Hannibal Ante Portas

Missale aus dem Jahr 1447 (Ausschnitt) Foto: Sailko / Biblioteca Medicea Laurenziana (CC BY 3.0)

Heute vor 50 Jahren wurde das neue Missale Romanum eingeführt – Dirk Weisbrod über Annibale Bugnini, den Mann, der die Liturgiereform Pauls VI. vorantrieb

03 April, 2019 / 8:30 AM

„Ich bin überzeugt, dass die Kirchenkrise, die wir heute erleben, weitgehend auf dem Zerfall der Liturgie beruht, die mitunter sogar so konzipiert wird, etsi Deus non daretur: Dass es gar nicht mehr darauf ankommt, ob es Gott gibt und ob er uns anredet oder erhört.“

Diese Worte stammen nicht von einem Piusbruder, sondern von Papst Benedikt XVI. oder besser von Kardinal Joseph Ratzinger. Sie stehen am Ende seiner Autobiographie „Aus meinem Leben“, die er schon in den 1990er Jahren verfasst hat.

Wenige Absätze zuvor hatte der Kardinal seine Bestürzung über das „fast völlige Verbot des bisherigen Missales nach einer Übergangsphase von nur einem halben Jahr“ beklagt und die Einzigartigkeit dieses Vorgehens Pauls VI. in der Liturgiegeschichte herausgestellt. Wo zuvor Liturgie über Jahrhunderte hindurch wachsen konnte und ein Missale nie verboten, sondern revidiert wurde, geschah nun folgendes: „Man brach das alte Gebäude ab und baute ein anderes, freilich weitgehend aus dem Material des Bisherigen und auch unter Verwendung der Baupläne.“ Zwar habe das neue Missale in vielem auch Verbesserungen und Bereicherungen gebracht, aber letztendlich sei der Eindruck entstanden, dass Liturgie „gemacht“ werde, nichts Vorgegebenes, sondern etwas in unserem Entscheiden Liegendes sei.

Wohl auch deswegen hat er in seinem Motu proprio Summorum Pontificum den Versuch unternommen, der über die Jahrhunderte gewachsenen Messe zu ihrem Recht zu verhelfen. Nunmehr unter der Überschrift „außerordentliche Form des römischen Ritus“ und mit dem Wunsch, dass die „alte“ und die „neue“ Messordnung sich gegenseitig befruchten sollen.

Bis heute ist von dieser Befruchtung nichts zu merken.

Liturgie, die den Eindruck erweckt, „gemacht“ zu sein, verweist auch auf einen „Macher“, der im Falle des Novus Ordo – so die Kritiker – nicht unser Herr Jesus Christus, sondern ein Vinzentiner-Pater und Kurienerzbischof aus Umbrien gewesen ist: Annibale Bugnini. Angefeindet wie kein anderes Mitglied der Kurie seiner Zeit, hatte er zugleich hochrangige Fürsprecher und das Ohr des Papstes, seines Papstes Pauls VI., der ihm zugleich die größte Enttäuschung seines Lebens bereiten sollte – oder bereitete Bugnini sie umgekehrt den Papst? Darüber wird noch zu reden sein.

„Die Messe näher bringen“

Bugnini war das, was wir heute einen „Netzwerker“ nennen würden, einen Macher, der seine Arme überallhin ausstreckte, diplomatisch geschickt und unermüdlich arbeitend. Annibale, Hannibal ante Portas der Liturgie. Im Gegensatz zum karthagischen Feldherrn hat er diese Tore auch durchschritten und sein Werk vollendet. Das von ihm in wesentlich Teilen erarbeitete Messbuch – und damit der wichtigste Teil der Reform, die alle liturgischen Bücher der Kirche, die Stundenbücher, die Sakramente und Sakramentalien bis hin zum liturgischen Kalender umfasste – ist heute noch in fast unveränderter Form in Kraft. Am 3. April jährt sich die Promulgation dieses Messbuches durch Paul VI. zum fünfzigsten Mal. Grund genug einmal an seinen „Macher“ zu erinnern. Wer war dieser Mann? Was wollte er?

Am 14. Juni 1912 in Civitella del Lago in Umbrien geboren, trat er noch als Schüler in den Vinzentiner-Orden ein. Er studierte Philosophie und Theologie in Piacenza und Rom und wurde 1936 zum Priester geweiht. Seine Ordensoberen erkannten offenbar sehr schnell die Führungsqualitäten des jungen Vinzentiner-Paters, denn sie ernannten ihn 1939, mit nur 27 Jahren, zum Direktor des neu gegründeten Priesterkonvikts im römischen Collegio Leoniano. Viele der fast gleichaltrigen Priesterstudenten wurden später hochrangige Kurienmitarbeiter. Bugnini pflegte diese Kontakte.

Währenddessen studierte er selbst noch einmal und zwar christliche Archäologie, wobei ihn besonders die frühchristliche Liturgie interessierte. Vielleicht rührte hierher der Wunsch, die antiken Wurzeln der Liturgie wieder zur Geltung zu bringen. Der Erfolg war durchschlagend. Schon 1946 wurde er Schriftleiter der Ephemerides liturgicae – einer anerkannten Liturgiezeitschrift; dort profilierte er sich als Befürworter einer Liturgiereform. Schon direkt nach seiner Priesterweihe, als er in den Vorstädten Roms als Seelsorger arbeitete, war er der Meinung, dass die Gläubigen der Messe nicht mehr angemessen folgen konnten. Insbesondere den Kindern wollte er den Reichtum der Messe fruchtbarer näherbringen. So schreibt er es in seinen Memoiren.

Nur wenige Jahre als Schriftleiter genügten, um ihn bis in die höchsten kirchlichen Kreise bekannt zu machen. 1948 berief ihn Pius XII. zum Sekretär der neu geschaffenen Kommission für die Liturgiereform. Ja, auch Pius XII. hatte seine Liturgiereform! Und zwar die Erneuerung der Karwoche und der Osternacht (1951–1955). Ihr Spiritus Rector war der junge Bugnini. Sekretär der verschiedenen Häutungen dieser und anderer Liturgiekommissionen blieb er bis zu seiner Entmachtung 1975 und damit bis zum Abschluss der Liturgiereform. Und wer die Kurie kennt, weiß: Es sind die Sekretäre, die das Steuer in der Hand haben. Mit Bugnini blieben übrigens auch seine Mitstreiter aus der liturgischen Bewegung, die er in den jeweiligen Gremien platziert hatte.

Die eigentliche Reform

Nur einmal – zwischen 1962 und 1964 – verlor er seinen Posten. Nach Bugninis Version war es der Kardinal-Präfekt der Ritenkongregation, der Spanier Arcadio Larraona, der dafür sorgte, dass Johannes XXIII. ihn nicht zum Sekretär der liturgischen Konzils-Kommission berief. Das von ihm mitgestaltete Liturgie-Schema war dem Kardinal zu progressiv, er lancierte eine entschärfte Version. Allerdings hatte er die Rechnung ohne Bugnini gemacht. Der selbst berichtet, dass „irgendjemand“ die Konzilsväter über die für die Ortskirchen ungünstigen Änderungen informierte – das ursprüngliche Schema wollte ihnen in Liturgiefragen mehr Freiheit lassen – und so wurde dann doch die ursprüngliche Fassung dem Konzil vorgelegt und – als einzige – akzeptiert: Damit wurde das von Bugnini maßgeblich beeinflusste Schema Grundlage von Sacrosanctum Consilium, der Liturgie-Konstitution. Als Paul VI. 1964 das „Consilium zur Durchführung der Liturgiekonstitution“ unter Kardinal Giacomo Lercaro einsetzte, kehrte Bugnini als Sekretär zurück.

Nun begann die eigentlich Liturgiereform – eine Reform, die argwöhnisch betrachtet wurde. So urteilte Dietrich von Hildebrand, eigentlich selbst ein Anhänger der liturgischen Bewegung, in seinem Buch „Der verwüstete Weinberg“: „Wahrhaft – wenn einer der Teufel in C.S. Lewis‘ ,Screwtape Letters‘ mit der Untergrabung der Liturgie betraut worden wäre, er hätte es nicht besser machen können.“  Ja, so die Kritiker, Annibale Bugnini und das „Consilium“ hätten die Messe protestantisiert. Zumindest diesen Vorwurf hatte der Sekretär selbst befeuert. Hatten nicht protestantische Pastoren das „Consilium“ beraten? Wie konnte der Papst so etwas zulassen?

Bugnini selbst wusste, dass sein Tun erklärungsbedürftig war und dass es keinen Zweifel darüber geben durfte, dass die Reform sub et cum Petrodurchgeführt wurde. Wohl auch deswegen verfasste er die Rechtfertigungsschrift „La riforma liturgia“ (dt. „Die Liturgiereform“, 1987 bei Herder auf Deutsch erschienen). Das 1000-Seiten-Werk enthält eigene Erinnerungen, Notizen und Veröffentlichungen, die den ganzen Reformprozess minutiös nachzeichnen. Kein Zweifel lässt der Autor schon in der Einleitung am Anteil des Papstes an den Neuerungen: „Wenn je ein Papst all seine Energie für eine spezifische Arbeit eingesetzt hat, dann ist es Paul VI. im Hinblick auf die Liturgie. (…) Es ging mir aber auch darum, all jene Lügen zu strafen, die aus Unwissenheit oder Leichtfertigkeit oder aus kritischer oder voreingenommener Haltung behauptet haben und vielleicht noch meinen, dass eine Gruppe von Unbesonnenen dem Papst ihre eigenen Ideen eingeredet haben. Der Papst hat alles gesehen, hat alles verfolgt, hat alles geprüft, hat alles gebilligt.“ Viele Abendstunden habe er mit dem Papst verbracht und die Aktenbündel studiert. Paul VI. habe alles Zeile für Zeile, Wort für Wort gelesen.

Bouyer und Bugnini

Aus den Aufzeichnungen geht auch hervor, dass der Papst nur wenige Male einen Reformversuch gänzlich unterbunden hat, wie etwa die Reform des Rosenkranzgebets. Dieses sollte so abgeändert werden, dass die hergebrachte Form nur noch eine unter mehreren möglichen gewesen wäre. Und selbst zu dieser hätte dann der Gläubige sich noch eigene Geheimnisse ausdenken dürfen. Das war für den Papst zu iel des Guten.

Ganz anders fällt die Bewertung des Verhältnisses Bugnini – Paul VI. durch Pater Louis Bouyer aus. Bouyer war prominentes Mitglied des „Consiliums“ und damit selbst an der Reform der Liturgie beteiligt. In seinen posthum erscheinen Memoiren erinnert sich der 2004 verstorbene Oratorianer-Pater auch an den „verachtenswerten“ Bugnini. Insbesondere der Leiter des „Consiliums“, Kardinal Lercaro, sei unfähig gewesen, die Manöver dieses „Gauners“ zu überstehen. Demnach entfachte Bugnini zwischen Papst-Appartement und „Consilium“ einen Riesenwirbel – mit dem Ziel, die Reformen schnell und ohne allzu großen Widerstand abzuschließen. Denn Widerstand gab es selbst unter den Reformern reichlich – etwa unter anderem gegen die Kalenderreform, das neue Offertorium oder gegen die Totenliturgie. Diese Widerstände habe Bugnini aber mit der Bemerkung: „Der Heilige Vater will es!“ abgewürgt. Das „Consilium“ fügte sich. Die Reform sei nicht zuletzt deswegen unter beklagenswerten Bedingungen und übereilt vorangetrieben worden. So übereilt, dass Bouyer das zweite Hochgebet zusammen mit dem Benediktiner Bernard Botte in einer Nachtsitzung fertigstellen musste – in einer Kneipe in Trastevere. Wollte das der Heilige Vater wirklich? Bouyer ist nicht dieser Auffassung und berichtet von einem Gespräch mit Paul VI. nach Abschluss der Liturgiereform, als das „Consilium“ schon in der Gottesdienst-Kongregation aufgegangen war: „Als er mit mir über unser famoses Werk sprach, dem er am Ende mit kaum mehr Begeisterung als ich zugestimmt hatte, sagte er zu mir: ,Aber warum denn haben sie auf dieser Reform bestanden?’ (…) Selbstredend antwortete ich: „… ganz einfach, weil Bugnini uns sagte, dass Sie es unbedingt so wollten…“ Er reagierte sofort: „Ist das möglich? Zu mir sagte er, dass sie alle in dieser Hinsicht einer Meinung waren.“

Ein Dossier und die Verbannung

Hatte Bugnini Papst und Kommissionsmitglieder gegeneinander ausgespielt? Vielleicht liegt hierin ein Grund für seine plötzliche Entmachtung im Juli 1975, als Paul VI. ohne Vorankündigung Gottes dienst und Sakramenten-Kongregation zusammenlegte und Bugnini nicht mehr zum Sekretär ernannte. Womöglich gab es aber noch einen gewichtigeren. So machte schon unmittelbar danach das Gerücht die Runde, dass der Entmachtete ein Freimaurer gewesen sei, beauftragt die katholische Messe zu zerstören. Michael Davies, ein prominenter Gegner der neuen Messe, hat sogar jenen Prälaten getroffen, der das Dossier über Bugnini zusammengestellt und dem Papst übergeben haben will, zusammen mit der Ankündigung, die Sache publik zu machen, wenn dieser nicht handele. So berichtet er es in seinem Buch „Pope John’s Council“.

Bugnini selbst stritt diesen Vorwurf ab, der ihm – so schreibt er in seiner „Liturgiereform“ – aus erster Hand von einem Kardinal mitgeteilt wurde, der das Dossier auf dem Schreibtisch des Papstes gesehen hatte. Daraufhin schrieb er an Paul VI.: „Ich habe mich nie für die Freimaurerei interessiert. Ich weiß nicht, was sie treibt, welches ihre Ziele sind.“ Da behauptet wurde, er erhielte Geld von der Loge, fügte er hinzu: „Jedermann kann bestätigen, dass ich seit elf Jahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Büro fahre. Ich lebe in meiner Kommunität in zwei kleinen Zimmern, die kaum das Notwendigste enthalten.“ Aussage gegen Aussage! Der Brief blieb unbeantwortet. Ebenso hat der Vatikan niemals eine Begründung für die Ablösung des Vinzentiners bekanntgegeben oder die Gerüchte über dessen Mitgliedschaft bei den Freimaurern dementiert. 1976 wurde er als Nuntius in den Iran versetzt: Die zweite und endgültige Verbannung! Anfang der achtziger Jahre erkrankte Bugnini an Magenkrebs. Er verstarb mit siebzig Jahren am 3. Juli 1982 in einer römischen Klinik.

Von der Lebensumständen Bugninis kann sich heute noch jedermann im Konvent der Vinzentiner am Quirinalshügel überzeugen, wozu auch die wunderschöne Kirche San Silvestro al Quirinal gehört. Die Zelle, die der Erzbischof bis zu seiner Abreise in den Iran bewohnte, ist in ihrer Bescheidenheit und Einfachheit derjenigen Pater Pios vergleichbar. Überhaupt sei der Vinzentiner ein bescheidener und vor allem integrer Mann gewesen; ein Mensch, der sich jeden Tag für die Liturgiereform aufopferte, und dessen Leben und Leidenschaft darin bestand, den Menschen die heilige Messe, das Gebet der Kirche und damit Jesus Christus näherzubringen. So sagt es Pater Luigi Mezzadri, 81 Jahre, der Bugnini persönlich gekannt hat und heute noch täglich in San Silvestro al Quirinal zelebriert. Und so können wir es von vielen Klerikern, Liturgiewissenschaftlern und Theologen der 1950er Jahre bis heute hören.

Mezzadri führt die Besucher auch zum Altar, an dem Bugnini täglich die Messe zelebrierte – direkt unter einer Marienikone aus dem dreizehnten Jahrhundert, der Madonna delle Catene, und dem Bildnis Papst Pius V., der das römische Missale nach dem Tridentinum als allgemeinverbindlich festlegte. Eine fast schon schizophrene Situation, auch für jenen Herausgeber einer Zeitschrift, der sich in die Kirche geschmuggelt hatte, um zu beobachten, wie dieser berüchtigte Reformer denn die Messe zelebriere. Bugnini überliefert uns dessen Fazit: „Sehr gläubig. (…) Wie ist es aber möglich, dass dieser Priester am Morgen vor dem Bild Pius V. auf Latein, mit dem tridentinischen Missale zelebrierte, und dann am Abend der Kirche die reformierte Messe in der Volkssprache vorschreibt und damit das Konzil von Trient verrät?“ Wer dieser Beobachter war und wo seine Aussage nachzulesen ist, verrät uns Bugnini freilich nicht.

Noch einmal die Frage: Wer war Annibale Bugnini? Was wollte er? Was hat er erreicht? War er ein Freimaurer, ein Gauner und Schwätzer, der Papst, Kardinale und ganze Kommissionen gegeneinander ausspielte oder ein bescheidener, freundlicher und leidenschaftlicher Diener Gottes, der die Messe entstauben und den Menschen damit näherbringen wollte. War er vielleicht beides, weil er zu leidenschaftlich für seine Sache war? Er wäre damit nicht der erste gewesen.

Lex Orandi, Lex Credendi

Wenn man ein Werk wie die Liturgiereform an seinen Früchten erkennen kann, dann müssen wir zumindest für Europa und weite Teile Nord und Lateinamerikas feststellen, dass die Kirchen leer sind und sich die Kirchenaustritte häufen.

Dafür mag es viele Gründe geben, wie wir angesichts des Missbrauchsskandals in diesen Tagen sehen. Aber kann man das Fundament der Kirche, die Eucharistiefeier, mithin die heilige Messe ohne Folgen verändern?

Wir erinnern uns: Lex orandi, lex credendi. Womit wir wieder bei der Klage Joseph Ratzingers angekommen sind: Es ist wohl nicht möglich, ein jahrhundertelang gewachsenes Gebäude abzubrechen und in wenigen Jahren ein neues bauen. Diesen Versuch aber haben Annibale Bugnini und seine Mitstreiter unternommen, vielleicht weil sie auf die Menschen und die getrennten protestantischen Brüder zugehen und die Kirche in eine neue Zeit führen wollten. Wenn wir sie nach menschlichen Maßstäben beurteilen, dann sind sie gescheitert – unabhängig davon, welche Absichten sie hatten. Das endgültige Urteil aber fällt Gott. Und so müssen wir mit dem alten Atheisten Bertolt Brecht über Bugnini und sein Werk ausrufen: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen. Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Vatican Magazin.

