Abtreibung und das Menschenrecht auf Leben

Kardinal Gerhard Ludwig Müller Foto: Daniel Ibanez / CNA Deutsch

Kardinal Gerhard Ludwig Müller im Gespräch mit Lothar C. Rilinger (*)

23 March, 2021 / 7:55 AM

Die Abtreibung ist nichts anderes als die Tötung eines Menschen – eines ungeborenen Menschen zwar, aber eines, der nach christlicher Auffassung vom ersten Augenblick der Empfängnis als imago Dei, als Ebenbild Gottes, angesehen wird. Der noch nicht geborene Mensch wird im Rahmen des geltenden staatlichen Rechtes nicht als volles Rechtssubjekt angesehen, obwohl er schon erbberechtigt ist, anders ist es nicht zu erklären, dass seine Tötung zwar als rechtswidrig angesehen wird, aber gleichwohl in den ersten drei Monaten seiner Existenz und nach einer Beratung für straflos erklärt wird. Damit steht fest, dass der ungeborene Mensch, sollten die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, getötet werden darf, ohne dass der Staat diese Tötungshandlung für verwerflich erklärt und sanktioniert. Damit macht der Staat letztendlich keinen strafrechtlichen Unterschied mehr zwischen der Zerstörung einer eigenen Sache und der Tötung eines ungeborenen Menschen. Diese Negierung kann nicht ohne Konsequenzen sein. Wir wollen deshalb hierüber mit dem Theologen und Philosophen Kardinal Gerhard Ludwig Müller sprechen und uns einer Frage nähern, die durch die Wahl des amerikanischen Präsidenten Joseph Biden an Aktualität gewonnen hat.

Lothar C. Rilinger: Können Sie sich vorstellen, dass in der rechtlichen Qualifikation eines menschlichen Lebewesens ein Unterschied besteht, je nachdem, ob es geboren oder noch nicht geboren ist?

Kardinal Gerhard Ludwig Müller: Die Rechtsordnung zielt auf das Zusammenleben der Menschen auf der Basis der Moral, die sich vor allem in der Anerkennung der fundamentalen Menschenrechte ausdrückt. Wir sind überzeugt, dass der wirkliche, und nicht nur der abstrakt gedachte, also leibhaftige Mensch niemals als Zweck und Instrument für etwas anderes existiert. Das ist die Grundlage unseres Menschenbildes und das Kriterium für alle Ethik. Das Gegenteil ist der Ausgangspunkt aller Inhumanität. Stalin meinte, dass die Gefangenen des GULAG nur soweit noch ein Recht auf Leben haben, als sie z.B. für den Bau des Weißmeerkanals von Nutzen sind. Himmler, der Chef der berüchtigten SS, sagte, ihn interessiere „das Leben von tausend russischen Weibern nur solange, bis sie den Bau eines Panzergrabens für die Wehrmacht fertig gestellt haben.“ Und das sind nur zwei besonders drastische Beispiele der abgrundtiefen Menschenverachtung in den Polit-Ideologien unserer Zeit. Wenn man der Meinung ist, es gäbe zu viele Menschen auf unserem Planeten, die die Ressourcen verbrauchen, kann man deswegen nicht die Tötung von Menschen im Mutterleib propagieren und praktizieren, ohne sich als Menschenverächter zu entlarven. Dies sagt auch Papst Franziskus ganz drastisch, auf den sich die Vertreter einer Reproduktionsgesundheit (sprich: Abtreibung) ansonsten sehr gern berufen.

Wenn sowohl der ungeborene, als auch der geborene Mensch als Ebenbild Gottes angesehen werden und dass deshalb kein Unterschied in der rechtlichen Einstufung als Mensch gemacht wird, verfügt deshalb der ungeborene Mensch wie der geborene über das Grund- und Menschenrecht auf Leben?

Es gibt viele Menschen, die die Lehre von der Gottebenbildlichkeit des Menschen nicht teilen, weil sie überhaupt nicht an Gott als unseren Schöpfer und Richter glauben. Eine dominante ideologische Richtung denkt sozialdarwinistisch. Das heißt: Wer sich im Lebenskampf durchsetzt, hat Recht und definiert es. Andere halten es sogar für eine Form von höherer Humanität, wenn nur – ihrem Urteil nach – „lebenswertes“ Leben geboren, also krankes Leben beseitigt wird, um zukünftiges Leiden zu vermeiden. Oder im Falle von Mehrlings-Schwangerschaften soll nur das Kind überleben, das den Eltern nach den eigenen Bedürfnissen und Vorlieben passt. In China hat man jahrzehntelang eine brutale, menschenverachtende Ein-Kind-Politik betrieben und Frauen zur Tötung ihres eigenen Kindes gezwungen. Wer nach den in der geistig-sittlichen Natur gelegenen Grundrechten denkt oder die letzten Kriterien für das Menschenbild dem geoffenbarten Wort Gottes entnimmt, kann niemals einen gerechten Grund finden, einen unschuldigen Menschen zu töten.

Wenn der Mensch sowohl im ungeborenen als auch im geborenen Zustand über das Menschenrecht auf Leben verfügt, können Sie sich vorstellen, dass gleichwohl in der rechtlichen Beurteilung bezüglich des Rechtsschutzes ein Unterschied gemacht wird?

