiat der Verkündigung widerhallen lassen. In der Stille von Nazareth übereignet sich Maria für immer dem Willen des Herrn und empfängt durch den Heiligen Geist Christus, das Heil der Welt. Dieser Gehorsam des Anfangs durchzieht ihr ganzes irdisches Leben und gipfelt zu Füßen des Kreuzes.

Der Priester ist berufen, ständig sein fiat mit dem Marias zu messen, indem er sich wie sie vom Geist führen läßt. Die Jungfrau wird ihn in seinem Entschluß zur evangelischen Armut unterstützen sowie zum bescheidenen und ehrlichen Zuhören der Brüder und Schwestern bereit machen, um in ihren Schicksalen und ihren Strebungen die »Seufzer des Geistes« (vgl. Röm 8,26) zu vernehmen; er wird ihn dazu befähigen, seinen Mitmenschen mit erleuchtetem Feingefühl zu dienen, um sie nach den Werten des Evangeliums zu bilden; er wird ihn in der Absicht bestärken, mit Eifer nach dem zu streben, was oben ist (vgl. Kol 3,1), um glaubwürdiger Zeuge dafür zu sein, daß Gott der Vorrang gebührt.

Die Jungfrau Maria wird ihm helfen, das Geschenk der Keuschheit als Ausdruck einer größeren Liebe zu empfangen, das der Geist im Hinblick darauf weckt, daß eine große Schar von Brüdern und Schwestern zum göttlichen Leben wiedergeboren werden. Sie wird ihn auf den Weg des evangelischen Gehorsams führen, damit er sich über die eigenen Pläne hinaus vom Parakleten zur vollen Zustimmung zu den Absichten Gottes leiten läßt.

Von Maria begleitet, wird der Priester jeden Tag seine Weihe zu erneuern wissen, bis er unter der Führung des Geistes, den er mit Zuversicht auf dem menschlichen und priesterlichen Weg angerufen hat, in das Meer des Lichtes der Dreifaltigkeit eingeht.

Ich rufe auf Euch alle auf die Fürsprache Marias, der Mutter der Priester, eine besondere Ausgießung des Geistes der Liebe herab.

Komm, Heiliger Geist! Komm und mach unseren Dienst für Gott und an den Brüdern und Schwestern fruchtbar!

Indem ich meine Zuneigung Euch gegenüber erneuere und euch jeglichen göttlichen Trost für Euer Amt wünsche, erteile ich Euch aus ganzem Herzen den besonderen Apostolischen Segen.

Aus dem Vatikan, am 25. März, dem Hochfest der Verkündigung des Herrn 1998 im 20. Jahr des Pontifikates.

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Quelle

JOHANNES PAUL II. AN DIE PRIESTER ZUM GRÜNDONNERSTAG 2004

3263774

SCHREIBEN DES HEILIGEN VATERS
JOHANNES PAUL II.
AN DIE PRIESTER
ZUM GRÜNDONNERSTAG 2004

 

Liebe Priester!

1. Mit Freude und Zuneigung schreibe ich Euch zum Gründonnerstag und setze damit die Tradition fort, die ich an meinem ersten Osterfest als Bischof von Rom vor 25 Jahren begonnen habe. Dieser briefliche Termin, dem wegen der gemeinsamen Teilhabe am Priestertum Christi ein besonders brüderlicher Charakter zu eigen ist, steht im liturgischen Kontext dieses heiligen Tages, den zwei bedeutende Riten kennzeichnen: die Chrisam-Messe am Morgen und die Liturgie in Cena Domini am Abend.

Ich denke an Euch, die Ihr zunächst in den Kathedralen Eurer Diözesen um Euren Bischof versammelt seid, um Eure Bereitschaftserklärung zum priesterlichen Dienst zu erneuern. Dieser ausdrucksvolle Ritus erfolgt vor der Weihe der heiligen Öle, insbesondere des Chrisams, und fügt sich gut in diese Feier ein, die das Bild der Kirche, des priesterlichen Volkes, hervorhebt. Es ist durch die Sakramente geheiligt und ausgesandt worden, den Wohlgeruch Christi, des Erlösers (vgl. 2 Kor 2,14-16), in der Welt zu verbreiten.

