VOM LEBENSDIENST DER FRAU — 2. MARIA, UNSER LEBEN

Maria, unser Leben

Im „salve regina“ grüßen wir Maria als „unser Leben“. Vita, dulcedo et spes nostra, salve! Besteht dieser Titel zurecht? Ist er vielleicht einer augenblicklichen Überschwänglichkeit, einer spontanen Begeisterung des Dichters entsprungen? Ist er vereinbar mit dem Wort des Herrn, indem er selbst sich als das Leben bezeichnet? Ist der Anruf theologisch haltbar?

Die Anrufung Mariens als „vita“ ist zunächst begründet im Dogma von der Unbefleckten Empfängnis. Der Tod hat ja seinen Ursprung in der Sünde. Nur durch die Sünde ist der Tod in die Welt gekommen (vgl. Röm. 5, 12). Der Tod ist die ausdrückliche Strafe, die Gott auf die Übertretung des Paradiesgebotes gesetzt hatte, aber diese Strafe ist eine dem Wesen der Sünde entsprechende immanente Folge. Jede Sünde geht ans Leben. Die läßlich Sünde ist Schwächung, Minderung des Leben, die schwere Sünde Tötung des Lebens. Wenn Paulus sagt „Wie demnach durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod, und so der Tod auf alle Menschen übergegangen ist, weil alle gesündigt haben“ (Röm. 5,12), dann darf der Tod nicht auf das leibliche Leben beschränkt werden. Der Verlust des Gnadenlebens fällt zusammen mit der ersten Sünde, sie koinzidieren. Die schwere Sünde selbst ist der Tod. Sie zieht als konsequente Folgerung auch den Tod des leiblichen Lebens nach sich. Der Mensch in der schweren Sünde trägt keimhaft den Tod in sich. Er gebiert im Lauf seines Lebens den Tod, der seine Früchte zeitig in einem Heer von Krankheiten, in einem Meere von Not und Leiden und Tränen, in den tausendfachen Formen des leiblichen Sterbens und schließlich im ewigen Tod, in der ewigen Verdammnis. Das ist der Tod in seiner letzten Vollendung, in seiner definitiven Gestalt, die Statik des Todes. „Das ist der zweite Tod“ (Apok. 20, 15).

Weil Maria als die Unbefleckt Empfangene vor aller Sünde bewahrt wurde, stand sie nicht unter dem Gesetz des Todes. Die Kirche hat die Frage offengelassen, ob Maria den leiblichen Tod auf sich genommen hat oder nicht. In der Enzyklika „Munificentissimus Deus“ heißt es: „Maria ist, nachdem sie ihren irdischen Lebenslauf vollendet hatte, mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen worden“. Aber es ist doch die Meinung nahezu aller Theologen, dass Maria gestorben ist. Wenn wir den Gedanken der Miterlöserschaft Mariens zu Ende denken, hat Maria freiwillig aus Liebe zu Christus und seinem Werk den Tod erlitten. Aber dieser Tod wäre durchaus kein Widerspruch gegen den Anruf „Leben“.

Diese Anrufung stützt sich weiter auf das denkbar innige Christusverhältnis Mariens. Weil kein Mensch in einer solchen Christusverbundenheit, in einer solch intimen und intimsten Christusnähe gelebt hat wie sie, muss sie auch der vitalste Mensch, die vitalste Frau sein, die es jemals gegeben hat und geben wird. Wenn schon ein hl. Paulus von sich sagen konnte: „Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir“ (Gal. 2, 20), wie sehr mag dann dieses Wort auf Maria zutreffen! Hier ist nicht zuerst an die leibliche Nähe Mariens zu Christus gedacht. Auch diese war einzigartig. Jedes Menschenkind ist immer nur zur Hälfte Kind seiner Mutter, es ist ebensosehr Kind seines Vaters. Weil aber das männliche Zeugungsprinzip bei der Empfängnis Mariens ausgeschaltet ist, ist Christus dem Fleische nach ganz und gar Kind Mariens. Niemals hat es ein Kind gegeben, das so „auf seine Mutter gekommen ist“ wie Christus auf Maria. Diese Ähnlichkeit zwischen Mutter und Kind sucht vergeblich eine Parallele.

Viel wesentlicher aber als diese leibliche Nähe ist die geistige. Maria ist ihrem göttlichen Sohn nahe in Glaube, Hoffnung und Liebe. Die Väter betonen immer wieder, dass Maria Mutter Christi ist „prius mente quam ventre“. Sie hatte ihn zunächst im Schoß ihres Geistes und Herzens und dann im Schoß ihres Leibes empfangen. Nach einem Wort des heiligen Augustinus lebt der Menschen nicht dort, wo er lebt, sondern dort wo er liebt. Maria, die gratia plena, ist auch die caritate plena. Sie liebt Christus mit der ungebrochenen natürlichen und übernatürlichen Liebeskraft eines fraulichen Herzens. Immerzu weilen ihre Gedanken bei ihrem göttlichen Sohn. Sie teilt seine Freuden und Leiden, seine Anliegen und Sorgen, soweit überhaupt ein Mensch Gott zu folgen vermag. Was die Liebeslieder aller Zeiten gesungen haben über die Hingabe des Geliebten an den Geliebten, über ihre Sehnsucht nach ihm, ist im Verhältnis Mariens zu Christus unerhört kühne Wirklichkeit geworden. Maria geht ganz auf in Jesus Christus. Im restlosen und rastlosen Dienst an ihn findet sie die Erfüllung ihres Lebens.

Jede Liebe eint, jede Liebe bindet. Vom Maß der Liebe Mariens können wir den Grad der „Einheit“ bestimmen, die zwischen Maria und Christus bestanden haben muss. Es ist eine Einheit, die bis an die äußerste Grenze des Möglichen geht, wie sie überhaupt zwischen Gott und dem Geschöpf denkbar ist. Die Liebe Mariens duldet keinerlei Trennung von Jesus Christus. Paulus stellt die Frage: „Wer vermag uns zu scheiden von der Liebe Christi?“ „Etwa Trübsal oder Bedrängnis, oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert?“ Er führt fast erschöpfend alle Belastungsproben für seine Christusliebe an. Aber Paulus kann sich schlechterdings nichts denken, das seine Christusliebe beeinträchtigen könnte. So darf er voller Vertrauen sagen: „Aber in alledem bleiben wir siegreich durch den, der uns geliebt hat. Ich bin überzeugt: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Herrschaften, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Mächte, weder Hohes noch Niederes, noch sonst etwas Erschaffenes vermag uns von der Liebe Gottes zu scheiden, die da ist in Christus Jesus unserem Herrn“ (Röm. 8, 35f.).

Dieses Wort gilt a fortiori von Maria. Wir können uns gar nicht vorstellen, dass Maria sich von der Seite Christi getrennt hat. Das ließ ihre Liebe nicht zu. Sie ist mit ihm gezogen während der drei Jahre seiner öffentlichen Tätigkeit durch ganz Palästina und hat alle Entbehrungen und Strapazen eines solchen unruhigen Lebens geteilt; sie ist ihm auch bis unter das Kreuz gefolgt, wo ihr Schoß die erste Ruhestätte ihres toten Sohnes wurde.

