Ein russischer Korrespondentenbericht über die Lage in Kabul nach den Bombenanschlägen

Das russische Fernsehen ist eines der wenigen, das einen eigenen Korrespondenten in Kabul hat. Der erfahrene Kriegsreporter des russischen Fernsehens hat in einem Korrespondentenbericht über die Lage in Kabul berichtet.

von Anti-Spiegel 30. August 2021 01:08 Uhr

Ich habe mehrmals berichtet, dass ich am russischen Fernsehen eine Sache besonders zu schätzen weiß: Die Korrespondenten des russischen Fernsehens gehen dahin, wo es gefährlich ist und berichten von dort. Das ist ein großer Unterschied zum deutschen Fernsehen, dessen Korrespondenten oft tausende Kilometer entfernt in einem sicheren Studio sitzen und Nachrichten vom Blatt ablesen, anstatt aus erster Hand zu berichten. Das russische Fernsehen hat einige solcher furchtlosen Korrespondenten, die das tun, was früher – zum Beispiel im Vietnamkrieg – Leute wie Peter Scholl Latour im deutschen Fernsehen getan haben: Wirklich aus erster Hand zu berichten anstatt abzulesen, was andere ihnen auf den Schreibtisch legen. Zwei Beispiele für solche russischen Journalisten sind Anastasia Popova und Evgeny Poddubny, der derzeit aus Kabul berichtet.

Daher habe ich den Korrespondentenbericht aus Kabul übersetzt, der am Sonntag im Wochenrückblick „Nachrichten der Woche“ des russischen Fernsehens gezeigt wurde. Allerdings muss ich sensible Menschen davor warnen, den Bericht anzuschauen, der zusammen mit meiner Übersetzung auch ohne Russischkenntisse verständlich ist, denn es wurden dort Bilder von den Schäden der Bombenanschläge gezeigt, die definitiv nichts für schwache Nerven sind.

Beginn der Übersetzung:

Die weltweit wichtigste Nachricht der Woche waren die Bombenanschläge in der Nähe des Flughafens von Kabul. Fast 1.500 Menschen wurden verwundet, zweihundert wurden getötet. Darunter sind nach ersten Schätzungen 13 Amerikaner. Dies ist der größte einzelne Verlust an Menschenleben für die US-Streitkräfte in den 20 Jahren der schändlichen Militärkampagne in Afghanistan. Die Anschläge erfolgten inmitten des panischen Chaos – der Flucht der US-Armee aus Afghanistan. Die USA und ihre Verbündeten fürchten die Taliban wie das Feuer – bis hin zur Lähmung des Willens und des Gehirns. Am Ende erwies sich die gepriesene amerikanische Militärmacht angesichts der bärtigen Männer in Latschen als Lusche. Wie sich herausstellt, können die Amerikaner nicht einmal sich selbst und erst recht nicht andere schützen. Sie können dazu nicht einmal etwas sagen, geschweige denn etwas vorhersehen. In Kabul sind Amerika und der Westen insgesamt krachend gescheitert.

Inzwischen hat der Kreml ein Grundkonzept für Afghanistan, das Präsident Putin am Dienstag auf dem Parteitag von „Einiges Russland“ bekannt gab: „Natürlich werden wir uns nicht in die inneren Angelegenheiten Afghanistans einmischen, geschweige denn unsere Streitkräfte in einen Konflikt alle gegen alle hineinziehen lassen, einen Konflikt, der in diesem Land schon seit Jahrzehnten andauert. Die UdSSR hat in diesem Land ihre eigenen Erfahrungen gemacht. Wir haben die notwendigen Lektionen gelernt. Ich kann sagen, dass wir über wirksame Mittel verfügen, um unsere Sicherheit zu gewährleisten und vor allem, um Russland und unsere Bürger zuverlässig vor der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus zu schützen. Leider besteht diese Bedrohung fort und man muss das verstehen und mit größter Verantwortung behandeln“, sagte der Präsident.

Das Drama in Afghanistan spielt sich nahe den Grenzen unserer Verbündeten und Freunde in Zentralasien ab. Es ist klar, dass sich für Russland selbst Herausforderungen ergeben: „In dieser Situation müssen wir alle, die Gesellschaft, die Bürger, noch mehr zusammenhalten. Ein koordiniertes Vorgehen aller staatlichen Stellen ist ebenfalls äußerst wichtig. Ich fordere die Regierung, das Außenministerium und die Sicherheitsbehörden auf, gemeinsam mit den Parlamentariern ihre Arbeit in allen wichtigen Bereichen zur Gewährleistung der Sicherheit des Landes und seiner Bürger zu verstärken.“, fügte Putin hinzu.

Aus Kabul berichtet unser Korrespondent Evgeny Poddubny.

In Kabul fungieren nun die Taliban als Sicherheitskräfte. Das ist eine normale Taliban-Patrouille, deren Fahrzeuge jetzt an fast jeder Kreuzung im Einsatz sind. Nach den beiden Anschlägen hat die Bewegung, die jetzt in Afghanistan regiert, die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt und eine Operation gegen die Terroristen des so genannten Islamischen Staates angekündigt. Der 15. August ist in der Weltgeschichte der Tag, an dem die Amerikaner im Afghanistankrieg besiegt wurden und der Gegner der USA, die Taliban, zur herrschenden Bewegung in Afghanistan wurden. Der 26. August ist der Tag, an dem die Niederlage selbst den größten Anhängern amerikanischer Tollpatschigkeit klar wurde.