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Quelle

Sacred Congregation for the Doctrine of the Faith: Declaration on PROCURED ABORTION

Siehe auch: Kongregation für die Glaubenslehre:

Klarstellung zur vorsätzlichen Abtreibung

  1. The problem of procured abortion and of its possible legal liberalization has become more or less everywhere the subject of impassioned discussions. These debates would be less grave were it not a question of human life, a primordial value, which must be protected and promoted. Everyone understands this, although many look for reasons, even against all evidence, to promote the use of abortion. One cannot but be astonished to see a simultaneous increase of unqualified protests against the death penalty and every form of war and the vindication of the liberalization of abortion, either in its entirety or in ever broader indications. The Church is too conscious of the fact that it belongs to her vocation to defend man against everything that could disintegrate or lessen his dignity to remain silent on such a topic. Because the Son of God became man, there is no man who is not His brother in humanity and who is not called to become a Christian in order to receive salvation from Him.
  2. In many countries the public authorities which resist the liberalization of abortion laws are the object of powerful pressures aimed at leading them to this goal. This, it is said, would violate no one’s conscience, for each individual would be left free to follow his own opinion, while being prevented from imposing it on others. Ethical pluralism is claimed to be a normal consequence of ideological pluralism. There is, however, a great difference between the one and the other, for action affects the interests of others more quickly than does mere opinion. Moreover, one can never claim freedom of opinion as a pretext for attacking the rights of others, most especially the right to life.
  3. Numerous Christian lay people, especially doctors, but also parents‘ associations, statesmen, or leading figures in posts of responsibility have vigorously reacted against this propaganda campaign. Above all, many episcopal conferences and many bishops acting in their own name have judged it opportune to recall very strongly the traditional doctrine of the Church.[1] With a striking convergence these documents admirably emphasize an attitude of respect for life which is at the same time human and Christian. Nevertheless, it has happened that several of these documents here or there have encountered reservation or even opposition.
  4. Charged with the promotion and the defense of faith and morals in the universal Church,[2] the Sacred Congregation for the Doctrine of the Faith proposes to recall this teaching in its essential aspects to all the faithful. Thus in showing the unity of the Church, it will confirm by the authority proper to the Holy See what the bishops have opportunely undertaken. It hopes that all the faithful, including those who might have been unsettled by the controversies and new opinions, will understand that it is not a question of opposing one opinion to another, but of transmitting to the faithful a constant teaching of the supreme Magisterium, which teaches moral norms in the light of faith.[3] It is therefore clear that this declaration necessarily entails a grave obligation for Christian consciences.[4] May God deign to enlighten also all men who strive with their whole heart to „act in truth“ (Jn. 3:21).
  5. „Death was not God’s doing, he takes no pleasure in the extinction of the living“ (Wis. 1:13). Certainly God has created beings who have only one lifetime and physical death cannot be absent from the world of those with a bodily existence. But what is immediately willed is life, and in the visible universe everything has been made for man, who is the image of God and the world’s crowning glory (cf.Gen. 1:26-28). On the human level, „it was the devil’s envy that brought death into the world“ (Wis. 2:24). Introduced by sin, death remains bound up with it: death is the sign and fruit of sin. But there is no final triumph for death. Confirming faith in the Resurrection, the Lord proclaims in the Gospel: „God is God, not of the dead, but of the living“ (Mt. 22:32). And death like sin will be definitively defeated by resurrection in Christ (cf. 1Cor. 15:20-27). Thus we understand that human life, even on this earth, is precious. Infused by the Creator,[5] life is again taken back by Him (cf. Gen. 2:7; Wis. 15:11). It remains under His protection: man’s blood cries out to Him (cf. Gen. 4:10) and He will demand an account of it, „for in the image of God man was made“ (Gen. 9:5-6). The commandment of God is formal: „You shall not kill“ (Ex. 20:13). Life is at the same time a gift and a responsibility. It is received as a „talent“ (cf. Mt. 25:14-30); it must be put to proper use. In order that life may bring forth fruit, many tasks are offered to man in this world and he must not shirk them. More important still, the Christian knows that eternal life depends on what, with the grace of God, he does with his life on earth.
  6. The tradition of the Church has always held that human life must be protected and favored from the beginning, just as at the various stages of its development. Opposing the morals of the Greco-Roman world, the Church of the first centuries insisted on the difference that exists on this point between those morals and Christian morals. In the Didache it is clearly said: „You shall not kill by abortion the fruit of the womb and you shall not murder the infant already born.“[6] Athenagoras emphasizes that Christians consider as murderers those women who take medicines to procure an abortion; he condemns the killers of children, including those still living in their mother’s womb, „where they are already the object of the care of divine Providence.“ Tertullian did not always perhaps use the same language; he nevertheless clearly affirms the essential principle: „To prevent birth is anticipated murder; it makes little difference whether one destroys a life already born or does away with it in its nascent stage. The one who will be a man is already one.“[8]
  7. In the course of history, the Fathers of the Church, her Pastors and her Doctors have taught the same doctrine – the various opinions on the infusion of the spiritual soul did not introduce any doubt about the illicitness of abortion. It is true that in the Middle Ages, when the opinion was generally held that the spiritual soul was not present until after the first few weeks, a distinction was made in the evaluation of the sin and the gravity of penal sanctions. Excellent authors allowed for this first period more lenient case solutions which they rejected for following periods. But it was never denied at that time that procured abortion, even during the first days, was objectively grave fault. This condemnation was in fact unanimous. Among the many documents it is sufficient to recall certain ones. The first Council of Mainz in 847 reconsidered the penalties against abortion which had been established by preceding Councils. It decided that the most rigorous penance would be imposed „on women who procure the elimination of the fruit conceived in their womb.“[9] The Decree of Gratian reported the following words of Pope Stephen V: „That person is a murderer who causes to perish by abortion what has been conceived.“[10] St. Thomas, the Common Doctor of the Church, teaches that abortion is a grave sin against the natural law.“ At the time of the Renaissance Pope Sixtus V condemned abortion with the greatest severity.[12] A century later, Innocent XI rejected the propositions of certain lax canonists who sought to excuse an abortion procured before the moment accepted by some as the moment of the spiritual animation of the new being.[13] In our days the recent Roman Pontiffs have proclaimed the same doctrine with the greatest clarity. Pius XI explicitly answered the most serious objections.[14] Pius XII clearly excluded all direct abortion, that is, abortion which is either an end or a means.[15] John XXIII recalled the teaching of the Fathers on the sacred character of life „which from its beginning demands the action of God the Creator.“[16] Most recently, the Second Vatican Council, presided over by Paul VI, has most severely condemned abortion: „Life must be safeguarded with extreme care from conception; abortion and infanticide are abominable crimes.“[17] The same Paul VI, speaking on this subject on many occasions, has not been afraid to declare that this teaching of the Church „has not changed and is unchangeable.“[18]
  8. Respect for human life is not just a Christian obligation. Human reason is sufficient to impose it on the basis of the analysis of what a human person is and should be. Constituted by a rational nature, man is a personal subject capable of reflecting on himself and of determining his acts and hence his own destiny: he is free. He is consequently master of himself; or rather, because this takes place in the course of time, he has the means of becoming so: this is his task. Created immediately by God, man’s soul is spiritual and therefore immortal. Hence man is open to God, he finds his fulfillment only in Him. But man lives in the community of his equals; he is nourished by interpersonal communication with men in the indispensable social setting. In the face of society and other men, each human person possesses himself, he possesses life and different goods, he has these as a right. It is this that strict justice demands from all in his regard.
  9. Nevertheless, temporal life lived in this world is not identified with the person. The person possesses as his own a level of life that is more profound and that cannot end. Bodily life is a fundamental good, here below it is the condition for all other goods. But there are higher values for which it could be legitimate or even necessary to be willing to expose oneself to the risk of losing bodily life. In a society of persons the common good is for each individual an end which he must serve and to which he must subordinate his particular interest. But it is not his last end and, from this point of view, it is society which is at the service of the person, because the person will not fulfill his destiny except in God. The person can be definitively subordinated only to God. Man can never be treated simply as a means to be disposed of in order to obtain a higher end.
  10. In regard to the mutual rights and duties of the person and of society, it belongs to moral teaching to enlighten consciences; it belongs to the law to specify and organize external behavior. There is precisely a certain number of rights which society is not in a position to grant since these rights precede society; but society has the function to preserve and to enforce them. These are the greater part of those which are today called „human rights“ and which our age boasts of having formulated.
  11. The first right of the human person is his life. He has other goods and some are more precious, but this one is fundamental –  the condition of all the others. Hence it must be protected above all others. It does not belong to society, nor does it belong to public authority in any form to recognize this right for some and not for others: all discrimination is evil, whether it be founded on race, sex, color or religion. It is not recognition by another that constitutes this right. This right is antecedent to its recognition; it demands recognition and it is strictly unjust to refuse it.
  12. Any discrimination based on the various stages of life is no more justified than any other discrimination. The right to life remains complete in an old person, even one greatly weakened; it is not lost by one who is incurably sick. The right to life is no less to be respected in the small infant just born than in the mature person. In reality, respect for human life is called for from the time that the process of generation begins. From the time that the ovum is fertilized, a life is begun which is neither that of the father nor of the mother, it is rather the life of a new human being with his own growth. It would never be made human if it were not human already.
  13. To this perpetual evidence – perfectly independent of the discussions on the moment of animation[19] – modern genetic science brings valuable confirmation. It has demonstrated that, from the first instant, there is established the program of what this living being will be: a man, this individual man with his characteristic aspects already well determined. Right from fertilization is begun the adventure of a human life, and each of its capacities requires time- a rather lengthy time- to find its place and to be in a position to act. The least that can be said is that present science, in its most evolved state, does not give any substantial support to those who defend abortion. Moreover, it is not up to biological sciences to make a definitive judgment on questions which are properly philosophical and moral such as the moment when a human person is constituted or the legitimacy of abortion. From a moral point of view this is certain: even if a doubt existed concerning whether the fruit of conception is already a human person, it is objectively a grave sin to dare to risk murder. „The one who will be a man is already one.“[20]
  14. Divine law and natural reason, therefore, exclude all right to the direct killing of an innocent man. However, if the reasons given to justify an abortion were always manifestly evil and valueless the problem would not be so dramatic. The gravity of the problem comes from the fact that in certain cases, perhaps in quite a considerable number of cases, by denying abortion one endangers important values to which it is normal to attach great value, and which may sometimes even seem to have priority. We do not deny these very great difficulties. It may be a serious question of health, sometimes of life or death, for the mother; it may be the burden represented by an additional child, especially if there are good reasons to fear that the child will be abnormal or retarded; it may be the importance attributed in different classes of society to considerations of honor or dishonor, of loss of social standing, and so forth. We proclaim only that none of these reasons can ever objectively confer the right to dispose of another’s life, even when that life is only beginning. With regard to the future unhappiness of the child, no one, not even the father or mother, can act as its substitute- even if it is still in the embryonic stage- to choose in the child’s name, life or death. The child itself, when grown up, will never have the right to choose suicide; no more may his parents choose death for the child while it is not of an age to decide for itself. Life is too fundamental a value to be weighed against even very serious disadvantages.[21]
  15. The movement for the emancipation of women, insofar as it seeks essentially to free them from all unjust discrimination, is on perfectly sound ground.[22] In the different forms of cultural background there is a great deal to be done in this regard. But one cannot change nature. Nor can one exempt women, any more than men, from what nature demands of them. Furthermore, all publicly recognized freedom is always limited by the certain rights of others.
  16. The same must be said of the claim to sexual freedom. If by this expression one is to understand the mastery progressively acquired by reason and by authentic love over instinctive impulse, without diminishing pleasure but keeping it in its proper place – and in this sphere this is the only authentic freedom – then there is nothing to object to. But this kind of freedom will always be careful not to violate justice. It; on the contrary, one is to understand that men and women are „free“ to seek sexual pleasure to the point of satiety, without taking into account any law or the essential orientation of sexual life to its fruits of fertility,[23] then this idea has nothing Christian in it. It is even unworthy of man. In any case it does not confer any right to dispose of human life – even if embryonic- or to suppress it on the pretext that it is burdensome.
  17. Scientific progress is opening to technology – and will open still more – the possibility of delicate interventions, the consequences of which can be very serious, for good as well as for evil. These are achievements of the human spirit which in themselves are admirable. But technology can never be independent of the criterion of morality, since technology exists for man and must respect his finality. Just as there is no right to use nuclear energy for every possible purpose, so there is no right to manipulate human life in every possible direction. Technology must be at the service of man, so as better to ensure the functioning of his normal abilities, to prevent or to cure his illnesses, and to contribute to his better human development. It is true that the evolution of technology makes early abortion more and more easy, but the moral evaluation is in no way modified because of this.
  18. We know what seriousness the problem of birth control can assume for some families and for some countries. That is why the last Council and subsequently the encyclical „Humanae vitae“ of July 25, 1968, spoke of „responsible parenthood.“[24] What we wish to say again with emphasis, as was pointed out in the conciliar constitution „Gaudium et spes,“ in the encyclical „Populorum progressio“ and in other papal documents, is that never, under any pretext, may abortion be resorted to, either by a family or by the political authority, as a legitimate means of regulating births.[25] The damage to moral values is always a greater evil for the common good than any disadvantage in the economic or demographic order.
  19. The moral discussion is being accompanied more or less everywhere by serious juridical debates. There is no country where legislation does not forbid and punish murder. Furthermore, many countries had specifically applied this condemnation and these penalties to the particular case of procured abortion. In these days a vast body of opinion petitions the liberalization of this latter prohibition. There already exists a fairly general tendency which seeks to limit, as far as possible, all restrictive legislation, especially when it seems to touch upon private life. The argument of pluralism is also used. Although many citizens, in particular the Catholic faithful, condemn abortion, many others hold that it is licit, at least as a lesser evil. Why force them to follow an opinion which is not theirs, especially in a country where they are in the majority? In addition it is apparent that, where they still exist, the laws condemning abortion appear difficult to apply. The crime has become too common for it to be punished every time, and the public authorities often find that it is wiser to close their eyes to it. But the preservation of a law which is not applied is always to the detriment of authority and of all the other laws. It must be added that clandestine abortion puts women, who resign themselves to it and have recourse to it, in the most serious dangers for future pregnancies and also in many cases for their lives. Even if the legislator continues to regard abortion as an evil, may he not propose to restrict its damage?
  20. These arguments and others in addition that are heard from varying quarters are not conclusive. It is true that civil law cannot expect to cover the whole field of morality or to punish all faults. No one expects it to do so. It must often tolerate what is in fact a lesser evil, in order to avoid a greater one. One must, however, be attentive to what a change in legislation can represent. Many will take as authorization what is perhaps only the abstention from punishment. Even more, in the present case, this very renunciation seems at the very least to admit that the legislator no longer considers abortion a crime against human life, since murder is still always severely punished. It is true that it is not the task of the law to choose between points of view or to impose one rather than another. But the life of the child takes precedence over all opinions. One cannot invoke freedom of thought to destroy this life.
  21. The role of law is not to record what is done, hut to help in promoting improvement. It is at all times the task of the State to preserve each person’s rights and to protect the weakest. In order to do so the State will have to right many wrongs. The law is not obliged to sanction everything, but it cannot act contrary to a law which is deeper and more majestic than any human law: the natural law engraved in men’s hearts by the Creator as a norm which reason clarifies and strives to formulate properly, and which one must always struggle to understand better, but which it is always wrong to contradict. Human law can abstain from punishment, but it cannot declare to be right what would be opposed to the natural law, for this opposition suffices to give the assurance that a law is not a law at all.
  22. It must in any case be clearly understood that whatever may be laid down by civil law in this matter, man can never obey a law which is in itself immoral, and such is the case of a law which would admit in principle the liceity of abortion. Nor can he take part in a propaganda campaign in favor of such a law, or vote for it. Moreover, he may not collaborate in its application. It is, for instance, inadmissible that doctors or nurses should find themselves obliged to cooperate closely in abortions and have to choose between the law of God and their professional situation.
  23. On the contrary, it is the task of law to pursue a reform of society and of conditions of life in all milieux, starting with the most deprived, so that always and everywhere it may be possible to give every child coming into this world a welcome worthy of a person. Help for families and for unmarried mothers, assured grants for children, a statute for illegitimate children and reasonable arrangements for adoption – a whole positive policy must be put into force so that there will always be a concrete, honorable and possible alternative to abortion.
  24. Following one’s conscience in obedience to the law of God is not always the easy way. One must not fail to recognize the weight of the sacrifices and the burdens which it can impose. Heroism is sometimes called for in order to remain faithful to the requirements of the divine law. Therefore, we must emphasize that the path of true progress of the human person passes through this constant fidelity to a conscience maintained in uprightness and truth; and we must exhort all those who are able to do so to lighten the burdens still crushing so many men and women, families and children, who are placed in situations to which, in human terms, there is no solution.
  25. A Christian’s outlook cannot be limited to the horizon of life in this world. He knows that during the present life another one is being prepared, one of such importance that it is in its light that judgments must be made.[26] From this viewpoint there is no absolute misfortune here below, not even the terrible sorrow of bringing up a handicapped child. This is the contradiction proclaimed by the Lord: „Happy those who mourn: they shall be comforted“ (Mt. 5:5). To measure happiness by the absence of sorrow and misery in this world is to turn one’s back on the Gospel.
  26. But this does not mean that one can remain indifferent to these sorrows and miseries. Every man and woman with feeling, and certainly every Christian, must be ready to do what he can to remedy them. This is the law of charity, of which the first preoccupation must always be the establishment of justice. One can never approve of abortion; but it is above all necessary to combat its causes. This includes political action, which will be in particular the task of the law. But it is necessary at the same time to influence morality and to do everything possible to help families, mothers and children. Considerable progress in the service of life has been accomplished by medicine. One can hope that such progress will continue, in accordance with the vocation of doctors, which is not to suppress life but to care for it and favor it as much as possible. It is equally desirable that, in suitable institutions, or, in their absence, in the outpouring of Christian generosity and charity every form of assistance should be developed.
  27. There will be no effective action on the level of morality unless at the same time an effort is made on the level of ideas. A point of view – or even more, perhaps a way of thinking – which considers fertility as an evil cannot be allowed to spread without contradiction. It is true that not all forms of culture are equally in favor of large families. Such families come up against much greater difficulties in an industrial and urban civilization. Thus in recent times the Church has insisted on the idea of responsible parenthood, the exercise of true human and Christian prudence.
    Such prudence would not be authentic if it did not include generosity. It must preserve awareness of the grandeur of the task of cooperating with the Creator in the transmission of life, which gives new members to society and new children to the Church. Christ’s Church has the fundamental solicitude of protecting and favoring life. She certainly thinks before all else of the life which Christ came to bring: „I have come so that they may have life and have it to the full“ (Jn. 10:10). But life at all its levels comes from God, and bodily life is for man the indispensable beginning. In this life on earth sin has introduced, multiplied and made harder to bear suffering and death. But in taking their burden upon Himself, Jesus Christ has transformed them: for whoever believes in Him, suffering and death itself become instruments of resurrection. Hence Saint Paul can say: „I think that what we suffer in this life can never be compared to the glory, as yet unrevealed, which is waiting for us“ (Rom. 8:18). And, if we make this comparison we shall add with him: „Yes, the troubles which are soon over, though they weigh little, train us for the carrying of a weight of eternal glory which is out of all proportion to them“ (2 Cor. 4:17).

The Supreme Pontiff Pope Paul VI, in an audience granted to the undersigned Secretary of the Sacred Congregation for the Doctrine of the Faith on June 28, 1974, has ratified this Declaration on Procured Abortion and has confirmed it and ordered it to be promulgated.

Given in Rome, at the Sacred Congregation for the Doctrine of the Faith, on November 18, the Commemoration of the Dedication of the Basilicas of Saints Peter and Paul, in the year 1974.