Die Unbefleckte Empfängnis Mariens und ihre einmalige Christusgemeinschaft lassen auf eine Fülle des Lebens schließen, die wir nur dunkel ahnen können, so dass die Anrufung „vita“ berechtigt zu sein scheint. Aber die Anrufung besagt mehr. Sie preist Maria nicht als das Leben schlechthin. Das ist Jesus Christus. Sie preist Maria als unser Leben. Es geht in diesem Anruf um die Beziehung Mariens zu uns. Er stellt ihr Leben in seiner Bedeutung für unser Leben heraus. Es geht hier um die heil- und lebenvermittelnde Rolle Mariens. Die heil- und lebenspendende kommt ihr nicht zu.

Das vitale Verhältnis Mariens zu uns geben wir wieder mit dem uns so lieb und vertraut gewordenen Wort „Mutter“. Kaum ein Marienlied ist so verbreitet und so beliebt beim katholischen Volk wie das Lied: Maria zu lieben. Dieses Lied besingt die kindliche Liebe, die der Katholik zu Maria, seiner himmlischen Mutter, hegt. Dieser Gedanke ist deutlich ausgesprochen in der zweiten Strophe: „Du bist ja die Mutter, dein Kind will ich sein.“

Maria ist unser Leben, unsere Mutter in einem zweifachen Sinne, in einem indirekt ontischen und präzeptorischen Sinne. Die indirekt ontische Grundlage der Mutterschaft Mariens betonen nachdrücklich Väter und Theologen. Vielleicht bezeugt Gottfried von Vendôme diese Mutterschaft am klarsten. „Die wahrhaft gute Maria gebar Christus und in Christus die Christen. Es ist also die Mutter Christi Mutter der Christen.“ Eadmerus argumentiert folgendermaßen: „O Herrin, wenn dein Sohn durch dich unser Bruder geworden ist, bist nicht dann auch du durch ihn unsere Mutter?“ Eine ähnliche Argumentation finden wir beim heiligen Anselm. Wie die Väter, lehren auch die Päpste. In der Enzyklika „Ad Diem Illum“ von Pius X heißt es: „Ist Maria nicht etwa Mutter Christi?“ „Also ist sie auch unsere Mutter. Im Schoße seiner reinsten Mutter hat Jesus Christus Fleisch angenommen. Er hat sich auch einen geistigen Leib gebildet, zusammengefügt aus denen, die an ihn glauben. Man kann also sagen: als Maria den Heiland im Schoß trug, da trug sie alle darin, deren Leben im Leben des Heilandes eingeschlossen war. Wir alle, die wir Christus zugehören und nach den Worten des Apostels ‹Glieder seines Leibes sind, von seinem Fleisch und Bein› (Eph. 5, 20), wir sind aus Maria geboren worden als ein Leib, der mit dem Haupte verbunden ist. Deshalb werden wir im geistlichen und mystischen Sinne Kinder Mariens genannt, und sie ist unser aller Mutter dem Geiste nach, aber wirklich Mutter, da wir Glieder Christi sind.“ Pius XII nennt Maria in Mystici corporis die „Hochheilige Gebärerin aller Glieder Christi“. Er unterstreicht sehr kräftig diese Gedanken in „Haurietis Aquas“.

Zu dieser seinsmäßigen Grundlage kommt der ausdrückliche Wunsch Christi hinzu, der uns seine Mutter als christliches Erbe hinterlässt. Zu den letzten sieben Worten des Herrn am Kreuz gehört auch das Wort an seine Mutter: „Weib, siehe da deinen Sohn.“ Und das entsprechende Wort an Johannes: „Sohn, siehe da deine Mutter.“ Wir müssen uns die Situation vor Augen halten, in der diese Worte gesprochen sind. Es ist das letzte Wort des sterbenden Herrn an seine Mutter, bzw. an seinen Lieblingsjünger Johannes. Es handelt sich also um das Vermächtnis Christi. Mit dem Wort: „Weib, siehe da deinen Sohn“ drängt sich der Herr von Maria als seine Mutter. Es ist bemerkenswert, dass uns die Schrift an keiner Stelle ein Herrenwort überliefert hat, in dem Christus Maria mit dem Mutternamen angesprochen hat. Aber hier am Kreuz geht Christus einen Schritt weiter: er sagt sich von ihr als Sohn los und übergibt ihr einen anderen Sohn, den Johannes. Das Wort bohrt sich wie ein Schwert in das Herz Mariens. Aber auch bei diesem Wort bleibt Maria sich selbst als der Magd des Herrn treu. Keine Faser ihres Herzens begehrt auf. Ihr Wille ist ganz eins mit dem Willen ihres Sohnes. Christus hat sich geopfert, weil er selbst es wollte. Von derselben Freiwilligkeit ist das Opfer Mariens unter dem Kreuz getragen. Diese Freiwilligkeit wurzelt in ihrer Liebe. Nur der Liebende ist wahrhaftig frei. Mariens Opfer will sich nach Möglichkeit dem Opfer ihres Sohnes angleichen und dessen würdig sein. So kann Mystici Corporis sagen: „Sie hat, immer mit ihrem Sohn aufs innigste verbunden, ihn auf Golgotha zusammen mit dem gänzlichen Opfer ihrer Mutterrechte und ihrer Mutterliebe dem ewigen Vater dargebracht als die neue Eva für alle Kinder Adams.“ „Wem Gott eine Tür zumacht, dem öffnet er ein Fenster“ heisst ein Sprichwort. Das bewahrheitet sich auch unter dem Kreuz. Der Sohn stellt seine Mutter eine ganz neue Aufgabe. Sie hat ja ihre Aufgabe an ihm selbst erfüllt. Er wird in wenigen Minuten sprechen „consummatum est“, „es ist vollbracht“. Damit hat aber auch seine Mutter an ihm ihre Aufgabe vollbracht.

Der Auferstandene und zur Rechten des Vaters thronende Herr bedarf keiner Mutter mehr. Sie erübrigt sich. Aber die Kirche, sein Leib, braucht eine Mutter. Alle Mutterliebe und Muttersorge, die Maria ihrem Sohn während seines Erdenlebens geschenkt hat, soll sie jetzt seinem Leib, der Kirche, zuwenden. Dasselbe mütterliche Verhältnis, das sie zu Jesus Christus hatte, hat sie jetzt zu seiner Kirche. In diesem Sinne sagt Mystische Corporis: „So war sie, schon zuvor Mutter unseres Hauptes dem Leibe nach, nun auch auf Grund eines neuen Titels des Leids und der Ehre im Geist Mutter aller seiner Glieder.“

Es gibt kein Vermächtnis, das heiliger, liebevoller gehütet und vollzogen würde als das Vermächtnis des Herrn an seine Mutter. Die Kirche als solche und jedes einzelne Glied an ihr erfahren täglich aufs neue die mütterliche Liebe und Sorge Mariens. Insofern Maria unsere Mutter ist, ist sie auch unser Leben.