Die IS-Terroristen bekannten sich zu den Anschlägen. Ein Selbstmordattentäter zündete einen Sprengsatz in der Nähe eines Kontrollpunkts im Südosten des Flughafens, ein mit Sprengstoff beladenes Auto wurde von Terroristen des Pseudo-Kalifates in der Nähe des Baron-Hotels in die Luft gesprengt, das als Sammelpunkt für die zu evakuierenden amerikanischen Bürger diente. Die Explosionsorte waren buchstäblich in Blut getränkt. (Anm. d. Übers.: Die hier gezeigten Bilder sind nichts für schwache Nerven, überlegen Sie sich genau, ob Sie sich das anschauen wollen)

Einheiten der NATO-Streitkräfte, die sich am Ort des Angriffs befanden, eröffneten in Panik das Feuer. Dutzende von Krankenwagen konnten die Flut von Verwundeten nicht bewältigen und in Kabul bildeten sich stundenlange Staus.

Die Außenbezirke des Flughafens werden von Kämpfern kontrolliert. Auch Taliban wurden bei dem Terroranschlag verwundet, doch das Hauptziel des IS waren die Amerikaner. Gleichzeitig beschleunigten die Explosionen die Flucht der NATO-Militärs. Selbst unmittelbar nach dem Angriff starteten und landeten weiterhin NATO-Transportflugzeuge in Kabul.

Die Taliban, die Afghanistan heute praktisch kontrollieren, haben Washington für die schrecklichen Folgen des Anschlags verantwortlich gemacht. Der offizielle Sprecher, der Informationsminister der Taliban, hat erklärt, dass es die Aktionen der Amerikaner waren, die die Massenansammlung von Menschen an den Toren des Flughafens provoziert haben. Zabiullah Mujahid erklärte gegenüber unserem Filmteam, dass die Bewegung bereit sei, den normalen Betrieb des Flughafens so bald wie möglich wieder aufzunehmen.

„Die Situation rund um den Flughafen ist traurig. Daran sind die USA schuld, die die Menschen zum Verlassen des Landes auffordern. Die Menschen fliehen in Panik. Wir arbeiten daran, den Flughafen vollständig zu kontrollieren und Personen ohne Papiere nicht in den Abflugbereich zu lassen. Nachdem die USA Afghanistan und den Flughafen verlassen haben, kann jeder das Land wie gewohnt legal verlassen, ein Ticket kaufen und das erforderliche Visum erhalten. Wir werden niemanden behindern“, sagte Mujahid.

Nach dem Anschlag auf den Flughafen nutzten die IS-Kämpfer ihre Propagandamittel, um mit weiteren Anschlägen zu drohen. In Kabul herrschte Panik. Über Nacht gab es Schießereien und Explosionen in der Stadt, die unser Kameramann aus dem Hotel gefilmt hat. Die Explosionen wurden jedoch nicht von IS-Kämpfern verursacht; die Amerikaner zerstörten ihre Munitionslager, um die Evakuierung zu beschleunigen. Die Prozedur ist bei einer Flucht normal. Den Kämpfern der Taliban hingegen gelang es, die Lage in der Hauptstadt zu stabilisieren. Mehrere Unterstützer des Pseudo-Kalifats wurden festgenommen.

In Kabul sind Lebensmittelgeschäfte und Apotheken geöffnet. Trotz der großen Bedrohung durch Terroranschläge sind die Straßen überfüllt. Die Taliban tun in der Tat ihr Bestes, zumindest in der Hauptstadt, um sich zu beweisen: Die Bewegung hat sich in 20 Jahren Krieg mit den Amerikanern verändert. So ist beispielsweise eine Abteilung für die Sicherheit eines großen Bezirks in der Hauptstadt verantwortlich, in dem sich auch mehrere diplomatische Vertretungen befinden.

„Meine Aufgabe ist es, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um Kabul sicher zu machen, damit die Menschen nicht leiden müssen und es keine Verbrechen gibt. In den Tagen, in denen wir diesen Teil der Hauptstadt kontrollieren, war alles ruhig, Allah sei Dank“, sagte der Kämpfer des Roten Regiments, Mumin Nizami.

Außerdem sind die Vertreter der Bewegung heute besser bewaffnet und ausgerüstet als viele Einheiten der Armeen der Nachbarländer. Was die Amerikaner der afghanischen Armee übergeben haben und was sie selbst bei der Flucht zurückgelassen haben, haben die Kämpfer der Bewegung genommen. Wer hätte gedacht, dass amerikanische gepanzerte Humvees bei den Taliban im Einsatz sein würden. Mit diesen Fahrzeugen patrouillieren die Militanten in den Straßen der Großstädte. Die Fahrzeuge sind nicht neu, aber in gutem Zustand. Zuvor gehörten die gepanzerten Fahrzeuge der afghanischen Armee, davor der US-Armee. Jetzt werden die Taliban diesen Humvee bei Kampfeinsätzen gegen den IS einsetzen.

