Die Betrachtungen über den Satanismus drängen zu einer Schlussfrage. Wer siegt? Die Weltmachtstellung Satans ist zumal heute unbestreitbar. Aber man darf durch sie nicht erschreckt und entmutigt werden. Der Großmacht Christus gegenüber ist die Großmacht Satans immer nur Scheinmacht und Ohnmacht. Christus siegt über Satan! Um über die Frage der Vormachtstellung Christi klar zu werden und sich durch die gegenwärtige Großoffensive des Satanismus nicht täuschen zu lassen, wird man noch einmal festhalten, um was es in der Weltgeschichte eigentlich geht.
Das Thema der Weltgeschichte ist der Riesenkampf zwischen der Übernatur und dem Naturalismus, zwischen der Reichgottesidee und der Weltgeistidee, zwischen Christentum und Antichristentum. Dass dieser Riesenkampf mit dem Triumphe Jesu endigt, ist zum vornherein theologisch selbstverständlich und auf Grund der Tatsachen nachträglich unzweifelhaft sichergestellt. Wenn man den Satan nicht unterschätzen darf, dann darf man ihn auch nicht überschätzen. Er ist nicht Gottes ebenbürtiger Gegner, sondern nur Gottes Sklave und Werkzeug. Der Schubkarrenmann, der nach mittelalterlicher naiver Legende knirschend die Bausteine herbeischafft zu einem grandiosen Reichgottesbau.
Weil die ganze Schöpfung gottesdienstlichen Sinn und Zweck hat, und zwar naturnotwendig und unabänderlich, so kann auch Satan davon keine Ausnahme machen. Er gehört in den Weltplan der Vorsehung. Er soll in seiner Art zur Verherrlichung Gottes beitragen. Er soll Eigenschaften Gottes zur Offenbarung bringen, die zum Wesen Gottes gehören, aber die nie zur Geltung kämen, wenn es keinen Teufel und kein Böses gäbe: die Barmherzigkeit, die Geduld und Langmut, die Strafgerechtigkeit Gottes. Der Teufel muss, ob er will oder nicht, den Schubkarren stoßen im Dienste der Theologie.
Das ganze Leben Jesu mit seiner Passionsgeschichte und seinem unendlichen Reichtum an Tugend und Verdienst würde nie den Mittelpunkt unserer Religion bilden, wenn Satan nicht die Erlösung zur Notwendigkeit gemacht hätte. Wir verdanken die Erlösung der unendlichen Güte Gottes, aber wir verdanken sie indirekt auch dem Teufel, wie wir sie indirekt dem Pontius Pilatus, dem Kaiphas, dem Judas und der blutdürstigen Masse verdanken. Der Triumphierende ist dabei immer Gott.
Das gleiche gilt von der Kirchengeschichte. Ohne Satan gäbe es keine Martyrer in der Kirchengeschichte. Keine Bekennerheroen in den Zeiten der Verfolgung. Keine Helden der ertragenden Geduld und der verzeihenden Barmherzigkeit.
Die Heiligen hätten nicht gefehlt, wohl aber jene herrlichen Heiligengestalten, die nur im Feuer der Trübsal und im Sturm des Hasses reifen, welchen die Teufel entfachen. Die katholische Kirchengeschichte ist eine Heiligengeschichte, weil Christus das Haupt und der Heilige Geist, der Heiligmacher, die Seele der Kirche ist, aber auch — man verstehe mich recht — weil es Teufel gibt.
Dürfen wir nicht auch davon einer felix culpa sprechen? Von einem Glück satanischer Versuchung und Verfolgung? Und wenn wir an diese Macht denken, «die stets das Böse will und stets das Gute schafft», wo ist dann der Sieg, beim Verfolger oder bei den Verfolgten? Christus siegt! Der Teufel ist nur Schubkarrenmann!
Der Siegesgedanke zieht sich durch das ganze Leben Jesu. Dazu kam Christus, um die Werke des Teufels zu zerstören (1 Joh. 3, 8). Am Schlusse seines Erdenwandels darf darum Jesus frohlockend ausrufen: Ich habe die Welt überwunden (Joh. 16, 33). Wir können in diesem Siegesdrama ein Dreifaches unterscheiden, die Einleitung, den Höhepunkt und den Schlussakt.