Die Sorge einer Mutter ist immer das Leben ihrer Kinder! Zu welch heroischen Opfern ist nicht eine Mutter fähig, sobald das Leben ihres Kindes in Gefahr ist! Da schreckt die rechte Mutter vor nichts zurück. Sie ist bereit, ihr Leben einzusetzen, um das ihres Kindes zu retten. Das Kind selbst weiß um diese mütterliche Opferbereitschaft. Wenn es in Gefahr ist, ruft es unwillkürlich: Mutter. „Alle Not ruft Mutter.“ Wie viele Soldaten haben im Krieg sterbend nach der Mutter gerufen. Der Mensch weiß um den Ursprung seines Lebens. Er hat den instinktiven Glauben, dass der Mensch, der ihm das Leben schenkte, auch die Macht und Kraft hat, es in der Gefahr zu schützen und zu erhalten. Das Symbol für den Schutz, den die Mutter ihrem Kind gewährt, ist Mutters Schürze. Das ängstliche, verfolgte Kind flüchtet sich unter die Schürze seiner Mutter und sucht dort Geborgenheit. Dort fühlt es sich in absoluter Sicherheit.

Was für das kleine Kind die Schürze der Mutter bedeutet, ist für uns der Schutzmantel Mariens. Wenn irgendjemand über unser Christusleben mit liebenden Augen wacht, dann Maria. Und wie oft ist dieses Leben bedroht! Satan, der nicht schläft, liegt immer auf der Lauer, uns dieses Leben zu rauben. Eine echte Marienverehrung ist der sicherste Schutz für alle Bedrohung dieses Lebens. Die wunderbaren Bekehrungen an ihren Gnadenorten sind eine fortwährende Bestätigung für die Anrufung „Du, unser Leben, sei gegrüßt“.

Das Wort: „Weib, siehe da deinen Sohn“ wird ergänzt durch das andere an Johannes gerichtete: „Sohn, siehe da deine Mutter.“ Der Herr kennt die Psyche der Frau. Er kennt die Not der Einsamkeit. Er hört die Klage der Frau: „Ich habe keinen Menschen. Niemand versteht mich. Ich bin so allein.“ Die Frau braucht mehr als eine wirtschaftliche Existenz, mehr als ein „Einkommen“ und „Auskommen“. Nach dem Tod des Herrn fehlt Maria alles: wirtschaftliche Sicherung und menschliche Geborgenheit. Sie ist „alleinstehend“. Der Herr sorgt sterbend für beides, indem er sie seinem Lieblingsjünger Johannes zur Obhut übergibt. Den jungfräulichen Jünger wird die Jungfrau anvertraut. Das Vermächtnis Christi wird auf der Stelle angetreten. „Von dieser Stunde an nahm sie der Jünger in sein Haus auf. Maria ist jetzt bei Johannes „zuhause“. Sie hat ein neues Heim gefunden.

Wie der Herr uns seiner Mutter anvertraut, so vertraut er auch umgekehrt seine Mutter uns an. Sie soll bei uns zuhause sein und Hausrechte haben. Nicht nur ihr Bild soll in unseren Häusern einen Ehrenplatz einnehmen, vor allem soll ihr Geist, der Geist des Christusglaubens und der Christusliebe, der Geist des Apostolates, der Geist der Heiligkeit, von uns, ihren Kindern, angenommen und gelebt werden. Dann ist sie durch uns und in uns zu Hause.

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Quelle: Josef Dreissen: „Christus Leitbild jeder Frau“, 312 Seiten, 1962

(Artikelbild dazu von mir [POS] ausgewählt)

JEDER MENSCH LEBT EWIG — (02)

Jeder Mensch lebt ewig (1)

Auch die ENGEL leben ewig.

Sie sind die Ersterschaffenen Gottes. Sie sind reine Geistwesen. Sie sind wie wir Personen mit Namen.

Beginnend mit dem Sturz des Höchsten der Engelsheerscharen [Luzifer] in die Gegnerschaft zum Schöpfer-Gott haben sich die Engel insgesamt zweigeteilt: in Treue und Verteidiger Gottes [angeführt vom Erzengel Michael] und Untreue und Bekämpfer [Widersacher] Gottes [angeführt von Luzifer].

Und JEDER MENSCH hat von seinem Lebensanfang an und sicher für die Dauer seiner irdischen Existenz, bis zur Stunde seines Todes seinen persönlichen SCHUTZENGEL.

 

PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS „DOMUS SANCTAE MARTHAE“

  

Wir alle haben einen Schutzengel

 Donnerstag, 2. Oktober 2014

aus: L’Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 42, 17. Oktober 2014

Wir alle haben einen Engel, der uns stets zur Seite steht, der uns nie allein lässt und uns dabei hilft, nicht vom rechten Weg abzukommen. Und wenn wir es verstehen, so zu sein wie die Kinder, dann gelingt es uns, der Versuchung zu entgehen, uns selbst zu genügen, einer Versuchung, die im Hochmut und auch in einem übertriebenen Karrieredenken gipfelt. Im Rahmen der Messe, die er am Donnerstag, 2. Oktober, in Santa Marta feierte, erinnerte Papst Franziskus am liturgischen Gedenktag der Schutzengel an deren entscheidende Rolle im Leben der Christen.

Es seien zwei Bilder – der Engel und das Kind –, die »uns die Kirche in der heutigen Liturgie zeigt«, so bemerkte Franziskus gleich zu Beginn. Vor allem das Buch Exodus (23,20-23) präsentiere uns »das Bild des Engels«, den »der Herr seinem Volk schickt, um ihm auf seinem Weg beizustehen.« In der Tat lese man: »Ich werde einen Engel schicken, der dir vorausgeht. Er soll dich auf dem Weg schützen und dich an den Ort bringen, den ich bestimmt habe.« Also, so kommentierte der Papst, »ist das Leben ein Weg, der an jenem Ort endet, den der Herr uns bestimmt hat.« Aber, so präzisierte er, »niemand geht allein: niemand!« Denn »niemand kann allein gehen.« Und »wenn einer von uns der Ansicht sein sollte, allein gehen zu können, dann würde er sich schwer irren« und »er würde in jenen sehr schwerwiegenden Irrtum verfallen, der im Hochmut besteht: zu meinen, groß zu sein.« Schließlich würde man dann auch in dieses Verhaltensmuster der »Überheblichkeit« verfallen, die einen dazu bringe, zu sich selbst zu sagen: »ich kann es, ich schaffe es selbst«.

Der Herr hingegen gebe seinem Volk einen ganz klaren Hinweis: »Geh, tu das, was ich dir sagen werde. Du gehst den Weg deines Lebens, aber ich werde dir eine Hilfe schicken, die dich unentwegt daran erinnern wird, was du tun sollst.« Und so »sagt er zu seinem Volk, wie es sich seinem Engel gegenüber verhalten soll.« Die erste Empfehlung laute: »Achte auf ihn.« Und weiter: »hör auf seine Stimme! Widersetz dich ihm nicht!« Deshalb müsse man es verstehen, ihn nicht nur zu »achten«, sondern zu verstehen, »zuzuhören« und »sich nicht zu widersetzen«. Im Grunde, so erläuterte der Papst, sei es jene fügsame Grundhaltung des Gehorsams, die dem Vater geschuldet werde, die zum Gehorsam des Kindes gehöre. Im Grunde handle es sich um »jenen Gehorsam der Weisheit, jenen Gehorsam, Ratschläge anzuhören und sich für den besten unter diesen zu entscheiden.« Und man müsse, so fügte er hinzu, »ein Herz haben, dass dafür offen ist, Rat einzuholen und anzuhören.«

