Refuser l’inacceptable, vivre malgré tout

Kantone drängen Bundesrat zu landesweitem Beizen-Zertifikat

Mehrere Kantone überlegen sich, eine Zertifikatspflicht etwa für Restaurants einzuführen. Die Gesundheitsdirektorenkonferenz wünscht sich ein einheitliches Vorgehen.

Von Claudia Blumer, Bettina Zanni

Darum gehts

  • In einigen Kantonen wird der Ruf nach einer Zertifikatspflicht für Restaurants laut.
  • «Wir würden es begrüssen, wenn der Bundesrat am Mittwoch eine Zertifikatspflicht in die Konsultation gäbe», sagt Lukas Engelberger, Gesundheitsdirektor von Basel-Stadt und oberster Gesundheitsdirektor.
  • Das sorgt in der Gastronomie für rote Köpfe.

Spitäler sind wieder am Anschlag, die Ansteckungszahlen sind hoch. Zwar zeigt die Tendenz in den vergangenen Tagen wieder nach unten, nach einem Höchststand am vergangenen Mittwoch (3291 Infektionen). Doch auch am Wochenende waren es im Schnitt gut 2000 Ansteckungen pro Tag. Die Lage bleibt angespannt.

Im Juni hatte der Bundesrat die mögliche Massnahme ins Spiel gebracht, dass bei einer neuerlichen Überlastung der Spitäler die Betriebe zwar offen bleiben, aber teilweise nur mit Zertifikat zugänglich sind, beispielsweise Bars, Restaurants und Sportbetriebe. Eigentlich wollte der Bundesrat am 1. September die Lage neu beurteilen – doch nun fordern mehrere Kantone vom Bundesrat, schon früher aktiv zu werden.

«Längerer Bremsweg»

«Wir würden es begrüssen, wenn der Bundesrat noch diese Woche eine Ausweitung der Zertifikatspflicht in die Konsultation gäbe», sagt Lukas Engelberger, Gesundheitsdirektor von Basel-Stadt und Präsident der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK).

Denn der «Bremsweg» bei der Zertifikatspflicht sei länger, sagt der Mitte-Politiker. Während ein Lockdown zu einer sofortigen Entspannung führe, werde es mit der Zertifikatspflicht fast sicher länger dauern, bis sie sich in den Infektionszahlen niederschlage. Engelberger spricht von einer «starken Dynamik bei den Ansteckungen», die sich leider in den Hospitalisierungen niederschlage. «Das ist problematisch für die Spitäler. Eine Zertifikatspflicht für gewisse Anlässe, Tätigkeitsbereiche und Betriebe ist der naheliegende Schritt.»

«Wenig Verständnis»

Dass Bund und Kantone sich abstimmen, sei jetzt sehr wichtig, sagt auch GDK-Generalsekretär Michael Jordi. Kantonal unterschiedliche Massnahmen hätten sich im letzten Herbst nicht bewährt, es sei zu Bewegungen gekommen zwischen den Kantonen und habe die Bevölkerung verunsichert. «Massnahmen auf kantonaler Ebene machen Sinn, wenn das Infektionsgeschehen regional sehr unterschiedlich ist», sagt Jordi. Derzeit entwickelten sich die Zahlen aber flächendeckend ähnlich.

Zur Situation in den Spitälern sagt Jordi: «Wahrscheinlich gibt es wenig Verständnis dafür, dass Ferienrückkehrer mit Covid im Spital behandelt werden müssen und das überlastete Spitalpersonal deswegen keine Herbstferien machen kann.»

Mehrere Kantone überlegen sich eine Zertifikatspflicht für gewisse Betriebe und wünschen damit mindestens implizit, dass der Bund aktiv wird. Manche Kantone fordern es ausdrücklich.

Basel-Stadt: Der Kanton arbeitet an einer Strategie zur Festlegung der Zertifikatspflicht für Anlässe, Tätigkeitsbereiche oder Betriebe. Ein Entscheid sei noch nicht gefällt, sagt der Basler Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger. Er würde es begrüssen, wenn der Bund aktiv würde.

Aargau: Wenn sich die epidemiologische Lage weiter so entwickle, sei das besorgniserregend, sagt Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati (SVP): «Wir wünschen, dass der Bund einheitliche Regeln für das Covid-Zertifikat beschliesst.» Ansonsten drohe ein Flickenteppich wie zu Beginn der zweiten Welle, was die Bevölkerung und die Wirtschaft verunsichere. «Das Zertifikat wäre die mildere Massnahme gegenüber Schliessungen und Veranstaltungsverboten.»

St. Gallen: Der kantonale Führungsstab schlägt vor, im Fall einer drohenden Überlastung der Spitäler, die Zertifikatspflicht auszuweiten. Dann soll der Einlass in öffentliche Lokale wie Bars, Restaurants, Spitäler, Heime oder auch an Veranstaltungen ans Zertifikat geknüpft sein.

Zug: Eine Zertifikatspflicht auf Stufe Bund müsse jetzt vorbereitet werden, sagt der Zuger Gesundheitsdirektor Martin Pfister (Mitte). Sie dränge sich aber noch nicht unmittelbar auf, man müsse die Situation genau beobachten und allenfalls «sehr schnell reagieren». Eine Zertifikatspflicht müsste seiner Ansicht nach klar auf Stufe Bund beschlossen werden. «Ich habe – auch epidemiologisch – kein Interesse daran, dass bei einer Verschärfung der Zertifikatspflicht Zugerinnen und Zuger auf andere Kantone ausweichen.»

Andere Kantone haben eine Zertifikatspflicht für Gesundheitseinrichtungen oder Mittelschulen. Wer etwa im Jura im Gesundheitswesen und in bestimmten sozialen Einrichtungen arbeitet, muss sich ab 1. September regelmässig testen lassen, falls er nicht über ein Zertifikat verfügt. Und im Wallis werden ab 30. August nicht geimpfte Mitarbeitende von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen regelmässig getestet. Auch Bern und Genf haben in Heimen eine Zertifikatspflicht.

«Auf dem Buckel der Wirte»

In der Gastrobranche sorgen die Forderungen für Wut. «Es kann ja nicht sein, dass neue Massnahmen wieder auf dem Buckel der Wirte ausgetragen werden, weil die Zahlen wieder steigen», sagt Ruedi Stöckli, Vorortspräsident von Gastro Zentralschweiz. Die Gastrobranche wolle keine Zweiklassengesellschaft. «Wir wollen Geimpfte und Ungeimpfte empfangen, wir brauchen alle Gäste.» Die Gastronomie habe die letzten eineinhalb Jahren genügend Opfer gebracht. «Ein Zertifikat ist in meinen Augen nicht umsetzbar, weil die allermeisten Betriebe schlicht die Kapazität nicht haben.»

Sollten Beizen dennoch den Zugang über das Zertifikat regeln müssen, fordere er eine schweizweite Lösung «und keinen Flickenteppich», so Stöckli. «Ansonsten weichen die Gäste auf diejenigen Restaurants aus, die man ohne Zertifikat besuchen kann.»

Braucht es ein Covid-Zertifikat für Restaurants?

Ja, das ist nötig, damit die Zahlen nicht weiter steigen.

Nein, das geht auf keinen Fall.

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