Ein intensiver Tag in Tirana
Auch wenn sie nur einen Tag dauert – die Reise von Papst Franziskus nach Albanien am kommenden Sonntag wird seine erste offizielle Europareise sein, genauer: die erste ins nicht-italienische Europa. Geplant sind zwei Hauptakzente: die Ehrung der Märtyrer während des kommunistischen Regimes und, zweitens, der interreligiöse Dialog. Vatikansprecher Federico Lombardi erläuterte das Reiseprogramm am Montag vor Journalisten in Rom.
„Der atheistische Kommunismus hat die Katholiken einer furchtbaren Verfolgung ausgesetzt; Albanien sah sich selbst als erster atheistischer Staat der Welt, der Atheismus wurde sogar in der Verfassung festgeschrieben. Das ist ein erstes Motiv für die Reise. Das zweite hat der Papst selbst bei seiner Rückkehr von der Reise nach Korea (Mitte August) genannt: Es liegt ihm sehr am Herzen, zu einem Klima guten interreligiösen Zusammenlebens zu ermuntern. Die Koexistenz der verschiedenen Konfessionen und Religionen in Albanien soll eine Botschaft auch für andere Länder, für andere Teile der Welt sein.“
„Keine Drohungen oder spezifische Risiken“
Insgesamt sechs Ansprachen wird der Papst in der albanischen Hauptstadt Tirana halten – alle auf italienisch, wie Jesuitenpater Lombardi präzisierte. Höhepunkte des albanischen Sonntags werden die Messe im Stadtzentrum, ein interreligiöses Treffen an der Katholischen Universität und die Vesper in der Kathedrale; beim letztgenannten Termin werden auch einige Überlebende der kommunistischen Verfolgung das Wort ergreifen. Die Journalisten wollten vom Papstsprecher natürlich wissen, ob man im Vatikan fürchte, dass Islamisten ein Attentat auf Franziskus planen könnten.
„Wenn ihr mich fragt, ob es spezifische Drohungen oder Sorgen in dieser Hinsicht gibt, so dass besondere Vorkehrungen getroffen werden, dann sage ich: Nein! Es gibt keine Drohungen oder spezifische Risiken, die dazu führen würden, dass die Reise irgendwie anders organisiert würde. Nein. Wir fahren ganz ruhig, wir nutzen den Jeep vom Petersplatz für das Bad des Papstes in der Menge, und wir wissen ja, dass der Papst ohne Barrieren mit den Menschen zusammentreffen will.“
Zwei große Gestalten des katholischen Glaubens im letzten Jahrhundert werden am Sonntag sozusagen Pate stehen: Mutter Teresa nämlich, die ursprünglich aus Albanien stammte, und Johannes Paul II. Der polnische Papst hatte im April 1993, wenige Jahre nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft, als erster Nachfolger Petri Albanien besucht. Dabei mußte er die von den Kommunisten zerstörte katholische Hierarchie im Land wiederherstellen, er weihte auf seiner Reise vier albanische Bischöfe.
„Es ist der Mühe wert, sich an diese sehr emotionale Reise von damals zu erinnern: Alle, die damals mit dabei waren, werden sie nicht vergessen haben. Sehr starke Ansprachen – ich empfehle, sie noch einmal zu lesen, das ist nicht schwierig, denn so viele Reden waren das nicht. Am Nachmittag dachte Johannes Paul im Zentrum von Tirana über diese Erfahrung des Atheismus nach, der versucht hatte, Gott zu verneinen und den Menschen zu zerstören, und dass sich jetzt auf einmal eine neue Perspektive öffnete. Also, die Reise von Johannes Paul haben wir natürlich im Hinterkopf, während wir diese neue Reise von Papst Franziskus nach Albanien erleben.“
In der katholischen Universität von Tirana wird sich Franziskus mit Repräsentanten von sechs Glaubensgemeinschaften treffen. Neben der katholischen und der orthodoxen Kirche sind der sunnitische Islam und der dem Sufitum nahestehende Bektashi-Orden vertreten, der in Albanien viele Anhänger hat. Ausserdem werden an der Begegnung ein Protestant und ein Jude teilnehmen. Im Gefolge des Papstes reist auch der Präsident des päpstlichen Dialogrates, Kardinal Jean-Louis Tauran. Rund 60 Prozent der Albaner sind Muslime, jeder sechste gehört der katholischen Kirche an.
(rv/kap 16.09.2014 sk)
Johannes-Paul II. zu seinem Albanienbesuch von 1993:
Die Wiedergeburt Albaniens geschieht im Zeichen der Ökumene
Ansprache bei der Generalaudienz am 28. April 1993
1. „Wer könnte uns den Stein vom Eingang des Grabes wegwälzen?“ (Mk 16,3).