Dieser Mann erzählt uns: „Es ist eine große Freude und ein Glück, dass die Sicherheit Tag und Nacht gewährleistet ist. Es gibt kein Banditentum mehr. In der Vergangenheit konnte man für 200 Afghani getötet werden. Jetzt gibt es so etwas überhaupt nicht mehr.“ (Anm. d. Übers.: 200 Afghani entsprechen etwa zwei Euro)

Der Kampf gegen das Banditentum, Afghanistan war schon zu republikanischen Zeiten kein sicherer Ort, ist eine unbestreitbare Errungenschaft der Bewegung. Und sie hat viele Taliban-Gegner dazu gebracht, ihre Meinung zu ändern. Für die Bewegung ist jedoch jeder Tag ein Test für ihre Glaubwürdigkeit. Wenn es den Führern nicht gelingt, die staatlichen Institutionen bald wiederzubeleben, ist die Ernüchterung vorprogrammiert. Pir Syed Gilani, ein einflussreicher afghanischer Politiker und geistlicher Führer, glaubt, dass jetzt der denkbar schwierigste Zeitpunkt für die Taliban ist. Die Zeit des Kampfes ist vorbei, sie müssen lernen, etwas aufzubauen.

„Die Taliban werden mit Sicherheit etwas schaffen, aber sie werden nicht in der Lage sein, allein etwas Gutes zu schaffen. Sie müssen gebildete Menschen, gebildete Afghanen, einsetzen, um das staatliche System auf den internationalen Standard zu bringen. Wenn die Führer der Taliban sich und ihre Regierung nicht internationalisieren, wird es große Probleme geben“, sagte Gilani.

Am 31. August werden alle ausländischen Militäreinheiten Afghanistan verlassen. Das könnte schon früher der Fall sein, denn die Amerikaner haben bereits die Brücken hinter ihnen gesprengt. Außenposten und Stützpunkte wurden zerstört. Außerdem sagen die Opfer des Terroranschlags, dass einige der Menschen, die am 26. August starben, durch wahlloses Feuer des US-Militärs getötet wurden. Ein weiterer Grund, schneller zu wegzulaufen. Schon jetzt ist klar, dass die Amerikaner keine Zeit haben werden, alle ihre Bürger zu evakuieren; schon heute werden Afghanen mit blauen Pässen nicht zu den Flugzeugen gelassen. Zehntausende von amerikanischen Einflussagenten, Dolmetschern, Fahrern und Beamten werden ebenfalls im Land bleiben.

Die Führer der Taliban haben eine Amnestie für diejenigen angekündigt, die mit den Amerikanern zusammengearbeitet haben. Die Taliban müssen ihre Versprechen einhalten, sonst können sie die internationale Anerkennung vergessen. Aber die Rädelsführer der IS haben niemandem etwas versprochen und die von der Regierung Biden im Stich gelassenen Menschen werden zum Hauptziel der Terroristen. In Washington ist man sich dessen natürlich bewusst. Aber man scheint beschlossen zu haben, wenn man den Krieg schon verliert, dann mit einem großen Knall.

Ende der Übersetzung

In meinem neuen Buch „Abhängig beschäftigt – Wie Deutschlands führende Politiker im Interesse der wirklich Mächtigen handeln“ habe ich mich sehr intensiv mit weiteren Themen rund um die komplexen Zusammenhänge der gesteuertern Politik im Westen und deren brisanten Verstrickungen mit einer ganzen Reihe von Organisationen beschäftigt und dabei einiges zu Tage gefördert.

AUTOR: ANTI-SPIEGEL

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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„Schmerzhafter Moment“: USA vertreiben Niederlande vom Kabuler Flughafen

Die Taliban haben Kabul erobert. Die USA halten am Abzug bis zum 31. August fest, weswegen die deutsche Evakuierungsmission am Freitag endet. Sowohl die Briten als auch die US-Regierung halten einen Anschlag für wahrscheinlich. Alle weiteren Nachrichten lesen Sie im Newsticker von FOCUS Online.

  • Nach der Eroberung Kabuls herrschen die Taliban wieder in Afghanistan
  • USA verdoppeln Rettungsflüge

Kramp-Karrenbauer: Terrordrohungen in Kabul „massiv verschärft“

13.34 Uhr: Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat vor einer immer weiter wachsenden Terrorgefahr um den Flughafen im afghanischen Kabul gewarnt. „Wir wissen, dass die Terrordrohungen sich massiv verschärft haben, dass sie deutlich konkreter geworden sind“, sagte sie am Donnerstag in Berlin. „Wir befinden uns jetzt in der sicherlich hektischsten, in der gefährlichsten, in der sensibelsten Phase.“

Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Bundesministerin der Verteidigung, nimmt an der Sondersitzung des Verteidigungsausschusses des Bundestags teil.

Kay Nietfeld/dpa Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Bundesministerin der Verteidigung, nimmt an der Sondersitzung des Verteidigungsausschusses des Bundestags teil.

Der Evakuierungseinsatz der Bundeswehr soll wegen des bevorstehenden Abzugs der US-Streitkräfte vom Flughafen und der wachsenden Terrorgefahr in Kürze enden. Am Donnerstag flog die Bundeswehr aber Kabul noch an. Die deutsche Botschaft hat bereits am Mittwoch davor gewarnt, zum Flughafen zu kommen.

Bericht: Ab Freitag um 21.30 Uhr darf kein Flugzeug mehr in Kabul landen

13.12 Uhr: Wegen der sich weiter zuspitzenden Lage am Flughafen in Kabul drücken die US-Amerikaner offenbar immer weiter aufs Tempo: Nach Recherchen von „Business Insider“ haben die US-Streitkräfte vor Ort die Nato informiert, dass sie ab dem morgigen Freitag, 21.30 Uhr deutscher Zeit, keine Flugzeuge mehr auf dem Airport landen lassen. Alle Nationen müssen dann ihre Evakuierungsflüge beenden. Aktuell betreiben die USA vor Ort den Flughafen.