Die Lesung aus dem Matthäusevangelium hingegen (18,1-5.10) präsentiere das zweite Bild, das des Kindes. »Die Jünger«, so sagte der Bischof von Rom über diesen Abschnitt, »stritten darüber, wer von ihnen der Größte sei. Es gab innere Kämpfe: das Karrieredenken. Diese Männer, die die ersten Bischöfe sind, waren durch das Karrieredenken versucht« und sagten untereinander: »Ich will größer sein als du!« Franziskus bemerkte hierzu: »Es ist kein gutes Vorbild, dass die ersten Bischöfe das getan haben, aber das ist die Wirklichkeit.«

Seinerseits »lehrt Jesus sie, wie man sich richtig verhalten« solle: er rufe ein Kind zu sich, stelle es mitten unter sie – so berichte Matthäus –, und verweise dadurch ausdrücklich auf die »Fügsamkeit, das Bedürfnis nach Rat, die Hilfsbedürftigkeit, weil das Kind gerade ein Zeichen für die Hilfsbedürftigkeit, die Fügsamkeit ist, um weiterzugehen.«

»Das ist der Weg«, so versicherte der Papst, und nicht jener, darüber zu befinden, »wer der Größte ist«. In Wirklichkeit, so bemerkte er, indem er die Worte Jesu wiederholte, »wird der der Größte sein«, der so werde wie die Kinder. Und an diesem Punkt stelle der Herr »diese geheimnisvolle Verbindung her, die man nicht erklären kann, die aber wahr ist.« In der Tat sage er: »Hütet euch davor, einen von diesen Kleinen zu verachten! Denn ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen stets das Angesicht meines himmlischen Vaters.«

Franziskus merkte des weiteren an, dass es praktisch »so ist, als sage man: wenn ihr diese Fügsamkeit an den Tag legt, dieses Verhalten, den Lebensweg nicht alleine gehen zu wollen, dann nähert ihr euch dem Verhalten eines Kindes eher an und kommt dann der Betrachtung des Vaters näher.« »Gemäß der Tradition der Kirche haben wir alle«, so führte der Papst weiter aus , »einen Engel an unserer Seite, der uns beschützt, der uns die Dinge spüren lässt.« Im Übrigen, so gestand er, »wie oft haben wir sagen hören: ›Aber, das … ich sollte es so machen … das ist nicht in Ordnung … pass auf!‹ Gerade das sei »die Stimme dieses unseres Weggefährten.« Und wir könnten uns »sicher sein, dass er uns bis ans Ende unseres Lebens mit seinen Ratschlägen begleiten wird.« Deshalb müsse man »auf seine Stimme hören, uns nicht auflehnen.« »Die Auflehnung« hingegen, »den Wunsch nach Unabhängigkeit verspüren wir alle: es ist dieselbe Überheblichkeit, die unserem Vater Adam im himmlischen Paradies zu eigen war.« Daher lautete die Aufforderung des Papstes an alle: »Widersetze dich nicht, folge seinen Ratschlägen!«

In Wirklichkeit, so bestätigte der Papst, »geht niemand allein, und keiner von uns kann meinen, er sei allein: dieser Gefährte ist immer dabei. « Sicher, es geschehe, dass »wir dann, wenn wir nicht auf seinen Rat hören wollen, zu ihm sagen: ›Geh doch weg!‹« Aber »den Weggefährten wegzujagen ist gefährlich, weil kein Mann, keine Frau sich selbst Rat erteilen kann: Ich kann einem anderen Ratschläge erteilen, aber ich kann mir selbst keinen Rat erteilen.« Tatsächlich, so erinnerte Franziskus, »ist da der Heilige Geist, der mich berät, da ist der Schutzengel, der mich berät«, und deshalb »brauchen wir sie.«

Der Papst forderte dazu auf, »diese Lehre über die Engel« nicht etwa »bloße Phantasie« zu betrachten. Es handle sich vielmehr um »eine Realität «. Es sei »Jesus selbst, Gott selbst, der gesagt hat:  ›Ich werde einen Engel schicken, der dir vorausgeht! Er soll dich auf dem Weg schützen, damit du keine Fehler machst.‹« Abschließend regte Franziskus eine Reihe von Fragen an, damit sich jeder einer Gewissensprüfung unterziehen könne: ›Wie steht es um die Beziehung zu meinem Schutzengel? Höre ich ihn an? Sage ich morgens zu ihm: Guten Morgen?

Sage ich zu ihm: Behütest du mich im Schlaf? Spreche ich mit ihm? Bitte ich ihn um seinen Rat? Ist er an meiner Seite?« Auf diese Fragen, so sagte er, »können wir heute antworten«: Jeder von uns kann das tun, um zu überprüfen, »wie das Verhältnis zu diesem Engel ist, den der Herr geschickt hat, um mich zu beschützen und auf meinem Weg zu begleiten, und der immer das Antlitz des Vaters sieht, der im Himmel ist«.

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Quelle

VON DER ZAHL DER AUSERWÄHLTEN – 05

von José Ricart Torrens, Barcelona

Aus dem Französischen übersetzt von Prinziessin Maria-Christina von Habsburg

(5. Folge)

V. – ES IST BESSER, NUR VON DER LIEBE ZU PREDIGEN UND SIE ZU LEHREN, STATT DIE EWIGEN WAHRHEITEN DER SÜNDE UND DER HÖLLE ZU VERKÜNDEN.

Die christliche Lehre ist gänzlich auf die Liebe ausgerichtet. „Der Mensch wurde erschaffen“ infolge eines Gedankens der Liebe, mit dem endgütligen Zwecke, sich an Gott in einer Ek­stase der Erkennung und Liebe zu erfreuen. Gott hat ihn auf diese Erde gesetzt, damit er sich dieses Ziel durch die Liebe verdiene. („Wenn Mich jemand liebt, hält er Meine Gebote“). Nach der Erbsünde hat „Gott den Menschen dermaßen geliebt, dass Er ihm Seinen Eingeborenen Sohn gab“.

Man muss mit Liebe und Bewunderung die Menschwerdung — das Liebeswerk, das verborgene und öffentliche Leben Jesu, die Eucharistie und die Passion betrachten, die jegliche Liebe übertreffen; Er gab uns Seine Mutter; betrachten wir Seine Auf­erstehung, Seine Sakramente, Seine Kirche. Die Gaben des Heiligen Geistes kommen von Seinem Herzen… Wenn wir auf dieser Erde treu sind, beginnen wir ein Leben der Liebe in Er­wartung des ewigen Genusses der unendlichen Liebe.

Aber gerade um die göttliche Liebe verstehen zu können, muss man die Sünde hassen und auch die Hölle. Der heilige Paulus sagt uns: „Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, dass die Güte Gottes zur Buße dich leitet?“ (Röm. II, 4).

Kann die Sünde zugleich mit der göttlichen Liebe bestehen? Mit dem heiligen Johannes sind wir der gegenteiligen Meinung:

„Und daraus ersehen wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten.

Wer da sagt, er kenne ihn, und hält doch seine Gebote nicht, ist ein Lügner, und in diesem ist die Wahrheit nicht.

Wer aber sein Wort hält, in dem ist wahrhaftig die Liebe Gottes vollkommen und daran erkennen wir, dass wir in ihm sind.