Wenn sich der Tag neigt, sehe ich Euch in den Abendmahlssaal eintreten, um das Oster- Triduum zu beginnen. Jeden Gründonnerstag lädt uns Jesus ein, in eben jenen »Raum im Obergeschoß« (Lk 22,12) zurückzukehren. Gerade dort treffe ich besonders gern mit Euch, geliebte Brüder im Priesteramt, zusammen. Beim Letzten Abendmahl sind wir als Priester geboren worden: Deswegen ist es schön und richtig, daß wir uns im Abendmahlssaal einfinden, um voller Dank das Gedächtnis des hohen Auftrags, der uns verbindet, miteinander zu teilen.

2. Wir sind aus der Eucharistie geboren. Was wir von der ganzen Kirche behaupten, daß sie nämlich von der Eucharistie lebt (de Eucharistia vivit), wie ich in der letzten Enzyklika bekräftigen wollte, können wir ebenso vom Amtspriestertum sagen: es hat seinen Ursprung in, lebt von, wirkt und bringt Frucht aus der Eucharistie (vgl. Konzil von Trient, 22. Sitzung, can. 2: DH 1752). »Ohne Priestertum gibt es keine Eucharistie, so wie es kein Priestertum ohne Eucharistie gibt« (Geschenk und Geheimnis. Zum 50. Jahr meiner Priesterweihe, Graz, 1996, S. 82f).

Das Weihepriestertum, das niemals auf den bloß funktionalen Aspekt reduziert werden kann, weil es der Seins-Ebene angehört, befähigt den Priester, in persona Christi zu handeln, und gipfelt im Augenblick, in dem er mittels der Wiederholung der Akte und Worte Jesu beim Letzten Abendmahl Brot und Wein verwandelt.

Angesichts dieser außergewöhnlichen Wirklichkeit sind wir voller Staunen und Bewunderung: So groß ist die sich selbst entäußernde Demut, mit der sich Gott an den Menschen binden wollte! Wenn wir schon bewegt vor der Krippe in der Betrachtung der Menschwerdung des Wortes verweilen, was empfinden wir dann erst gegenüber dem Altar, auf dem Christus sein Opfer durch die armseligen Hände des Priesters in der Zeit gegenwärtig setzt? Es bleibt uns nur, die Knie zu beugen und in Stille dieses höchste Glaubensgeheimnis anzubeten.

3. »Mysterium fidei« ruft der Priester nach der Wandlung. Ein Geheimnis des Glaubens ist die Eucharistie; folglich ist aber auch das Priestertum selbst ein Geheimnis des Glaubens (vgl. ebd.). Das gleiche Geheimnis der Heiligung und der Liebe, ein Werk des Heiligen Geistes, wodurch Brot und Wein zu Leib und Blut Christi werden, vollzieht sich ebenso in der Person des Priesters im Augenblick seiner Weihe. Daher besteht eine spezifische Wechselseitigkeit zwischen der Eucharistie und dem Priestertum, die auf den Abendmahlssaal zurückgeht: Es handelt sich um zwei gemeinsam geborene Sakramente, deren Los untrennbar bis ans Ende der Welt miteinander verbunden ist.

Hier berühren wir jenen Punkt, den ich die »Apostolizität der Eucharistie« genannt habe (vgl. Enzyklika Ecclesia de Eucharistia, 26-33). Das Sakrament der Eucharistie — wie jenes der Versöhnung — wurde von Christus den Aposteln anvertraut und von ihnen und ihren Nachfolgern von Generation zu Generation weitergegeben. Am Beginn seines öffentlichen Lebens rief und setzte der Messias die Zwölf ein, »die er bei sich haben« und aussenden wollte (vgl. Mk 3,14-15).

Beim Letzten Abendmahl erreichte das »Bei-Jesus- Sein« für die Apostel seinen Höhepunkt. In der Feier des Paschamahls und durch die Einsetzung der Eucharistie vollendete der göttliche Lehrer ihre Berufung. Mit den Worten »Tut dies zu meinem Gedächtnis«besiegelte er ihre Sendung mit der Eucharistie und erteilte ihnen den Auftrag, diese heiligste Handlung fortzusetzen, wobei er die Jünger in der sakramentalen Gemeinschaft mit sich verband.