Damit ist auch klar, warum die Bundeswehr nach aktuellen Planungen schon am heutigen Donnerstag die letzten Evakuierungsflüge unternimmt und am Freitag allenfalls noch die restlichen Fallschirmjäger und Soldaten des Kommando Spezialkräfte ausgeflogen werden. Die Bundeswehr hat in anderthalb Wochen mehr als 5300 Menschen evakuiert, darunter mehr als 500 Deutsche.

Alles in allem sind nach US-Angaben mehr als 30.000 Menschen von den Amerikanern und ihren Partnern seit dem vorvergangenen Wochenende ausgeflogen worden. Offen ist, was mit den tausenden Afghanen, die die US-Streitkräfte nach Katar und Kuwait evakuiert haben, passiert. Die Verteilung der Menschen von dort ist inzwischen Aufgabe der Nato, doch nach Informationen von „Business Insider“ stehen bislang nur für einen Bruchteil der Afghanen Zusagen westlicher Länder, die aufzunehmen.

„Schmerzhafter Moment“: USA vertreiben Niederlande vom Kabuler Flughafen

A WEEK INTO TALIBAN RULE IN KABUL

Marcus Yam/Los Angeles Times via Getty Images 

Verzweifelte Afghanen warten außerhalb des Kabuler Flughafens, während ein Evakuierungsflug im Hintergrund abhebt

11.23 Uhr: Auch die Niederlande stellen die Evakuierungsflüge aus Kabul ein. „Dies ist ein schmerzhafter Moment“, erklärte die Regierung in Den Haag in einem Brief an das Parlament, aus dem die Nachrichtenagentur ANP am Donnerstag zitierte. „Die Niederlande sind heute durch die Vereinigten Staaten informiert worden, dass sie abziehen müssen“, heißt es in dem Schreiben. Demnach brauche die US-Armee Platz, um die Evakuierung ihres restlichen Geräts und ihrer verbliebenen Truppen vorzubereiten.

Der letzte niederländische Evakuierungsflug sollte später am Donnerstag stattfinden. Trotz aller Anstrengungen würden nun Menschen in Afghanistan zurückbleiben, die eigentlich ausgeflogen werden sollten, heißt es weiter. Unter Hinweis auf eine sich rasch verschlechternde Situation rings um den Flughafen erklärte die Regierung, niemand solle mehr versuchen, dorthin zu gelangen. Es werde aber alles getan, um mehrere Hundert Menschen, die sich bereits auf dem Gelände befinden, noch mitzunehmen.

Britische Regierung hält Anschlag in Kabul binnen Stunden für möglich

10.44 Uhr: Ein Vertreter der britischen Regierung hält einen Terroranschlag am Flughafen in Kabul binnen Stunden für möglich. Auf die Frage des Senders Sky News, ob sich ein Anschlag innerhalb der nächsten Stunden ereignen könne, sagte Verteidigungsstaatssekretär James Heappey am Donnerstagmorgen ausdrücklich „Ja“. Im Laufe der Woche seien sich die Geheimdienste immer sicherer darüber geworden, dass ein „ernsthafter, unmittelbarer, tödlicher Angriff“ auf den Flughafen oder die von westlichen Truppen genutzten Zentren drohe.

„Während die Uhr bis zum Ende des Monats weiter tickt, müssen wir diese sehr, sehr reelle Bedrohung mit den Menschen in Kabul teilen und ihnen raten, sich vom Flughafen zu entfernen anstatt dorthin zu kommen“, sagte der Staatssekretär.

Der Sender zitiert zudem eine nicht genannte, hochrangige britische Quelle, die von einem „sehr hohen Risiko eines Terroranschlags“ auf die Evakuierungsmission in Kabul sprach. Auch deutsche und US-Behörden hatten davor bereits gewarnt. Wann die britischen Evakuierungsflüge enden sollen, wollte Staatssekretär Heappey nicht genauer bekanntgeben. In den nächsten 24 Stunden sollten aber – wenn möglich – elf Flüge stattfinden.

Trotz Terrorgefahr: Mega-Menschenandrang am Kabuler Flughafen

10.18 Uhr: Ungeachtet Terrordrohungen ist an einem Eingang zum Flughafen Kabul die Zahl der dort versammelten Menschen erneut gestiegen. Das berichtete ein Augenzeuge der Deutschen-Presse Agentur am Donnerstag. Er befinde sich den dritten Tag nun bereits bei einem Tor am östlichen Teil des Flughafens, aber so viele Menschen habe er an keinem Tag davor gesehen. Die Menschen stünden „so eng aneinander wie Ziegel einer Mauer“. Man könne keinen Meter weit kommen. Er sei rund 200 Meter vom Eingang entfernt, und es würde das Leben seines Kindes oder seiner Frau kosten, wenn er versuchte, diese 200 Meter zu überwinden.

In einem von dem Augenzeugen übermittelten Video sieht man Menschen mit Dokumenten in der Hand winken. Sie rufen „Help me!“ – helfen Sie mir – und stehen Schulter an Schulter in der prallen Sonne. In der Menge sind auch Kinder und Frauen, man hört auch Babys weinen. 