Nicht nur an die Christ-Gläubigen, sondern an alle Menschen richtet das II. Vatikanische Konzil die Mahnung, die eine Magna Charta des Lebens auf der Grundlage der unveräußerlichen Menschenrechte ist: „Was ferner zum Leben selbst in Gegensatz steht, wie jede Art Mord, Völkermord, Abtreibung, Euthanasie und auch der freiwillige Selbstmord; was immer die Unantastbarkeit der menschlichen Person verletzt, wie Verstümmelung, körperliche oder seelische Folter und der Versuch, psychischen Zwang auszuüben; was immer die menschliche Würde angreift, wie unmenschliche Lebensbedingungen, willkürliche Verhaftung, Verschleppung, Sklaverei, Prostitution, Mädchenhandel und Handel mit Jugendlichen, sodann auch unwürdige Arbeitsbedingungen, bei denen der Arbeiter als bloßes Erwerbsmittel und nicht als freie und verantwortliche Person behandelt wird: all diese und andere ähnliche Taten sind an sich schon eine Schande; sie sind eine Zersetzung der menschlichen Kultur, entwürdigen weit mehr jene, die das Unrecht tun, als jene, die es erleiden. Zugleich sind sie in höchstem Maße ein Widerspruch gegen die Ehre des Schöpfers.“ (Gaudium et spes, 27).

Es besteht rechtlich gesehen, die nicht rechtswidrige Möglichkeit, einen Menschen in Notwehr zu töten. Kann die rechtliche Konsequenz dieser Rechtsfigur auch auf die Abtreibung übertragen werden, dass also die Tötung ungeborenen Lebens unter bestimmten Voraussetzungen für nicht rechtswidrig erklärt wird? Ich denke hierbei an die rechtliche Regelung, wonach bei Vorliegen bestimmter Indikationen die Rechtswidrigkeit ausgeschlossen ist.

Es gibt kein Recht (!), einen Menschen zu töten, weil dies dem 5. Gebot widerspricht. Bei der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung muss der Angreifer in Kauf nehmen, durch die gerechten Abwehrmaßnahmen gegen seine Übergriffe auf das Leben anderer selber zu Schaden zu kommen. Wenn der Angreifer außer Gefecht gesetzt ist, gibt es ohnehin kein Recht, ihn dann noch zu töten. Gefangene zu töten ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit (wie 1946 das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal wegweisend feststellte). Auch aus der umstrittenen Todesstrafe für Schwerverbrecher, die hier nicht diskutiert werden soll, kann auf keinen Fall die Tötung eines unschuldigen Kindes im Mutterleib als Recht abgeleitet werden. Ich wundere mich über den eklatanten Widerspruch der politischen Eliten, die die Todesstrafe für Verbrecher ablehnen und zugleich die Tötung von unschuldigen Kindern mit dem Selbstbestimmungsrecht seiner eigenen Eltern oder dem Nutzen der Gesellschaft rechtfertigen.

Es wird inzwischen gefordert, das ungeborene Kind bis eine logische Sekunde vor der Geburt straflos und sogar rechtmäßig töten zu dürfen. Kann dies als Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts der Frau angesehen werden?

Das ist der Gipfel der Inhumanität, dass der lebende, leibhaftig existierende Mensch zu einer frei verfügbaren Sache gemacht wird. Bei den Sexualdelikten gegen Kinder und Jugendliche haben wir zu Recht (und leider viel zu spät) den Perspektivenwechsel vom Täter zum Opfer vollzogen. Das Lebensrecht des Kindes steht haushoch über dem Selbstbestimmungsrecht der Eltern. Wir müssen vom Leben des Kindes und nicht von den Bedürfnissen und Interessen derer herdenken, denen es im Wege steht und die ihm gewaltsam das Leben nehmen. Beim Selbstbestimmungsrecht geht es um die Freiheit von Fremdbestimmung, die ich aber auch einem anderen gewähren muss. Die Kinder sind den Eltern nur zur Erziehung anvertraut. Die Eltern hingegen sind nicht Herr über Leben und Tod ihrer eigenen Kinder. Man könnte sagen, die ungeborenen Kinder können nicht das Unrecht in die Welt hineinschreien, das ihnen durch den Mord an ihrem Leben angetan wird. Sie sind auch nicht in der Lage, später ihre Peiniger zur Rechenschaft zu ziehen. Aber das ist die Aufgabe der Christgläubigen und aller Menschen guten Willens, für die Schwachen einzutreten, auch wenn man dafür verleumdet wird. „Tu deinen Mund auf für die Stummen, für das Recht aller Schwachen.“ (Buch der Sprichwörter, 31, 8).

Können Sie sich vorstellen, dass die Abtreibung als eine Form der Empfängnisverhütung angesehen werden kann?

Empfängnisverhütung bedeutet, dass kein Mensch gezeugt und damit zur Existenz gebracht wird, während Abtreibung die Tötung eines gezeugten und damit existierenden Menschen ist. Die Methoden der Empfängnisverhütung sind ein anders Thema, müssen sich aber auch ethischen Kriterien stellen.

Die Straflosstellung der Abtreibung kann nur dann erfolgen, wenn die Frau sich zuvor über die Konsequenzen der Abtreibung hat beraten lassen. Halten Sie es für gerechtfertigt, dass sich die Kirche aus der Beratungspraxis zurückgezogen hat, mit der Folge, dass die Beratung jetzt im Wesentlichen nur noch als Formsache angesehen wird, um die gesetzlichen Voraussetzungen für die Straflosstellung der Tötung zu erfüllen?

Das Rechtssystem von Pflicht-Beratung und Freistellung der Abtreibung von rechtlichen Sanktionen gibt es in Deutschland und Österreich sowie in der Schweiz für junge Frauen bis zum Alter von 16 Jahren. Die Kirche ist katholisch-universal. Sie vertritt überall auf der ganzen Welt das unbedingte Lebensrecht der ungeborenen, der geborenen, der gesunden und kranken, der jungen und alten Menschen. Sie kann ihren Einsatz für die grundlegenden Menschrechte nicht abhängig machen von Gunst und Rechtsauffassungen der jeweils in den Staaten Herrschenden. Sie muss prophetisch, mutig und frei, aber auch kritisch-konstruktiv auf die Gewissensbildung und Rechtsauffassung einwirken.