Wer sagt, dass er in ihm bleibe, der muss auch wandeln, wie er gewandelt hat.“ (1. Joh. II, 3-6).

Und da wir in einer Welt leben, die mit Sünde vollständig überflutet ist, müssen wir lehren, was für ein furchtbares Übel die Sünde ist.

Um dies besser verständlich zu machen, werden wir zeigen, wie die unendliche Liebe die Sünde und die Torheit dessen, der sich von Gott abwendet, bestraft. Die Sünde, das ist der Anfang des Verlustes des Ewigen Glücks, der Verlust aller Liebe.

Pius XII. sagt uns: „Es hat nichts von seiner Zweckmäßigkeit eingebüßt, in unseren Tagen von den grundsätzlichen Glaubens­wahrheiten und den Letzten Dingen zu predigen; im Gegenteil, es ist dringender und notwendiger geworden, als jemals zuvor. Sogar von der Hölle zu predigen. Zweifellos muss man dieses Thema würdevoll und klug behandeln. Aber was den Inhalt die­ser Wahrheit betrifft, so hat die Kirche, vor Gott und vor den Menschen, die heilige Pflicht, sie zu verkünden, sie zu lehren, ohne irgendeine Verminderung, so wie sie von Christus geoffen­bart worden ist, und es gibt keinen Zeitumstand, der die Stren­ge dieser Verpflichtung zu mildern imstande wäre. Sie ist für jeden Priester verbindlich, dem das Amt anvertraut ist, ob or­dentlich oder außerordentlich, die Gläubigen zu lehren, zu warnen und zu leiten. Es ist wahr, dass an und für sich die Sehnsucht nach dem Himmel ein mehr vollkommener Grund ist, als die Furcht vor der ewigen Pein; aber es folgt daraus nicht, dass er auch für alle Menschen der wirksamste wäre, sie von der Sünde fernzuhalten und zu Gott zu bekehren.“ (1)

Es war auch Pius XII., der anlässlich des feierlichen Empfan­ges zu Ehren der katholischen Juristen Italiens am 6. Februar 1955 in Erinnerung rief, wie furchtbar die Hölle sei:

„Die Offenbarung und das Lehramt der Kirche stellen fest: Nach dem irdischen Leben werden diejenigen, welche mit einer Todsünde belastet sind, durch den Höchsten Herrn einem Gerichte unterzogen werden und eine Strafe erhalten, ohne Möglichkeit der Befreiung oder Verzeihung. Gott könnte so­gar im Jenseits eine solche Strafe erlassen: alles hängt von Seinem freien Willen ab; aber Er hat es niemals getan und wird es niemals tun. Es ist hier nicht am Platze zu diskutieren, ob man diese Tatsache auf Grund der natürlichen Vernunft genau beweisen kann; gewisse sind sicher, andere zweifeln daran. Aber sowohl die einen, als auch die anderen führen in ihren Argumenten ex ratione Erwägungen an, welche beweisen, dass eine solche Verfügung Gottes keiner Seiner Eigenschaften wi­derspricht, weder Seiner Gerechtigkeit, noch Seiner Weisheit, noch Seiner Barmherzigkeit, noch Seiner Güte; sie beweisen auch, dass sie außerdem nicht im Widerspruch mit der mensch­lichen Natur steht, wie sie durch den Schöpfer selbst erschaf­fen worden ist, nämlich mit ihrer absoluten, metaphysischen, auf Gott ausgerichteten Zweckbestimmung, mit der Begeiste­rung des menschlichen Willens für Gott, mit der körperlichen Willensfreiheit, die im Menschen verwurzelt und immer gegenwärtig ist. Alle diese Überlegungen lassen zweifellos beim Menschen, wenn er urteilt und sich nur auf seine eigene Ver­nunft verlässt, eine letzte Frage aufkommen, die sich nicht auf die Möglichkeit, sondern auf die Wirklichkeit eines der­maßen unbeugsamen Urteils des Höchsten Richters bezieht. Es wird sich daher niemand wundern, dass ein sehr bekannter Theologe am Anfang des XVII. Jahrhunderts schreiben konnte: „Quator sunt mysteria nostrae sanctissimae fidei maxime dif­ficilia creditu menti humanae: mysterium Trinitatis, Incarna­tionis, Eucharistiae et aeternitatis suppliciorum“ (2) Aber trotz allem bleibt die Tatsache der Unveränderlichkeit und der Ewigkeit dieses Urteils der Verwerfung und ihrer Durchführung undiskutabel. Die Streitigkeiten, zu denen ein kürzlich ver­öffentlichtes Buch Anlass gegeben hat, zeigen oft einen großen Mangel an Kenntnis der katholischen Lehre und gehen von fal­schen Voraussetzungen oder falsch interpretierten Vorbedin­gungen aus. In diesem Falle hat der Höchste Gesetzesgeber, indem Er von Seiner höchsten und absoluten Macht Gebrauch macht, die unwiderrufliche Gültigkeit Seines Urteils und seiner Durchführung festgelegt. Diese unbegrenzte Dauer ist daher das gültige Recht.“ (3)

VI. – DIESE LEHRE IST SEHR ENGHERZIG

Ein ehemaliger Exerzitienteilnehmer war seit mehreren Jah­ren nicht mehr zu den Exerzitien gekommen und wollte sie nicht nochmals mitmachen. Einer seiner Freunde drängte ihn:

„Warum willst du an den Exerzitien nicht mehr teilnehmen?“ Der andere sagte schließlich, nach flüchtigen Ausreden: … Man­gel an Zeit… die Familie… die Arbeit, etc.:

„Ich will nicht mehr wiederkommen, weil die „Geistlichen Übungen“ des heiligen Ignatius der enge Weg sind“.

Er hatte gut verstanden, was die Exerzitien verlangten. Man darf den Sünder nicht betrügen, indem man ihn glauben lässt, dass es einen anderen Weg zum Heile gibt, als „den schmalen Weg“.

Der heilige Ignatius lehrt in seinen ersten Regeln für die Scheidung der Geister, dass es dem bösen Geiste eigen sei, die Sünder zu beruhigen. Rufen wir uns, mit der heiligen Theresia vom Kinde Jesu in Erinnerung, dass: „man niemals zu viel Vertrauen zu Gott hat, Der so mächtig und barmherzig ist. Was man von Ihm erhält, steht im Verhältnis zu dem, was man sich von Ihm erhofft“.

Aber vergessen wir nicht, was uns der heilige Johannes lehrt:

„Den Verzagten aber, den Ungläubigen, den Greuelhaften, den Mördern, den Hurern, den Zauberern, den Götzendienern und allen Lügnern wird ihr Anteil werden im Pfuhle, der mit Feuer und Schwefel brennt, welches der andere Tod ist.“ (Apokalypse, XXI, 8).

Trotz aller Kritiken der Weltmenschen muss man auf diesem ewigen Thema bestehen. Im Leben des heiligen Antonius Maria Claret wird eine Bemerkung angeführt, die ein Jüngling im Zu­sammenhang mit einer Predigt des großen Missionars machte: „Er ist ein Prediger, wie die anderen: er sagt nur Dummheiten, um Kinder zu erschrecken.“ Dieser junge Mann bekehrte sich anschließend. Einmal bekehrt, teilte er die Ansicht vieler Priester über die Predigten des Heiligen: „Was Pater Claret sagt, kommt nicht von der Erde, sondern vom Himmel; weil wir gewöhnlichen Menschen nicht fähig sind, diesen Grad zu erreichen.“ „Pater Claret wird mehr erreichen, als alle Prediger von Barcelona zusammen.“

Der Rednerstil des heiligen Antonius Maria Claret stand im Kontrast zum leeren und schwulstigen Stil mancher seinerzei­tigen Redner. Das Gespräch des Heiligen mit Don Hermenegild Coll, dem sehr bekannten Prediger von Madrid, ist bekannt.