Seit der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban versuchen Tausende Menschen, aus Afghanistan zu fliehen. Seit mehr als einer Woche versammeln sie sich rund um verschiedene Eingänge des Flughafens, um auf einen Evakuierungsflug zu kommen. Diese werden aber wegen des bevorstehenden US-Truppenabzugs in den nächsten Tagen eingestellt. Tausende US-Soldaten hatten zuletzt den Flughafen Kabul abgesichert.

Die deutsche Botschaft in Afghanistan und andere Stellen warnen aktuell vor Terrorgefahr rund um den Flughafen. Die US-Botschaft forderte US-Bürger, die sich derzeit am Abbey Gate, East Gate oder North Gate aufhielten, dazu auf, das Gebiet „sofort“ zu verlassen.

„Es ist nicht mehr sicher“: Dänemark stellt Rettungsmission ein

09.34 Uhr: Dänemark hat die Evakuierung der Botschaftsmitarbeiter und ihrer Familien aus der afghanischen Hauptstadt Kabul abgeschlossen. „Es ist nicht mehr sicher, vom Flughafen Kabul zu fliegen“, sagte Verteidigungsministerin Trine Bramsen am Mittwochabend der dänischen Nachrichtenagentur Ritzau. Die letzte Maschine sei in Islamabad gelandet. An Bord waren 90 Evakuierte, die letzten dänischen Angestellten, Soldaten und Diplomaten aus Kabul, so die Ministerin. Dänemark hat in den letzten Tagen rund 1000 Menschen aus Afghanistan evakuiert.

Weitere Evakuierungsmaschine der Bundeswehr Richtung Kabul gestartet

08.12 Uhr: Die Bundeswehr hat ihre Evakuierungsmission für Deutsche und einheimische Ortskräfte in Afghanistan am Donnerstagmorgen fortgesetzt. Gegen 7.15 Uhr MESZ startete in der usbekischen Hauptstadt Taschkent ein Transportflugzeug A400M in Richtung Kabul, wie das Einsatzführungskommando auf Twitter mitteilte. Es soll dort weitere Schutzsuchende aufnehmen.

Am Vorabend hatte die Bundeswehr mit dem letzten von mehreren Flügen am Mittwoch 167 Menschen aus der afghanischen Hauptstadt ausgeflogen. „Insgesamt 5193 Personen konnten seit Beginn der Evakuierungsmission durch die Bundeswehr in Sicherheit gebracht werden – allein gestern waren es 539 zu Schützende“, schrieb das Verteidigungsministerium am Donnerstag auf Twitter. „Wir evakuieren bis zur letzten Sekunde.“

„Das Gebiet sofort verlassen“: US-Botschaft warnt vor Terror am Kabuler Flughafen

Eine Evakuierung der US-Armee am Montag am Kabuler Flughafen

Sgt. Isaiah Campbell/U.S. Marine Corps via AP 

Eine Evakuierung der US-Armee am Montag am Kabuler Flughafen

Donnerstag, 26. August, 06.52 Uhr: Die US-Botschaft in Kabul hat US-Bürgern aus Sicherheitsgründen davon abgeraten, zum Flughafen der afghanischen Hauptstadt zu kommen. Es gebe eine Gefahrenlage an den Toren des Flughafens, warnte die Botschaft in der Nacht zu Donnerstag. „US-Bürger, die sich derzeit am Abbey Gate, East Gate oder North Gate aufhalten, sollten das Gebiet sofort verlassen“, hieß es weiter. Ausnahmen sollten nur im Falle individueller Anweisungen von Vertretern der US-Regierung gemacht werden.

Auch die australische und die britische Botschaft raten mit nahezu wortgleichen Mitteilungen davor ab, sich in der Nähe des Flughafens aufzuhalten. „Begeben Sie sich nicht zum Hamid Karzai International Airport“, heißt es in der Mitteilung. „Sollten Sie bereits im Bereich des Flughafens sein, suchen Sie einen sicheren Ort auf und warten Sie weitere Anweisungen ab.“ Zuvor hatte schon die deutsche Botschaft vor erhöhter Terrorgefahr gewarnt.

Womöglich noch rund 1.500 ausreisewillige US-Bürger in Afghanistan

22.56 Uhr: Nach Einschätzung der US-Regierung könnten sich noch bis zu 1.500 amerikanische Staatsbürger in Afghanistan aufhalten. 500 davon seien bereits mit konkreten Anweisungen zu ihrer baldigen Evakuierung versorgt worden, sagte US-Außenminister Antony Blinken. Regierungsmitarbeiter versuchten derzeit weiter intensiv, die übrigen maximal 1.000 Personen zu kontaktieren – mehrfach am Tag, auf diversen Kanälen. „Manche sind vielleicht schon nicht mehr im Land“, sagte Blinken. Der Minister betonte mehrfach, die Zahl der amerikanischen Staatsbürger in Afghanistan sei nur schwer genau zu beziffern. Das Außenministerium setze aber alles daran, die verbliebenen Amerikaner im Land ausfindig zu machen. 

„Idiotisch“: Zwei US-Abgeordnete reisen ohne Genehmigung nach Kabul

20.50 Uhr: Ein unangekündigter Trip von zwei US-Abgeordneten zum Flughafen in Kabul – inmitten der Evakuierungseinsätze dort – hat scharfe Kritik ausgelöst. Die Parlamentarier Seth Moulton von den Demokraten und Peter Meijer von den Republikanern waren ohne vorherige Absprache zum Airport der afghanischen Hauptstadt gereist, um sich dort ein Bild von dem Einsatz der US-Kräfte zu machen. Als Kongressmitglieder hätten sie die Aufgabe, Regierungsstellen zu beaufsichtigen, argumentierten sie.

Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, John Kirby, sagte man empfehle keine VIP-Trips „in einer sehr angespannten, gefährlichen und dynamischen Situation“ in Kabul. Die „Washington Post“ zitierte einen Regierungsmitarbeiter, der die Aktion „idiotisch“ und „selbstsüchtig“ nannte. Die beiden hätten den Einsatz gestört, „nur um einen Moment vor den Kameras zu haben“.

Deutsche Botschaft warnt vor Schießereien und Anschlägen in Kabul

Ein Airbus der deutschen Luftwaffe auf dem Flughafen von Taschkent. Die Bundeswehr hat weitere Schutzbedürftige aus Kabul evakuiert.

Marc Tessensohn/Bundeswehr/dpa 

Ein Airbus der deutschen Luftwaffe auf dem Flughafen von Taschkent. Die Bundeswehr hat weitere Schutzbedürftige aus Kabul evakuiert.

20.00 Uhr: Die deutsche Botschaft in Kabul hat am Mittwoch vor Schießereien und Terroranschlägen am Flughafen der afghanischen Hauptstadt gewarnt. „Es kommt sehr häufig zu gefährlichen Situationen und bewaffneten Auseinandersetzungen an den Gates. Dazu kommen aktuelle Terrorwarnungen“, heißt es in einem Schreiben an deutsche Staatsbürger, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Der Zugang zum Flughafen sei kaum noch möglich.

Letzter deutsche Rettungsflieger startet schon morgen in Kabul

19.20 Uhr: Bereits am morgigen Donnerstag soll in Kabul der letzte deutsche Rettungsflieger der Luftwaffe starten, berichtet die „Bild“-Zeitung – also schon Tage vor dem finalen Abzug der US-Truppen. Schon am Freitag sollen dann alle Maschinen, mit denen Deutsche und Ortskräfte über das Drehkreuz in Usbekistan ausgeflogen wurde, wieder in Deutschland landen. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer will die Soldaten nach ihrem Einsatz im Fliegerhorst in Wunstorf persönlich empfangen.Konflikt in Afghanistan - Bundeswehreinsatz in Kabul

Stfw Schueller/Bundeswehr/dpa 

Soldaten sind am Flughafen Kabul im Einsatz. 

Bundeswehr fliegt 167 weitere Menschen aus Kabul aus

18.46 Uhr: Die Bundeswehr hat weitere 167 Menschen aus der afghanischen Hauptstadt Kabul ausgeflogen. Ein Militärtransporter des Typs A400M landete am frühen Mittwochabend erneut in Taschkent im Nachbarland Usbekistan, wie die Bundeswehr auf Twitter mitteilte.

Es war bereits der dritte Flug der Bundeswehr von Afghanistan nach Usbekistan an dem Tag im Rahmen der Evakuierungsaktion, zuvor waren je 218 und 153 Menschen ausgereist. In Taschkent steigen die Passagiere in zivile Maschinen der Lufthansa um. Vor zehn Tagen hatten die militant-islamistischen Taliban die afghanische Hauptstadt erobert und wieder die Macht übernommen.

Neue Details: 21 Deutsche bei Geheimoperation gerettet

19.07 Uhr: Soldaten der Bundeswehr und der US-Streitkräfte haben bei ihrem gemeinsamen Helikoptereinsatz in der afghanischen Hauptstadt Kabul 21 Deutsche in Sicherheit gebracht. Dabei hätten die US-Soldaten ihre eigenen Hubschrauber geflogen und die Bundeswehrsoldaten die Aufstellung an einem Sammelpunkt organisiert, sagte Generalinspekteur Eberhard Zorn am Mittwoch in Berlin. „Die Operation ist in der Nacht durchgeführt worden“, sagte er. Nach früheren Informationen waren Spezialkräfte an dem Einsatz beteiligt.

Größte Sorge mache inzwischen die Anschlagsgefahr bei Evakuierungen aus der Stadt. „Und zwar nicht die Anschlagsgefahr, die von den Taliban ausgeht“, sagte Zorn dazu. „Die Taliban gewährleisten im Grunde die Sicherheit, und zwar die Sicherheit rings um den Flugplatz durch ihre Checkpoints, aber auch bei den jeweiligen Konvois, die durchgeführt werden.“

Die Bundeswehr hat bis Mittwochabend mit 34 Flügen bisher 5193 Menschen aus Kabul ausgeflogen, darunter mehr als 3600 Afghanen. Insgesamt wurden Menschen aus 45 Nationen von der Bundeswehr ausgeflogen. „Wir werden versuchen, bis wirklich zur letzten Sekunde und mit dem letzten Flieger auch zu evakuierende Personen mitzunehmen“, sagte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Einen genauen Zeitpunkt für das Ende der Luftbrücke nannte sie nicht.