Franciscus Card. SEPER 
Prefect

Hieronymus HAMER 
Titular Archbishop of Lorium
Secretary


ENDNOTES

  1. A certain number of bishops‘ documents are to be found in Gr. Caprile, „Non Uccidere, Il Magistero della Chiesa sull’aborto.“ Part II, pp. 47-300, Rome, 1973.
  2. Regimini Ecclesiae Universae,“ III, 1, 29. Cf.ibid., 31 (AAS 59 [1967], p. 897). On the Sacred Congregation for the Doctrine of the Faith depend all the questions which are related to faith and morals or which are bound up with the faith.
  3. Lumen Gentium,“ 12 (AAS 57 [1965], pp. 16-17). The present Declaration does not envisage all the questions which can arise in connection with abortion: it is for theologians to examine and discuss them. Only certain basic principles are here recalled which must be for the theologians themselves a guide and a rule, and confirm certain fundamental truths of Catholic doctrine for all Christians.
  4. Lumen Gentium,“ 25 (AAS 57 [1965], pp. 29-31).
  5. The authors of Scripture do not make any philosophical observations on when life begins, but they speak of the period of life which precedes birth as being the object of God’s attention: He creates and forms the human being, like that which is moulded by His hand (cf.Ps. 118:73). It would seem that this theme finds expression for the first time in Jer. 1:5. It appears later in many other texts. Cf.Is. 49:1-5; 46:3; Jb. 10:8-12; Ps. 22:10; 71:6; 139:13. In the Gospels we read in Luke 1:44: „For the moment your greeting reached my ears, the child in my womb leapt for joy.“
  6. „Didache Apostolorum,“ edition Funk, „Patres Apostolici,“ V, 2. „The Epistle of Barnabas,“ IX, 5 uses the same expressions (cf. Funk, l.c., 91-93).
  7. Athenagoras, „A plea on behalf of Christians,“ 35 (cf. PG. 6, 970: S.C. 3, pp. 166-167). One may also consult the „Epistle to Diogentus“ (V, 6 Funk, o.c., I 399: S.C. 33), where it says of Christians: „They procreate children, but they do not reject the foetus.“
  8. Tertullian, „Apologeticum“ (IX. 8 PL. 1, 371-372: Corp. Christ. 1, p. 103, 1, 31-36).
  9. Canon 21 (Mansi, 14, p. 909). Cf. Council of Elvira, canon 63 (Mansi, 2, p. 16) and the Council of Ancyra, canon 21 (ibid., 519). See also the decree of Gregory III regarding the penance to be imposed upon those who are culpable of this crime (Mansi 13, 292, c. 17).
  10. Gratian, „Concordantia Discordantium Canonum,“ c. 20, C. 2, q.[2]. During the Middle Ages appeal was often made to the authority of St. Augustine who wrote as follows in regard to this matter in „De Nuptiis et Concupiscentiis,“ c. 15: „Sometimes this sexually indulgent cruelty or this cruel sexual indulgence goes so far as to procure potions which produce sterility. If the desired result is not achieved, the mother terminates the life and expels the foetus which was in her womb in such a way that the child dies before having lived, or, if the baby was living already in its mother’s womb, it is killed before being born.“ (PL 44, 423-424: CSEL 33, 619. Cf. the „Decree of Gratian“ q. 2, C. 32, c. 7.)
  11. „Commentary on the Sentences,“ book IV, dist. 31, exposition of the text.
  12. Constitution „Effraenatum“ in 1588 („Bullarium Romanum,“ V, 1, pp. 25-27; „Fontes Iuris Canonici,“ I, no. 165, pp. 308-311).
  13. Dz-Sch. 1184. Cf. also the Constitution „Apostolicae Sedis“ of Pius IX (Acta Pii IX, V, 55-72; AAS 5 [1869], pp. 305-331; „Fontes Iuris Canonici,“ III, no. 552, pp. 24-31).
  14. Encyclical „Casti Connubii,“ AAS 22 (1930), pp. 562-565; Dz- Sch. 3719-21.
  15. The statements of Pius XII are express, precise and numerous; they would require a whole study on their own. We quote only this one from the Discourse to the Saint Luke Union of Italian Doctors of November 12, 1944, because it formulates the principle in all its universality: „As long as a man is not guilty, his life is untouchable, and therefore any act directly tending to destroy it is illicit, whether such destruction is intended as an end in itself or only as a means to an end, whether it is a question of life in the embryonic stage or in a stage of full development or already in its final stages“ (Discourses and Radio-messages, VI, 183ff.).
  16. Encyclical „Mater et magistra,“ AAS 53 (1961), p. 447.
  17. Gaudium et spes,“ 51. Cf. 27 (AAS 58 [1966], p. 1072; cf. 1047).
  18. The speech, „Salutiamo con paterna effusione,“ December 9, 1972, AAS 64 (1972), p. 737. Among the witnesses of this unchangeable doctrine one will recall the declaration of the Holy Office, condemning direct abortion (Denzinger 1890, AAS 17 [1884], p. 556; 22 [1888-1890], 748; Dz-Sch 3258).
  19. This declaration expressly leaves aside the question of the moment when the spiritual soul is infused. There is not a unanimous tradition on this point and authors are as yet in disagreement. For some it dates from the first instant; for others it could not at least precede nidation. It is not within the competence of science to decide between these views, because the existence of an immortal soul is not a question in its field. It is a philosophical problem from which our moral affirmation remains independent for two reasons: (1) supposing a belated animation, there is still nothing less than a human life, preparing for and calling for a soul in which the nature received from parents is completed, (2) on the other hand, it suffices that this presence of the soul be probable (and one can never prove the contrary) in order that the taking of life involve accepting the risk of killing a man, not only waiting for, but already in possession of his soul.
  20. Tertullian, cited in footnote 8.
  21. Cardinal Villot, Secretary of State, wrote on October 19, 1973, to Cardinal Dopfner, regarding the protection of human life: „(Die Kirche) kann jedoch sur Behebung solcher Notsituationen weder empfangnisverhutende Mittel noch erst recht nicht die Abtreibung als sittlich erlaubt erkennen“ („L’Osservatore Romano,“ German edition, October 26, 1973, p. 3).
  22. Encyclical „Pacem in terris.“ AAS 55 (1963), p. 267. Constitution „Gaudium et spes,“ 29. Speech of Paul VI, „Salutiamo,“ AAS 64 (1972), 779.
  23. Gaudium et spes,“ 48: „Indole autem sua naturali, ipsum institutum matrimonii amorque coniugalis ad procreationem et educationem prolis ordinantur, iisque veluti suo fastigio coronantur.“ Also paragraph 50: „Matrimonium et amor coniugalis indole sua ad prolem procreandam et educandam ordinantur.“
  24. Gaudium et spes,“ 50-51. Paul VI, Encyclical „Humanae vitae,“ 10 (AAS 60, [1968], p. 487).
  25. Gaudium et spes,“ 87. Paul VI, Encyclical „Populorum progressio,“ 31: Address to the United Nations, AAS 57 (1965), p. 883. John XXIII, „Mater et magistra,“ AAS 53 (1961), pp. 445-448). Responsible parenthood supposes the use of only morally licit methods of birth regulation. Cf. „Humanae vitae,“[14] (ibid., p. 490).
  26. Cardinal Villot, Secretary of State, wrote to the World Congress of Catholic Doctors held in Barcelona, May 26, 1974: „Por lo que a la vida humana se refiere, esta non es ciertamente univoca, mas bien se podria decir que es un haz de vidas. No se puede reducir, sin mutilarlas gravemente, las zonas de su ser, que, en su estrecha dependencia e interaccion estan ordenadas las unas a las otras: zona corporal, zona afectiva, zona mental, y ese transfondo del alma donde la vida divina, recibida por la gracia, puede desplegarse mediante los dones del Espiritu Santo“ („L’Osservatore Romano,“ May 29, 1974).

Papst Paul VI.: Apostolisches Schreiben Motu proprio „Matrimonia mixta“ über die rechtliche Ordnung der Mischehen

Papst Paul VI. (1963-1978) schaffte vor 50 Jahren die Exkommunikation für Katholiken in gemischtkonfessionelle Ehen ab.

Die Mischehen, das heißt die Ehen zwischen einem Katholiken und einem getauften oder ungetauften Nichtkatholiken, waren von jeher für die Kirche, ihrem Auftrag gemäß, Gegenstand besonderer Sorge. Die Situation unserer Zeit bringt es mit sich, dass diese Sorge noch dringender wird. Während früher katholische und nichtkatholische Christen sowie Nichtchristen räumlich getrennt lebten, ist diese Trennung heutzutage weitgehend aufgehoben. Außerdem haben sich zwischen den Menschen der verschiedenen Regionen und Religionen viel intensivere Kontakte ergeben. So kam es, dass die Zahl der Mischehen stark zunahm. Zu dieser Entwicklung haben auch der kulturelle und gesellschaftliche Fortschritt und die Industrialisierung beigetragen. Verstädterung, Landflucht und Mobilität haben ein übriges getan, nicht zuletzt auch die wachsende Zahl der außerhalb ihrer Heimat lebenden Menschen. Die Kirche weiß, dass die Mischehen, wie sie sich aus der Verschiedenheit der Religionen und aus der Spaltung der Christenheit ergeben, für gewöhnlich nicht die Wiedervereinigung fördern, wenn es auch Ausnahmen von dieser Regel gibt. Tatsächlich ist die Mischehe mit einer Fülle von Schwierigkeiten belastet. Sie trägt ja in die lebendige Zelle der Kirche, wie die christliche Familie mit Recht genannt wird, eine gewisse Spaltung hinein; wegen der Verschiedenheit im religiösen Bereich wird die treue Erfüllung der Forderungen des Evangeliums erschwert; das gilt besonders von der Teilnahme am Gottesdienst der Kirche und von der Erziehung der Kinder. Aus diesen Gründen rät die Kirche im Bewusstsein ihrer Verantwortung von Mischehen ab. Es muss ihr ja daran liegen, dass die katholischen Gläubigen in ihrer Ehe zur vollkommenen Übereinstimmung im Denken und Fühlen und zu einer vollen Lebensgemeinschaft gelangen.

Es ist jedoch ein natürliches Recht des Menschen, eine Ehe zu schließen und Kindern das Leben zu schenken. Darum bemüht sich die Kirche durch ihre Gesetzgebung, die ein klares Zeugnis ihrer Hirtensorge ist, eine Regelung zu treffen, die einerseits die Vorschriften des göttlichen Rechts wahrt und andererseits das schon erwähnte Recht des Menschen auf die Ehe sicherstellt. Die wachsende Sorge der Kirche gilt der Erziehung der jungen Menschen: sie sollen fähig werden, ihre Pflichten verantwortungsbewusst wahrzunehmen und ihre Aufgaben in der Kirche zu erfüllen. Sie gilt ebenso der Vorbereitung der Brautleute, die eine Mischehe eingehen wollen; sie gilt auch denen, die bereits in einer Mischehe leben. Sicherlich ist in Mischehen zwischen zwei Getauften nicht so sehr zu befürchten, dass die Gatten religiös gleichgültig werden. Was hier an Gefährdungen bleibt, lässt sich verringern, wenn beide Gatten, obwohl sie in einer Mischehe leben, das Wesen der christlichen Ehe gründ- lich kennen und wenn die zuständigen kirchlichen Stellen ihnen in geeigneter Weise helfen. Auch Schwierigkeiten zwischen Ehepartnern, von denen der eine katholisch, der andere nicht getauft ist, können durch die wachsame Sorge und die Bemühungen der Seelsorger überwunden werden.

Weder in ihrer Lehre noch in ihrer Gesetzgebung stellt die Kirche die konfessionsverschiedene Ehe auf die gleiche Stufe mit der Ehe zwischen Katholiken und Nichtgetauften. Wie das II. Vatikanische Konzil erklärt hat, stehen jene, die zwar nicht katholisch sind, aber doch „an Christus glauben und in der rechten Weise die Taufe empfangen haben, in einer gewissen, wenn auch nicht vollkommenen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche“.1 Die Gläubigen der Ostkirchen aber, die außerhalb der katholischen Kirche getauft sind, haben, obschon von unserer Gemeinschaft getrennt, in ihren Kirchen echte Sakramente, vor allem das Priestertum und die Eucharistie. Das verbindet sie ganz besonders eng mit uns.2 Es besteht nämlich in der Ehe zwischen Getauften – sie ist ja ein wahres Sakrament – eine gewisse Gemeinsamkeit der geistlichen Güter, die der Ehe zwischen einem Getauften und einem Nichtgetauften fehlt. Trotzdem dürfen die Schwierigkeiten nicht unerwähnt bleiben, die auch für Mischehen zwischen Getauften bestehen. Oft haben die Partner einer solchen Ehe eine unterschiedliche Auffassung vom sakramentalen Charakter der Ehe und von der Bedeutung der kirchlichen Trau-

1           Decr.  de Oecumenismo  „Unitatis  redintegratio“,  3, AAS 57  (1965), p. 93; cfr.  Const. Dogm. de Ecclesia „Lumen gentium“, AAS 57 (1965), pp. 19-20.
2           Cfr. Conc. Vat. II, Decr. de Oecumenismo „Unitatis redintegratio“, 13-18, l. c., pp. 100-104.

ung. Oft werden ihre Meinungen auseinandergehen, wenn es um das Verständnis mancher sittlichen Grundsätze geht, die Ehe und Familie betreffen. Oft werden sie verschiedener Ansicht sein über den Umfang des der katholischen Kirche geschuldeten Gehorsams und über den Zuständigkeitsbereich der kirchlichen Obrigkeit. Von daher versteht es sich, dass diese Schwierigkeiten erst durch die Wiedervereinigung der Christen völlig behoben werden können.

Die Gläubigen sollen deshalb darüber unterrichtet werden, dass die Kirche, selbst wenn sie in einigen besonders gelagerten Fällen die bestehende Ordnung in etwa lockert, niemals dem katholischen Ehepartner die Verpflichtung abnehmen kann, die ihm durch das göttliche Gesetz, das heißt durch die von Christus festgesetzte Heilsordnung, je nach seiner besonderen Situation auferlegt ist. Daher sollen die Gläubigen darauf aufmerksam gemacht werden, dass der katholische Ehegatte verpflichtet ist, seinen Glauben zu bewahren, und dass es ihm deshalb niemals erlaubt ist, sich einer unmittelbaren Gefahr  des Glaubensverlustes auszusetzen. In Mischehen ist der katholische Partner aber nicht nur verpflichtet, seinem Glauben treu zu bleiben, sondern darüber hinaus, soweit möglich, dafür zu sorgen, dass seine Kinder getauft und im gleichen Glauben erzogen werden und alle die Hilfen zum ewigen Heil erhalten, die die katholische Kirche ihren Gläubigen anbietet.

Für die Erziehung der Kinder stellt sich hier ein schwieriges Problem, da beide Ehegatten diese Aufgabe wahrnehmen müssen und die damit gegebenen Verpflichtungen keineswegs vernachlässigen dürfen. Doch ist die Kirche bestrebt, in ihrer Gesetzgebung und in ihrer Seelsorge dieser wie auch den übrigen Schwierigkeiten zu begegnen. Wer dies bedenkt, wird sich nicht darüber wundern, dass die Mischehengesetzgebung nicht einheitlich sein kann, sondern den verschiedenen Verhältnissen angepasst sein muss, ob es sich nun um die rechtliche Eheschließungsform oder um die liturgische Feier der Trauung oder um die seelsorgliche Betreuung der Ehegatten und ihrer Kinder handelt. Dies alles wird sich nach der Situation der Eheleute oder dem unterschiedlichen Grad ihrer Zugehörigkeit zur kirchlichen Gemeinschaft richten müssen.

Es war durchaus angemessen, dass das Zweite Vatikanische Konzil seine Sorge dieser so wichtigen Frage zuwandte. Das geschah mehrere Male, wenn sich dazu ein Anlass bot. In der dritten Sitzungsperiode des Konzils haben die Väter ein Votum verabschiedet, durch das sie den gesamten Fragebereich uns übertrugen. Um diesem Votum zu entsprechen, hat die Kongregation für die Glaubenslehre am 18. März 1966 eine Instruktion über die Mischehe erlassen, die mit den Worten „Matrimonii sacramentum3 beginnt. Darin wurde bestimmt, dass die in ihr aufgestellten Normen, falls sie sich in der Praxis bewähren sollten, dem kirchlichen Gesetzbuch, das zur Zeit überarbeitet wird, in klarer und eindeutiger Form eingefügt werden.4 Da aber der ersten Vollversammlung der Bischofssynode im Oktober 1967 einige Fragen bezüglich der Mischehen vorgelegt worden sind, zu denen die Bischöfe zahlreiche sachdienliche Vorschläge eingereicht haben5, hielten wir es für gut, diese einer eigens dafür bestellten Kardinalskommission vorzulegen. Sie hat uns ihre mit großer Gründlichkeit erarbeiteten Ergebnisse zugeleitet.

Wir möchten nun zunächst festlegen, dass die Katholiken der orientalischen Riten, die die Ehe mit getauften Nichtkatholiken oder mit Ungetauften schließen, nicht unter die gesetzlichen Bestimmungen dieses Schreibens fallen. Was jedoch die Ehe von Katholiken aller Riten mit nichtkatholischen Christen der orientalischen Riten betrifft, so hat die Kirche in jüngster Zeit einige Vorschriften erlassen6, die in Kraft bleiben sollen. Die nun folgenden Bestimmungen erlassen wir in der Absicht, die kirchliche Gesetzgebung über die Mischehen zu verbessern und darauf hinzuwirken, dass die kirchenrechtlichen Bestimmungen, unbeschadet der Vorschriften des göttlichen Gesetzes, den unterschiedlichen Verhält-

3           Cfr. AAS 58 (1966), pp. 235-239.
4           Cfr. ibid., l. c., p. 237.
5           Cfr. Argumenta de quibus disceptabitur in primo generali coetu Synodi Episcoporum, Pars altera, Typis Polyglottis Vaticanis, 1967, p. 27-37.
6           Cfr. Conc. Vat. II, Decr. de Ecclesiis Orientalibus Catholicis „Orientalium Ecclesiarum“, 18, AAS 57    (1965), p. 82; S. Congr. pro Ecclesiis Orientalibus, Decr. „Crescens matrimoniorum“, AAS 59 (1967), pp. 165-166.

nissen der Eheleute entsprechen. Wir wissen uns dabei im Einklang mit der Auffassung des Zweiten Vatikanischen Konzils, wie sie vor allem im Dekret „Unitatis redintegratio“7 und in der Erklärung „Dignitatis humanae8 zum Ausdruck kommt. Auch haben wir die auf der Bischofssynode geäußerten Wünsche berücksichtigt. Kraft unserer Amtsvollmacht und nach reiflicher Überlegung bestimmen und beschließen wir wie folgt:

  1. Die Eheschließung zwischen zwei Getauften, bei der ein Ehepartner katholisch und der andere nicht-katholisch ist, ist ohne vorhergehende Dispens des Ortsordinarius nicht erlaubt, da eine solche Ehe aus ihrem Wesen heraus ein Hindernis für die volle religiöse Gemeinschaft der Ehegatten darstellt.
  2. Die Eheschließung zwischen zwei Personen, bei der ein Ehepartner in der katholischen Kirche getauft beziehungsweise in sie aufgenommen wurde und der andere nicht getauft ist, ist ohne vorhergehende Dispens des Ortsordinarius ungültig.
  3. Die Kirche ist bereit, je nach den Gegebenheiten der Zeit, des Ortes und der Personen von bei- den Hindernissen zu dispensieren, sofern ein gerechter Grund vorliegt.
  4. Um vom Ortsordinarius die Dispens vom Hindernis zu erlangen, muss sich der katholische Ehepartner bereit erklären, die Gefahren des Abfalls vom Glauben zu beseitigen. Er hat außer- dem die schwere Verpflichtung, das aufrichtige Versprechen abzugeben, nach Kräften alles zu tun, dass alle seine Kinder in der katholischen Kirche getauft und erzogen werden.
  5. Von dem Versprechen des katholischen Partners muss der nichtkatholische Partner rechtzeitig unterrichtet werden, und zwar in einer Weise, die sicherstellt, dass er wirklich von dem Versprechen und der Verpflichtung des katholischen Partners Kenntnis hat.
  6. Beiden Ehepartnern sollen der Sinn und die wesentlichen Eigenschaften der Ehe dargelegt werden, die bei der Eheschließung von keinem der beiden ausgeschlossen werden dürfen.
  7. Es ist Aufgabe der Bischofskonferenz, im Rahmen ihrer territorialen Zuständigkeit die Art und Weise festzulegen, in der diese in jedem Fall erforderlichen Erklärungen und Versprechen abgegeben werden sollen: ob nur mündlich oder auch schriftlich, ob in Gegenwart von Zeugen. Ferner muss festgelegt werden, was zu tun ist, damit über diese Erklärungen und Versprechen auch im äußeren Rechtsbereich Gewissheit besteht und damit der nichtkatholische Ehepartner von ihnen Kenntnis erhält. Ebenso ist es Aufgabe der Bischofskonferenz, festzulegen, ob und welche zusätzlichen Forderungen zweckmäßiger Weise zu stellen sind.
  8. Die Mischehen müssen in der kanonischen Form geschlossen werden; diese ist notwendig zu ihrer Gültigkeit, unbeschadet der Vorschrift des Dekretes „Crescens matrimoniorum“, das die Kongregation für die Ostkirchen am 22. Februar 1967 erlassen hat. 
  9. Wenn der Einhaltung der kanonischen Form erhebliche Schwierigkeiten entgegenstehen, haben die Ortsordinarien das Recht, für die Mischehe von der kanonischen Form zu dispensieren. Es ist jedoch Aufgabe der Bischofskonferenz, gesetzliche Regelungen aufzustellen, nach denen diese Dispens in erlaubter und für das betreffende Land oder Territorium einheitlicher Weise erteilt wird. Es muss aber irgendeine öffentliche Eheschließungsform eingehalten werden.
  10. Es muss dafür gesorgt werden, dass alle gültig geschlossenen Ehen in die vom Kirchenrecht vorgeschriebenen Bücher sorgfältig eingetragen werden. Die Seelsorger mögen Sorge tragen, dass auch die nichtkatholischen Geistlichen mithelfen, damit die mit einem Katholiken geschlossenen Ehen in die Bücher eingetragen werden können. Die Bischofskonferenzen aber sollen Vorschriften erlassen, die für das betreffende Gebiet oder Territorium ein einheitliches
7           AAS 57 (1965), pp. 90-112.
8           AAS 58 (1966) pp. 929-946.
9           Cfr. AAS 59 (1967), p. 166.

Vorgehen festlegen, damit eine Ehe, die nach Erlangung der Dispens von der kanonischen Form öffentlich eingegangen wurde, in den vom Kirchenrecht vorgeschriebenen Büchern aktenkundig werden kann.