Während er die Worte »Tut dies …« aussprach, richteten sich seine Gedanken auf die Nachfolger der Apostel, auf diejenigen, die ihre Sendung weiterzuführen hatten, um die Speise des Lebens bis an die äußersten Grenzen der Welt auszuteilen. So sind im Abendmahlssaal in einem gewissen Sinn auch wir persönlich, jeder einzelne, »in brüderlicher Liebe« (Präfation vom Gründonnerstag – Chrisam-Messe) gerufen worden, liebe Brüder im Priesteramt, um aus den heiligen und ehrwürdigen Händen des Herrn das eucharistische Brot zu empfangen, das dem auf den Straßen der Zeit zur ewigen Heimat pilgernden Volk Gottes zur Speise gebrochen wird.

4. Die Eucharistie, wie auch das Priestertum, ist eine Gabe Gottes, »die auf radikale Weise die Vollmacht der Gemeinde überragt« und die sie »durch die auf die Apostel zurückgehende Sukzession der Bischöfe empfängt« (Enzyklika Ecclesia de Eucharistia, 29). Das Zweite Vatikanische Konzil lehrt, daß »der Amtspriester … kraft seiner heiligen Gewalt … in der Person Christi das eucharistische Opfer vollzieht und es im Namen des ganzen Volkes Gott darbringt« (Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, 10). Die Gemeinde der Gläubigen, eins im Glauben und im Geist und reich an vielfältigen Gaben, auch wenn sie den Ort bildet, an dem Christus »seiner Kirche immerdar gegenwärtig ist, besonders in den liturgischen Handlungen« (Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, 7), kann allein weder die Eucharistie »machen«, noch sich selbst einen geweihten Priester »geben«.

Während das christliche Volk einerseits Gott für die Gabe der Eucharistie und des Priestertums dankt, bittet es daher andererseits mit Recht unablässig darum, daß in der Kirche niemals Priester fehlen mögen. Die Anzahl der Priester ist niemals ausreichend, um den wachsenden Anforderungen der Evangelisierung und der Seelsorge an den Gläubigen zu genügen. In einigen Teilen der Welt macht sich der Priestermangel heute in bedrängenderer Weise bemerkbar, da sich die Anzahl der Priester verringert, ohne daß es einen hinreichenden Generationenaustausch gäbe. Anderswo herrscht, Gott sei Dank, ein vielversprechender Frühling an Berufungen. Überdies nimmt im Volk Gottes immer mehr das Bewußtsein dafür zu, daß man um Priester- und Ordensberufungen beten und für sie aktiv wirken muß.

5. Ja, die Berufungen sind eine Gabe Gottes, um die wir unaufhörlich flehen müssen. Dem Aufruf Jesu folgend müssen wir vor allem den Herrn der Ernte bitten, Arbeiter für seine Ernte auszusenden (vgl. Mt 9,38). Das durch die stille Hingabe des Leidens im Wert erhöhte Gebet ist hierbei das erste und wirksamste Mittel der Berufungspastoral. Beten heißt den Blick fest auf Christus richten und darauf vertrauen, daß von ihm selbst, dem einzigen Hohenpriester, und aus seinem göttlichen Opfer durch das Wirken des Heiligen Geistes in überreichem Maß die in jeder Zeit für das Leben und die Sendung der Kirche nötigen Berufungskeime hervorgehen.

Verweilen wir im Abendmahlssaal und betrachten wir den Erlöser, wie er beim Letzten Abendmahl die Eucharistie und das Priestertum eingesetzt hat. In jener heiligen Nacht hat er jeden einzelnen Priester aller Zeiten beim Namen gerufen. Sein Blick wendet sich jedem von ihnen zu. Es ist ein liebevoller und aufmerksamer Blick wie jener, der auf Simon und Andreas, auf Jakobus und Johannes ruhte, auf Natanaël unter dem Feigenbaum und auf Matthäus, der am Zoll saß. So hat Jesus auch uns berufen und auf mannig- fachen Wegen fährt er fort, viele andere in seinen Dienst zu nehmen.