Nach geltendem Recht wird die Abtreibung als rechtswidrige und schuldhafte Straftat, gleichwohl aber als straflos angesehen. Halten Sie es deshalb für gerechtfertigt, die Werbung für eine Straftat zuzulassen?

Es ist unlogisch, die Abtreibung moralisch zu verurteilen und als schweres Unrecht abzulehnen und zugleich die Propaganda für die „Tötung des Kindes“ (II. Vatikanum, Gaudium et spes, 51) zu legalisieren.

Da die Abtreibung in den ersten drei Monaten zwar als rechtswidrig erklärt wird, aber gleichwohl als straflos, ist das Recht auf Leben aufgeweicht worden. Können Sie sich vorstellen, dass durch diese Straflosstellung der Abtreibung die rechtliche Figur geschaffen wurde, um das Recht auf Leben geborener Menschen einschränken zu können?

Diese Rechtskonstruktion ist unlogisch, aber aus dem politischen Tauziehen zu erklären. Man wollte die Mütter nicht mit dem Strafrecht zur Fortsetzung der Schwangerschaft zwingen. Doch hat man die Begründung des Strafrechts durch die Moral dadurch nolens volens mit verheerenden Folgen für das öffentliche Moralbewusstsein preisgegeben. Auch ist die Grenze von drei Monaten willkürlich. Entweder ist der Mensch mit dem Beginn seiner leiblichen Existenz vom Augenblick der Empfängnis an eine Person und (nach Immanuel Kant) somit Zweck an sich oder er ist und bleibt sein Leben lang eine Sache (= Menschenmaterial), über die andere nach willkürlichen Kriterien verfügen können. Wenn man Menschen im Mutterleib oder Strafgefangene oder politisch missliebige Personen zur Organbank herabwürdigt, dann steht grundsätzlich das Leben jedes Menschen zur Disposition der politisch und finanziell Mächtigen.

DER MENSCH VON DER EMPFÄNGNIS AN

https://twitter.com/redusa21/status/1314041542659596290?s=20

Amniotic Sac“ – Die „Fruchtblase

Erneuertes Bewusstsein für die Würde des Menschen

Generalaudienz als Videostream aus der Bibliothek des Apostolischen Palastes am 12. August

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Die Pandemie hat deutlich gezeigt, wie verwundbar wir sind und wie sehr wir alle miteinander verbunden sind. Wenn wir nicht füreinander Sorge tragen, begonnen bei den Geringsten, bei jenen, die am meisten betroffen sind, ein­schließlich der Schöpfung, dann können wir die Welt nicht heilen.

Lobenswert ist der Einsatz so vieler Menschen, die in diesen Monaten die menschliche und christliche Liebe zum Nächsten unter Beweis stellen, indem sie sich um die Kranken kümmern, auch wenn sie dabei ihre eigene Gesundheit gefährden. Sie sind Helden! Das Coronavirus ist aber nicht die einzige Krankheit, die bekämpft werden muss, sondern die Pandemie hat größere – nämlich soziale – Krankheiten ans Tageslicht gebracht. Eine davon ist die verzerrte Sicht auf den Menschen: eine Sicht, die seine Würde und sein auf Beziehung beruhendes Wesen außer Acht lässt. Manchmal betrachten wir die anderen wie Gegenstände, die benutzt und weggeworfen werden können. In Wirklichkeit macht diese Sichtweise blind und fördert eine individualistische und aggressive Wegwerfkultur, die den Menschen zu einem Konsumgut macht (vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 53; Enzyklika Laudato si’, 22).

Geliebte Personen

Im Licht des Glaubens wissen wir dagegen, dass Gott den Mann und die Frau auf eine andere Weise sieht. Er hat uns nicht als Gegenstände erschaffen, sondern als geliebte Personen, die ihrerseits fähig sind zu lieben; er hat uns nach seinem Bild, ihm ähnlich erschaffen (vgl. Gen 1,27). Auf diese Weise hat er uns eine einzigartige Würde geschenkt und uns eingeladen, in Gemeinschaft mit ihm zu leben, in Gemeinschaft mit unseren Schwestern und unseren Brüdern, in der Achtung der ganzen Schöpfung. In Gemeinschaft, in Harmonie, können wir sagen. Die Schöpfung ist eine Harmonie, in der zu leben wir aufgerufen sind. Und in dieser Gemeinschaft, in dieser Harmonie, die Gemeinschaft ist, schenkt Gott uns die Fähigkeit, Leben zu schenken und zu bewahren (vgl. Gen 1,28-29), zu arbeiten und für die Erde Sorge zu tragen (vgl. Gen 2,15; Laudato si’, 67). Natürlich kann man das Leben nicht hervorbringen und bewahren ohne die Harmonie; es wird zerstört.

Von dieser individualistischen Sicht, von dem, was keine Harmonie ist, haben wir ein Beispiel in den Evangelien, in der Bitte, die die Mutter der Jünger Jakobus und Johannes an Jesus richtet (vgl. Mt 20,20-28). Sie möchte, dass ihre Söhne rechts und links neben dem neuen König sitzen dürfen. Aber Jesus schlägt eine andere Sicht vor: die Sicht zu dienen und sein Leben für die anderen hinzugeben. Und er bestätigt dies, indem er gleich darauf zwei Blinden das Augenlicht zurückgibt und sie zu seinen Jüngern macht (vgl. Mt 20,29-34). Zu versuchen, im Leben nach oben zu kommen, den anderen überlegen zu sein, zerstört die Harmonie. Es ist die Logik der Herrschaft, die anderen zu beherrschen. Die Harmonie ist etwas anderes: Sie ist das Dienen.