Der Letztere wurde nach einer Predigt von Glückwünschen überhäuft, außer von seiten Pater Clarets. Er sprach am nächsten Tage bei ihm vor, um nach dem Grunde seiner Einstellung zu fragen.

Pater Claret sagte zu ihm: „Sagen Sie mir, Don Hermene­gild, haben Sie manchmal vom Heile der Seelen und furcht­baren Unglück derjenigen, die sich verdammen, gepredigt?“

„Nein, Pater, ich habe noch nie von diesen Themen ge­predigt.“

„Haben Sie manchmal vom Tod, vom Gericht, von der Hölle, von der Notwendigkeit, sich zu bekehren, die Sünde zu meiden und Buße zu tun gesprochen?“

„Auch davon habe ich direkt und ausdrücklich in meinen Predigten nicht gesprochen.“

„Nun also, lieber Freund, ich werde ganz aufrichtig mit Ihnen reden, nachdem Sie mich darum ersucht haben. Ich liebe es nicht und kann die Handlungsweise mancher nicht gutheißen, die in ihren Predigten die großen christlichen Wahrheiten beiseitelassen und nur Themen behandeln, die für die Bekehrung der Seelen zu wenig wirksam sind. Und wenn ich diese Handlungsweise nicht billige, so ist es deswegen, weil ich denke, dass sie dem Herrn auch nicht gefallen würde“.

Der heilige Antonius Maria Claret, weil er ein Heiliger war, erlaubte sich nicht, in seiner Predigttätigkeit Zeit zu ver­lieren: er lehrte den sicheren und zuverlässigen Weg, der kein anderer ist, als die Einhaltung der göttlichen Gebote, wie sie das kirchliche Lehramt verkündet.

(Fortsetzung folgt)

ANMERKUNGEN:

(1) Pius XII., Ansprache an die Pfarrer und Fastenprediger von Rom, 23. März 1949.

(2) Lessius, De perfectionibus moribusque divinis, 1, XIII, cap. XXV.: „Es gibt vier Geheimnisse unseres heiligen Glaubens, an die zu glauben dem menschlichen Geiste sehr große Schwie­rigkeiten bereitet: Das Geheimnis der Dreifaltigkeit, der Mensch­werdung, der Eucharistie und der Ewigkeit der Höllenpein.“

(3) Pius XII., Ansprache an die Katholischen Juristen Italiens, 5. Februar 1955.

VON DER ZAHL DER AUSERWÄHLTEN – 04

The Sermon on the Mount — Carl Bloch, 1890

von José Ricart Torrens, Barcelona

Aus dem Französischen übersetzt von Prinziessin Maria-Christina von Habsburg

(4. Folge)

II. Kapitel

DIE FRAGE DER ZAHL

Auf den ersten Blick kann es unnütz und unpassend schei­nen, über die Zahl der Auserwählten zu streiten. Aber es ist nicht reine Neugierde oder rein rhetorisches Studium, wenn wir versuchen, unsere Meinungen mit den Angaben der Offen­barung in Einklang zu bringen. Die Heiligen haben lange Ab­handlungen verfasst, haben über das Thema geschrieben, davon gepredigt und festgestellt, was für heilsame Früchte man erntet, wenn man von diesem schrecklichen Problem spricht.

Schließlich vertreten wir folgende Thesen:

1. „Es kennt der Herr die Seinen“ (2. Brief an Timotheus, II, 19).

2. Viele werden gerettet. „Nach diesem sah ich eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stämmen, und Völkern und Sprachen“, sagt uns der heilige Johannes, als er von den Auserwählten spricht. (Apokalypse VII, 9). Bedenken wir nur, dass nach einigen Historikern die Zahl der Märtyrer während der ersten drei Jahrhunderte der Kirche mehrere Millionen betrug… und dass nicht alle Heiligen jener Epoche Märtyrer waren. Die damalige Kirche bestand nur aus einem kleinen Kern. Die Schar, welche das Lob der Heiligen Dreifaltigkeit im Himmel singen wird, wird sicher sehr groß sein. Es bleibt jedem Menschen überlassen, selig zu werden, weil „Gott will, dass alle Menschen selig werden und zur Er­kenntnis der Wahrheit gelangen“. (2. Br. an Timotheus, II, 4).

3. Sehr zahlreich sind diejenigen, die sich verdammen: Multi = Viele (Matthäus, VII, 13).

4. Die Lehre, nach welcher alle Menschen gerettet werden, ist verworfen worden.

„Man soll zumindest hoffen, dass das ewige Heil allen jenen, die nicht im Schoße der wahren Kirche Christi leben, zugesichert sei.“ (SYLLABUS, verworfene Proposition Nr. 17).

Wie es der heilige Prosper sagt: „Wenn einer gerettet wird, dann durch die Gnade des Erlösers; wenn andere verdammt werden, dann durch die eigene Schuld.“ Das Konzil von Quiersy lehrte das gleiche im Jahre 853 (Denziger 318): „Der Allmächtige Gott will, dass alle selig werden ohne Ausnahme (1. Brief an Timotheus, II, 4), obwohl nicht alle gerettet wer­den. Diejenigen, die gerettet werden, verdanken es der Gnade des Herrn; diejenigen, die sich verdammen, sind selbst schuld daran.“

Die Kirche hat diese Frage immer offen gelassen. Es gibt darüber kein dogmatisches Dekret. In einer Oration des Missale beten wir: „Deus, cui soli cognitus est numerus electorum in superna felicitate locandus“ (1) und sie erinnert uns an Seine unendliche Barmherzigkeit: „Deus, cuius misericordiae non est numerus et bonitatis infinitus est thesaurus“ (2).

Aber das hindert uns nicht daran, dass wir demütig behaup­ten können, ohne diese Lehre als definitiv zu bezeichnen, ohne ihr eine theologische Note geben zu wollen, nachdem es die Kirche nicht getan hat, ohne jemandem unsere Denkweise auf­zwingen zu wollen, die Zahl der Auserwählten im Vergleich mit der Zahl der Verdammten sei klein, und zwar, indem wir die Gründe anführen, welche in den folgenden Kapiteln analysiert werden.

Wir werden zuerst die Antwort auf Einwände geben, welche einige gegen die Zweckmäßigkeit der Behandlung dieser Frage bei Verteidigung der traditionellen Lehre erheben.

I. — SPRECHEN SIE VON ANDEREN DINGEN!

Diese Frage der (relativ) kleinen Zahl der Auserwählten be­unruhigt viele unserer Modernisten, sowie übrigens diejenige der Hölle. Aber warum beunruhigt sie?