  1. Was die liturgische Form bei Mischehen betrifft, so muss, falls sie sich nach dem Rituale Romanum zu richten hat, der Trauungsritus aus dem Ordo celebrandi matrimonium genommen werden, der in unserem Auftrag erlassen worden ist. Das gilt sowohl für die Ehen zwischen Katholiken und getauften Nichtkatholiken (Nr. 39-54) als auch für Ehen zwischen Katholiken und Nichtgetauften (Nr. 55-66). Wenn die Umstände es nahelegen, kann bei Ehen zwischen Katholiken und getauften Nichtkatholiken mit Zustimmung des Ortsordinarius die Eheschließung nach dem Ritus für Trauungen in der Messe (Nr. 19-38) erfolgen. Dabei sind hinsichtlich des Kommunionempfanges die Vorschriften des allgemeinen Rechts zu befolgen.
  2. Die Bischofskonferenzen sollen den Apostolischen Stuhl über die Beschlüsse unterrichten, die sie im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die Mischehen getroffen haben.
  3. Die Trauung vor einem katholischen Priester oder Diakon und einem nichtkatholischen Geistlichen, die beide zusammen je ihren eigenen Ritus vollziehen, ist verboten. Auch ist keine religiöse Trauungszeremonie vor oder nach der katholischen Trauung zur Abgabe oder Erneuerung des Ehekonsenses zulässig.
  4. Die Ortsordinarien und die Pfarrer sollen dafür sorgen, dass es dem katholischen Ehegatten und den Kindern in einer Mischehe niemals an seelsorglicher Hilfe zur Erfüllung ihrer Gewissensverpflichtung fehlt. Dem katholischen Ehegatten mögen sie nahelegen, stets des göttlichen Geschenkes seines katholischen Glaubens eingedenk zu sein und von ihm „mit gutem Gewissen in Sanftmut und Ehrfurcht Zeugnis abzulegen“10. Den Ehegatten mögen sie helfen, die Einheit in Ehe und Familie zu pflegen und zu fördern, die für Christen auch in ihrer Taufe grundgelegt ist. Darum ist es wünschenswert, dass die katholischen Seelsorger zu den Geistlichen der anderen religiösen Gemeinschaften Kontakte aufnehmen und diese Beziehungen redlich, klug und vertrauensvoll pflegen.
  5. Alle in can. 2319 CIC festgelegten Strafen sind aufgehoben. Bei denen, die sich diese Strafen bereits zugezogen haben, entfallen die rechtlichen Straffolgen. Es bleiben jedoch die Verpflichtungen bestehen, von denen in Nr. 4 dieser Normen die Rede ist.
  6. Der Ortsordinarius kann die Sanatio in radice für die Mischehe unter Beachtung der einschlägigen Rechtsbestimmungen gewähren, wenn die Bedingungen von Nr. 4 und 5 dieser Normen erfüllt sind.
  7. In besonders schwierigen Fällen oder im Zweifel über die Anwendung dieser Normen soll man sich an den Heiligen Stuhl wenden.

Wir ordnen an, dass alles, was wir durch das vorliegende Schreiben in der Form eines Motu proprio bestimmt haben, volle Gültigkeit hat und ab 1. Oktober dieses Jahres in vollem Umfang rechtswirksam wird, ungeachtet aller anders lautenden Verfügungen.

Gegeben zu Rom, bei St. Peter, am 31. März 1970, im siebten Jahre unseres Pontifikats. Papst Paul VI.

10        Cfr. 1 Pt. 3, 16.

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Quelle

Benedikt XVI. zum Hochfest der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau und Gottesmutter Maria – 2005

EUCHARISTIEFEIER ANLÄSSLICH DES 40. JAHRESTAGES DES
ABSCHLUSSES DES II. ÖKUMENISCHEN VATIKANISCHEN KONZILS

PREDIGT VON BENEDIKT XVI.

Hochfest der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau und Gottesmutter Maria
Donnerstag, 8. Dezember 2005

Liebe Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Vor 40 Jahren, am 8. Dezember 1965, vollzog Papst Paul VI. auf dem Vorplatz dieser Petersbasilika den feierlichen Abschluß des II. Vatikanischen Konzils. Es war nach dem Wunsch von Johannes XXIII. am 11. Oktober 1962, damals Fest der Mutterschaft Mariens, eröffnet worden und fand seinen Abschluß am Tag der Unbefleckten Empfängnis. Ein marianischer Rahmen umgibt also das Konzil. Tatsächlich ist es aber viel mehr als ein Rahmen: Es ist eine Orientierung für den ganzen Verlauf des Konzils. Ebenso wie seinerzeit die Konzilsväter verweist es auch uns auf das Bild der Jungfrau, die zuhört, die im Wort Gottes lebt, die die Worte, die von Gott zu ihr gelangen, in ihrem Herzen bewahrt und die sie begreifen lernt, indem sie sie gleichsam zu einem Mosaik zusammenfügt (vgl. Lk 2,19.51); es verweist uns auf die große Glaubende, die sich demütig und vertrauensvoll in die Hände Gottes übergibt, indem sie sich seinem Willen überläßt; es verweist uns auf die demütige Mutter, die, wenn es die Sendung des Sohnes verlangt, in den Hintergrund tritt, und zugleich auf die mutige Frau, die unter dem Kreuz steht, während die Jünger die Flucht ergreifen. In seiner Ansprache anläßlich der Promulgation der Konzilskonstitution über die Kirche hatte Paul VI. Maria als »tutrix huius Concilii« – »Beschützerin dieses Konzils« – bezeichnet (vgl. Oecumenicum Concilium Vaticanum II, Constitutiones Decreta Declarationes, Vatikanstadt 1966, S. 986) und mit unverkennbarer Bezugnahme auf den von Lukas überlieferten Pfingstbericht (Apg 1,12–14) gesagt, die Konzilsväter hätten sich »cum Maria, Matre Iesu« – »mit Maria, der Mutter Jesu« – in der Konzilsaula versammelt und würden nun auch in ihrem Namen aus ihr hinausgehen (ebd., S. 985).

Unauslöschlich bleibt in meinem Gedächtnis der Augenblick, in dem sich die Konzilsväter, als sie seine Worte hörten: »Mariam Sanctissimam declaramus Matrem Ecclesiae« – »Wir erklären die seligste Jungfrau Maria zur Mutter der Kirche« –, spontan von ihren Sitzen erhoben und stehend applaudierten und auf diese Weise der Gottesmutter, unserer Mutter, der Mutter der Kirche huldigten. In der Tat faßte der Papst mit diesem Titel die marianische Lehre des Konzils zusammen und bot den Schlüssel zu deren Verständnis. Maria steht nicht nur in einer einzigartigen Beziehung zu Christus, dem Sohn Gottes, der als Mensch ihr Sohn werden wollte. Indem sie vollkommen mit Christus verbunden ist, gehört sie auch vollkommen zu uns. Ja, wir können sagen, Maria ist uns so nahe wie kein anderer Mensch, weil Christus Mensch für die Menschen ist und sein ganzes Sein ein »Sein für uns« ist. Christus als Haupt ist, wie die Konzilsväter sagen, nicht von seinem Leib, der Kirche, zu trennen; er bildet zusammen mit ihr sozusagen ein einziges lebendiges Subjekt. Die Mutter des Hauptes ist auch die Mutter der ganzen Kirche; sie wird sozusagen sich selbst vollkommen entzogen; sie gibt sich ganz Christus hin und wird mit ihm uns allen geschenkt. Denn je mehr sich die menschliche Person hingibt, um so mehr findet sie sich selbst.

Das Konzil wollte uns sagen: Maria ist so in das große Geheimnis der Kirche eingewoben, daß sie und die Kirche ebenso wenig voneinander zu trennen sind wie sie und Christus. Maria ist Spiegelbild der Kirche, sie nimmt sie in ihrer Person vorweg und bleibt in allen Turbulenzen, die die leidende und sich abmühende Kirche heimsuchen, immer der Stern des Heils. Sie ist ihre wahre Mitte, der wir vertrauen, auch wenn uns ihre Randbereiche so oft schwer auf der Seele lasten. Dies alles hat Papst Paul VI. bei der Verkündigung der Konstitution über die Kirche mittels eines neuen, tief in der Überlieferung verwurzelten Titels in der Absicht herausgestellt, die innere Struktur der auf dem Konzil entwickelten Lehre über die Kirche zu erhellen. Das II. Vaticanum sollte über die institutionellen Glieder der Kirche sprechen: über die Bischöfe und über den Papst, über die Priester, die Laien und die Ordensleute in ihrer Gemeinschaft und in ihren Beziehungen zueinander; es sollte die pilgernde Kirche beschreiben, »die in ihrem eigenen Schoß Sünder umfaßt; die zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig ist…« (Lumen gentium, 8). Aber diese »petrinische« Dimension der Kirche ist in jener »marianischen« Dimension enthalten. In Maria, der unbefleckt Empfangenen, begegnen wir dem unentstellten Wesen der Kirche. Von ihr sollen wir lernen, selber zu »kirchlichen Seelen« zu werden, wie sich die Konzilsväter ausdrückten, damit auch wir, nach dem Wort des hl. Paulus, »schuldlos« vor den Herrn treten können, so wie er uns von Anfang an haben wollte (vgl. Kol 1,22; Eph 1,4).

Aber nun müssen wir uns fragen: Was bedeutet »Maria, die unbefleckt Empfangene«? Hat uns dieser Titel etwas zu sagen? Die Liturgie des heutigen Tages erklärt uns den Inhalt dieses Wortes in zwei großartigen Bildern. Da ist zuerst der wundervolle Bericht von der Ankündigung des Kommens des Messias an Maria, die Jungfrau aus Nazaret. Der Gruß des Engels ist aus Fäden des Alten Testaments, besonders aus dem Buch des Propheten Zefanja, gewoben. Er zeigt, daß Maria, die einfache Frau aus der Provinz, die aus einem priesterlichen Geschlecht stammt und das große priesterliche Erbe Israels in sich trägt, der »heilige Rest« Israels ist, auf den sich die Propheten zu allen Zeiten der Drangsal und Finsternis bezogen haben. In ihr ist das wahre, das reine Zion, die lebendige Wohnstatt Gottes, gegenwärtig. In ihr wohnt der Herr, in ihr findet er seinen Ort der Ruhe. Sie ist das lebendige Haus Gottes, der nicht in steinernen Häusern wohnt, sondern im Herzen des lebendigen Menschen. Sie ist der Sproß, der in der dunklen Winternacht der Geschichte aus dem Baumstumpf Davids hervorsprießt. In ihr erfüllt sich das Psalmwort: »Das Land gab seinen Ertrag« (Ps 67,7). Sie ist der junge Trieb, aus dem der Baum der Erlösung und der Erlösten heranwächst. Gott ist nicht gescheitert, wie es gleich am Anfang der Geschichte mit Adam und Eva oder während des Babylonischen Exils vielleicht scheinen mochte und wie es sich zur Zeit Mariens neuerlich abzuzeichnen schien, als Israel zu einem bedeutungslosen Volk in einem besetzten Land geworden war, wo kaum Zeichen seiner Heiligkeit zu erkennen waren. Gott ist nicht gescheitert. In der Schlichtheit des Hauses von Nazaret lebt das heilige Israel, der lautere Rest. Gott hat sein Volk gerettet und rettet es auch weiterhin. Seine Geschichte beginnt von neuem zu leuchten von dem Baumstumpf aus, der zu einer neuen lebendigen Kraft wird, die Orientierung gibt und die Welt durchdringt. Maria ist das heilige Israel; sie sagt »Ja« zum Herrn, sie stellt sich ihm voll zur Verfügung und wird so zum lebendigen Tempel Gottes.

Das zweite Bild ist viel schwieriger und dunkler. Diese Metapher aus dem Buch Genesis spricht zu uns aus einer großen historischen Distanz und läßt sich nur mühsam erklären; erst im Laufe der Geschichte war es möglich, ein tieferes Erfassen des dort Berichteten zu entwickeln. Es wird vorausgesagt, daß während der ganzen Geschichte der Kampf zwischen dem Menschen und der Schlange, das heißt zwischen dem Menschen und den Mächten des Bösen und des Todes, weitergehen wird. Es wird jedoch auch vorhergesagt, daß »die Nachkommenschaft« der Frau eines Tages siegen und der Schlange, dem Tod, den Kopf zertreten wird; es wird vorhergesagt, daß die Nachkommenschaft der Frau – und in ihr die Frau und Mutter – siegen wird und daß auf diese Weise, nämlich durch den Menschen, Gott siegen wird. Wenn wir zusammen mit der glaubenden und betenden Kirche hörend an diesen Text herangehen, dann können wir beginnen zu verstehen, was die Ursünde, die Erbsünde ist, und auch, was der Schutz vor dieser Erbsünde ist, was die Erlösung ist.

Was für ein Bild wird uns in diesem Abschnitt vor Augen geführt? Der Mensch vertraut nicht auf Gott. Von den Worten der Schlange verführt, hegt er den Verdacht, daß Gott letzten Endes ihm etwas von seinem Leben wegnehme, daß Gott ein Konkurrent sei, der unsere Freiheit einschränke, und daß wir erst dann im Vollsinn Menschen sein würden, wenn wir Gott zurückgesetzt haben; kurz, daß wir nur auf diese Weise unsere Freiheit voll verwirklichen können. Der Mensch lebt in dem Verdacht, die Liebe Gottes erzeuge eine Abhängigkeit und er müsse sich von dieser Abhängigkeit befreien, um vollkommen er selbst zu sein. Der Mensch will seine Existenz und die Fülle seines Lebens nicht von Gott empfangen. Er will selber vom Baum der Erkenntnis die Macht dazu erlangen, die Welt zu formen, Gott zu werden, indem er sich auf eine Stufe mit Ihm erhebt, und den Tod und die Finsternis mit eigener Kraft zu besiegen. Er will nicht auf die Liebe zählen, die ihm nicht zuverlässig erscheint; er zählt einzig und allein auf die Erkenntnis, da sie ihm die Macht verleiht. Anstatt auf die Liebe setzt er auf die Macht, mit der er sein Leben selbständig in die Hand nehmen möchte. Und indem er das tut, vertraut er der Lüge statt der Wahrheit und stürzt so mit seinem Leben ins Leere, in den Tod. Liebe ist nicht Abhängigkeit, sondern Geschenk, das uns leben läßt. Die Freiheit eines Menschen ist die Freiheit eines begrenzten Wesens und ist daher selbst begrenzt. Wir können sie nur als geteilte Freiheit, in der Gemeinschaft der Freiheiten, besitzen: Nur wenn wir in rechter Weise miteinander und füreinander leben, kann sich die Freiheit entfalten. Aber wir leben in rechter Weise, wenn wir gemäß der Wahrheit unseres Seins, das heißt nach dem Willen Gottes leben. Denn der Wille Gottes ist für den Menschen nicht ein ihm von außen auferlegtes Gesetz, das ihn einengt, sondern das seiner Natur wesenseigene Maß, ein Maß, das in ihn eingeschrieben ist und ihn zum Abbild Gottes und somit zum freien Geschöpf macht. Wenn wir gegen die Liebe und gegen die Wahrheit – also gegen Gott – leben, zerstören wir uns gegenseitig und zerstören die Welt. Dann finden wir nicht das Leben, sondern handeln im Interesse des Todes. Das alles wird mit den unvergänglichen Bildern in der Geschichte vom Sündenfall und von der Vertreibung des Menschen aus dem irdischen Paradies erzählt.

Liebe Brüder und Schwestern! Wenn wir über uns und über unsere Geschichte aufrichtig nachdenken, müssen wir sagen, daß mit diesem Bericht nicht nur die Geschichte des Anfangs, sondern die Geschichte aller Zeiten beschrieben wird und daß wir alle einen Tropfen des Giftes von jener Denkweise in uns tragen, wie sie in den Bildern aus dem Buch Genesis veranschaulicht wird. Diesen Gifttropfen nennen wir Erbsünde. Gerade am Hochfest der Unbefleckten Empfängnis taucht in uns der Verdacht auf, daß eine Person, die gar nicht sündigt, im Grunde genommen langweilig sei; daß etwas in ihrem Leben fehle, nämlich die dramatische Dimension, autonom zu sein; daß die Freiheit, nein zu sagen, hinabzusteigen in die Dunkelheiten der Sünde und des Selber-machen-Wollens zum wahren Menschsein gehöre; daß man nur dann die ganze Weite und Tiefe unseres Menschseins, des wahren Wir-selbst-Seins bis zum Letzten ausnützen könne; daß wir diese Freiheit auch gegen Gott auf die Probe stellen müssen, um wirklich voll und ganz wir selbst zu werden. Mit einem Wort, wir meinen, daß das Böse im Grunde genommen gut sei, daß wir es, zumindest ein wenig, brauchen, um die Fülle des Seins zu erleben. Wir meinen, daß Mephistopheles – der Versucher – Recht habe, wenn er sagt, daß er die Kraft sei, die »stets das Böse will und stets das Gute schafft« (J. W. von Goethe, Faust I, 3). Wir meinen, ein wenig mit dem Bösen zu paktieren, sich ein wenig Freiheit gegen Gott vorzubehalten, sei im Grunde genommen gut, vielleicht sogar notwendig.

Wenn wir uns allerdings die Welt um uns herum anschauen, können wir sehen, daß es sich eben nicht so verhält; daß vielmehr das Böse den Menschen immer vergiftet, ihn nicht erhöht, sondern ihn erniedrigt und demütigt, ihn nicht größer, reiner und reicher macht, sondern ihm schadet und ihn kleiner werden läßt. Das müssen wir vor allem am Tag der Unbefleckt Empfangenen lernen: Der Mensch, der sich vollkommen in die Hände Gottes übergibt, wird keine Marionette Gottes, keine langweilige, angepaßte Person; er verliert seine Freiheit nicht. Nur der Mensch, der sich ganz Gott anvertraut, findet die wahre Freiheit, die große und schöpferische Weite der Freiheit des Guten. Der Mensch, der sich zu Gott hinwendet, wird nicht kleiner, sondern größer, denn durch Gott und zusammen mit Ihm wird er groß, wird er göttlich, wird er wirklich er selbst. Der Mensch, der sich in die Hände Gottes übergibt, entfernt sich nicht von den anderen, indem er sich in sein privates Heil zurückzieht; im Gegenteil, nur dann erwacht sein Herz wirklich und er wird zu einer einfühlsamen und daher wohlwollenden und offenen Person.

Je näher der Mensch Gott ist, desto näher ist er den Menschen. Das sehen wir an Maria. Der Umstand, daß sie ganz bei Gott ist, ist der Grund dafür, daß sie auch den Menschen so nahe ist. Deshalb kann sie die Mutter jeden Trostes und jeder Hilfe sein: Jeder kann es in seiner Schwachheit und Sünde wagen, sich in jeder Art von Not an diese Mutter zu wenden, denn sie hat Verständnis für alles und ist die für alle offene Kraft der schöpferischen Güte. Ihr hat Gott sein Bild aufgeprägt, das Bild dessen, der dem verlorenen Schaf bis in die Berge und bis in die Stacheln und Dornen der Sünden dieser Welt nachgeht, indem er sich von der Dornenkrone dieser Sünden verwunden läßt, um das Schaf auf seine Schultern zu nehmen und es nach Hause zu tragen. Als Mutter, die mitleidet, ist Maria die vorweggenommene Gestalt und das bleibende Bildnis des Sohnes. Und so sehen wir, daß auch das Bild der Schmerzensmutter, der Mutter, die das Leiden und die Liebe des Sohnes teilt, ein wahres Bild der Immaculata ist. Ihr Herz hat sich durch das Mit-Gott-Leben und Mit-Gott-Fühlen geweitet. In ihr ist uns Gottes Güte sehr nahe gekommen. So steht Maria vor uns als Zeichen des Trostes, der Ermutigung und der Hoffnung. Sie wendet sich an uns und sagt: »Hab’ Mut, es mit Gott zu wagen! Versuche es! Hab’ keine Angst vor Ihm! Hab’ Mut, das Wagnis des Glaubens einzugehen! Hab’ Mut, dich auf das Wagnis der Güte einzulassen! Laß dich für Gott gewinnen, dann wirst du sehen, daß gerade dadurch dein Leben weit und hell wird, nicht langweilig, sondern voll unendlicher Überraschungen, denn Gottes unendliche Güte erschöpft sich niemals!«

Wir wollen an diesem Festtag dem Herrn danken für das große Zeichen seiner Güte, das er uns in Maria, seiner Mutter und der Mutter der Kirche, geschenkt hat. Wir wollen ihn bitten, Maria auf unserem Weg Raum zu geben – als Licht, das uns hilft, unsererseits zum Licht zu werden und dieses Licht in die Nächte der Geschichte hineinzutragen. Amen.