Bitten wir also den Herrn, uns Augen zu schenken, die achtgeben auf die Brüder und Schwestern, besonders auf jene, die leiden. Als Jünger Jesu wollen wir weder gleichgültig noch individualistisch sein: Das sind zwei schlimme Haltungen, die gegen die Harmonie gehen. Gleichgültig: Ich wende den Blick ab. Individualistisch: Nur auf das eigene Interesse schauen. Die von Gott geschaffene Harmonie bittet uns, die anderen anzublicken, die Nöte der anderen, die Probleme der anderen, in Gemeinschaft zu sein. Wir wollen in jedem Menschen, unabhängig von seiner Hautfarbe, Sprache oder sozialen Stellung, die menschliche Würde erkennen. Die Harmonie bringt dich dazu, die menschliche Würde zu erkennen, jene von Gott geschaffene Würde, mit dem Menschen im Mittelpunkt.

Bild Gottes

Das Zweite Vatikanische Konzil hebt hervor, dass diese Würde unveräußerlich ist, weil sie »›nach dem Bild Gottes‹ geschaffen ist« (Pastorale Konstitution Gaudium et spes, 12). Sie ist die Grundlage des ganzen sozialen Lebens und bestimmt seine operativen Grundsätze. In der modernen Kultur ist der Bezugspunkt, der dem Prinzip der unveräußerlichen Würde des Menschen am nächsten ist, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die der heilige Johannes Paul II. als einen »Meilenstein auf dem langen und schwierigen Weg der Menschheit« (Ansprache an die Vollversammlung der Vereinten Nationen, 2. Oktober 1979, 7) bezeichnet hat und als »eine der höchsten Ausdrucksformen des menschlichen Gewissens« (Ansprache an die Vollversammlung der Vereinten Nationen, 5. Oktober 1995, 2). Die Rechte sind nicht nur individuell, sondern auch sozial; es sind die Rechte der Völker, der Nationen (vgl. Kompendium der Soziallehre der Kirche, 157). Denn der Mensch in seiner persönlichen Würde ist ein soziales Wesen, geschaffen nach dem Bild des dreieinigen Gottes. Wir sind soziale Wesen, wir haben das Bedürfnis, in dieser sozialen Harmonie zu leben. Aber wenn Egoismus vorhanden ist, dann geht unser Blick nicht zu den anderen, zur Gemeinschaft, sondern er kehrt zu uns selbst zurück, und das macht uns hässlich, böse, egoistisch und zerstört die Harmonie.

Dieses erneuerte Bewusstsein um die Würde eines jeden Menschen hat ernsthafte soziale, wirtschaftliche und politische Auswirkungen. Den Bruder und die ganze Schöpfung als von der Liebe des Vaters empfangenes Geschenk zu betrachten bringt ein Verhalten hervor, das von Aufmerksamkeit, Fürsorge und Staunen geprägt ist. So blickt der Gläubige, indem er den Nächs­ten als Bruder und nicht als Fremden betrachtet, auf ihn mit Mitgefühl und Empathie, nicht mit Verachtung oder Feindseligkeit. Und indem er die Welt im Licht des Glaubens betrachtet, bemüht er sich, mit Hilfe der Gnade seine Kreativität und seine Begeisterung zu entwickeln, um die Dramen der Geschichte zu lösen. Er versteht und entwickelt seine Fähigkeiten als Verantwortungen, die seinem Glauben entspringen (vgl. ebd.), als Gaben Gottes, die in den Dienst der Menschheit und der Schöpfung gestellt werden müssen.

Während wir alle etwas für den Schutz vor einem Virus tun, das alle ohne Unterschied betrifft, ermahnt uns der Glaube, uns ernsthaft und tatkräftig dafür einzusetzen, der Gleichgültigkeit gegenüber den Verletzungen der Würde des Menschen entgegenzuwirken. Die Kultur der Gleichgültigkeit, die die Wegwerfkultur begleitet: Die Dinge, die mich nicht betreffen, interessieren mich nicht. Der Glaube verlangt immer, uns von unserem Individualismus – sowohl auf persönlicher als auch auf kollektiver Ebene – heilen und bekehren zu lassen; von einem parteilichen Individualismus zum Beispiel.

Möge der Herr uns »das Augenlicht zurückgeben«, um neu zu entdecken, was es bedeutet, Glieder der Menschheitsfamilie zu sein. Und möge dieser Blick zu konkretem Handeln werden: zu Taten des Mitgefühls und der Achtung für jeden Menschen und zur Bewahrung und zum Schutz unseres gemeinsamen Hauses.

(Orig. ital. in O.R. 13.8.2020)

VOM LEBENSDIENST DER FRAU — 2. MARIA, UNSER LEBEN

Maria, unser Leben

Im „salve regina“ grüßen wir Maria als „unser Leben“. Vita, dulcedo et spes nostra, salve! Besteht dieser Titel zurecht? Ist er vielleicht einer augenblicklichen Überschwänglichkeit, einer spontanen Begeisterung des Dichters entsprungen? Ist er vereinbar mit dem Wort des Herrn, indem er selbst sich als das Leben bezeichnet? Ist der Anruf theologisch haltbar?