Studieren Sie die Argumente derjenigen, welche sich gegen sie erheben; sie behaupten: „Gott ist zu gut, um zu verdam­men.“ Studieren Sie gründlich die verschiedenen, mehr seriö­sen Einwände: Man kann sie in diesen vier Worten zusammen­fassen: „Gott ist zu gut“. Wenn der Einwand stichhaltig wäre, würde er sowohl für einen, als auch für tausend gel­ten. (Auf Grund dieses schlecht ausgelegten Argumentes be­haupten einige sogar, dass niemand in der Hölle sei. „Gott ist zu gut“).

— Sprechen Sie doch von anderen Dingen! sagt man manch­mal. Gewiss, es wäre manchmal angenehmer, das zu hören. Aber wir sind der Ansicht, dass wir das Recht nicht haben, diese theologische Meinung, die wir für begründet erachten, zu verschweigen. In unserem Zeitalter der freidenkerischen und laisierten Entstellungen bilden sich die Menschen ein, sie hätten das Recht, mit Gott nicht mehr zu rechnen. Oder es muss ein Gott sein, von dem sie selbst bestimmen, wie Er zu sein habe, ein Gott, dem man einer „Moral der Lage“ ent­sprechend dienen könne. Ein Gott, von dem man Rechenschaft verlangen könne… den man zensurieren könne… ein Gott nach ihrem Gutdünken. Wenn dieser Gott ihre Forde­rungen nicht annimmt, lehnen sie Ihn ab. „Qui habitat in coelis irridebit eos“ „Der im Himmel wohnt, lacht über sie und der Herr spottet ihrer“ (Psalm II, Vers 4).

Im Psalm X ruft David aus: „Der Sünder erbittert den Herrn, nach der Größe seines Zornes frägt er nichts“ (Vers 4).

„Denn er spricht in seinem Herzen: Ich werde nicht wanken, ohne Unglück sein von Geschlecht zu Geschlecht“ (Vers 6).

Aber es genügt dem Sünder nicht, hienieden damit nicht zu rechnen. Er weiß sehr gut, dass ihn Gott auf dem Wendepunkt zur Rechenschaft ziehen wird. Dann ruft er, wie ein Kind, lauter, um sich zu beruhigen:

„Gott hat’s vergessen, hat abgewandt sein Angesicht, damit er’s nimmermehr sehe“ (Vers 11) und Psalm X fügt hinzu:

„Der Herr erforscht den Gerechten und den Gottlosen; wer aber die Missetat liebt, hasst seine Seele“ (Vers 6).

„Es regnet Schlingen über die Bösen; Feuer und Schwefel und Sturmwind ist der Anteil ihres Bechers.“ (Vers 7)

„Denn der Herr ist gerecht und liebt die Gerechtigkeit; auf Billigkeit schaut sein Angesicht.“ (Vers 8)

Es ist notwendig, dass der Mensch verstehe, auch im XX. Jahrhundert, dass Gott Gott ist… dass Er der Schöpfer ist… der Unendliche; dass wir nur Nichts sind. Es ist notwendig, dass wir armen Zwerge, die eine gewisse Zahl Stunden auf diesem Planet Erde leben werden, einen der kleinsten des Sonnensystems, verirrt im Spiralnebel, zu dem er gehört, die­ser wiederum verloren inmitten anderer bekannter und un­bekannter Milchstraßen, diese präliminären Begriffe erfassen. Nein, der Schöpfer zittert nicht vor uns. Der heilige Paulus spricht, in Eingebung des Heiligen Geistes: „Gott lässt Seiner nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er auch ernten.“ (Galater, VI, 7-8). Würden wir sagen: „Nein, der heilige Paulus hat sich geirrt; man kann weiterhin über Gott spotten? Nachdem „Gott gut ist“ wird Er alle diejenigen retten, welche bis zum Ende Seiner spotteten?“ Im Grunde genommen ist das Problem vorhanden. Nur dann, wenn er es ernst genommen hat, wird der Sünder alle seine schlechten Neigungen aufgeben.

II. DIE LEHRE VON DER RELATIV KLEINEN ZAHL DER AUSERWÄHLTEN IN ERINNERUNG ZU RUFEN WIDERSPRICHT DER CHRISTLICHEN HOFFNUNG.

Wir antworten, indem wir Mgr. Charriere, Bischof von Genf, Lausanne und Fribourg zitieren:

„Die christliche Hoffnung ist gewiss die Tugend, die uns erlaubt, von Gott Seine Gnade zur Einhaltung Seiner Gebote zu erhalten. Um auf diese göttliche Hilfe zu rechnen und sie ununterbrochen in vertrauenswürdiger Erwartung zu erflehen, gibt uns Gott die Tugend der Hoffnung; deren Motiv ist die Allmacht Gottes, der unendlich gut und treu in Seinen Versprechen ist. Aber die Allmacht Gottes soll uns von der Hand­lung nicht befreien. Im Einklang mit unserem freien Willen will Gott unsere Kräfte unterstützen, aber nicht uns von deren Gebrauch befreien. Der Weg, der zum Himmel führt, ist nicht die breite, gepflasterte Strasse, auf der man mit einer Ge­schwindigkeit von fast hundert Stundenkilometern beinahe ohne Erschütterungen rasen kann. Es ist der schmale, steinige Pfad, auf dem man zu Fuß emporsteigt, auf dem man sich die Füsse verletzt, wo das Herz ermüdet; der Aufstieg ist schwer. „Wer Mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst, nehme täg­lich sein Kreuz auf sich, und folge Mir nach.“ (Lukas, IX, 23). Es ist eine in unserer Zeit weit verbreitete Täuschung, dass es genügt, mit dem Strom zu schwimmen, um ein guter Christ zu sein. Man hat bald genug getan; alles ist rasch gut genug für Gott. Es ist im Grunde genommen immer derselbe Gedanke, derselbe Irrtum: Gott ist nicht mehr Gott; wenn Er existiert, soll Er sich damit begnügen, dass man Ihn nicht ganz vergisst. Seine unbegrenzte Güte halten wir für eine lächerliche GUT­MÜTIGKEIT.

„Denken wir daran, dass sich alle Seine Eigenschaften ver­einigen und dass Seine Güte ohne Seine Gerechtigkeit nicht dankbar wäre. Man soll nicht deswegen, weil man früher zur Zeit des Jansenismus und seiner Nachahmungen zu wenig an die Güte Gottes glaubte, heute ins andere Extrem verfallen und vergessen, dass die göttliche Güte uns davon nicht befreit, unser Kreuz mit Jesus zu tragen, in der Nachfolge der Heiligen. Ja, das christliche Leben ist ein Kampf. Der heilige Paulus sagt uns: „Denn auch wer im Wettkampfe streitet, wird nicht gekrönt, wenn er nicht gesetzmäßig gekämpft hat, „nisi qui legitime certaverit“ (2. Br. an Timotheus, II, 5).

(Auszug aus dem Hirtenbrief — Fastenzeit 1957 — „Christliches Leben und Fälschung“)

III. DAS IST GLAUBENSSTRENGE UND JANSENISMUS

Die Behauptung, dass die traditionelle Lehre von der Zahl der Auserwählten (an und für sich groß und „unzählig“, aber im Verhältnis zu denen, die sich verdammen, relativ klein) eine vom Jansenismus abgeleitete Lehre sei, kann einen nur zum Lachen bringen.