US-Armee verwehrt Journalisten Zugang zur Stadt und zwingt sie zur Ausreise

18.23 Uhr: Journalisten am Kabuler Flughafen soll nach eigenen Angaben am Mittwoch durch US-Soldaten der Zugang in die Stadt verwehrt worden sein. Paul Ronzheimer, der stellvertretende Chefredakteur der „Bild“ berichtete auf Twitter: „Unter Androhung von Militärpolizei zwingt US-Militär uns und zehn weitere internationale Journalisten, Flieger nach Doha zu nehmen. Obwohl wir einen gesicherten Weg raus aus dem Airport hatten Richtung Stadt. Krasser Angriff auf die Pressefreiheit.“ Im weiteren Verlauf berichtete Ronzheimer, man werde zum Flieger nach Doha eskortiert.

Ähnliches berichtete auf Twitter eine freie Journalistin, die Teil einer Gruppe von Journalisten sei , die von US-Kräften gezwungen würden, in ein Flugzeug zu steigen. Alles, was man wolle, sei in Kabul zu bleiben.

Taliban sagen Ausreisemöglichkeit nach US-Truppenabzug zu

17.21 Uhr: Die militant-islamistischen Taliban haben in den Verhandlungen mit der Bundesregierung zugesagt, dass Afghanen auch nach dem für den 31. August geplanten US-Truppenabzug das Land verlassen dürfen. Das twitterte der deutsche Verhandlungsführer Markus Potzel am Mittwoch nach Gesprächen mit dem Vizechef des politischen Büros der Taliban in Katar, Schir Mohammed Abbas Staneksai. Dieser habe ihm versichert, dass Afghanen mit gültigen Ausweisdokumenten nach dem 31. August weiterhin die Möglichkeit haben werden, mit kommerziellen Flügen auszureisen.

Der Truppenabzug der USA bedeutet ein Ende der Evakuierungsflüge der Bundeswehr schon in den nächsten Tagen. Potzel verhandelt mit den Taliban darüber, wie es danach weitergehen kann. Die Bundesregierung will weiterhin deutsche Staatsbürger und schutzbedürftige Afghanen mit zivilen Flügen von Kabul aus außer Landes bringen. Es geht um mehrere tausend Menschen.

Der Sprecher des politischen Büros der Taliban in Doha, Suhail Schahin, schrieb am Mittwoch unter Bezug auf das Treffen mit Potzel auf Twitter, der fristgerechte Abzug der ausländischen Truppen aus Afghanistan ebne die Wiederaufnahme ziviler Flüge. Menschen mit rechtmäßigen Dokumenten könnten nach dem 31. August mit kommerziellen Flügen reisen

Bundestag stimmt nachträglich Evakuierungseinsatz der Bundeswehr zu

15.46 Uhr: Der deutsche Bundestag hat am Mittwoch in einer Sondersitzung nachträglich dem Evakuierungseinsatz der Bundeswehr zugestimmt. Von den 638 abgegebenen Stimmen, stimmten 539 für Ja und 9 für Nei. Es gab 90 Enthaltungen. Die Linke hat bereits im Vorfeld ihre Enthaltung auf Grund innerparteilicher Meinungsdifferenzen hinsichtlich des Einsatzes angekündigt.

Mit dem Mandat schafft der Bundestag nachträglich die rechtliche Grundlage für den Einsatz. Das Parlament muss jedem bewaffneten Einsatz der Bundeswehr zustimmen. In Ausnahmefällen ist das auch nachträglich möglich, vor allem, wenn Gefahr in Verzug ist. Das trifft nach Ansicht der Bundesregierung auf die Evakuierung deutscher Staatsbürger und afghanischer Helfer von Bundeswehr und Bundesministerien zu.

Chaos am Flughafen in Kabul – Warnung vor IS-Anschlag

Britische und des US-amerikanische Soldaten bei der Evakuierung von Menschen aus Kabul. Foto: Uncredited

Tausende Menschen sind seit der Machtübernahme der Taliban aus Afghanistan ausgeflogen worden. Etliche weitere hoffen darauf, noch in Sicherheit gebracht zu werden. Es ist ein Rennen gegen die Zeit.

Washington/Kabul/Berlin (dpa) – Eine Woche nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hoffen dort weiterhin Zehntausende verzweifelte Menschen auf ihre Evakuierung durch westliche Staaten. Die Bundeswehr teilte am späten Samstagabend mit, sie habe inzwischen mehr als 2130 Menschen aus Kabul ausgeflogen.

Die US-Streitkräfte brachten nach Angaben des Pentagons seit Beginn ihrer Mission am Samstag vergangener Woche 17.000 Menschen über die Luftbrücke in Sicherheit. Das Chaos vor dem Flughafen dauerte an.

Menschen sterben im Gedränge vor dem Flughafen

Der Korrespondent des britischen Senders Sky News, Stuart Ramsay, berichtete von vor Ort, am Samstag seien mehrere Menschen im Gedränge ums Leben gekommen. Die Evakuierung von Schutzsuchenden durch die Bundeswehr geriet am Samstag inmitten der chaotischen Verhältnisse am Flughafen zwischenzeitlich ins Stocken. Mehrere Flugzeuge der Bundeswehr konnten nur wenige Menschen an Bord nehmen. Die Lage gestalte sich weiterhin schwierig, teilte die Bundeswehr am Samstagabend mit.

Der Sender CNN berichtete am Samstag unter Berufung auf ungenannte US-Verteidigungsquellen von der Gefahr eines Anschlags der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auf den Kabuler Flughafen und dessen Umgebung. Das US-Militär bemühe sich daher, Amerikanern, anderen Ausländern und afghanischen Mitarbeitern der US-Regierung «alternative Routen» zum Flughafen aufzuzeigen. Die Taliban seien sich der Bemühungen bewusst und stimmten sich mit den US-Vertretern ab. Die Taliban und der regional aktive Zweig des IS sind tief verfeindet und haben in der Vergangenheit gegeneinander gekämpft.