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Historische Tonaufnahmen: Papst Paul VI. in Betlehem

 

Vier Päpste haben in der Neuzeit Betlehem besucht, den Geburtsort Jesu Christi. Darum greifen wir in dieser Adventszeit in unser Tonarchiv und holen die historischen Aufnahmen dieser Papstbesuche heraus. Den Auftakt unserer Radio-Akademie macht Paul VI. mit seiner Visite von 1964.

6. Januar 1964: Wohl zum ersten Mal seit Petrus besucht ein Papst Betlehem. Es ist Paul VI., der erst ein halbes Jahr im Amt ist. Er reist drei Tage lang durch das Heilige Land, um für das in Rom zusammengetretene Zweite Vatikanische Konzil zu beten. Mit der (sehr kurzfristig angekündigten) Visite hat die Ära der um den Globus pilgernden Päpste begonnen; 1.400 Sonderkorrespondenten und Fotografen aus dem Ausland begleiten Papst Montini zu den Heiligen Stätten.

Jerusalem, Nazareth, Jordan, Berg Tabor, der See Genesaret – und jetzt Betlehem. Der Ort, an dem vor 2.000 Jahren der Erlöser der Welt in einer Futterkrippe lag, gehört 1964 noch zu Jordanien; er ist die letzte Station der historischen Reise.

Flammender Friedensappell

Schon um sechs Uhr in der Frühe feiert Paul VI. die Heilige Messe in der Geburtskirche Jesu. Auf Latein. Die Messe ist sehr kurz; die Aufnahme, die wir in unseren Archiven davon haben, dauert keine elf Minuten. Der Papst trägt selbst das Evangelium vor: Es ist der Bericht des Matthäus über die Sterndeuter aus dem Morgenland, die nach dem neugeborenen König der Juden suchen. Das ist das Evangelium des Tages: Epiphanie, Erscheinung des Herrn, Heilige Drei Könige… das zweite Weihnachtsfest der Kirche.

Hier können Sie einige der historischen Aufnahmen hören.

Von Betlehem aus wendet sich der Papst dann auf Französisch in einer live übertragenen Rundfunkansprache an die Welt. In diesem judäischen Städtchen wurde der Friedensfürst geboren – darum nutzt Paul VI. die Gelegenheit zu einem flammenden Friedensappell. Der Text wird zugleich in über 200 Telegrammen noch von Betlehem aus an Staatschefs in aller Welt und an internationale Organisationen verschickt.

“ Mögen die Herrscher unseren Schrei hören ”

„Mögen die Herrscher diesen Schrei aus unserem Herzen hören und ihre Bemühungen fortsetzen, um den Frieden zu sichern, nach dem die Menschheit so innig strebt… Mögen sie die Welt um jeden Preis vor den Qualen und Schrecken eines neuen Weltkriegs bewahren, dessen Folgen unberechenbar wären. Mögen sie noch enger zusammenarbeiten, um Frieden, Gerechtigkeit, Freiheit und Liebe zu verbreiten!“

Noch am selben Tag, diesem 6. Januar 1964, kehrte der Papst nach Rom zurück – und wurde von etwa einer Million Menschen überschwänglich empfangen. Wir müssen uns dabei klarmachen: Damals waren Papstreisen ja noch etwas ganz Besonderes, etwas sehr Seltenes… anders als heute. „Wir kommen mit einem Herzen voller starker Emotionen zurück“, sagte ein sichtlich bewegter Paul.

Ich bringe euch den Frieden des Herrn…

„Wir haben jetzt für immer die Bilder der Heiligen Stätten vor Augen, die eloquent vom Leben Jesu Christi sprechen, von seinen Leiden, von seiner Liebe… In der Geburtsgrotte in Betlehem haben wir für alle Menschen guten Willens das Geschenk eines wahren, dauerhaften Friedens erbeten.“

Und kurz darauf, mit einem Mal aus dem feierlichen „Wir“ in die erste Person Singular fallend: „Ich bringe euch einen Gruß aus Betlehem, wo ich heute morgen die Heilige Messe gefeiert habe. Ich bringe euch den Frieden des Herrn!“

Bestellen Sie unsere CD

In den folgenden Beiträgen unserer Radio-Akademie werden wir uns mit den Besuchen von Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus am Geburtsort Jesu beschäftigen. Wenn die historischen Aufnahmen Sie interessieren, können Sie sie gerne bei uns unter cd-at-vaticannews.de bestellen. Gegen einen Unkostenbeitrag schicken wir Ihnen gerne eine CD mit der gesamten Radio-Akademie zu.

(vatican news)

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Ansprache von Papst Paul VI. an die Vereinten Nationen zu New York zur Feier des 20. Jahrestages der Gründung

Gruß und Dank

Im Augenblick des Wortergreifens vor diesem, in der Welt einzigartigen Auditorium, möchten Wir zuerst unsere tiefe Dankbarkeit gegenüber Monsieur U Thant ausdrücken, Ihrem Generalsekretär, der Uns gern einladen wollte, den Vereinten Nationen einen Besuch abzustatten, aus Anlass des 20. Geburtstags jener weltweiten Einrichtung für den Frieden und die Zusammenarbeit zwischen den Völkern der ganzen Welt. Dank auch dem Herrn Präsidenten der Versammlung, Monsieur Amintore Fanfani, der, seit dem Tag seines Amtsantritts, für uns so liebenswürdige Worte hatte. Dank Ihnen allen, hier gegenwärtig, für Ihren herzlichen Empfang. Jedem einzelnen von Ihnen entbieten Wir Unseren herzlichen und ehrerbietigen Gruß. Ihre Freundschaft hat Uns eingeladen und uns diese Zusammenkunft gestattet; wir zeigen Uns Ihnen als Freund. Über Unsere Ehrbezeigung hinaus, übermitteln wir Ihnen dieselbe des Zweiten Ökumenischen Vatikanischen Konzils, das derzeit in Rom vereint ist und dessen hervorragende Vertreter die Kardinäle sind, die Uns begleiten. In Ihrem und Unserem Namen, Ihnen allen Ehre und Gruß!

Einleitung

Diese Zusammenkunft, Sie alle sind sich dessen gut bewusst, nimmt einen doppelten Charakter an: Sie ist gleichermaßen von Einfachheit und Größe geprägt. Von Einfachheit, weil der, der zu Ihnen spricht, ein Mensch ist wie Sie; er ist Ihr Bruder, zugleich einer der allerkleinsten unter Ihnen, die Sie souveräne Staaten vertreten. Denn er ist mit nichts ausgestattet, wenn Sie bitte diesen Gesichtspunkt Uns zu erwägen erlauben, als mit einer Winzigkeit von gleichsam nur symbolischer zeitlicher Souveränität: Das notwendige Minimum, um frei zu sein, seine geistliche Sendung auszuüben und denen, die mit ihm zu handeln haben, zuzusichern, dass er unabhängig von jeder Souveränität dieser Welt ist. Er hat keinerlei zeitliche Macht, keinerlei Absicht mit Ihnen in Wettbewerb zu treten. Tatsächlich, Wir haben nichts zu fordern, keine Frage aufzuwerfen, ganz darüberhinaus nur einen Wunsch zu formulieren, eine Erlaubnis zu erbitten: Jene Vollmacht, Ihnen in dem zu dienen, was Unsere Zuständigkeit ist, ohne Eigennutz, mit Demut und Liebe.

Vorstellung

Das ist die erste Erklärung, die Wir zu machen haben. Wie Sie sehen: Sie ist so schlicht, dass sie unbedeutend erscheinen könnte für diese Versammlung, gewöhnt, sehr wichtige und schwierige Angelegenheiten zu behandeln. Aber dennoch, Wir sagen es Ihnen und Sie alle spüren es, dieser Augenblick ist von einer einzigartigen Größe geprägt. Er ist groß für Uns und er ist groß für Euch. Für Uns vor allem, aber ja, Sie wissen gut, wer Wir sind. Was auch immer Ihre Meinung über den Römischen Pontifex sein mag, Sie kennen Unsere Mission: Wir sind der Träger einer Botschaft für die ganze Menschheit. Und das sind Wir nicht allein in Unserem persönlichen Namen und im Namen der großen katholischen Familie, sondern auch im Namen all der christlichen Brüder, die Unsere Gefühle teilen, die wir hier ausdrücken, und speziell jener, die Uns gern explizit beauftragt haben, ihr Interpret zu sein. Und so überbringt der Botschafter, am Ende einer langen Reise, den ihm anvertrauten Brief. So haben Wir also das Bewusstsein, den bevorzugten Augenblick zu erleben, so kurz er sein mag, wo sich ein Wunsch erfüllt, den Wir seit fast zwanzig Jahrhunderten im Herzen tragen. Ja, Sie erinnern Sich: Es ist eine lange Zeit, seit Wir auf dem Weg sind und mit Uns tragen Wir eine lange Geschichte. Wir feiern hier den Epilog einer mühseligen Pilgerschaft, auf der Suche nach einem Kolloquium mit der ganzen Welt, seit jenem Tag, da Uns geboten wurde: Gehet, tragt die gute Nachricht zu allen Völkern. Nun aber sind Sie es, die „alle Völker“ repräsentieren. Lassen Sie Uns sagen, dass Wir für Sie alle eine Botschaft haben, ja, eine glückliche Botschaft, die jedem von Ihnen zu überreichen ist.

Feierliche Zustimmung

1. Unsere Botschaft will zuallerst eine moralische und feierliche Zustimmung zu dieser hohen Institution sein. Als expert en humanité * überbringen Wir Ihnen den Beifall Unserer jüngsten Vorgänger, den des ganzen katholischen Episkopats und Unseren, überzeugt, wie Wir es sind, dass diese Organisation verpflichtend den Weg zur modernen Zivilisation und zum Weltfrieden darstellt. Das aussprechend, haben Wir das Bewusstsein, Uns auch die Stimme der Lebenden und der Toten zu eigen zu machen: Der Toten, die in den vergangenen furchtbaren Kriegen gefallen sind, sich sehnend nach der Eintracht und dem Frieden der Welt; der Lebenden, die das überlebt haben und die vor allem in ihren Herzen die verdammen, die versuchen, das wiederzubeleben; aber auch anderer Lebender: der jungen Generationen von heute, die vertrauensvoll voranschreiten, mit gutem Recht eine bessere Menschheit erwartend. Wir machen Uns auch die Stimme der Armen zu eigen, der Enterbten, der Unglücklichen, derer, die auf Gerechtigkeit hoffen, auf die Würde zu leben, auf die Freiheit, auf Wohlstand und Fortschritt. Die Völker wenden sich den Vereinten Nationen zu, wie einer letzten Hoffnung auf Eintracht und Frieden. Wir wagen es, Ihnen, mit dem Unserem, auch ihren Teil der Ehre und Hoffnung zu überbringen. Und man sieht, warum dieser Augenblick auch für Sie groß ist.

Offene Völkergemeinschaft

2. Wir wissen es, Sie sind sich dessen völlig bewusst. Hören Sie jetzt den Fortgang Unserer Botschaft. Sie ist ganz und gar der Zukunft zugewandt. Das Bauwerk, das Sie errichtet haben, darf niemals in Ruinen fallen. Es muss vervollkommnet werden und ausgerichtet auf die Erfordernisse, die uns die Weltgeschichte zeigen wird. Sie markieren einen Abschnitt der menschlichen Entwicklung; nun aber, unmöglich zurückzufallen, muss man voranschreiten. Der Vielfalt der Staaten, die einander nicht mehr ignorieren können, schlagen Sie eine Form der Koexistenz vor, die äußerst schlicht und fruchtbar ist. Man sieht: Vor allem erkennen Sie einander an und Sie unterscheiden sich. Sie verleihen sicherlich nicht die Existenz der Staaten, aber sie schätzen jedes Volk jeder Nation als würdig ein, an dieser geordneten Versammlung teilzunehmen. Sie geben jeder souveränen, nationalen Gemeinschaft eine Anerkennung hohen moralischen und juristischen Wertes und Sie garantieren ihr ein ehrbares internationales Bürgerschaftsrecht. Das ist schon ein großer, der Menschheit geschuldeter Dienst: die nationalen Subjekte der Weltgemeinschaft gut zu umgrenzen und sie zu ehren, sie unter rechtlicher Bestimmung zu etablieren, was für sie Anerkennung und Respekt aller bedeutet und wovon sich ein geordnetes und stabiles System internationalen Lebens herleiten kann. Sie billigen das große Prinzip, dass die Beziehungen unter den Völkern von der Vernunft bestimmt werden müssen, von der Gerechtigkeit, vom Recht, von Verhandlungen, nicht durch die Macht, nicht durch die Gewalt, nicht durch den Krieg, auch nicht durch die Angst und durch den Betrug. So muss das auch sein. Und erlauben Sie, dass Wir Sie beglückwünschen, die Weisheit gehabt zu haben, den Zugang zu dieser Versammlung den jungen Völkern eröffnet zu haben, den Staaten, die seit kurzem zur Unabhängigkeit und nationalen Freiheit aufstiegen. Deren Gegenwart hier ist der Beweis der Universalität und Großherzigkeit, die schon die Anfänge dieser Einrichtung beseelten. So muss das auch sein. Das ist Unser Lob und Unser Wunsch; und wie Sie sehen, fügen wir dies nicht von außen hinzu: Wir beziehen es von innen, aus dem Geist Ihrer Institution selbst.

Zu deren Verfassung

3. Ihre Verfassung geht noch darüber hinaus und unsere Botschaft geht damit mit. Sie existieren und arbeiten, um die Nationen zu einen, um die Staaten zu verbinden. Wir nehmen diese Formel: um die einen mit den andern zusammenzufügen. Sie sind eine Vereinigung. Sie sind eine Brücke unter den Völkern. Sie sind ein Netz für Beziehungen unter den Staaten. Wir versuchen ernstlich zu sagen, dass Ihre Charakteristik, in gewisser Weise, in der zeitlichen Ordnung, das widerzuspiegeln vermag, was Unsere Katholische Kirche in der geistlichen Ordnung sein will: einzig und allgemein. Man kann nichts Erhabeneres entwerfen, auf der Ebene des Natürlichen, zur weltanschaulichen Auferbauung der Menschheit. Ihre Berufung ist die, zu verbrüdern, nicht irgendwelche aus den Völkern, sondern alle Völker. Ein schwieriges Unterfangen? Zweifelsohne. Aber das ist die Aufgabe, das ist Ihre sehr ehrwürdige Aufgabe. Wer sieht es nicht, die Notwendigkeit, so fortschreitend, zu erreichen, dass eine weltweite Autorität errichtet werde, mit der Maßgabe, dass effizient gehandelt werde, auf rechtlicher und politischer Ebene? Hier also wiederholen wir unseren Wunsch: Allez de l’avant! * Wir sagen überdies: Bringt es dahin, die unter euch zurückzubringen, die von Euch entfernt sind; studiert die Mittel, diejenigen zu Eurem Pakt der Brüderlichkeit zu rufen, mit Ehre und Anstand, die noch nicht daran teilhaben. Bringt es dahin, dass die, die noch draußen sind, das gemeinsame Vertrauen wünschen und verdienen, und seid also großzügig, es zu gewähren. Und Sie alle, die Sie das Glück und die Ehre haben, in dieser Versammlung der friedfertigen Gemeinschaft zu weilen, erhört Uns: Dieses gegenseitige Vertrauen, das Euch eint, Euch erlaubt, gute und große Dinge zu bewirken, bringt es dahin, dass dem nie Abbruch getan wird, dass es nie verraten werde.

Ihre Organisation

4. Die Logik dieses Wunsches, der, kann man sagen, aus der Struktur Ihrer Organisation selbst entstammt, bringt uns dazu, sie durch andere Formeln zu ergänzen. Man sehe: Dass niemand, so wahr er Mitglied Ihrer Vereinigung ist, anderen übergeordnet sein möge. Nicht der eine über dem andern. Das ist die Formel der Gleichheit. Wir wissen sicherlich, dass andere Faktoren zu berücksichtigen sind als nur die schlichte Beteiligung an Ihrem Organismus. Aber die Gleichheit ist auch Teil Eurer Verfassung: nicht etwa, weil Ihr Gleiche seid, aber weil Ihr Euch hier gleichstellt. Und es mag sein, dass es für mehrere unter Euch ein großer Akt der Tugend ist: Erlaubt Uns, dass Wir es Ihnen sagen, Wir, der Repräsentant einer Religion, die das Heil bewirkt durch die Demut ihres göttlichen Gründers. Es ist unmöglich Bruder zu sein, wenn man nicht demütig ist. Denn es ist der Hochmut, so unvermeidbar er erscheinen mag, der Spannungen und Kämpfe um das Prestige provoziert, um die Oberhoheit, den Kolonialismus, den Egoismus: Er ist es, der die Brüderlichkeit zerbricht.

Friedensbotschaft

5. Hier erreicht Unsere Botschaft ihren Höhepunkt. Zunächst negativ: Das ist das Wort, dass Sie von Uns erwarten und das wir nicht aussprechen können, ohne seine Schwere und seine Feierlichkeit zu kennen: Niemals mehr die einen gegen die andern, niemals, niemals mehr. Ist das nicht über allem das Ziel, für das die Organisation der Vereinten Nationen geboren wurde? Gegen den Krieg und für den Frieden? Hört auf die erleuchteten Worte eines großen Verstorbenen: John Kennedy, der ausrief, vier Jahre ist es her: Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen, sonst setzt der Krieg der Menschheit ein Ende. Dazu braucht es keine langen Reden, um die oberste Zielsetzung Eurer Institution zu proklamieren. Es genügt daran zu erinnern, wieviel Blut von Millionen Menschen, wieviele unerhörte und unzählbare Leiden, wieviele nutzlose Schlächtereien und entsetzlichen Trümmer den Pakt stützen, der Euch eint, in einem Schwur, der die zukünftige Geschichte der Menschheit verändern muss: Jamais plus la guerre *, niemals wieder Krieg! Der Friede ist es, der Friede, der die Bestimmung der Völker anleiten muss und so die der ganzen Menschheit!

Dank Ihnen, Ehre Ihnen, die Sie seit zwanzig Jahren für den Frieden arbeiten und dieser heiligen Sache hohe Opfer brachten. Dank Ihnen und Ehre Ihnen für die Konflikte, die sie vermieden und die sie geregelt haben. Die Ergebnisse Ihrer Anstrengungen in der Friedensförderung, bis hinein in die allerletzten Tage, verdienen es, auch wenn sie immer noch nicht bestimmend sind, dass Wir es wagen, Uns zum Interpreten der ganzen Welt zu machen und dass wir Ihnen in ihrem Namen Glückwunsch und Dankbarkeit ausdrücken. Sie haben, meine Herren, ein großes Werk vollendet und vollenden es weiter: Sie lehren die Menschen den Frieden. Die UNO ist die hohe Schule, wo man diese Erziehung empfängt und hier sind wir in der Aula magna dieser Schule. Wer auch immer hier Platz nimmt, wird Schüler und wird Lehrer in der Kunst, den Frieden zu erbauen. Und wenn Sie diesen Saal verlassen, schaut die Welt auf Sie wie auf die Baumeister, die Erbauer des Friedens. Der Friede, Sie wissen es, erbaut sich nicht allein mit dem Mittel der Politik und mit dem Ausgleich der Kräfte und Interessen. Er baut auf dem Geist auf, auf Ideen, auf Werken des Friedens. Sie arbeiten an diesem großen Werk. Aber Sie sind immer noch am Anfang Ihrer Anstrengungen. Wird die Welt jemals dazu gelangen, die partikularistische und kriegerische Mentalität zu ändern, die bis hierher einen so großen Teil ihrer Geschichte gewebt hat? Es ist schwierig, das vorherzusehen. Aber es ist leicht zu bekräftigen, dass es nötig ist, sich entschlossen auf den Weg zu machen, zur neuen Geschichte, der friedfertigen Geschichte, die wahrhaft und vollends menschlich sein wird, dieselbe, die Gott den Menschen guten Willens ankündigt.