Aus dem Abendmahlssaal heraus wird Jesus nicht müde, zu suchen und zu berufen: hier liegen der Ursprung und die immerwährende Quelle einer echten Berufungspastoral für das Priestertum. Ihr fühlen wir uns, Brüder, zuvorderst verpflichtet. Seien wir bereit, denen beizustehen, die er für sein Priestertum ausersehen hat, auf daß sie großherzig seinem Ruf Folge leisten.

Zuallererst und mehr als jede andere Berufungsinitiative ist unsere persönliche Treue unerläßlich. In der Tat kommt es auf unsere Christusbindung an, auf unsere Liebe, die wir für die Eucharistie hegen, auf die Inbrunst, mit der wir sie feiern, auf die Andacht, mit der wir sie anbeten, und auf den Eifer, mit dem wir sie den Brüdern und Schwestern, insbesondere den Kranken spenden. Jesus Christus, der Hohepriester, fährt fort, persönlich Arbeiter in seinen Weinberg zu rufen, aber seit den Anfängen wollte er dazu auf unsere aktive Mitarbeit angewiesen sein. Priester, die von wahrer Liebe zur Eucharistie erfüllt sind, vermögen den Kindern und Jugendlichen das »Staunen über die Eucharistie« zu vermitteln, das ich mit der Enzyklika Ecclesia de Eucharistia neu zu wecken beabsichtigt habe (vgl. Nr. 6). Im allgemeinen sind es gerade solche Priester, die junge Menschen für den Weg zum Priestertum begeistern, wie es vielleicht auch die Geschichte unserer eigenen Berufung zeigen kann.

6. Gerade in diesem Licht sollt Ihr, liebe Brüder im Priesteramt, der Sorge für die Ministranten neben anderen Initiativen den Vorzug geben. Diese stellen sozusagen ein »Gewächshaus« für Priesterberufungen dar. Wenn die Ministrantenschar in der Pfarrgemeinde von Euch gut geführt und begleitet wird, kann sie einen echten Weg christlichen Wachsens durchlaufen und gewissermaßen eine Art Vorseminar bilden. Erzieht die Pfarrgemeinde, die gleichsam die Familie der Familien ist, dazu, in den Ministranten ihre Kinder zu erblicken, die »wie junge Ölbäume rings um den Tisch« Christi, des Brotes des Lebens, versammelt sind (vgl. Ps 128, 3).

Ihr begleitet mit fürsorglichem Eifer die Ministranten, indem Ihr Euch der Mitarbeit der dafür am meisten offenen Familien und der Katecheten bedient. So lerne jeder Ministrant durch den Dienst am Altar den Herrn Jesus Christus immer mehr lieben; er erkenne ihn in der Eucharistie als wahrhaft gegenwärtig und finde an der Schönheit der Liturgie Gefallen! Alle Initiativen für Ministranten auf diözesaner Ebene oder in Seelsorgeeinheiten sind zu fördern und zu unterstützen, wobei den verschiedenen Altersstufen Rechnung getragen werden muß. In den Jahren meines bischöflichen Dienstes in Krakau konnte ich feststellen, wie nutzbringend der Einsatz für ihre menschliche, geistliche und liturgische Bildung ist. Wenn Kinder und Jugendliche den Dienst am Altar mit Freude und Enthusiasmus verrichten, geben sie ihren Altersgenossen ein beredtes Zeugnis der Bedeutung und der Schönheit der Eucharistie. Dank des starken Vorstellungsvermögens, das ihr Alter auszeichnet, und mit der Hilfe der Erklärungen und Beispiele der Priester und ihrer älteren Kameraden können auch die Kleinsten im Glauben wachsen und sich für die geistliche Wirklichkeit begeistern.

Vergeßt schließlich nicht, daß Ihr die ersten »Apostel« des Hohenpriesters Jesus seid: Euer Zeugnis zählt mehr als jedes andere Hilfsmittel. In der Regelmäßigkeit Eurer sonntäglichen und werktäglichen Meßfeiern begegnen Euch die Ministranten: Durch Eure Hände sehen sie die Eucharistie »geschehen«, auf Eurem Gesicht lesen sie den Widerschein des Geheimnisses und in Euren Herzen erahnen sie den Anruf einer größeren Liebe. Seid ihnen Väter, Lehrer und Zeugen der eucharistischen Frömmigkeit und der Heiligkeit des Lebens!