Gerüchte um einen möglichen IS-Anschlag

Die deutsche und die amerikanische Botschaft in Kabul rieten ihren Staatsbürgern am Samstag von Versuchen ab, den Flughafen zu erreichen. «Derzeit ist es grundsätzlich sicherer, zu Hause oder an einem geschützten Ort zu bleiben», schrieb die deutsche Botschaft an Landsleute. Die US-Botschaft rief Amerikaner dazu auf, den Flughafen aufgrund möglicher Sicherheitsbedrohungen zu meiden.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sicherte zu, dass die Bundeswehr die Evakuierung unter Hochdruck fortsetzen werde. «Die Situation ist schwierig, aber wir werden mit den Möglichkeiten und allem, was sich vor Ort ergibt, weiter dranbleiben, so viele wie möglich herauszuholen», sagte sie am Samstag in Berlin. Pentagon-Sprecher John Kirby sagte in Washington: «Wir wissen, dass wir sowohl gegen die Zeit als auch gegen den Raum kämpfen. Das ist das Rennen, in dem wir uns gerade befinden.»

Die Zeit läuft davon

Das Zeitfenster für weitere Evakuierungen aus Kabul wird immer kleiner. Die USA wollen eigentlich zum 31. August den Abzug ihrer Truppen abschließen. Eine Fortführung des Evakuierungseinsatzes ohne die USA gilt als ausgeschlossen. Die Bundeswehr verlegte zwei Hubschrauber nach Kabul, um mehr Möglichkeiten bei den Evakuierungen zu haben. Die wendigen Helikopter kamen am Samstag in Kabul an und sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums einsatzbereit.

Angesichts der verheerenden Lage in Afghanistan forderte FDP-Chef Christian Lindner einen Untersuchungsausschuss. Dort müsse in der nächsten Legislaturperiode alles auf den Tisch kommen, «was nicht funktioniert hat», sagte er der «Bild am Sonntag». «Auch, welche systematischen Schwächen wir bei diesen Einsätzen haben. Das muss aufgeklärt und neu konzipiert werden.» Die «Fehleinschätzung» des Bundesnachrichtendienstes (BND) zur Lage in Afghanistan müsse ebenfalls Konsequenzen haben, sagte Lindner. «Er muss gegebenenfalls neu aufgestellt werden.»

Bundesregierung gesteht Fehler ein

Die Bundesregierung hatte bereits eingestanden, dass sie vom Tempo der Machtübernahme durch die militant-islamistischen Taliban in Afghanistan überrascht worden war. Am Donnerstag hatten sich vor diesem Hintergrund bereits Politiker von Grünen, FDP und Linken die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Bundestag nach der Wahl am 26. September vorbehalten. Die Opposition wirft der Regierung vor, die Ausreise der afghanischen Helfer von Bundeswehr und Bundesregierung verschleppt zu haben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach den Bundeswehrsoldaten in Afghanistan für den Einsatz zur Rettung von Deutschen und Ortskräften am Samstag ihren «tiefen Dank» aus. Sie bezeichnete die Entwicklung in Afghanistan mit der Machtübernahme der Taliban als «Drama» und «Tragödie». «Wir wollten möglichst vielen Menschen in Afghanistan ein freies, ein gutes und selbstbestimmtes Leben ermöglichen», sagte Merkel. «Und da müssen wir einfach sagen: Das ist so nicht gelungen.»

Massive Fehleinschätzung

Kramp-Karrenbauer räumte eine massive Fehleinschätzung der Bundesregierung angesichts des Vormarschs der Taliban ein: «Unsere Lageeinschätzung war falsch, unsere Annahmen über die Fähigkeiten und die Bereitschaft zum afghanischen Widerstand gegen die Taliban zu optimistisch», schrieb Kramp-Karrenbauer in einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Brief an Abgeordnete des Bundestags.

Mit einer Demonstration im Berliner Regierungsviertel wollen Aktivisten an diesem Sonntag ihrer Forderung nach einer schnellen und unbürokratischen Evakuierung bedrohter Menschen aus Afghanistan Nachdruck verleihen. Nach Angaben der Polizei wurden 1000 Teilnehmer zu einer Kundgebung um 13.00 Uhr am Kanzleramt angemeldet. Die Organisatoren rechnen mit mehreren Tausend Menschen, sagte ein Sprecher der Initiative «Seebrücke». In mehreren deutschen Städten demonstrierten bereits am Samstag Menschen für sichere Fluchtwege aus Afghanistan – so gingen in Hannover, Göttingen und Frankfurt am Main laut Polizei jeweils mehrere Hundert Menschen auf die Straße.

Vor knapp einer Woche hatten die Taliban Kabul eingenommen und die Macht übernommen. Seitdem fürchten Oppositionelle, Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und auch Ortskräfte, die für westliche Staaten tätig waren, Racheaktionen. Es ist weitgehend unklar, wie die Islamisten dieses Mal herrschen werden. Es wird befürchtet, dass die Extremisten wieder ein islamisches «Emirat» errichten wollen und dabei mit drakonischen Strafen gegen Andersdenkende vorgehen.

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