Die Einleitung ist die bekannte Versuchungsgeschichte in der Wüste, wo die beiden, Christus und Satan, zum erstenmal einander persönlich und sichtbar gegenüberstehen und ihr Programm entrollen, Satan das seine und Christus das seine. Satan, wie wir gesehen haben, das Programm des Naturalismus in seinen drei Formen Sensualismus, Materialismus und Intellektualismus. Genussucht, Habsucht und Ehrsucht. Christus das Programm der Vorherrschaft der Übernatur: Die Buße, die freiwillige Armut, die Demut. Die Szene der Versuchungsgeschichte endigt mit einem unbedingten Siege Christi, also der Übernatur. Der Satan verlässt den Schauplatz als der Geschlagene und vermeidet es, in Zukunft je wieder mit Christus zusammenzutreffen. Die zwei werden sich persönlich erst wieder beim Schlussakt gegenüberstehen.
Der Höhepunkt des Entscheidungskampfes zwischen Satan als dem Wortführer des Naturalismus und Christus als dem Wortführer der Übernatur ist auf Golgatha. Golgatha ist mit dem Kreuzesbaum das Gegenstück zum verbotenen Baum des Paradieses. An beiden Orten ist der Handelnde nicht nur eine Einzelperson, sondern ein Vertreter des Menschengeschlechtes. Im Paradies Adam, der Vertreter der alten, naturalistisch eingestellten Menschheit, auf Golgatha Christus, der Vertreter einer neuen, übernatürlich eingestellten Menschheit.
Golgatha endet mit einem Scheinsieg des Naturalismus, des materialistisch gerichteten Nationalismus, des intellektualistisch gerichteten Schriftgelehrtentums und des sensualistisch gerichteten Sadduzäertums. In Wirklichkeit aber, weil Ostern und Karfreitag ein Ganzes bilden, mit einem Vollsieg der Übernatur und der Gnade. Das Kreuz, im Mittelpunkt der Weltgeschichte stehend, ist seither das Zeichen des weltgeschichtlichen Triumphes Christi und der weltgeschichtlichen Niederlage Satans. Der Kampf ist noch nicht fertig, aber die Entscheidung ist gefallen.
Was nun folgt und was wir Kirchengeschichte nennen, ist nur die Fortsetzung von Karfreitag-Ostern. Weil es immer wieder Kaiphasse, Pilatusse und Judasse gibt, wird es immer wieder in der Kirchengeschichte Karwochen von kürzerer oder längerer Dauer geben und darum Scheinsiege des satanisierten Naturalismus. Aber es gehört zu den Gesetzen der Kirchengeschichte, dass alle diese Karwochenperioden in Osterperioden ausmünden und alle Scheinsiege Satans in eine Niederlage. Mit andern Worten: Durch das Erlösungsopfer auf Golgatha ist die Weltherrschaft Satans grundsätzlich und tödlich in ihrem Lebensnerv getroffen.
Es erübrigt zur Vollendung des Sieges Christi nur noch der Schlussakt der Weltgeschichte. Das Weltgericht, wo der Herr Jesus seinen Widersacher tötet mit dem Hauche seines Mundes und vernichtet durch den Glanz seiner Wiederkunft (vgl. 2 Thess. 2, 8). Das Weltgericht, wo Christus als Völkerkönig erscheint mit großer Macht und Herrlichkeit, wird auch das Endgericht über Satan und Satanismus sein. Das letzte Wort des Himmels und der Erde über «die alte Schlange», den «großen Drachen», «den Vater der Lüge», den «Menschenmörder». Die Pforten der Hölle öffnen sich und verschlingen den Feind des Menschengeschlechtes. Von jetzt an ist der Teufel erledigt.
«Und ich erblickte eine große Schar, die niemand zählen konnte. Aus allen Völkern und Stämmen und Ländern und Sprachen. Sie standen vor dem Throne und vor dem Lamme. Angetan mit weißen Gewändern und mit Palmen in ihren Händen. Und sie riefen mit lauter Stimme: Heil unserm Gott, der auf seinem Throne sitzt und dem Lamme. Und die Engel standen rings um den Thron, beteten Gott an und sprachen: Amen. Lob und Preis, Weisheit und Dank, Ehre, Macht und Kraft sei unserem Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen» (Offbg. 7, 9 ff.).
Das ist das Ende des Satanismus: Christi Triumph. Der Teufel existiert nur, um überwunden zu werden. Und Christus stirbt nur, am Kreuz und in der Kirchengeschichte, um aufzuerstehen.