Die Anrufung Mariens als „vita“ ist zunächst begründet im Dogma von der Unbefleckten Empfängnis. Der Tod hat ja seinen Ursprung in der Sünde. Nur durch die Sünde ist der Tod in die Welt gekommen (vgl. Röm. 5, 12). Der Tod ist die ausdrückliche Strafe, die Gott auf die Übertretung des Paradiesgebotes gesetzt hatte, aber diese Strafe ist eine dem Wesen der Sünde entsprechende immanente Folge. Jede Sünde geht ans Leben. Die läßlich Sünde ist Schwächung, Minderung des Leben, die schwere Sünde Tötung des Lebens. Wenn Paulus sagt „Wie demnach durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod, und so der Tod auf alle Menschen übergegangen ist, weil alle gesündigt haben“ (Röm. 5,12), dann darf der Tod nicht auf das leibliche Leben beschränkt werden. Der Verlust des Gnadenlebens fällt zusammen mit der ersten Sünde, sie koinzidieren. Die schwere Sünde selbst ist der Tod. Sie zieht als konsequente Folgerung auch den Tod des leiblichen Lebens nach sich. Der Mensch in der schweren Sünde trägt keimhaft den Tod in sich. Er gebiert im Lauf seines Lebens den Tod, der seine Früchte zeitig in einem Heer von Krankheiten, in einem Meere von Not und Leiden und Tränen, in den tausendfachen Formen des leiblichen Sterbens und schließlich im ewigen Tod, in der ewigen Verdammnis. Das ist der Tod in seiner letzten Vollendung, in seiner definitiven Gestalt, die Statik des Todes. „Das ist der zweite Tod“ (Apok. 20, 15).

Weil Maria als die Unbefleckt Empfangene vor aller Sünde bewahrt wurde, stand sie nicht unter dem Gesetz des Todes. Die Kirche hat die Frage offengelassen, ob Maria den leiblichen Tod auf sich genommen hat oder nicht. In der Enzyklika „Munificentissimus Deus“ heißt es: „Maria ist, nachdem sie ihren irdischen Lebenslauf vollendet hatte, mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen worden“. Aber es ist doch die Meinung nahezu aller Theologen, dass Maria gestorben ist. Wenn wir den Gedanken der Miterlöserschaft Mariens zu Ende denken, hat Maria freiwillig aus Liebe zu Christus und seinem Werk den Tod erlitten. Aber dieser Tod wäre durchaus kein Widerspruch gegen den Anruf „Leben“.

Diese Anrufung stützt sich weiter auf das denkbar innige Christusverhältnis Mariens. Weil kein Mensch in einer solchen Christusverbundenheit, in einer solch intimen und intimsten Christusnähe gelebt hat wie sie, muss sie auch der vitalste Mensch, die vitalste Frau sein, die es jemals gegeben hat und geben wird. Wenn schon ein hl. Paulus von sich sagen konnte: „Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir“ (Gal. 2, 20), wie sehr mag dann dieses Wort auf Maria zutreffen! Hier ist nicht zuerst an die leibliche Nähe Mariens zu Christus gedacht. Auch diese war einzigartig. Jedes Menschenkind ist immer nur zur Hälfte Kind seiner Mutter, es ist ebensosehr Kind seines Vaters. Weil aber das männliche Zeugungsprinzip bei der Empfängnis Mariens ausgeschaltet ist, ist Christus dem Fleische nach ganz und gar Kind Mariens. Niemals hat es ein Kind gegeben, das so „auf seine Mutter gekommen ist“ wie Christus auf Maria. Diese Ähnlichkeit zwischen Mutter und Kind sucht vergeblich eine Parallele.

Viel wesentlicher aber als diese leibliche Nähe ist die geistige. Maria ist ihrem göttlichen Sohn nahe in Glaube, Hoffnung und Liebe. Die Väter betonen immer wieder, dass Maria Mutter Christi ist „prius mente quam ventre“. Sie hatte ihn zunächst im Schoß ihres Geistes und Herzens und dann im Schoß ihres Leibes empfangen. Nach einem Wort des heiligen Augustinus lebt der Menschen nicht dort, wo er lebt, sondern dort wo er liebt. Maria, die gratia plena, ist auch die caritate plena. Sie liebt Christus mit der ungebrochenen natürlichen und übernatürlichen Liebeskraft eines fraulichen Herzens. Immerzu weilen ihre Gedanken bei ihrem göttlichen Sohn. Sie teilt seine Freuden und Leiden, seine Anliegen und Sorgen, soweit überhaupt ein Mensch Gott zu folgen vermag. Was die Liebeslieder aller Zeiten gesungen haben über die Hingabe des Geliebten an den Geliebten, über ihre Sehnsucht nach ihm, ist im Verhältnis Mariens zu Christus unerhört kühne Wirklichkeit geworden. Maria geht ganz auf in Jesus Christus. Im restlosen und rastlosen Dienst an ihn findet sie die Erfüllung ihres Lebens.

Jede Liebe eint, jede Liebe bindet. Vom Maß der Liebe Mariens können wir den Grad der „Einheit“ bestimmen, die zwischen Maria und Christus bestanden haben muss. Es ist eine Einheit, die bis an die äußerste Grenze des Möglichen geht, wie sie überhaupt zwischen Gott und dem Geschöpf denkbar ist. Die Liebe Mariens duldet keinerlei Trennung von Jesus Christus. Paulus stellt die Frage: „Wer vermag uns zu scheiden von der Liebe Christi?“ „Etwa Trübsal oder Bedrängnis, oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert?“ Er führt fast erschöpfend alle Belastungsproben für seine Christusliebe an. Aber Paulus kann sich schlechterdings nichts denken, das seine Christusliebe beeinträchtigen könnte. So darf er voller Vertrauen sagen: „Aber in alledem bleiben wir siegreich durch den, der uns geliebt hat. Ich bin überzeugt: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Herrschaften, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Mächte, weder Hohes noch Niederes, noch sonst etwas Erschaffenes vermag uns von der Liebe Gottes zu scheiden, die da ist in Christus Jesus unserem Herrn“ (Röm. 8, 35f.).