7. Liebe Brüder im Priesteramt, Euer besonderer Auftrag in der Kirche erfordert, daß Ihr »Freunde« Christi seid, die sein Antlitz unablässig betrachten und sich lernbereit in die Schule Marias begeben. Betet ohne Unterlaß, wie der Apostel mahnt (vgl. 1 Thess5,17), und ladet die Gläubigen dazu ein, um Berufungen zu beten, wie auch um das Durchhalten der Berufenen im priesterlichen Leben und für die Heiligung aller Priester. Helft Euren Gemeinden, immer mehr das einzigartige »Geschenk und Geheimnis« des Weihepriestertums zu lieben.

In der Gebetsatmosphäre des Gründonnerstags kommen mir einige Anrufungen aus der Litanei zu Jesus Christus, dem Priester und Opfer, in den Sinn (vgl. Geschenk und Geheimnis. Zum 50. Jahr meiner Priesterweihe, S. 108-117), die ich seit vielen Jahren mit großem persönlichen Gewinn bete:

Iesu, Sacerdos et Victima,
Iesu, Sacerdos qui in novissima Cena formam sacrificii perennis instituisti,
Iesu, Pontifex ex hominibus assumpte,
Iesu, Pontifex pro hominibus costitute,
Iesu, Pontifex qui tradidisti temetipsum Deo oblationem et hostiam,
miserere nobis!

Ut pastores secundum cor tuum populo tuo providere digneris,
ut in messem tuam operarios fideles mittere digneris,
ut fideles mysteriorum tuorum dispensatores multiplicare digneris,
Te rogamus, audi nos!

8. Ich empfehle einen jeden von Euch sowie Euren täglichen Dienst Maria, der Mutter der Priester. Im Rosenkranzgebet leitet uns das fünfte lichtreiche Geheimnis dazu an, mit den Augen Marias das Geschenk der Eucharistie zu betrachten und über die »Liebe bis zur Vollendung« (Joh 13,1), die Jesus im Abendmahlssaal gezeigt hat, als auch über die Demut seiner Gegenwart in jedem Tabernakel zu staunen. Die heilige Jungfrau erwirke Euch die Gnade, daß Euch das in Eure Hände gelegte Geheimnis nie zur bloßen Gewohnheit werde. Wenn Ihr dem Herrn für diese außergewöhnliche Gabe seines Leibes und seines Blutes in einem fort dankt, werdet Ihr Euren priesterlichen Dienst stets in Treue vollziehen können.

Und Du, Mutter des Hohenpriesters Jesus Christus, erwirke der Kirche immer zahlreiche und heilige Berufungen, treue und großherzige Diener des Altares.

Liebe Brüder im Priesteramt, ich wünsche Euch und Euren Gemeinden ein heiliges Osterfest und erteile Euch allen von Herzen meinen Segen.

Aus dem Vatikan, am 28. März, dem fünften Fastensonntag des Jahres 2004, im sechsundzwanzigsten Jahr meines Pontifikates.

JOHANNES PAUL II.

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ABENDMAHLSMESSE (COENA DOMINI) 2012 MIT PAPST BENEDIKT XVI.

GIOVEDI-4

ABENDMAHLSMESSE

PREDIGT VON PAPST BENEDIKT XVI.

Lateranbasilika
Gründonnerstag, 5. April 2012

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Liebe Schwestern und Brüder!

Der Gründonnerstag ist nicht nur der Tag der Einsetzung der heiligsten Eucharistie, deren Glanz freilich alles andere überstrahlt und gleichsam in sich hineinzieht. Zum Gründonnerstag gehört auch die dunkle Nacht auf dem Ölberg, in die Jesus mit seinen Jüngern hinausgeht; zu ihm gehört die Einsamkeit und die Verlassenheit Jesu, der betend dem Dunkel des Todes entgegentritt; zu ihm gehört der Verrat des Judas und die Verhaftung Jesu wie auch die Verleugnung durch Petrus; die Anklage vor dem Hohen Rat und die Auslieferung an die Heiden, an Pilatus. Versuchen wir in dieser Stunde etwas von diesen Vorgängen tiefer zu verstehen, weil sich darin das Geheimnis unserer Erlösung abspielt.