Abrüstung

(5.) Die Wege dahin sind Ihnen vorgezeichnet: Der erste ist der Weg der Abrüstung. Wenn Ihr Brüder sein wollt, dann lasst die Waffen aus Euren Händen fallen. Man kann nicht lieben mit Angriffswaffen in den Händen. Die Bewaffnung, vor allem die schrecklichen Waffen, die moderne Wissenschaften Euch gaben, sogar noch bevor sie Opfer und Ruinen verursachen, erzeugen sie böse Träume, ernähren böse Gefühle, erzeugen Angstträume, Misstrauen, dunkle Entschlüsse; sie erfordern maßlose Kosten; sie vereiteln Projekte der Solidarität und der nützlichen Arbeit; sie verstören das Seelenleben der Völker. Solange nur der Mensch das schwache Wesen bleiben wird, wechselhaft und auch boshaft, wie er sich so oft zeigt, sind Verteidigungskräfte, leider, noch nötig. Aber Sie, Ihr Mut und Ihre Würde drängen Sie, die Mittel zu studieren, um die Sicherheit des internationalen Lebens zu gewährleisten, ohne auf Waffen zurückzugreifen. Das ist ein würdiges Ziel Ihrer Anstrengungen, das ist es, was die Völker von Ihnen erwarten. Das ist es, was erreicht werden muss! Und deshalb ist es notwendig, dass das einmütige Vertrauen in diese Institution wachsen möge, dass seine Autorität wachsen möge; und das Ziel also, man kann es hoffen, wird erreicht werden. Hier gewinnen Sie die Anerkennung der Völker, erleichtert von den schweren Kosten der Rüstung und befreit von dem Angsttraum des immer drohenden Krieges. Wir wissen und warum sollen wir Uns dessen nicht erfreuen, wieviele unter Ihnen Unsere Einladung günstig erwogen haben, die wir in Bombay, letzten Dezember, in der Sache des Friedens an alle Staaten gerichtet haben: Zumindest ein Teil der Ersparnisse, die dank der Abrüstung verwirklicht werden können, mögen der Wohlfahrt der Entwicklungsländer gewidmet werden. Wir erneuern diese Einladung, im Vertrauen, dass Wir Ihre Empfindungen der Menschlichkeit und Großzügigkeit anregen.

Solidarität

6. Von Menschlichkeit und Großzügigkeit zu sprechen, das heißt, auf ein anderes konstitutives Prinzip der Vereinten Nationen zu antworten, ihren positiven Gipfelpunkt: Man arbeitet hier nicht nur, um Konflikte zwischen den Staaten zu bereinigen; es geht darum, die Staaten zu befähigen, füreinander zu arbeiten. Sie beschränken sich nicht darauf, die Koexistenz zwischen den Nationen zu erleichtern: Sie machen einen guten Schritt vorwärts, würdig von uns gelobt und unterstützt zu werden. Sie organisieren die brüderliche Zusammenarbeit der Völker. Hier entsteht ein System der Solidarität, das bewirkt, dass hohe Zielsetzungen, in der Ordnung der Zivilisation, die einmütige und geordnete Unterstützung der gesamten Völkerfamilie empfangen; zum Wohl aller und jedes einzelnen davon. Das ist es, was an der Organisation der Vereinten Nationen besonders schön ist, ihr sehr echt menschliches Gesicht: Das ist das Ideal, von dem die Menschheit träumt, auf ihrer Pilgerfahrt durch die Zeiten. Das ist die größte Hoffnung der Welt. Wir wagen zu sagen: Darin spiegelt sich der Plan Gottes, ein transzendenter Plan voller Liebe, für den Fortschritt der menschlichen Gesellschaft auf Erden; Widerschein, worin Wir die evangelische Botschaft sehen, vom Himmlischen, das sich irdisch macht. Hier schließlich vermeinen Wir das Echo der Stimme Unserer Vorgänger zu hören, besonders die des Papstes Johannes XXIII., dessen Botschaft Pacem in terris unter Euch eine so bezeichnende und ehrenvolle Resonanz fand.

Das was Sie hier verkündigen, das sind die grundlegenden Rechte und Pflichten des Menschen, seine Würde, seine Freiheit, vor allem seine religiöse Freiheit. Wir empfinden es so, dass Sie die Übersetzer dessen sind, das in der menschlichen Weisheit am höchsten steht, wir möchten beinahe sagen, seines heiligen Charakters. Denn das ist es, vor allem, um was es im Leben des Menschen geht; und das Leben des Menschen ist geheiligt: Niemand soll wagen es anzugreifen. Es ist hier in Ihrer Versammlung, wo der Respekt für das Leben, auch wenn es das große Problem der Geburten betrifft, sein höchstes Bekenntnis und seine klügste Verteidigung finden muss. Ihre Aufgabe ist, es dahin zu bringen, dass das Brot reichlich genügen möge am Tisch der Menschheit, nicht aber, eine künstliche ‚Geburtenkontrolle‘ zu favorisieren, die unvernünftig wäre, in der Absicht, die Zahl der Mitlebenden beim Fest des Lebens zu verringern.

Bildung, Fortschritt

(6.) Es genügt aber nicht, nur die Hungernden zu nähren. Überdies ist es notwendig, jedem Menschen ein Leben entsprechend seiner Würde zuzusprechen. Und das ist es, was Sie vorantreiben müssen. Wäre das nicht eine Erfüllung, in Unseren Augen, und Ihnen zu danken, für die prophetische Ankündigung, die sich so gut zu Ihrer Institution fügt: Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen(Jes. 2,4) ? Wären von Euch nicht doch die wunderbaren Kräfte der Erde und die staunenswerten Erfindungen der Wissenschaft zu nutzen, nicht mehr als Werkzeuge des Todes, sondern als Werkzeuge des Lebens für eine neue Ära der Menschheit? Wir wissen, mit welcher ansteigenden Intensität und Effizienz die Organisation der Vereinten Nationen und ihre nachgeordneten weltweiten Organismen arbeiten, um den Regierungen zu helfen, die ihren wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt voranbringen müssen. Wir wissen mit welchem Eifer Sie sich einsetzen, um den Analphabetismus zu besiegen und die Kultur auf der Welt auszubreiten, um den Menschen eine moderne und passende Gesundheitsfürsorge zu geben; um zum Dienst an den Menschen die bewunderungswürdigen Quellen der Wissenschaft, der Technik, der Organisation zu nutzen. Das alles ist großartig und verdient das Lob und die Unterstützung aller, einschließlich der Unseren.

Wir möchten Ihnen auch ein Beispiel geben, selbst wenn unsere geringen Mittel es verhindern, dem große und praktische Bedeutung beizumessen: Wir wollen unseren karitativen Einrichtungen eine neue Entwicklung geben, gegen den Hunger in der Welt und zugunsten ihrer wichtigsten Bedürfnisse. So nämlich und nicht anders baut man den Frieden auf.

Schluss

7. Ein Wort noch, meine Herren, ein letztes Wort. Das Bauwerk, dass Sie errichten, ruht nicht nur auf rein materiellen und irdischen Grundlagen. Denn das wäre ein Gebäude, das man auf Sand errichtet. Es beruht vor allem auf unseren Gewissen. Ja, der Augenblick der Bekehrung ist gekommen, der persönlichen Verwandlung, der inneren Erneuerung. Wir müssen uns einrichten in einer neuen Art vom Menschen zu denken; eine neue Art, auch an das gemeinsame Leben der Menschen zu denken, eine neue Art schließlich die Wege der Geschichte und der Bestimmungen der Welt zu bedenken, gemäß dem Wort des heiligen Paulus: Revêtir l’homme nouveau créé selon Dieu dans la justice et la saintété de la verité ** (Eph. 4, 24). Siehda, die Stunde ist gekommen, wo sich ein Einhalten aufdrängt, ein Augenblick der Besinnung, des Erwägens, gleichsam des Gebetes: Um zurückzudenken an unseren gemeinsamen Ursprung, an unsere Geschichte, an unser gemeinsames Ziel. Niemals so sehr wie heute, in einer Epoche, die so sehr vom menschlichen Fortschritt geprägt ist, nie war auch der Appell an das moralische Bewusstsein des Menschen so notwendig. Denn die Gefahr kommt weder vom Fortschritt noch von der Wissenschaft, denn beide, gut genutzt, können im Gegenteil eine große Zahl schwerer Probleme lösen, die die Menschheit plagen. Die wahre Gefahr bezieht sich auf den Menschen, der immer machtvollere Mittel besitzt, geeignet ebenso zur Zerstörung wie zu höchsten Eroberungen.

Mit einem Wort: Das Gebäude der modernen Zivilisation muss auf geistlichen Prinzipien auferbaut werde, die nicht nur fähig sind zu unterstützen, sondern auch zu erhellen und zu beseelen. Und diese unverzichtbaren Prinzipien der höchsten Weisheit können nicht anders als auf Gott beruhen, das ist unsere Überzeugung, Ihr wisst es, auf Gott im Glauben. Der unbekannte Gott, wovon der heilige Paulus den Athenern auf dem Aréopag sprach? Unbekannt denen, die aber doch, daran gibt es keinen Zweifel, Ihn suchten und Ihn nah bei sich hatten, wie kann Er zu so vielen Menschen unseres Jahrhunderts kommen? Für Uns jedenfalls, und für alle, die die unermessliche Offenbarung annehmen, die uns Christus von Ihm brachte, ist das der lebendige Gott, der Vater aller Menschen.

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Siehe auch:

Dreifaches Nein zum Leben

Kardinal Schönborn kritisiert erneut die Erklärungen von Königstein und Mariatrost. Von Stephan Baier

Gravierende Folgen für Verkündigung und Seelsorge: Die deutschen Bischöfe versuchten 1968 in Königstein, eine unpopuläre lehramtliche Entscheidung über die persönliche Gewissensentscheidung auszuhebeln.

21. November 2018

Europa stirbt, weil es Nein zum Leben sagt!“ Und Vertreter der Kirche seien mitverantwortlich für die Krise Europas. Mit dieser These hatte der Wiener Kardinal Christoph Schönborn bereits vor einem Jahrzehnt für Aufsehen gesorgt. Nun erläuterte er in einem Vortrag am „Internationalen Theologischen Institut“ (ITI) im niederösterreichischen Trumau, worin das mehrfache Nein Europas zum Leben besteht und welche Schuld manche Repräsentanten der Kirche dabei auf sich geladen hätten: Dreimal habe Europa Nein zum Leben gesagt, nämlich 1968 mit der Zurückweisung der Enzyklika „Humanae vitae“, 1975 mit der Legalisierung der Abtreibung und in unseren Tagen mit der Zustimmung zur Ehe für homosexuelle Paare.

Schönborn kritisierte, dass die Bischöfe in Deutschland und Österreich 1968 „nicht den Mut hatten, ein klares Ja zu ,Humanae vitae‘ zu sagen“, mit Ausnahme des Berliner Kardinals Alfred Bengsch, dessen „prophetischer Text in der Schublade verschwunden“ sei. Schönborn sieht einen dramatischen Zusammenhang: Die „Königsteiner Erklärung“ habe die deutsche Kirche geschwächt, im Ringen um die Abtreibung ein klares Ja zum Leben zu sagen. „Wir Bischöfe waren, wie die Apostel, furchtsam hinter verschlossenen Türen“, sagte der Wiener Kardinal in Trumau, und bezog dies auf die deutschen und österreichischen Bischöfe im Jahr 1968. „Als dann die Welle der Abtreibung kam, war die Kirche geschwächt“, so Schönborn in seinem englischen Vortrag. Der Episkopat habe nicht den Mut gehabt, Paul VI. zu unterstützen. „Wenn wir um die Konsequenzen gewusst hätten, hätten wir nicht Nein gesagt zu ,Humanae vitae‘.“

Vor mehr als einem Jahrzehnt, am 27. März 2008, hatte Schönborn im Abendmahlssaal in Jerusalem vor Bischöfen, Priestern und Laien des Neokatechumenats auf Italienisch darüber gepredigt. Bei der ITI-Expertentagung über die Enzykliken „Humanae vitae“ und „Veritatis splendor“ erläuterte er nun in Trumau, seine damalige Predigt sei zunächst ganz anders konzipiert gewesen und dann ohne sein Wissen im Internet verbreitet worden. Angesichts der „dramatischen Umstände“ der Gegenwart erklärte Schönborn neuerlich seine These, die Hauptschuld Europas bestehe im dreifachen Nein zum Leben. In Jerusalem bereits hatte er erklärt: „Europa ist im Begriff zu sterben, weil es Nein zum Leben gesagt hat.“ Dies sei nicht zuerst eine moralische Frage, sondern eine Frage der Fakten. Im Zusammenhang mit den Erklärungen der Bischofskonferenzen in Königstein und Mariatrost, die als Relativierung von „Humanae vitae“ gelesen wurden, sprach Schönborn von einer „Sünde des europäischen Episkopats… der nicht den Mut hatte, Paul VI. kraftvoll zu unterstützen“. Und weiter: „Heute tragen wir alle in unseren Diözesen die Last der Konsequenzen dieser Sünde.“

Wie 2008 in Jerusalem erinnerte Schönborn in der Vorwoche in Trumau daran, dass eine Gruppe von Theologen unter Führung des damaligen Krakauer Erzbischofs, Kardinal Karol Wojtyla, ein Memorandum verfasste, das Paul VI. ermutigte, „Humanae vitae“ zu veröffentlichen. Wie ein Jahrzehnt zuvor stellte Kardinal Schönborn in Trumau die Frage: „Wo soll man priesterliche Vaterschaft lernen, wenn es keine Beispiele von Vaterschaft in der Familie gibt?“ Er selbst stamme aus einer geschiedenen Familie und kenne die Wirklichkeit von Scheidungen. Ohne Familien gebe es kein Ja zum Leben und keine Zukunft in der Kirche. Der Kardinal stellte eine Verbindung her zwischen kinderreichen Familien und der Zahl geistlicher Berufungen. Er nannte in diesem Zusammenhang die Priesterseminare „Redemptoris Mater“ des Neokatechumenalen Wegs, die sich auf kinderreiche Familien stützen.

Ergänzend zu seinen vor zehn Jahren geäußerten Gedanken meinte Schönborn in Trumau: „Weil der Herr auferstanden ist, haben Christen immer Hoffnung.“ Es gebe aber keine Garantie, dass das Christentum in Europa überlebt. Auch Kleinasien und Nordafrika seien einst geschlossen christliche Gesellschaften gewesen. Viele in der islamischen Welt würden Europa heute als eine reife Frucht betrachten, die für den Islam gepflückt werden könne.

Große Hoffnung setzt der Wiener Kardinal auf Konversionen. In Österreich hätten im Vorjahr gut 600 ehemalige Muslime die Taufe empfangen. Dafür gebe es viele Gründe, etwa die Lektüre der Bibel, Filme über Jesus und Begegnungen mit Christen. Schönborn verwies darauf, dass viele Muslime von Jesus-Träumen berichten würden.

Der Wiener Kardinal zeigte sich überzeugt, dass die Natur alle Ideologien überleben werde. Insofern sei die Schöpfung der größte Verbündete des christlichen Verständnisses von Ehe und Familie. „Die Wahrheit bleibt!“ Gleichwohl könne man den Eindruck haben, die Christen verlören eine Schlacht nach der anderen. Machtvoller als das Wort sei das Beispiel. So würden Familien mit vielen Kindern allein durch ihre Sichtbarkeit andere ermutigen, sich für das Leben zu öffnen. Mit ihrem Leben könnten christliche Familien die Lehre bewerben.

Die destruktiven Folgen der sexuellen Revolution skizzierte der Rektor des ITI, Christiaan Alting von Geusau: Die Verhütungs-Ideologie habe Sex und Nachkommenschaft separiert, die Scheidungs-Ideologie die Eheleute getrennt und die Gender-Ideologie lasse die Komplementarität von Mann und Frau vergessen. Der Westen habe nicht nur eine neue, groteske Vision der Menschheit, sondern verbreite seine Agenda in anderen Teilen der Welt. Die Folgen seien ein weltweiter Rückgang der Fertilitätsrate, die im Westen seit langem unter der Reproduktionsrate liegt, sowie ein Anstieg der Abtreibungen auf 40 bis 50 Millionen weltweit.

Der Rektor des ITI forderte dazu auf, sich der ideologisch konstruierten Sprachregelungen zu enthalten und korrekte Bezeichnungen zu verwenden. Über Homo-„Ehe“ zu sprechen sei so absurd, wie von „trockenem Wasser“ zu reden. Auch „reproduktive Gesundheit“ sei ein falscher Ausdruck für die propagierte Abtreibung. „Nennen wir die Dinge beim Namen!“, so Alting von Geusau. Pseudo-Wissenschaften sollten entlarvt und echte Bildung verbreitet werden. Es gehe darum, auf die „Sprache der Natur“ zu hören. Die Lehre der Kirche zeige, was wahrhaft menschengemäß ist. Was Papst Paul VI. und der heilige Papst Johannes Paul II. in ihren Enzykliken „Humanae vitae“ und „Veritatis splendor“ lehrten, sei heute relevanter denn je.

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Ehe und Familie in Casti Connubii und Humanae Vitae

Bild: siehe: katholisch-informiert.ch

Michael F. Hull

Die Kirche hat sich seit jeher mit Ehe und Familie befasst. Die Jahrhunderte hindurch hat sie unbeirrt die Unauflöslichkeit der Ehe verteidigt, unabhängig davon ob diese von sekulären oder religiösen Glauben gefährdet wurde; auch im 19. und 20. Jahrhundert hat sich die Kirche weiterhin für Ehe und Familie eingesetzt. Liest man die Zeichen ihrer Zeit, so haben Papst Pius XI. in Casti Connubii (31.Dezember 1930) und Papst Paul VI. in Humanae Vitae (25.Juli 1968), die Heiligkeit der Ehe und der Familie angesprochen, mit besonderer Hervorhebung der grössten Gefährdung der sie in diesen Zeiten ausgesetzt ist: die künstliche Geburtenkontrolle.

In modernen Zeiten kann die schrittweise Akzeptanz der künstlichen Geburtenkontrolle, die ein Hieb ins Herz von Ehe und Familie ist, an Hand eines Blicks auf die Anglikanische Gemeinschaft erklärt werden. 1908 beschrieb die Lambeth Konferenz der Anglikanischen Bischöfe die künstliche Geburtenkontrolle als „demoralisierend für und entgegengesetzt dem nationalen Wohlergehen“ (Resolution 41; vgl. nr. 42-43). 1930 gestattete die Lambeth Konferenz die Verwendung der künstlichen Geburtenkontrolle, wobei der Einsatz derselben „von christlichen Prinzipien“ bedingt sein sollte (Resolution 15; vgl. nr 13+17), aber Lambeth anerkannte auch, dass die Verwendung von empfängnisverhütenden Mitteln zu mehr Unzucht führen würde und empfahl einen kontrollierten Verkauf davon (Resolution 18). 1959 schliesslich verkündete Lambeth, dass Eltern das Recht und die Verantwortung haben über die Anzahl ihrer Kinder zu entscheiden, unter „weiser Beachtung der Möglichkeiten und Fähigkeiten der Familie, ebenso unter der bedachten Berücksichtigung der verschiedenen Erfordernisse und Probleme der Gesellschaft und der Forderungen zukünftiger Generationen“ (Resolution 115, vgl nr 113). Mit anderen Worten, Lambeth veränderte seine Stellungnahme von einem anfänglichen Verbot der künstlichen Geburtenkontrolle soweit, dass sie praktisch dazu überging sie zu empfehlen. Mutati mutandis , war die Gesellschaft der gleichen Ansicht. In den jeweiligen historischen Zusammenhängen reagierten Pius und Paulus sehr schnell mit der Bekräftigung der unabänderlichen Wahrheit über Ehe und Familie.