Dieses Wort gilt a fortiori von Maria. Wir können uns gar nicht vorstellen, dass Maria sich von der Seite Christi getrennt hat. Das ließ ihre Liebe nicht zu. Sie ist mit ihm gezogen während der drei Jahre seiner öffentlichen Tätigkeit durch ganz Palästina und hat alle Entbehrungen und Strapazen eines solchen unruhigen Lebens geteilt; sie ist ihm auch bis unter das Kreuz gefolgt, wo ihr Schoß die erste Ruhestätte ihres toten Sohnes wurde.

Die Unbefleckte Empfängnis Mariens und ihre einmalige Christusgemeinschaft lassen auf eine Fülle des Lebens schließen, die wir nur dunkel ahnen können, so dass die Anrufung „vita“ berechtigt zu sein scheint. Aber die Anrufung besagt mehr. Sie preist Maria nicht als das Leben schlechthin. Das ist Jesus Christus. Sie preist Maria als unser Leben. Es geht in diesem Anruf um die Beziehung Mariens zu uns. Er stellt ihr Leben in seiner Bedeutung für unser Leben heraus. Es geht hier um die heil- und lebenvermittelnde Rolle Mariens. Die heil- und lebenspendende kommt ihr nicht zu.

Das vitale Verhältnis Mariens zu uns geben wir wieder mit dem uns so lieb und vertraut gewordenen Wort „Mutter“. Kaum ein Marienlied ist so verbreitet und so beliebt beim katholischen Volk wie das Lied: Maria zu lieben. Dieses Lied besingt die kindliche Liebe, die der Katholik zu Maria, seiner himmlischen Mutter, hegt. Dieser Gedanke ist deutlich ausgesprochen in der zweiten Strophe: „Du bist ja die Mutter, dein Kind will ich sein.“

Maria ist unser Leben, unsere Mutter in einem zweifachen Sinne, in einem indirekt ontischen und präzeptorischen Sinne. Die indirekt ontische Grundlage der Mutterschaft Mariens betonen nachdrücklich Väter und Theologen. Vielleicht bezeugt Gottfried von Vendôme diese Mutterschaft am klarsten. „Die wahrhaft gute Maria gebar Christus und in Christus die Christen. Es ist also die Mutter Christi Mutter der Christen.“ Eadmerus argumentiert folgendermaßen: „O Herrin, wenn dein Sohn durch dich unser Bruder geworden ist, bist nicht dann auch du durch ihn unsere Mutter?“ Eine ähnliche Argumentation finden wir beim heiligen Anselm. Wie die Väter, lehren auch die Päpste. In der Enzyklika „Ad Diem Illum“ von Pius X heißt es: „Ist Maria nicht etwa Mutter Christi?“ „Also ist sie auch unsere Mutter. Im Schoße seiner reinsten Mutter hat Jesus Christus Fleisch angenommen. Er hat sich auch einen geistigen Leib gebildet, zusammengefügt aus denen, die an ihn glauben. Man kann also sagen: als Maria den Heiland im Schoß trug, da trug sie alle darin, deren Leben im Leben des Heilandes eingeschlossen war. Wir alle, die wir Christus zugehören und nach den Worten des Apostels ‹Glieder seines Leibes sind, von seinem Fleisch und Bein› (Eph. 5, 20), wir sind aus Maria geboren worden als ein Leib, der mit dem Haupte verbunden ist. Deshalb werden wir im geistlichen und mystischen Sinne Kinder Mariens genannt, und sie ist unser aller Mutter dem Geiste nach, aber wirklich Mutter, da wir Glieder Christi sind.“ Pius XII nennt Maria in Mystici corporis die „Hochheilige Gebärerin aller Glieder Christi“. Er unterstreicht sehr kräftig diese Gedanken in „Haurietis Aquas“.

Zu dieser seinsmäßigen Grundlage kommt der ausdrückliche Wunsch Christi hinzu, der uns seine Mutter als christliches Erbe hinterlässt. Zu den letzten sieben Worten des Herrn am Kreuz gehört auch das Wort an seine Mutter: „Weib, siehe da deinen Sohn.“ Und das entsprechende Wort an Johannes: „Sohn, siehe da deine Mutter.“ Wir müssen uns die Situation vor Augen halten, in der diese Worte gesprochen sind. Es ist das letzte Wort des sterbenden Herrn an seine Mutter, bzw. an seinen Lieblingsjünger Johannes. Es handelt sich also um das Vermächtnis Christi. Mit dem Wort: „Weib, siehe da deinen Sohn“ drängt sich der Herr von Maria als seine Mutter. Es ist bemerkenswert, dass uns die Schrift an keiner Stelle ein Herrenwort überliefert hat, in dem Christus Maria mit dem Mutternamen angesprochen hat. Aber hier am Kreuz geht Christus einen Schritt weiter: er sagt sich von ihr als Sohn los und übergibt ihr einen anderen Sohn, den Johannes. Das Wort bohrt sich wie ein Schwert in das Herz Mariens. Aber auch bei diesem Wort bleibt Maria sich selbst als der Magd des Herrn treu. Keine Faser ihres Herzens begehrt auf. Ihr Wille ist ganz eins mit dem Willen ihres Sohnes. Christus hat sich geopfert, weil er selbst es wollte. Von derselben Freiwilligkeit ist das Opfer Mariens unter dem Kreuz getragen. Diese Freiwilligkeit wurzelt in ihrer Liebe. Nur der Liebende ist wahrhaftig frei. Mariens Opfer will sich nach Möglichkeit dem Opfer ihres Sohnes angleichen und dessen würdig sein. So kann Mystici Corporis sagen: „Sie hat, immer mit ihrem Sohn aufs innigste verbunden, ihn auf Golgotha zusammen mit dem gänzlichen Opfer ihrer Mutterrechte und ihrer Mutterliebe dem ewigen Vater dargebracht als die neue Eva für alle Kinder Adams.“ „Wem Gott eine Tür zumacht, dem öffnet er ein Fenster“ heisst ein Sprichwort. Das bewahrheitet sich auch unter dem Kreuz. Der Sohn stellt seine Mutter eine ganz neue Aufgabe. Sie hat ja ihre Aufgabe an ihm selbst erfüllt. Er wird in wenigen Minuten sprechen „consummatum est“, „es ist vollbracht“. Damit hat aber auch seine Mutter an ihm ihre Aufgabe vollbracht.