Im Zeichen des Kreuzes
Die Kirche ist die Religion des Kreuzes. Nicht einen Augenblick hört sie auf, dieses Zeichen zu machen. Alles beginnt und vollendet sie mit dem Kreuz. Den Gottesdienst, das Breviergebet, die Sakramentenspendung, die Segnung. Aber wenige denken daran, dass dieses Zeichen ein Symbol des Kampfes ist. Eine Kriegserklärung an Satan. Ein Exorzismus. Eine Beschwörungsformel, und darum sagt der große Chrysostomus: «Tretet nie über die Schwelle eurer Häuser, ohne zu sprechen: Ich entsage dem Satan. Ich hange Jesus Christus an. Mit diesen Worten mache ich das Zeichen des Kreuzes. Mit diesen Worten bezeichne ich die Stirne.» Das Kreuz ist antidämonische Offensive. Kreuz und Exorzismus kann man nicht voneinander trennen.
Wir denken da an 1 Joh. 3, 8: «Dazu ist der Sohn Gottes erschienen, die Werke des Teufels zu zerstören.» Mit einem feierlichen Exorzismus beginnt die öffentliche Wirksamkeit Jesu. «Weiche Satan, sprach Jesus, denn es steht geschrieben: Den Herrn, deinen Gott, sollst du allein anbeten.» Und im Begriffe, den Kalvarienberg zu besteigen, erklärt der Heiland wieder: «Jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen.» Die Erlösung ist somit untrennbar verbunden mit der Teufelaustreibung.
Natürlich liegt es sehr im Vorteil der Zunft der Taschendiebe, zu sagen, dass es keine Taschendiebe gebe und dass sie eine durchaus ehrenwerte Gilde seien. Der Schaden der Harmlosen wird umso größer sein, je mehr diese Behauptung Glauben findet. Das ist heute der Fall in Beziehung auf die bösen Geister. Theoretisch bestreitet man ja ihr Dasein vieleicht nicht. Aber praktisch kommt es fast auf das heraus. Man tut, als ob es keine Teufel gäbe.
Christus ging von Anfang an darauf hinaus, vor den dämonischen Taschendieben zu warnen. Er stellt einmal ihre Existenz fest. Und zwar nicht nur ihre Existenz in der Hölle, sondern ihre Existenz unter den Menschen. Er bezeichnet sie als seine eigentlichen Widersacher und erklärt ihnen offenen Kampf. Er tritt auf als Herr über die Welt der Dämonen.
Die Fälle, wo Jesus den Exorzismus an den Besessenen braucht, sind zahlreich. Aber seine Offensive gegen die Dämonen erstreckt sich nicht bloß darauf. Er führt die Offensive auf der ganzen Front. Im Reich der Natur und Übernatur. Gegen alle List und Bosheit, alle Verführung und Verblendung, wo immer sie auftritt. Das Leben Jesu ist ein einziger Exorzismus. Ein immerwährendes Teufelaustreiben. Ein wesentlicher Teil seines Priester- und Hirtenamtes.
Wenn es sich deswegen darum handelt, den Aposteln als seinen Rechtsnachfolgern die nötigen Vollmachten zu übertragen, dann nennt er neben der Reichgottespredigt in erster Linie die Macht und Gewalt über die bösen Geister (Luk. 9, 1, 2). Wer mit Frucht und Erfolg predigen will, muss zuerst Exorzist sein. Teufelaustreiber. Denn die Teufel fressen das Wort Gottes weg, damit es nicht Frucht trage.
Und vor der Himmelfahrt, bei der großen Sendung, kommt Jesus wieder darauf zurück, als wollte er sagen: Vergesset den Exorzismus nicht! Und er sagt, ohne irgend eine Einschränkung: «Denen, die da glauben, werden diese Wunder folgen: In meinem Namen werden sie böse Geister austreiben.»
Jeder Christ ist darum in gewissem Sinne Exorzist. Nicht von Amts wegen wie der Priester. Aber als Mitarbeiter an der kirchlichen Hierarchie, würde Pius XI. sagen. Das Teufelaustreiben ist ein Stück Katholischer Aktion! Ein Platzmachen für Christus den König. Und das Platzmachen ist Voraussetzung allen Reichgottesaufbaus.