Diese Worte der Frauen, die „am ersten Tag der Woche“ zum Grab Christi gingen, kommen uns in den Sinn, wenn wir die jüngste Vergangenheit des Landes betrachten, das ich am vergangenen Sonntag besuchen konnte. Jahrelang war Albanien der Inbegriff der schweren Unterdrückung, die von einem totalitären, atheistischen System ausgeübt wurde, in dem die Ablehnung Gottes die äußerste Grenze erreicht hatte. Das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit war dort in brutalster Weise mit Füßen getreten worden: Die Todesstrafe drohte denjenigen, die lediglich die Taufe spendeten oder irgendwelche religiösen Handlungen vornahmen. Die Verfolgung wütete sowohl gegen Christen als auch gegen Muslime.
So war dieses Land dem Grab ähnlich geworden, in welches die Juden Christus eingeschlossen hatten, indem sie einen Stein vor den Eingang des Grabes wälzten.
2. Aber als nun die Frauen zum Grab kamen, „sahen sie, daß der Stein weggewälzt war“ (vgl. Lk 24,2). Auch für Albanien ist infolge der 1989 begonnenen Ereignisse der Stein vom Grab weggewälzt worden, und die Zeit der Wandlungen hat begonnen. Die Menschenrechte, einschließlich die auf Gewissens- und Religionsfreiheit, bilden jetzt das Fundament des Lebens der Gesellschaft. Unter diesen Umständen wurde die Anwesenheit des Papstes möglich, ja in gewisser Weise notwendig, besonders für die katholische Gemeinschaft. Dies geschah am vergangenen 25. April.
Ich bin den Gläubigen dieser leidenden Kirche, die mich bei sich haben wollten, sehr dankbar. Weiter danke ich dem Präsidenten der Republik, Sali Berisha, der mich eingeladen und mit großer Herzlichkeit und Freundlichkeit empfangen hat. Ich danke auch den staatlichen und militärischen Obrigkeiten und allen, die zu einem guten Gelingen des Besuchs beigetragen haben. Außerdem danke ich Erzbischof Anastas von der orthodoxen Kirche und dem Großmufti Sabri Koci von der islamischen Gemeinschaft, die mich mit ihrer Anwesenheit beehrten. Die geistige Wiedergeburt Albaniens geschieht im Zeichen des ökumenischen Dialogs und der interreligiösen Zusammenarbeit. Ist das nicht ein großes Zeichen der Hoffnung?
Das Christentum in Albanien reicht in die Zeit der Apostel zurück: Vielleicht hat der heilige Paulus selbst dieses Gebiet berührt, denn der Hafen von Durazzo war damals eine übliche, Anlegestelle auf dem Weg nach Rom. Es ist unmöglich, die verwickelten Wechselfälle der Geschichte des Landes bis heute kurz zusammenzufassen. Es genügt, an die ruhmvollen Taten des Nationalhelden Gjergj Kastriota Skenderbeu zu erinnern, der in seinem Wirken von den römischen Päpsten unterstützt wurde. Ihm gilt das Verdienst für die Verteidung im 15. Jahrhundert gegen die türkischen Angreifer. Ein besonderes Augenmerk für Albanien hatte dann im 18. Jahrhundert auch Papst Klemens XI., der aus diesem Land stammte.
Die endlich im Jahr 1912 errungene politische Unabhängigkeit bedeutete leider nicht das Ende der Schwierigkeiten. Seitdem hat Albanien weitere traurige Zeiten erlebt, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Höhepunkt erreichten, als eine grausame Diktatur die fundamentalsten Bürgerrechte blutig unterdrücken wollte und versuchte, den Namen Gottes selbst aus den Herzen der Glaubenden herauszureißen.
Ein vergeblicher Versuch, wie die Geschehnisse gezeigt haben: Denn auf die lange Nacht folgte endlich die Morgendämmerung eines neuen Tages. Die Kirche in Albanien erlebt jetzt ihren neuen Frühling.
3. Mein Besuch vom vergangenen Sonntag wollte dieses Ereignis bekräftigen durch die Weihe der neuen Bischöfe in der Kathedrale von Scutari, einer der erhabensten Kirchen des Balkans. In der Zeit der Diktatur war sie in eine Sporthalle verwandelt worden. Jetzt hat sie ihre ursprüngliche Schönheit wiedererlangt und ist zu einem Zeichen der Auferstehung Albaniens geworden.
Eine eine große Schar von Gläubigen folgte andächtig dem feierlichen Gottesdienst. Man spürte beinahe wie bei einem neuen Pfingsten den Atem des Geistes, der die neuen Würdenträger ins Kollegium der Nachfolger der Apostel eingegliedert hat. Einer der Neugeweihten, der Weihbischof von Scutari, Zef Simoni, war 1967 zu fünfzehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Im darauffolgenden Jahr ebenfalls am 25. April, vor genau, 25 Jahren, wurde das später in Zwangsarbeit umgewandelte Todesurteil über den gesprochen, der jetzt Erzbischof von Scutari ist: Frano Illia. Durch dieses Zusammentreffen der Daten wird die Erinnerung an die Ereignisse, die mit dem Leidensweg der albanischen Kirche verbunden sind, noch ergreifender. Die anderen neugeweihten, auch verdienstvollen Bischöfe sind der Erzbischof von Durazzu-Tirana, Rrok K. Mirdita, und der Bischof von Pulati, Robert Ashta.