Der Auferstandene und zur Rechten des Vaters thronende Herr bedarf keiner Mutter mehr. Sie erübrigt sich. Aber die Kirche, sein Leib, braucht eine Mutter. Alle Mutterliebe und Muttersorge, die Maria ihrem Sohn während seines Erdenlebens geschenkt hat, soll sie jetzt seinem Leib, der Kirche, zuwenden. Dasselbe mütterliche Verhältnis, das sie zu Jesus Christus hatte, hat sie jetzt zu seiner Kirche. In diesem Sinne sagt Mystische Corporis: „So war sie, schon zuvor Mutter unseres Hauptes dem Leibe nach, nun auch auf Grund eines neuen Titels des Leids und der Ehre im Geist Mutter aller seiner Glieder.“

Es gibt kein Vermächtnis, das heiliger, liebevoller gehütet und vollzogen würde als das Vermächtnis des Herrn an seine Mutter. Die Kirche als solche und jedes einzelne Glied an ihr erfahren täglich aufs neue die mütterliche Liebe und Sorge Mariens. Insofern Maria unsere Mutter ist, ist sie auch unser Leben.

Die Sorge einer Mutter ist immer das Leben ihrer Kinder! Zu welch heroischen Opfern ist nicht eine Mutter fähig, sobald das Leben ihres Kindes in Gefahr ist! Da schreckt die rechte Mutter vor nichts zurück. Sie ist bereit, ihr Leben einzusetzen, um das ihres Kindes zu retten. Das Kind selbst weiß um diese mütterliche Opferbereitschaft. Wenn es in Gefahr ist, ruft es unwillkürlich: Mutter. „Alle Not ruft Mutter.“ Wie viele Soldaten haben im Krieg sterbend nach der Mutter gerufen. Der Mensch weiß um den Ursprung seines Lebens. Er hat den instinktiven Glauben, dass der Mensch, der ihm das Leben schenkte, auch die Macht und Kraft hat, es in der Gefahr zu schützen und zu erhalten. Das Symbol für den Schutz, den die Mutter ihrem Kind gewährt, ist Mutters Schürze. Das ängstliche, verfolgte Kind flüchtet sich unter die Schürze seiner Mutter und sucht dort Geborgenheit. Dort fühlt es sich in absoluter Sicherheit.

Was für das kleine Kind die Schürze der Mutter bedeutet, ist für uns der Schutzmantel Mariens. Wenn irgendjemand über unser Christusleben mit liebenden Augen wacht, dann Maria. Und wie oft ist dieses Leben bedroht! Satan, der nicht schläft, liegt immer auf der Lauer, uns dieses Leben zu rauben. Eine echte Marienverehrung ist der sicherste Schutz für alle Bedrohung dieses Lebens. Die wunderbaren Bekehrungen an ihren Gnadenorten sind eine fortwährende Bestätigung für die Anrufung „Du, unser Leben, sei gegrüßt“.

Das Wort: „Weib, siehe da deinen Sohn“ wird ergänzt durch das andere an Johannes gerichtete: „Sohn, siehe da deine Mutter.“ Der Herr kennt die Psyche der Frau. Er kennt die Not der Einsamkeit. Er hört die Klage der Frau: „Ich habe keinen Menschen. Niemand versteht mich. Ich bin so allein.“ Die Frau braucht mehr als eine wirtschaftliche Existenz, mehr als ein „Einkommen“ und „Auskommen“. Nach dem Tod des Herrn fehlt Maria alles: wirtschaftliche Sicherung und menschliche Geborgenheit. Sie ist „alleinstehend“. Der Herr sorgt sterbend für beides, indem er sie seinem Lieblingsjünger Johannes zur Obhut übergibt. Den jungfräulichen Jünger wird die Jungfrau anvertraut. Das Vermächtnis Christi wird auf der Stelle angetreten. „Von dieser Stunde an nahm sie der Jünger in sein Haus auf. Maria ist jetzt bei Johannes „zuhause“. Sie hat ein neues Heim gefunden.

Wie der Herr uns seiner Mutter anvertraut, so vertraut er auch umgekehrt seine Mutter uns an. Sie soll bei uns zuhause sein und Hausrechte haben. Nicht nur ihr Bild soll in unseren Häusern einen Ehrenplatz einnehmen, vor allem soll ihr Geist, der Geist des Christusglaubens und der Christusliebe, der Geist des Apostolates, der Geist der Heiligkeit, von uns, ihren Kindern, angenommen und gelebt werden. Dann ist sie durch uns und in uns zu Hause.