Ehe

Die Ehe ist eine göttliche Institution. Pius schreibt: „Wenn nun aber auch die Ehe ihrem Wesen nach von Gott stammt, so hat doch auch der Wille des Menschen, und zwar in hervorragender Weise, seinen Anteil an ihr. Denn die einzelne Ehe entspringt, sofern sie die eheliche Verbindung zwischen diesem Mann und dieser Frau ist, dem freien Jawort der beiden Brautleute.“(CC5) Natürlich ist der freie Wille und die Bereitschaft der Brautleute erforderlich um eine Ehe zu verwirklichen, denn „diese freie Willensentscheidung, durch die jeder Teil das der Ehe eigentümliche Recht gibt und nimmt, ist zu einer wahren Eheschließung derart notwendig, dass sie durch keine menschliche Macht ersetzt werden kann“. (CC6) Paulus schreibt, dass „weit davon entfernt, das bloße Produkt des Zufalls oder Ergebnis des blinden Ablaufs von Naturkräften zu sein, ist die Ehe in Wirklichkeit vom Schöpfergott in weiser Voraussicht so eingerichtet, dass sie in den Menschen seinen Liebesplan verwirklicht. Darum streben Mann und Frau durch ihre gegenseitige Hingabe, die ihnen in der Ehe eigen und ausschließlich ist, nach jener personalen Gemeinschaft, in der sie sich gegenseitig vollenden, um mit Gott zusammenzuwirken bei der Weckung und Erziehung neuen menschlichen Lebens. Darüber hinaus hat für die Getauften die Ehe die hohe Würde eines sakramentalen Gnadenzeichens, und bringt darin die Verbundenheit Christi mit seiner Kirche zum Ausdruck“ (HV8).

Den Hl Augustin zitierend (De Genesi ad litteram, Bd 9, Kap 7, nr 12) identifiziert Pius die drei Gaben der Ehe in der Nachkommenschaft, der ehelichen Treue und in der Gnade des Sakramentes (CC nr10). Die erste und vorrangige Gabe ist die Zeugung von Kindern (CC nr. 11-18; vgl Gen 1:28 und 1 Tim 5:14). Durch die Zeugung der Kinder werden Mann und Frau zu Helfern Gottes in der Fortführung des menschlichen Geschlechts. Sie übernehmen die Aufgabe der Hütung und Erziehung der Kinder. Das edle Wesen der Ehe übergibt Gottes neue Kinder in die Hände der Eltern.

Die zweite Gabe der Ehe ist die gegenseitige Treue der Eheleute (CC19). In der Ehe sind Mann und Frau so eng zu einer Einheit verbunden, dass sie „ein Fleisch“ werden (Matt 19:3-6 und Eph 5:25; Col 3:19 und CC nr 20-30). Paulus sagt über die Ehe: „Weiterhin ist es Liebe, die aufs Ganze geht; jene besondere Form personaler Freundschaft, in der die Gatten alles grossherzig miteinander teilen, weder unberechtigte Vorbehalte machen noch ihren eigenen Vorteil suchen. Wer seinen Gatten wirklich liebt, liebt ihn um seiner selbst willen, nicht nur wegen dessen, was er von ihm empfängt. Und es ist seine Freude, dass er durch seine Ganzhingabe bereichern darf. (HV9)

Die dritte Gabe der Ehe ist die sakramentale Gnade. Christus erhob die Institution der Ehe zum Sakrament, wo diese zwischen zwei getauften Menschen geschlossen wird, – also zu einer heiligenden Gnade und zur Darstellung der Einheit Christi mit der Kirche (vgl CC nr 31-43); und HV nr 8). Wie der Hl Paulus auf Gen 2:24 Bezug nehmend schreibt, „keiner hat je seinen eigenen Leib gehasst sondern er nährt und pflegt ihn, wie auch Christus die Kirche. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein. Dies ist ein tiefes Geheimnis, ich beziehe es auf Christus und die Kirche. (Eph 5:29-32) Und Pius sagt: „Die Gläubigen öffnen sich deshalb von selbst dadurch, dass sie sich aufrichtigen Sinnes das Jawort geben, die Schatzkammer der sakramentalen Gnade, um daraus die übernatürlichen Kräfte zu schöpfen, die sie befähigen, ihre Pflichten und Aufgaben treu, heilig und beharrlich bis zum Tode zu erfüllen.“ (CC 43; vgl HV nr 8+9)

Diese drei Gaben – die Zeugung der Kinder, die eheliche Treue und, für die Getauften, die sakramentale Gnade – sind die untrennbaren und grundlegenden Elemente der Ehe. Da das Thema des Tages weder Treue noch Gnade war, haben Pius und Paulus nocheinaml das Übel der künstlichen Geburtenkontrolle hervorgehoben, die die wichtigste Gabe der Ehe bedroht und zerstört. Noch einmal greift Pius auf den Hl Augustinus zurück, der schreibt: „Geschlechtsverkehr mit dem legitimen Ehegatten ist unrechtmässig und verwerflich wenn die Zeugung der Nachkommenschaft verhindert wird. Onan, der Sohn Judas, tat dies und der Herr tötete ihn dafür“ (De adulteris conjugiis Bd 2, nr.12; vgl Gen 38:8-10; CC nr 55; HV nr 11-14).

Seinen Blick auf Lambeth 1930 und ähnlichen Stellungnahmen richtend, sagt Pius: „Da nun noch vor kurzem einige in offenkundiger Abweichung von der in ununterbrochener Folge von Anfang an überlieferten christlichen Lehre geglaubt haben, amtlich und feierlich über solches Tun anders lehren zu sollen, erhebt die katholische Kirche, von Gott selbst zur Lehrerin und Wächterin der Unversehrtheit und Ehrbarkeit der Sitten bestellt, inmitten dieses Sittenverfalls, zum Zeichen ihrer göttlichen Sendung, um die Reinheit des Ehebundes von solch schimpflicher Makel unversehrt zu bewahren, durch Unseren Mund laut ihre Stimme und verkündet von neuem: Jeder Gebrauch der Ehe, bei dessen Vollzug der Akt durch die Willkür der Menschen seiner natürlichen Kraft zur Weckung neuen Lebens beraubt wird, verstößt gegen das Gesetz Gottes und der Natur, und die solches tun, beflecken ihr Gewissen mit schwerer Schuld“ (CC nr 48). Das Ergebnis dieser schweren Sünde ist die Vereitelung des wahren Ehebundes, und demzufolge, das Ende der Familie.

Die Familie

Auch die Familie ist eine göttliche Institution, denn aus der Ehe heraus entsteht die Familie. Die Familie entsteht durch den Ausdruck der Liebe im Vollzug der Ehe, ein Akt, der immer gleichzeitig vereinend (Liebe) und zeugend (Leben) ist. Sollte im ehelichen Akt entweder die vereinende oder die zeugende Dimension fehlen, so folgen der Zerfall der Ehe und, gezwungenermassen, der Familie. Jede Frustration oder Unterdrückung des Lebens-erzeugenden Potential eines Menschen innerhalb des ehelichen Aktes wirkt sich nicht nur auf die prokreative Dimension der Ehe aus, sondern auch auf die vereinende. „Jede Sünde, die in Bezug auf die Nachkommenschaft begangen wird, ist in gewissem Sinne auch eine Sünde gegen die eheliche Treue, da diese beiden Gaben eng miteinander verbunden sind“ (CC nr 72). Verliert man eine der beiden, so sind beide Gaben verloren.

Die Familie muss sich ganz dem Willen Gottes hingeben, was die Anzahl der Kinder anbelangt, die ihr geschenkt werden. Besonders schädlich ist die Auffassung, der nach eine Familie dem Leben als solches gegenüber offen zu sein hat, dass aber jeder eheliche Akt der Ehegatten dies nicht zu sein braucht. Mit anderen Worten, mehr als durch Abstinenz oder Berücksichtigung der natürlichen biologischen Rhythmen, behindern die Eheleute einen Teil oder ihre gesamten ehelichen Beziehungen durch die künstliche Geburtenkontrolle, sich somit zu Richtern über das Leben erhebend, an Gottes statt. Leider führt eine falsche Prioritätenordnung – die oft mit wirtschaftlichen oder sozialen Sorgen begründet wird, von denen viele missverstandene Forderungen falscher Philosophien und des Säkular-Humanismus sind – dazu, dass die Eheleute vergessen ihre vorrangige Priorität, die Anerkennung ihrer Pflichten vor Gott, dem Richter über das Leben, zu achten. „Daraus folgt, dass sie bei der Aufgabe, das Leben weiterzugeben, keineswegs ihrer Willkür folgen dürfen, gleichsam als hinge die Bestimmung der sittlich gangbaren Wege von ihrem eigenen und freien Ermessen ab. Sie sind vielmehr verpflichtet, ihr Verhalten auf den göttlichen Schöpfungsplan auszurichten, der einerseits im Wesen der Ehe selbst und ihrer Akte zum Ausdruck kommt, den anderseits die beständige Lehre der Kirche kundtut „(HV 10).

Doch die Lehre der Kirche ist unmissverständlich: Jeder einzelne eheliche Akt muss zur Entstehung neuen Lebens führen können. Nur mit dieser Bereitschaft sind die vereinenden und prokreativen Aspekte der Ehe unvergleichlich; nur durch diese Bereitschaft vereinen sich Ehemann und Ehefrau wahrhaft in Gott, auf dass neues Leben in der Welt entstehen kann und die sie verbindende Liebe gestärkt werde, in der Kinder in Heiligkeit und Wahrheit gehütet und erzogen werden.

Nur ein unbedingter Gehorsam der natürlichen Gesetze gewährleistet wahre Ordnung und Wohlergehen der menschlichen Familie und der Gesellschaft insgesamt. Da die einzelnen Familienkerne die Bausteine, ja die Zellen der menschlichen Gesellschaft sind, ebnet ihre Integrität den Weg für und bestimmt das Wohlergehen der menschlichen Gesellschaft im Allgemeinen. Da die Familie und die menschliche Gesellschaft dem Staat untergeordnet sind, baut auch das Wohlergehen des Staates auf ihnen auf. Das Versagen seitens Familien, Gesellschaften und Staaten in der Beachtung des Naturgesetzes in Bezug auf die Gabe der Zeugung innerhalb der Ehe, führt zur moralischen Dekadenz. Im 21. Jahrhundert ist die trennende Unterscheidung zwischen vereinendem und prokreativem Wesen der menschlichen Sexualität ein vorherrschender Faktor in einer Reihe von moralischen Übeln: Scheidung, Ehebruch, Unzucht, Homosexualität, Sterilisation, Genmanipulation und Mutilation (z.B. in vitro Befruchtungen und menschliches Klonen), Abtreibung und Kindermord (euphemistisch „Teilgeburt-Abtreibung“ genannt). Doch nicht nur diese, denn aus diesen primären Übeln entsteht ein Übermass sekundärer psychologischer und soziologischer Behinderungen, wie Persönlichkeitspaltung, soziale Ausgrenzung, und ein alles umfassendes Gefühl von Ziellosigkeit und Wertlosigkeit im menschlichen Bestehen. Durch die in unserer zeitgenössischen Welt immer grösser werdende Trennung zwischen dem vereinenden und dem prokreativen Aspekt der Ehe, steigert sich das Potential einer moralischen Degeneration exponentiell, jenes von Sodom und Gomorrah übertreffend.

Damit soll jedoch nicht gesagt werden, dass es einfach ist, Gottes Willen zu gehorchen. Die andauernde Tradition der Kirche, durch Pius und Paulus im Wortlaut der Enzykliken festgehalten, anerkennt, dass die Gott-gegebenen Rechte und grossen Verantwortungen eine Herausforderung sind. Die Familie hat das Recht auf die Unterstützung der Gesellschaft und des Staates (CC nr. 69-77; und HV nr. 22+23). Die moralische und konkrete Unterstützung der Gesellschaft und des Staates zugunsten der Familie ist nicht nur eine Angelegenheit von Barmherzigkeit, sondern der Gerechtigkeit. Die Last, die von den Familien bei der Hütung und Erziehung der Kinder getragen wird, ist das einzige Mittel durch das Gesellschaft und Staat eine Zukunft in dieser Welt haben. Und trotz einer so grossen Bürde, die auf ihnen lastet, können die Familien Trost erhalten aus den Worten des Herrn, der sagt „nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht“ (Matth. 11:29-30).

Indem sie unablässig ihre Lehre gegen die künstliche Geburtenkontrolle betont, übt die Kirche einen unermesslichen Dienst zugunsten der Menschheit aus. Die Kirche ist dazu verpflichtet, die ihr anvertraute Wahrheit klar und direkt zu formulieren, einschliesslich jener Wahrheiten, die die Menschen, die guten Willens sind durch den rechten Verstand erfassen können. Paul VI. schreibt, dass „die Kirche aber, die es nicht überrascht, dass sie ebenso wie ihr göttlicher Stifter gesetzt ist „zum Zeichen, dem widersprochen wird“, dennoch zu ihrem Auftrag steht, das gesamte Sittengesetz, das natürliche und evangelische, demütig, aber auch fest zu verkünden. Die Kirche ist ja nicht Urheberin dieser beiden Gesetze; sie kann deshalb darüber nicht nach eigenem Ermessen entscheiden, sondern nur Wächterin und Auslegerin sein; niemals darf sie etwas für erlaubt erklären, was in Wirklichkeit unerlaubt ist, weil das seiner Natur nach dem wahren Wohl des Menschen widerspricht.“ (HV nr 18). Indem die Kirche lehrt, dass die künstliche Geburtenkontrolle „schamlos und lasterhaft“ ist (vgl CC nr 54; HV nr.14) sieht sie sich auch „ebenso wie ihr göttlicher Stifter ‚als Zeichen, dem widersprochen wird’ auf dem Weg zur Verdammnis“ (HV nr 18; vgl. Lukas 2:34) den unsere Welt eingeschlagen hat.

Eigentlich befinden wir uns, am Anfang des 21. Jahrhunderts, vor dem moralischen Ruin. Der grassierende Ungehorsam gegenüber den Gottes- und Naturgesetzen in Bezug auf die künstliche Geburtenkontrolle, fordert Rache. Die Vergehungen gegen Ehe und Familie erschrecken die Struktur unserer menschlichen Gesellschaft. Indem wir die Gottesgabe der Zeugungsfähigkeit missachten, bedrohen wir das Überleben unserer Art. Scott Elder unterstreicht in „Europe’s Baby Bust“ (National Geographic, September 2003), dass der Ansicht der Vereinten Nationen nach „die Bevölkerung Europas in den nächsten fünfzig Jahren um mehr als 90 Milionen Menschen schrumpfen wird, ungefähr die doppelte Anzahl von Menschen, die während des Zweiten Weltkrieges in der gesamten Welt ihr Leben verloren haben.“ Elder verweist auch darauf, dass Europa, mit einer Fertilitätsquote unter 2,1 – die zur Gewährleistung der Erhaltung der bestehenden Bevölkerung erforderliche Quote – wahrscheinlich einen konstanten globalen demografischen Rückgang verursachen wird: „ eine Entwicklung, die man seit dem 19. Jahrhundert nicht mehr beobachtete, seit der Zeit des Schwarzen Todes, der Pest“: Heute müssen wir vielleicht mehr denn je die Heiligkeit von Liebe und Leben verkünden um nicht das Schicksal Onans zu erleiden, und zwar nicht durch Gottes, sondern durch unsere eigene Hand.

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Das sind die sieben Seligen, die am Sonntag heiliggesprochen werden

Die zukünftigen Heiligen – Foto: Vatican Media – Facebook

Am morgigen Sonntag, den 14. Oktober, wird Papst Franziskus im Rahmen der Jugendsynode in Rom sieben Selige heiligsprechen, darunter die deutsche Ordensfrau Maria Katharina Kasper, Papst Paul VI., Oscar Arnulfo Romero und Nazaria Ignacia von der heiligen Teresa von Jesus, die die erste Heilige Boliviens sein wird.

Der katholische Fernsehsender EWTN.TV überträgt LIVE aus Rom – hier klicken für eine Übersicht der Programme; CNA Deutsch stellt heute schon einmal die neuen Heiligen vor:

1. Paul VI.
Der selige Papst Paul VI. war Autor der Enzyklika Humanae Vitae – der zukunftsweisenden Enzyklika zum Schutz des Lebens und der Familie. Darin warnte er vor den Problemen, die die Welt heute aufgrund der Mentalität der Empfängnisverhütung hat.
Unter seinem Pontifikat endete das Zweite Vatikanische Konzil, das 1962 zur Amtszeit des heiligen Johannes XXIII. begonnen hatte.

Giovanni Battista Montini wurde in der Lombardei (Italien) am 26. September 1897 geboren. Am 21. Juni 1963 wurde er zum Papst gewählt. Nach einem 15-jährigen Pontifikat starb er am 6. August 1978 in Castel Gandolfo.

2. Oscar Romero

Der Erzbischof von San Salvador wurde am 15. August 1917 in Ciudad Barrios (El Salvador) geboren und starb als Märtyrer aufgrund des Hasses gegen den Glauben. Am 24. März 1980 wurde er getötet, während er inmitten eines entstehenden Bürgerkrieges zwischen der linken Guerilla und der rechten diktatorischen Regierung die heilige Messe feierte.

Die Untersuchungen haben ergeben, dass Streitkräfte der Militärdiktatur für den Mord verantwortlich waren, Aufgrund des Einsatzes Monsinore Romeros für die Armen hatten sie geglaubt, er würde der linken Guerilla nahestehen. Diese Anschuldigungen entspachen keineswegs der Realität.

In seinem Kampf für die Ärmsten und in seinem Anprangern der Diktatur wurde der zukünftige Heilige von den Päpsten Paul VI. und Johannes Paul II. unterstützt.

3.- Nazariia Ignacia der Heiligen Teresa von Jesus

Sie wurde am 10. Januar 1889 in Madrid (Spanien) geboren. Nach einigen Jahren im Orden der Hermanitas de los Ancianos Desamparados (Kleine Schwestern der verlassenen Armen) gründete sie 1927 eine neue Kongregation: Die Hermanas Misioneras Cruzadas de la Iglesia (Die Missionskreuzschwestern), die den Bedürftigsten und den Frauen in Bolivien halfen.
1938 kam sie nach Argentienen und förderte dort verschiedene Institutionen für die Jugendlichen und für die Armen. Sie starb in Buenos Aires im Jahre 1943. Nazaria Ignacia wird die erste Heilige Boliviens sein.

4.- Pater Vincenzo Romano

Vincenzo Romano war Diözesanpriester. Er wurde am 3. Juni 1751 in Torre del Greco (Italien) geboren. 1775 empfing er die Priesterweihe.

Er arbeitete am Wiederaufbau von Torre del Greco, einer Stadt, die nach dem Ausbruch des Vesuvs 1794 fast völlig zerstört worden war.

Außerdem erfand er das „Fangnetz“ – eine missionarische Strategie. Dabei versammelte er mit dem Kreuz in der Hand verschiedene Personen oder Vorübergehende, hielt eine spontane Predigt und begleitete sie dann zur nächsten Kirche oder zum nächsten Oratorium, um dort gemeinsam zu beten.

Oft fungierte er als Vermittler zwischen den Besitzern der Gewässer und den Bootsleuten, die der Mühe und den Risiken des Fischfangs ausgesetzt waren. Er starb am 20. Dezember 1831.

5. Maria Katharina Kasper

Die deutsche Ordensfrau wurde am 26. Mai 1820 in Dernbach im Westerwald geboren. 1845 gründete sie mit einigen Gefährtinnen einen Verein, aus dem die „Armen Dienstmägde Jesu Christi“ wurden – auch bekannt als Dernbacher Schwestern.

Mutter Maria Katharina betreute die Ausbildung der Novizinnen und die Eröffnung neuer Häuser, die ebenfalls im Ausland entstanden, auch um den deutschen Auswanderern zu helfen. Sie starb am 2. Februar 1898.

6. Francesco Spinelli

Francesco Spinelli wurde am 14. April 1853 in Mailand geboren und 1875 zum Priester geweiht. Er begann sein Apostolat unter den Armen in der Pfarrei seines Onkels Don Pietro. Im Jahr 1882 begegnete er Caterina Comensoli, die eine Ordensgemeinschaft gründen wollte, deren Zweck die eucharistische Anbetung sein sollte.

Unter tausend Schicksalsschlägen kommt es zur Gründung eines Institutes, das sich später in zwei Institute teilen wird. Mutter Comensoli wird Gründerin der Sakramentinerinnen, Francesco Gründer der Anbeterinnen des Allerheiligsten Sakramentes.

Francesco Spinelli half den Ausgegrenzten und Ausgestoßenen und gründete Schulen, Oratorien, Betreuungseinrichtungen für Kranke und einsame alte Menschen. Er starb am 6. Februar 1913.

7. Nunzio Sulprizio

Ursprünglich waren für den 14. Oktober sechs Heiligsprechungen vorgesehen, wie der Vatikan am 19. Mai dieses Jahres bekanntgegeben hatte.