4. Muß man in all dem nicht ein Zeichen für den Schutz der in Albanien so verehrten Mutter vom Guten Rat sehen? Ich fuhr am 22. April nach Genazzano bei Rom – wo auch Maria, die Mutter vom Guten Rat, verehrt wird -‚ um ihr meine apostolische Reise nach Albanien anzuempfehlen. Ein geistiges Band verbindet Genazzano mit Scutari, wo die gleichnamige Marienkirche im Laufe der Geschichte zweimal bis auf den Grund zerstört worden ist. Die letzte Zerstörung geht auf das Jahr 1967 zurück, während der Zeit der grausamen Diktatur, die jede religiöse Spur im Land auslöschen wollte. Auf den Trümmern dieses tragischen Versuchs wurde am vergangenen Sonntag nach dem Plan und der Fügung Gottes die bedeutungsvollen Zeichen der Weihe des neuen Erzbischofs und der Segnung des ersten Bausteins für die neue Wallfahrtskirche gesetzt, die das Gnadenbild der Mutter vom Guten Rat aufnehmen wird.
5. Den Besuch beendete abends in Tirana eine unvergeßliche Begegnung mit der Bevölkerung auf dem Platz, der nach dem Nationalhelden Gjergj Kastriota Skenderbeu benannt ist. Anwesend waren der Präsident der Republik, die staatlichen Obrigkeiten, die Vertreter der verschiedenen religiösen Bekenntnisse und viele Menschen. Nicht zu vergessen ist der wertvolle Beitrag, den der Apostolische Nuntius, Erzbischof Ivan Dias, zur Vorbereitung meines Besuchs geliefert hat. Ich danke ihm von Herzen und spreche auch den Priestern, den Ordensmännern und Ordensfrauen – unter ihnen besonders Mutter Teresa – meinen wärmsten Dank aus. Weiter danke ich den kirchlichen Organismen und Bewegungen, die aus anderen Nationen gekommen sind, um den Weg der albanischen Kirche zu unterstützen. Meine an die gesamte Nation gerichtete Abschiedsrede sollte eine Botschaft der Hoffnung und Ermutigung sein. Ich mahnte sie, die Leiden nicht so rasch zu vergessen, welche die Albanier in den vergangenen Jahrzehnten erduldet haben.
Ich habe das albanische Volk auf die Herausforderungen der Zukunft hingewiesen. Die wiedergefundene Religionsfreiheit wird gewiß der Sauerteig einer demokratischen Gesellschaft sein, wenn der Wert und die zentrale Rolle des Menschen anerkannt und alle Beziehungen auf sozialer, politischer und wirtschaftlicher Ebene in authentischer Solidarität gestaltet werden.
Außerdem habe ich die Hoffnung ausgesprochen, daß Albanien dank der Hilfe der internationalen Gemeinschaft die derzeitige schwere Krise überwinden möge. Helfen werden ihm der Sinn, für die Familie und Gastfreundschaft und vor allem sein Glaube. Eine große Stütze werden ihm sein das ständig zu erneuernde Einvernehmen zwischen Katholiken, Orthodoxen und Muslimen. Albanien hat Gott die Pforten geöffnet. Gott verläßt diejenigen nicht, die auf ihn vertrauen.
6. „Mußte nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?“ (Lk 24,26).
Diese Worte aus der Liturgie vom 3. Ostersonntag erinnern uns daran, daß die Geschichte des Menschen, die Geschichte der Völker und der Nationen, sogar die der traurigsten Zeitabschnitte, durch das Ostergeheimnis des Erlösers erhellt werden.
Für diese uns so liebe Nation sprechen wir den Wunsch aus: Christus gehe mit ihren Söhnen und Töchtern, wie es mit den Jüngern in Emmaus geschah: „Er lege ihnen die gesamte Schrift dar“; er öffne ihnen Herz und Augen für das Verständnis der Schrift“; „er gebe sich zu erkennen, wenn er das Brot bricht“ (vgl. Lk 24,27.35.45). Er helfe ihnen, eine neue Ordnung aufzubauen, gegründet auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe. Machen wir uns den österlichen Freudenruf zu eigen: „Der Herr ist wirklich auferstanden und ist dem Simon erschienen“ (Lk 24,34).
„Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen“ (Ps 118,24).
In deutscher Sprache sagte der Papst:
Indem ich Euch allen, liebe Schwestern und Brüder, das Schicksal der Kirchen, die einen neuen Anfang erleben dürfen und einen oft sehr mühsamen Wiederaufbau zu leisten haben, ans Herz legen möchte, richte ich einen besonderen Willkommensgruß an die Firmkandidaten der Pfarrei St. Marien in Wädenswil, an die Studenten des Ostkirchlichen Seminars in Regensburg und an die Läufer und ihre Begleiter des Staffellaufes Friedrichshafen – Vatikan; für Euren sportlichen Beitrag zur Verständigung unter den Menschen und Völkern Europas danke ich sehr.
Euch allen, Euren lieben Angehörigen in der Heimat sowie all jenen, die uns in diesem Augenblick geistlich verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.
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Quelle: Kongregation für den Klerus (siehe auch: Homepage der Kongregation [deutsch])
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