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Quelle: Josef Dreissen: „Christus Leitbild jeder Frau“, 312 Seiten, 1962

(Artikelbild dazu von mir [POS] ausgewählt)

JEDER MENSCH LEBT EWIG – 01

Das [jedes individuelle] menschliche Leben beginnt bei der Fertilisation, d.h. bei der Empfängnis.
Von diesem ersten Augenblick an besteht der Mensch wesentlich aus Seele und Leib.
Die Seele wird von GOTT an diesem Beginn der Entwicklung des Leibes erschaffen; sie ist unsterblich.
Der Leib entsteht und lebt nur durch und in der Vereinigung mit seiner geistigen, unsterblichen Seele.
Wird das werdende Kind durch Abtreibung getötet, lebt es wie jeder erwachsene Mensch, der getötet wird oder stirbt, für alle Ewigkeit weiter.
Es ist noch kein Mensch seit Beginn der Menschheit ins Nichts verschwunden.
Alle Menschen sterben einmal, jung oder alt, durch das Absterben des Leibes, durch Krankheit, Tod oder Tötung. Aber jeder Mensch lebt dennoch weiter durch seine unsterbliche Seele.

Äußerlich sieht das Werden des Menschen im Mutterleib etwa so aus:

— Live Action (@LiveAction) 21. September 2018

Papst Franziskus: Das Wunder der Liebe hilft in schweren Zeiten

Papst Franziskus beim Treffen am Montag mit Mitgliedern des Vereins „Una Vita Rara“ (ein seltenes Leben) (Vatican Media)

Papst Franziskus hat Mitglieder des Verein „Una Vita Rara“ (Ein seltenes Leben) getroffen, die sich für die Forschung und die Solidarität zu Betroffenen seltener Krankheiten einsetzen. Bei diesem Treffen erinnerte er daran, dass „jedes menschliche Leben einzigartig ist“ und zeigte sich beeindruckt vom Willen der Familien, der schmerzhaften Realität ins Auge zu sehen „und etwas zu tun, um sie zu verbessern.“

 Nadine Vogelsberg und Alessandro Di Bussolo – Vatikanstadt

„Jedes menschliche Leben ist einzigartig, und wenn die Krankheit selten oder sogar sehr selten ist, so ist es immer noch ein Leben.“ Das sagte Papst Franziskus zu den gut 60 Eltern Mitglieder des Vereins „Ein seltenes Leben“. Dieser Verein setzt sich zum einen für Solidarität mit Betroffenen, aber auch für die Forschung ein. Der Papst empfing die Mitglieder am Montag zur Privataudienz in der Sala Clementina im apostolischen Palast. Papst Franziskus zeigte sich berührt und bewundernd gegenüber dem Willen der Familien der Kranken, „sich zusammenzuschließen um dieser traurigen Realität ins Auge zu blicken und sie zu verbessern“, trotz des Schmerzes angesichts „der Leiden und der Not“.

Er wandte sich sodann direkt an Giorgio, den Vorsitzenden des Vereins, und seine Frau Rosita. Die beiden sie die Eltern des 15-Jährigen Davide, der an einer seltenen Hirnerkrankung leidet, am Allan Herndon Dudley Syndrom. Papst Franziskus sagte zu ihnen, sie hätten „in sich den Drang gespürt etwas zu tun; für ihn und alle Personen, die von einer seltenen Krankheiten betroffen sind und deren Familien.“

Auch, wenn die alltägliche Realität oft schwer sei, fuhr der Papst fort, drücke der Name, den sie dem Verein gegeben hätten – „ein seltenes Leben“ – aus, dass „Ihr die Realität von David, aber auch Eure Realität mit ihm, nicht als negativ, sondern als positiv wahrnehmt.“ Dieser positive Blick sei ein typisches „Wunder“ der Liebe, stellt Papst Franziskus klar. „Die Liebe tut das: sie vermag das Gute auch in einer negativen Situation zu sehen, Sie vermag die kleine Flamme mitten in dunkler Nacht am Leben zu halten.“

Und die Liebe, so der Papst weiter, sorge noch für ein anderes Wunder: sie helfe dabei, dem Nächsten gegenüber offen zu bleiben, fähig zu teilen, solidarisch zu sein wenn jemand an einer Krankheit oder sich in einem anderen schwierigen Zustand befinde, die im Alltag kräftezehrend sei. Aus dieser Einstellung heraus sei auch der „Weg der seltenen Worte“ entstanden, vermutete der Papst. Diesen 700 Kilometer langen „seltenen Weg“ waren die Teilnehmer nach Rom gekommen – vor zehn Tagen waren sie aufgebrochen und am Montag in Rom angekommen. Als einen „Weg des Lebens und der Hoffnung“ bezeichnete der Papst diese Strecke.

Giorgio und Rosita haben den Verein 2016 gegründet. Um das Allan Herndon Dudley Syndrom bekannter zu machen, haben Sie zum Lauf von Monticelli Brusati am Iseo-See in der Lombardei bis nach Rom aufgerufen – eine Strecke von 700 Kilometern Länge.

 

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Quelle

Du gabst, o HERR, mir Sein und Leben

 

Mein [POS] Tonstudio-Remix: Original (Schubert, Chor der St.Hedwig-Kathedrale Berlin)  + Solistin Ingeborg Studer (77-jährig, – † 14.7.2017, R.I.P., St. Pelagiberg, Schweiz)

Du gabst, o Herr, mir Sein und Leben, 
und deiner Lehre himmlisch Licht. 
Was kann dafür, ich Staub, dir geben? 
Nur danken kann ich, mehr doch nicht. 

Wohl mir! Du willst für deine Liebe 
ja nichts, als wieder Lieb‘ allein; 
und Liebe, dankerfüllte Liebe 
soll meines Lebens Wonne sein. 

Mich selbst, o Herr, mein Tun und Denken 
und Leid und Freude opfr‘ ich dir; 
Herr, nimm durch deines Sohnes Opfer 
dies Herzensopfer auch von mir.

 

(Die Auswahl der Bilder und die Zusammenstellung und Verarbeitung zu einem Video-Clip sind ebenfalls von mir.)