Jesus geht in die Nacht hinaus. Nacht bedeutet Kommunikationslosigkeit, in der einer den anderen nicht sieht. Sie ist Sinnbild des Nicht-Verstehens, der Verdunkelung der Wahrheit. Sie ist der Raum, in dem das Böse sich entfalten kann, das sich vor dem Licht verstecken muß. Jesus ist selbst das Licht und die Wahrheit, die Kommunikation, die Reinheit und die Güte. Er begibt sich in die Nacht. Nacht ist letztlich Symbol des Todes, des endgültigen Verlustes von Gemeinschaft und Leben. Jesus geht in die Nacht hinein, um sie zu überwinden und um den neuen Tag Gottes in der Geschichte der Menschheit zu eröffnen.

Er hat auf diesem Weg mit seinen Aposteln die Psalmen von der Befreiung und Errettung Israels gesungen, die an das erste Pascha in Ägypten, an die Nacht der Befreiung erinnerten. Nun geht er, wie er es gewohnt ist, um allein zu beten und als Sohn mit dem Vater zu sprechen. Aber anders als gewohnt will er drei Jünger – Petrus, Jakobus und Johannes – in seiner Nähe wissen. Es sind die drei, die die Verklärung erlebt haben – das Durchleuchten der Herrlichkeit Gottes durch seine menschliche Gestalt hindurch – und die ihn dabei in der Mitte von Gesetz und Propheten, zwischen Moses und Elias gesehen hatten. Sie hatten gehört, wie er mit beiden über seinen „Exodus“ in Jerusalem sprach. Der Exodus Jesu in Jerusalem – welch geheimnisvolles Wort! Der Exodus Israels aus Ägypten war das Ereignis von Flucht und Errettung des Gottesvolkes gewesen. Wie würde Jesu Exodus aussehen, in dem sich der Sinn des geschichtlichen Dramas endgültig erfüllen mußte? Nun wurden sie Zeugen der ersten Strecke dieses Exodus – der äußersten Erniedrigung, die doch der wesentliche Schritt des Hinausgehens in die Freiheit und in das neue Leben war, auf das der Exodus zielt. Die Jünger, deren Nähe Jesus in dieser Stunde der äußersten Not als Stück menschlicher Geborgenheit suchte, schliefen alsbald ein. Aber ein paar Fetzen der Gebetsworte Jesu haben sie gehört und seine Haltung beobachtet. Beides hat sich ihnen tief eingeprägt, und sie haben es der Christenheit für alle Zeiten überliefert. Jesus sagt Abba zu Gott. Das bedeutet, wie sie hinzufügen, Vater. Aber es ist nicht die gewöhnliche Form des Wortes Vater, sondern ein Wort aus der Kindersprache – ein zärtliches Wort, mit dem man Gott nicht anzureden wagte. Es ist die Sprache dessen, der wirklich „Kind“, Sohn des Vaters ist, der mit Gott in der Gemeinschaft innerster Einheit steht.

Wenn wir fragen, worin das am meisten charakteristische Element der Gestalt Jesu in den Evangelien besteht, dann müssen wir sagen: Es ist sein Gottesverhältnis. Er steht immer im Austausch mit Gott. Das Sein mit dem Vater ist der Kern seiner Persönlichkeit. Durch Christus kennen wir Gott wirklich. „Niemand hat Gott je gesehen“, sagt der heilige Johannes. „Der am Herzen des Vaters ruht, er hat ihn uns ausgelegt.“ (Joh 1, 18). Nun kennen wir Gott, wie er wirklich ist. Er ist Vater, und zwar in reiner Güte, der wir uns anvertrauen dürfen. Der Evangelist Markus, der die Erinnerungen des heiligen Petrus festgehalten hat, erzählt uns, daß Jesus zu der Anrede Abba noch hinzugefügt hat: Dir ist alles möglich. Du kannst alles (Mk 14, 36). Der die Güte ist, ist zugleich Macht, allmächtig. Macht ist Güte, und die Güte ist Macht. Dieses Vertrauen dürfen wir vom Ölbergsgebet Jesu lernen.