Am 19. Juli entschied Papst Franziskus jedoch, dass auch der im Alter von nur 19 Jahren gestorbene Nunzio Sulprizio heiliggesprochen werden sollte – im Rahmen der Jugendsynode, die im Vatikan noch bis zum 28. Oktober stattfinden wird.

Nunzio Sulprizio wurde am 13. April 1817 in Pescosansonesco (Italien) geboren. In seiner Kindheit litt er unter den Folgen von Armut, Krankheit und Misshandlungen, vor allem durch seinen Onkel mütterlicherseits.

Nachdem seine Eltern gestorben waren, zwang ihn sein Onkel unter unmenschlichen Bedingungen bei ihm als Schmied zu arbeiten. Er starb an Knochenkrebs am 5. Mai 1836.

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Quelle

MEDITATION VON PAUL VI. — GEDANKEN ÜBER DEN TOD*

Tempus resolutionis meae instat. „Die Zeit meines Aufbruchs ist nahe“ (2 Tim 4, 6).

Certus quod velox est depositio tabernaculi mei . „Ich weiß, dass mein Zelt bald abgebrochen wird‟ (2 Petr 1, 14). Finis venit, venit finis . „Das Ende kommt, das Ende naht‟ (Ez 7, 2).

Diese Meditation über die Hinfälligkeit des irdischen Lebens und das unvermeidliche und immer greifbarere Herannahen seines Endes drängt sich auf. Es wäre unklug, sich blind zu stellen vor diesem unausweichlichen Los, vor dem schrecklichen Zusammenbruch, der dazu gehört, vor der geheimnisvollen Verwandlung, die sich in meinem Ich vollziehen wird, vor dem, was sich vorbereitet.

Ich sehe, dass diese Überlegung sich sehr persönlich stellt: Ich, wer bin ich? Was bleibt von mir? Wohin gehe ich? Und deshalb stellt sie sich auch unter ausdrücklich moralischem Aspekt: Was muss ich tun? Was ist meine Verantwortung? Und ich sehe auch, dass es vergeblich ist, sich für das gegenwärtige Leben Hoffnungen zu machen. Ihm gegenüber gibt es Pflichten und funktionelle, augenblicksbedingte Erwartungen. Die Hoffnungen sind für das Jenseits da.

Und ich sehe, dass diese wichtigste aller Überlegungen sich nicht in einem subjektiven Monolog vollziehen kann, nicht im gewohnten Ablauf der menschlichen Ereignisse, der mit dem wachsenden Licht auch das Dunkel des menschlichen Schicksals wachsen lässt; nein, im Dialog mit der göttlichen Wirklichkeit, von der ich herkomme und zu der ich gewisslich hingehe, dem Licht folgend, das uns Christus für den großen Hinübergang in die Hand gibt. Ich glaube, Herr.

Die Stunde kommt. Seit einiger Zeit habe ich ein Vorgefühl davon. Mehr als die physische Müdigkeit, die Bereitschaft, jeden Augenblick wegzutreten, scheint mir die Dramatik meiner Verantwortung nahezulegen, dass mein Auszug aus dieser Welt die beste Lösung ist, damit die Vorsehung sichtbar werden und die Kirche zu einer besseren Zukunft hinführen kann. Ja, die Vorsehung hat so viele Weisen, in das gewaltige Spiel der Umstände einzugreifen, die meine Wenigkeit fesseln. Aber die meiner Abberufung in das andere Leben scheint die natürlichste, weil sie zwingender als andere ist und nicht an die gegenwärtigen Schwierigkeiten gebunden. Servus inutilis sum. „Ich bin ein unnützer Knecht.‟

 Ambulate dum lucem habetis. „Geht euren Weg, solange ihr das Licht habt‟ (Joh 12, 35).

Ja, mir wäre es recht, im Licht zu sterben. Gewöhnlich hat das Ende des irdischen Lebens, wenn es nicht von Krankheit verdunkelt ist, eine bestimmte Klarheit: die der schönen, angenehmen, nostalgischen und klaren Erinnerungen, die uns jetzt sagen, dass sie unwiderruflich vorüber sind und dass ihre verzweifelten Versprechungen Illusion sind. Hier fällt Licht auf die Enttäuschungen eines Lebens, das auf vergängliche Güter und trügerische Hoffnungen gegründet war. Hier fällt Licht auf die dunklen und jetzt wirkungslosen Selbstpeinigungen. Hier leuchtet das Licht der Weisheit, die endlich die Eitelkeit der Dinge einsieht und den Wert der Tugenden, die das Leben auszeichnen sollten: Vanitas vanitatum. „Eitelkeit der Eitelkeiten.‟ Was mich betrifft, möchte ich endlich eine zusammenfassende und weise Kenntnis der Welt und des Lebens haben. Ich meine, dass eine solche Erkenntnis sich in Dank ausdrücken müsste: Alles war Geschenk, alles war Gnade. Und wie schön die ganze Vergangenheit war, zu schön, so dass sie uns anzog und bezauberte, während sie Zeichen und Aufforderung sein wollte. Auf jeden Fall scheint mir, der Abschied müsse sich in einem großen und schlichten Akt des Dankes ausdrücken, der Danksagung: Dieses sterbliche Leben ist trotz seiner Mühen, seiner dunklen Geheimnisse, seiner Leiden, seiner fatalen Hinfälligkeit eine sehr schöne Tatsache, ein immer originelles und bewegendes Wunder, ein Ereignis, wert in Freude und Jubel besungen zu werden. Leben, Leben des Menschen! Nicht weniger wert der Bewunderung und des seligen Staunens ist der Rahmen, der das Leben des Menschen umgibt: Diese unermessliche, geheimnisvolle, herrliche Welt, dieses Universum von tausend Kräften, tausend Gesetzen, tausend Schönheiten, tausend Tiefen. Ein bezauberndes Panorama. Es scheint Verschwendung ohne Maß.

Bei diesem Rückblick steigt das Bedauern auf, dieses Bild nicht genug bewundert zu haben; die Wunder der Natur, den überraschenden Reichtum der großen und kleinen Welt nicht im verdienten Maß bemerkt zu haben. Warum habe ich den Raum, in dem sich das Leben vollzieht, nicht genug studiert, durchforscht, bewundert? Welche unverzeihliche Zerstreuung, welche tadelnswerte Oberflächlichkeit! Trotzdem muss man, zumindest am Ende, erkennen, welches Wunder diese Welt, qui per Ipsum factus est, „die durch Ihn geschaffen ist‟, darstellt. Dich grüße und Dich und feiere ich, wenn auch im letzten Augenblick, mit unendlicher Bewunderung und, wie ich schon sagte, mit Dank: Alles ist Geschenk. Hinter dem Leben, hinter der Natur, dem Weltall steht die Weisheit und, das sage ich bei diesem leuchtenden Abschied (Du hast es uns offenbart, Herr Christus), steht die Liebe! Die Bühne der Welt ist ein heute großenteils unbegreiflicher Plan eines Schöpfergottes, der sich „Unser Vater im Himmel‟ nennt.. Dank Dir, Gott, Dank und Herrlichkeit Dir, Vater! In diesem letzten Augenblick bemerke ich, dass diese faszinierende und geheimnisvolle Szenerie eine Widerspiegelung, ein Reflex des ersten und einzigen Lichts ist. Sie ist die natürliche Offenbarung eines außergewöhnlichen Reichtums und einer Schönheit, die Einfüllung, Vorspiel, Vorwegnahme, Einladung sein sollte zur Schau jener unsichtbaren Sonne, quem nemo vidit unquam, die „niemand je gesehen hat‟ (vgl. Joh 1, 18): unigenitus Filius, qui est in sinu Patris, Ipse enarravit, „der eingeborene Sohn im Schoß des Vaters, er selbst hat uns das offenbart‟. Amen, Amen.

Aber jetzt, im Glanz der untergehenden Sonne, drängt sich mir über dieses letzte Abendlicht, Verheißung der ewigen Morgenröte, hinaus, ein anderer Gedanke in den Sinn: die Sehnsucht, die elfte Stunde zu nutzen, der eilige Wunsch, etwas Wichtiges zu tun, ehe es zu spät ist. Wie all die missratenen Dinge in Ordnung bringen, die verlorene Zeit wiedergewinnen, in der letzten Möglichkeit der Entscheidung, das unum necessarium,  „das einzig Notwendige‟, wählen?

Auf den Dank folgt die Reue. Auf das Gloria vor Gott, dem Schöpfer und Vater, folgt der Schrei nach Barmherzigkeit und Vergebung. Könnte ich wenigstens das eine tun: Deine Güte anrufen und mit meiner Schuld Deine grenzenlosen Heilsmöglichkeiten bekennen. Kyrie eleison; Christe eleison; Kyrie eleison. „Herr, erbarme Dich; Christus, erbarme Dich; Herr, erbarme Dich.‟

Hier steigt aus meiner Erinnerung die arme Geschichte meines Lebens auf; dieses Geflecht einzigartiger und ungezählter Wohltaten, die ihren Ursprung unsagbarer Güte verdanken (die eines Tages sehen und „in Ewigkeit singen‟ zu dürfen ich hoffe). Und da stehen auf der anderen Seite, von einer Kette nichtswürdiger Handlungen durchzogen, an die ich lieber nicht erinnern möchte, so viele Mängel, Unvollkommenheiten, Irrtümer, Dummheiten, Lächerlichkeiten. Tu scis insipientiam meam. „Gott, du kennst meine Torheit‟ (Ps 68, 6). Armes, mühseliges, beengtes, dürftiges Leben, das sehr viel, sehr viel Geduld, Heilung, unendliche Barmherzigkeit braucht. Die höchste Synthese scheint mir noch immer die des hl. Augustinus: miseria et misericordia. „Meine Erbärmlichkeit, Gottes Barmherzigkeit.‟ Könnte ich Dich doch wenigstens jetzt als den ehren, der Du bist, nämlich der Gott unendlicher Güte, indem ich Deine liebevolle Barmherzigkeit anrufe, annehme, feiere.

Und dann endlich ein Akt guten Willens: Nicht mehr zurückblicken, sondern gern, einfach, demütig, tapfer meine Schuldigkeit tun, wie sie sich aus den Umständen ergibt, in denen ich mich befinde, so wie es Dein Wille ist.

Schnell handeln. Alles tun. Gut handeln. Freudig handeln. Das tun, was Du von mir willst, auch wenn es meine Kräfte unendlich übersteigt und mich das Leben kostet. Jetzt und endlich, in dieser letzten Stunde.

Ich beuge das Haupt und erhebe den Geist. Ich demütige mich selbst und erhebe Dich, Gott, „dessen Wesen die Güte ist‟ (hl. Leo). Lass mich in dieser letzten Nachtwache Dir huldigen, lebendiger und wahrer Gott, der Du morgen mein Richter sein wirst. Lass Dir das Lob geben, das Du am meisten begehrst, den Namen, den Du vorziehst: Du bist Vater.

Dann meine ich, dass jetzt vor dem Tod, dem Lehrer der Philosophie des Lebens, das größte Ereignis von allen für mich, wie für alle, die das gleiche Glück haben, die Begegnung mit Christus, dem Leben, sei. All das wäre zu durchdenken mit jener Klarheit, mit der die Lampe des Todes eine solche Begegnung erhellt. Nihil enim nobis nasci profuit, nisi redimi profuisset. „Nichts hätte es uns geholfen, geboren zu werden, hätte es uns nicht zur Erlösung verholfen.‟ Das ist die Entdeckung der österlichen Verkündigung, das ist das Kriterium zur Beurteilung aller Dinge, die das menschliche Dasein betreffen und seine wahre und einzige Bestimmung, die sich nicht anders umgrenzen lässt als in Richtung auf Christus: o mira circa nós tuae pietatis dignatio! „Oh wunderbare Herablassung Deiner Liebe zu uns!‟ Wunder aller Wunder, das Geheimnis unseres Lebens in Christus. Hier besingen der Glaube, die Hoffnung, die Liebe die Geburt des Menschen und feiern seinen Tod. Ich glaube, ich hoffe, ich liebe in Deinem Namen, Herr.

Und dann frage ich mich noch: Warum hast Du mich gerufen, warum hast Du mich erwählt, so ungeeignet, so widerspenstig, so arm an Geist und Herz? Ich weiß: quae stulta sunt mundi elegit Deus… ut non glorietur omnis caro in conspectu eiu. „Gott hat das Törichte in der Welt erwählt …, damit kein Mensch sich rühmt vor Gott‟ (1 Kor 1, 27-29). Meine Erwählung zeigt zwei Dinge: meine Geringfügigkeit; Deine barmherzige und mächtige Freiheit, die nicht einmal vor meinem Unglauben, meiner Erbärmlichkeit, meiner Fähigkeit, Dich zu verraten, Halt gemacht hat: Deus meus, Deus meus, audebo dicere… in quodam aestasis tripudio de Te praesumendo dicam: nisi quia Deus es, iniustus esser, quia peccavimus graviter… et Tu placatus es. Nos Te provocamus ad iram, Tu autem conducis nos ad misericordiam! „Mein Gott, mein Gott, ich wage zu sagen… in ekstatischem Jubel nehme ich mir heraus zu sagen: Wenn Du nicht Gott wärst, wärst Du ungerecht, denn wir haben schwer gesündigt und Du hast Dich versöhnen lassen. Wir haben Dich zum Zorn gereizt, und Du hast uns statt dessen zur Barmherzigkeit hingeführt!‟ (PL 40, 1150).

Siehe, ich stehe Dir zu Diensten, siehe, zu Diensten Deiner Liebe. Siehe, ich bin in einem Zustand der Erhebung, der mir nicht mehr erlaubt, in die Haltung des armen Menschen zurückzufallen, wenn nicht, um mir die Wirklichkeit meines Seins in Erinnerung zu bringen und in grenzenlosestem Vertrauen die Antwort zu geben, die ich schuldig bin: amen; fiat; Tu scis quia amo Te. „Amen, Amen. Du weißt, dass ich Dich liebe.“ Ein Zustand der Spannung tritt ein und fixiert in einem dauernden Akt absoluter Treue meinen Willen zum Dienst durch Liebe: in finem dilexit , „er liebte bis zum Ende‟. Ne permittas me separari a Te. „Erlaube nicht, dass ich mich von Dir trenne.‟ Das Ende des gegenwärtigen Lebens, das man ruhig und heiter erträumen konnte, muss dagegen wachsende Bemühung um Wachsamkeit, Hingabe, Aufmerksamkeit sein. Das ist schwierig, aber es ist so, dass der Tod das Ziel der irdischen Pilgerschaft besiegelt und die Brücke zu der großen Begegnung mit Christus im ewigen Leben bildet. Ich sammle meine letzten Kräfte und weiche nicht vor der vollendeten Ganzhingabe zurück: consummatum est, „alles ist vollendet‟.

Ich erinnere mich der Worte, die der Herr dem Petrus über seinen Tod vorausgesagt hatte: amen, amen dico tibi… cum… senueris, extendes manus tuas, et alius et cinget, et ducet quo tu non visHoc autem dixit significans qua morte clarificaturus esset Deum. Et, cum hoc dixisset, dicit et: sequere me. „Amen, Amen, ich sage dir wenn du alt geworden, bist, wirst, du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst. Dies sagte Jesus, um anzudeuten, durch welchen Tod er Gott verherrlichen sollte. Nach diesen Worten sagte er zu ihm: Folge mir!‟ (Joh 21, 18-19).

Ich folge Dir, und ich stelle fest, dass ich mich nicht verstohlen aus dieser Welt schleichen kann. Tausend Fäden verbinden mich mit der Menschheitsfamilie, tausend mit der Gemeinschaft der Kirche. Diese Fäden zerreißen von selbst, aber ich darf nicht vergessen, dass sie von mir letzte Pflichterfüllung verlangen. Discessus pius, „ein frommer Tod‟. Vor meinem Geist steht die Erinnerung daran, wie Jesus von dieser Welt Abschied genommen hat. Ich muss daran denken, wie er immer wieder sein Leiden vorausgesehen und oft davon gesprochen hat; wie er die Zeit in Erwartung „seiner Stunde‟ gemessen hat; wie das Wissen um die endzeitliche Bestimmung seinen Geist und seine Lehre erfüllt hat; wie er von seinem bevorstehenden Tod zu den Jüngern beim letzten Abendmahl gesprochen hat; und schließlich, wie er wollte, dass sein Tod zum bleibenden Gedächtnis werde durch die Einsetzung des eucharistischen Opfers: mortem Domini annuntiabitis donec veniat . „Verkündet den Tod des Herrn bis er wiederkommt.‟

Ein Aspekt unter allen anderen ist grundlegend: tradidit semetipsum, „er hat sich selbst für mich hingegeben‟. Sein Tod war ein Opfer. Er starb für die anderen, er starb für uns. Die Einsamkeit dieses Todes war von unserer Gegenwart angefüllt, war von Liebe durchdrungen: dilexit Ecclesiam, „er liebte die Kirche‟ (an „Le mystère de Jésus“ von Pascal denken). Sein Tod war die Offenbarung seiner Liebe zu uns: in finem dilexit, „er liebte bis zum Ende‟. Und von dieser demütigen und unermesslichen Liebe gab er am Ende seines irdischen Lebens ein eindringliches Beispiel (die Fußwaschung). Er machte seine Liebe zum Gleichnis und Endgebot. Sein Tod war das Testament seiner Liebe. Es ist gut, sich daran zu erinnern.

Ich bitte deshalb den Herrn, mir die Gnade zu geben, dass mein baldiger Tod ein Geschenk der Liebe an die Kirche sei. Ich darf sagen, dass ich sie immer geliebt habe. Diese Liebe hat mich meinem engherzigen und wilden Egoismus entrissen und mich in ihren Dienst gestellt. Und durch sie habe ich, wie mir scheint, gelebt, und durch nichts anderes. Aber ich möchte, dass die Kirche das weiß. Und dass ich die Kraft hätte, ihr das zu sagen in jener Vertraulichkeit des Herzens, zu der man nur im letzten Moment des Lebens den Mut aufbringt. Ich möchte schließlich, dass sie alles begreift, was zu ihrer Geschichte gehört, zu dem Plan, den Gott von ihr hat, zu ihrer endzeitlichen Bestimmung, zu ihrer vielfältigen, ganzheitlichen, in sich geschlossenen Zusammensetzung, ihrem menschlichen und unvollkommenen Zusammenhalt, ihrem Unglück und Leid, den Schwächen und Erbärmlichkeiten so vieler ihrer Söhne, ihren weniger sympathischen Aspekten und ihrer fortdauernden Bemühung um Treue, Liebe, Vollkommenheit und Nächstenliebe. Mystischer Leib Christi. Ich möchte sie umarmen, begrüßen, lieben in jedem Wesen, das zu ihr gehört, in jedem Bischof und Priester, der ihr beisteht und sie leitet, in jeder Seele, die in ihr lebt und leuchtet; ich möchte sie segnen. Auch weil ich sie nicht verlasse, nicht von ihr fortgehe, sondern mich noch mehr und besser mit ihr vereinige und verschmelze: der Tod ist ein Schritt nach vorn in der Gemeinschaft der Heiligen.

Hier ist der Platz, an das letzte Gebet Jesu zu erinnern (Joh 17). Der Vater und die Meinen, sie sind alle eins: in der Auseinandersetzung mit dem Bösen und der Möglichkeit der Erlösung; im vollen Bewusstsein, dass es meine Mission war, sie zu berufen, ihnen die Wahrheit zu offenbaren, sie zu Kindern Gottes und zu Brüdern untereinander zu machen: sie zu lieben mit der Liebe, die in Gott ist und von Gott kommt, durch Christus; die gekommen ist in der Menschlichkeit und dem mir anvertrauten Dienst der Kirche; die ihr mitgeteilt wurde.

Ihr Menschen begreift mich. Ich liebe euch alle in der Ausgießung des Heiligen Geistes, den ich, als Diener, euch mitteilen sollte. So schaue ich auf euch, so grüße ich euch, so segne ich euch. Alle. Und euch, die ihr mir am nächsten steht, am herzlichsten. Der Friede sei mit euch. Und was soll ich der Kirche, der ich alles schulde und die die meinige war, sagen? Der Segen Gottes sei über dir; sei dir deiner Natur und deiner Sendung bewusst; habe ein Gespür für die wahren und tiefsten Bedürfnisse der Menschheit. Und geh deinen Weg arm, also frei, tapfer und liebend Christus entgegen.

Amen. Der Herr komme. Amen.

* L’Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, 14. September 1979, Nr. 37.

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Quelle