Die Kirche als Testamentsvollstreckerin des göttlichen Erlösers konnte und durfte die Offensive des fortlebenden Christus gegen die Dämonen nicht gering achten. Bevor sie deswegen einen Kandidaten zum Priester weiht, weiht sie ihn zum Exorzisten, damit er «durch die Auflegung der Hände, durch die Gnade des Heiligen Geistes und die Worte der Beschwörung» die unreinen Geister austreibe. Ein «geistiger Machthaber», ein «tauglicher Arzt der Kirche», wie das Buch der Weihen sagt.
Die Weihen der Kirche sind keine leeren Zeremonien. Auch das Exorzitat nicht. Je mehr der Priester Priester ist, desto mehr ist er auch Exorzist. Er lässt womöglich keinen Tag vorübergehen, wo er nicht, seines Amtes eingedenk, den Exorzismus betet. Das Teufelaustreiben ist heute nach der Auffassung Leos XIII. eine der großen Zeitnotwendigkeiten. Wir müssen die Welt entdämonisieren. Darum die Wichtigkeit des Gebetes zu St. Michael am Schluss der stillen heiligen Messe.
Auch das Asperges des Sonntagsgottesdienstes muss in diesem Lichte betrachtet werden. Es ist ein Exorzismus über das christliche Volk. Das heilige Wasser soll durch die vor dem Asperges vorgenommene Weihe «alle Gewalt des bösen Feindes vertreiben, ihn mit seinen abgefallenen Engeln ausrotten durch die Kraft unseres Herrn Jesus Christus, der kommen wird zu richten die Welt durch das Feuer.» Wie nachhaltiger müsste der Gottesdienst wirken, wenn Priester und Volk dieses vorbereitende Asperges im lebendigen Glauben und Vertrauen exorzistisch, teufelaustreibend erleben würden!
Christentum und Exorzismus! Es ist, wie Langbehn einmal sagt: Die ganze Welt ist viel mehr in sich geschlossen als man sieht und denkt. An jedem Ort und in jedem Augenblick stehen sich Gott und Teufel aufs allernächste entgegen. Sowie und soweit der Mensch Gott verlässt, nähert sich ihm der Teufel. Einen Zwischenzustand, ein Mittleres, gibt es nicht. Was nicht Gottes ist, das ist des Teufels. Das ist die wichtigste Wahrheit in der moralischen Welt.
Daraus folgt, dass es zwischen Gott und Belial, zwischen Christus und seinem Widersacher keine Versöhnung gibt. Wenn man will, dass Gott herrsche, dann muss man den andern hinausjagen. Es gibt Zeiten, wo Gott selber diese Arbeit besorgt und den großen Exorzismus betet. Dann gilt das Wort: «Wenn Gott sich in seinem Zorn erhebt, bläst er den Teufel hinweg, wie der Orkan eine Flaumfeder.»
Unterdessen aber ist es Sache der Christen, dieses Geschäft zu besorgen. Der Geistlichen und der Laien. Teufel, mach Platz, Cede Deo! Weich dem allmächtigen ewigen Gott! Und Christus dem König!
Diese Eigentumsbetonung zugunsten Jesu im Sinn des paulinischen «Alles ist euer, ihr aber seid Christi» vollzog und vollzieht die Kirche bei ihren Segnungen auch gegenüber allen Gegenständen, deren sich die Menschen bedienen. Jedes Kreuzzeichen über irgend eine Sache ist eine im Namen der Kirche ausgesprochene Betonung des obersten Souveränitätsrechtes, das Christus auf seine Schöpfung geltend macht. Auf die Weltkugel, nicht bloß auf die Kirche. Das Kreuzmachen ist nicht bloß Zeremonie. Es ist symbolische Geste der Souveränität Christi. Die Welt gehört dem, der sie gemacht und erlöst hat. Christus dem König!
Daraus ergibt sich die Bedeutung des Kreuzzeichens für unsere Zeit. Wir müssen die Welt wieder zurückerobern für ihren Eigentümer. Wir tun einen Schritt dazu jedesmal, wenn wir das Kreuzzeichen mit Überzeugung und Würde und Andacht machen. Wir tun es jedesmal, wenn wir das Kreuzbild in einer Wohnung, in einer Werkstatt, in einer Schule, oder in Feld und Flur aufpflanzen. In diesem Zeichen siegte einst Kaiser Konstantin über den alten Satanismus. In diesem Zeichen werden wir auch den neuen Satanismus überwinden. Es sei uns Siegel und Wappen auf der Fahne, Schwert und Waffe im Kampf, Stolz und Zuversicht für die Zukunft.
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