Bevor wir den Inhalt von Jesu Bitte bedenken, müssen wir auch noch darauf achten, was uns die Evangelisten über die Haltung Jesu bei seinem Beten berichten. Matthäus und Markus sagen uns, daß er sich zu Boden warf (Mt 26, 39; vgl. Mk 14,35), also die Haltung radikaler Hingabe einnahm, wie sie in der römischen Liturgie sich am Karfreitag erhalten hat. Lukas hingegen sagt uns, daß Jesus kniend gebetet habe. In der Apostelgeschichte berichtet er von dem knienden Beten der Heiligen: Stephanus bei seiner Steinigung, Petrus bei einer Totenerweckung, Paulus auf dem Weg zum Martyrium. Lukas hat so eine kleine Geschichte des knienden Betens in der werdenden Kirche entworfen. Die Christen treten mit ihrem Knien in das Ölbergsgebet Jesu hinein. In der Bedrohung durch die Macht des Bösen sind sie als Kniende aufrecht der Welt gegenüber, aber als Kinder auf den Knien vor dem Vater. Vor der Herrlichkeit Gottes knien wir Christen und anerkennen seine Göttlichkeit, aber wir drücken in dieser Gebärde auch unsere Zuversicht aus, daß er siegt.

Jesus ringt mit dem Vater. Er ringt mit sich selbst. Und er ringt um uns. Er erleidet die Angst vor der Macht des Todes. Dies ist zunächst einfach die dem Menschen, ja jeder lebenden Kreatur eigene Erschütterung vor der Gegenwart des Todes. Aber bei Jesus geht es um mehr. Er sieht in die Nächte des Bösen hinein. Er sieht die schmutzige Flut aller Lüge und alles Niedrigen, die auf ihn zukommt in dem Kelch, den er trinken muß. Es ist die Erschütterung des ganz Reinen und Heiligen vor der ganzen Flut des Bösen dieser Welt, die auf ihn hereinbricht. Er sieht auch mich und betet auch für mich. So ist dieser Augenblick der Todesangst Jesu ein wesentliches Moment im Vorgang der Erlösung. Der Brief an die Hebräer hat deshalb das Ringen Jesu auf dem Ölberg als einen priesterlichen Vorgang gewertet. In diesem von der Todesangst durchdrungenen Beten Jesu vollzieht der Herr die Aufgabe des Priesters: Er nimmt die Schuld der Menschheit, er nimmt uns alle auf sich und trägt uns zum Vater hin.

Schließlich müssen wir noch auf den Inhalt von Jesu Beten auf dem Ölberg achten. Jesus sagt: „Vater, dir ist alles möglich. Nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht, wie ich will, sondern wie du willst“ (Mk 14, 36). Der natürliche Wille des Menschen Jesus schreckt vor dem Ungeheueren zurück. Er bittet, daß ihm dies erspart bleibe. Aber als Sohn legt er diesen menschlichen Willen in den Willen des Vaters hinein: Nicht ich, sondern du. Damit hat er die Haltung Adams, die Ursünde des Menschen umgewandelt und so den Menschen geheilt. Die Haltung Adams war gewesen: Nicht was du, Gott, gewollt hast, sondern ich selber will Gott sein. Dieser Hochmut ist das eigentliche Wesen der Sünde. Wir denken, wir seien erst frei und wahrhaft wir selber, wenn wir nur noch dem eigenen Willen folgen. Gott erscheint als Gegensatz unserer Freiheit. Von ihm müssen wir uns befreien, so denken wir: Dann erst seien wir frei. Dies ist die grundlegende Rebellion, die die Geschichte durchzieht und die grundliegende Lüge, die unser Leben verfälscht. Wenn der Mensch gegen Gott steht, steht er gegen seine Wahrheit und wird daher nicht frei, sondern entfremdet. Frei sind wir erst, wenn wir in unserer Wahrheit sind, wenn wir eins mit Gott sind. Dann werden wir wirklich „wie Gott“ – nicht indem wir uns Gott entgegensetzen, ihn abschaffen oder leugnen. Im ringenden Gebet des Ölbergs hat Jesus den falschen Gegensatz zwischen Gehorsam und Freiheit aufgelöst und den Weg in die Freiheit eröffnet. Bitten wir den Herrn, daß er uns in dieses Ja zum Willen Gottes hineinführt und uns so wahrhaft frei werden läßt. Amen.

© Copyright 2012 – Libreria Editrice Vaticana

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