  1. Mehr als tausend Jahre vor den Jansenisten wurde sie schon in der Kirche gelehrt, durch den heiligen Irenäus, den heiligen Augustinus, den heiligen Hieronymus, den heiligen Johannes Chrysostomus, den heiligen Gregor den Großen, usw.
  2. Seither sind alle Heiligen, die darüber abgehandelt haben, vollkommen einig über die Frage der (relativ) kleinen Zahl der Auserwählten.

Ihre Doktrin hatte mit den Irrlehren der Jansenisten nichts gemeinsam, welche behaupteten, der Heiland sei nur für eine kleine Zahl gestorben, und die mit den Kalvinisten an dieser Lästerung von der Vorherbestimmung festhielten: Viele werden schuldlos verdammt werden, weil sie von Gott die Gnade nicht erhalten hätten.

Im Gegenteil, die traditionelle Lehre von der (relativ) kleinen Zahl der Auserwählten, eine Lehre, die wir ganz offen unsere eigene nennen, lehrt mit dem heiligen Paulus: „Gott will, dass alle Menschen selig werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen.“ (1. Br. an Timotheus, II, 4). Allerdings bemerkt der heilige Ambrosius dazu: „Gott will, dass alle selig werden, aber wenn sie zu Ihm kommen wollen; Er will nicht, dass sie selig werden können auch dann, wenn sie sich nicht bekehren wol­len.“

Denken wir immer daran, dass der Heiland für alle gestorben ist und eine der Strafen der Verdammten gerade darin bestehen wird, sich bewusst zu sein, dass sie Gott erschaffen hatte, um sie zu erlösen, dass Er ihnen alle erforderlichen Gnaden verlie­hen, dass Jesus Christus für alle ihre Sünden auf dem Kreuze ge­sühnt hatte, dass sie sich hätten retten können und wegen ihrer eigenen Schuld verdammt worden sind.

Man soll mit sehr großer Liebe, sehr großer Ehrfurcht alle Sünder, welcher Art sie auch seien, empfangen, ihnen die unendliche und barmherzige Liebe vergegenwärtigen, die sie ein­lädt, die immer bereit ist, zu verzeihen, wenn sie ergeben zu Ihm zurückkehren… Man soll ihnen die Sorge um das verirrte Schaf, die Liebe zum verlorenen Sohn vor Augen führen. Man soll zu Maria Zuflucht nehmen und die Hoffnung mit diesen vertrauensvollen Worten der heiligen Theresia vom Kinde Jesu entfachen:

„Ich erhebe mich nicht deshalb zu Gott mit Vertrauen und Liebe, weil ich vor der Todsünde bewahrt worden bin. Ach! Ich fühle, dass ich, auch wenn ich alle Verbrechen die man begehen könnte, auf dem Gewissen hätte, doch nichts von meinem Vertrauen verlieren würde; ich würde zum Heiland gehen, das Herz vor Reue fast gebrochen, und würde mich in die Arme des Heilands werfen. Ich weiß, dass Er das verlorene Kind liebt, ich habe Seine Worte an die heilige Magdalena vernommen, an die Ehebrecherin, an die Samariterin. Nein, niemand könnte mich erschrecken, denn ich weiß, woran ich mich bei Seiner Liebe und Barmherzig­keit halten soll. Ich weiß, dass diese ganze Menge von Sünden in einem Augenblick gelöscht würde, wie ein Wassertropfen, den man in ein loderndes Feuer fallen ließ.“

Nichts davon ist jansenistisch oder glaubensstreng im Sinne einer Abweichung von der herrschenden Kirchenlehre.

Der Missbrauch von doppelsinnigen Wörtern, Bezeichnun­gen, deren Bedeutung unbestimmt ist und wo sich ein Irrtum hinter der darin enthaltenen Wahrheit verbirgt, führt heutzutage zum unentwirrbaren Missklang der Geister.

Mit doppeldeutigen Bezeichnungen hat man viele Geister, die keinen Verdacht schöpften, irregeführt.

Man spricht von Freiheit, um die Ausschweifung durchge­hen zu lassen; von Neutralität, um die verbrecherische Unge­rechtigkeit des Laizismus zu tarnen; von Öffnung nach links, um mit den Kommunisten zusammenzuarbeiten.

Wenn man unter Glaubensstrenge versteht, die Lehre unse­res Herrn und Seiner römisch-katholischen Kirche ernst zu nehmen — denn nur sie allein ist die Seine und nur sie allein ist die Seligmachende — gebe ich zu, dass wir eifrig und streng ihre Lehren befolgen. Wir muten uns das Recht nicht zu, „ei­nen Preis zu bestimmen“ oder „Rabatt“ zu gewähren, wenn es um ein Dogma und um die Moral geht…

IV. ES IST ENTSETZLICH, DIE KRIECHERISCHE FURCHT ZU PREDIGEN.

Es ist bestimmt notwendig, die einfache unterwürfige Furcht und die Zerknirschung oder unvollkommene Reue zu lehren und zu predigen (der Schmerz über die Beleidigung Gottes vor allem auf Grund der Angst vor den göttlichen Strafen). Die Heilige Kirche hat die Jansenisten und die Pro­testanten verdammt, weil sie behaupteten, diese Furcht sei schlecht.

Wie viele arme Sünder kommen darüber nicht hinaus und werden dank dieser unvollkommenen Reue gerettet! Wie gut ist Er, Gott, dass Er sich damit im großen und ganzen be­gnügt! Der heilige Augustinus rief aus: „Aber wer sind wir, o Herr, dass Du uns dermaßen liebst, dass Du uns mit der Hölle drohst, falls wir Dich nicht lieben!“ Derselbe Heilige sagt in seinem „De catechisandis rudibus“ (Kapitel V): „Ra­rissime quidem advenit, immo vero nunquam, ut quisquam veniat, volens fieri christianum, qui non sit aliquo Dei timore perclusus“. „Es geschieht nur sehr selten, eigentlich niemals, dass jemand käme, um Christ zu werden, ohne mehr oder weniger durch die Furcht vor Gott dazu angeleitet worden zu sein.“ Wie schade, dass diejenigen, welche neue Formu­lierungen suchen, dieses kleine Buch des heiligen Augustinus nicht durchstudieren!

Niemand hat besser als der heilige Ignatius in einigen Zeilen diese Frage der „Furcht“ und der „Liebe“ erklärt, die der Teufel mit Vergnügen durcheinander zu bringen scheint, um die Seelen zu betrügen. Es steht in den „Regeln, um mit der Kir­che zu empfinden“ in seinen „Geistlichen Übungen“: „Ob­wohl wir vor allem wünschen sollten, dass die Menschen Gott, unserem Herrn, aus reiner Liebe dienen würden, müssen wir doch die Furcht vor der Göttlichen Majestät sehr loben; denn nicht nur die kindliche Furcht ist fromm und sehr heilig, sondern sogar die unterwürfige Furcht; wenn sich der Mensch zu nichts besserem und nützlicherem aufschwingen kann, hilft sie ihm sehr, sich von der Todsünde zu befreien, und wenn er von ihr befreit ist, gelingt es ihm leicht, die Gott angenehme und liebe kindliche Furcht zu erwerben, die unzertrennlich mit Seiner Liebe vereint ist.“

Johannes XXIII. sagt uns: (4, XI, 61) „Die Gottesfurcht ist ein Zeichen der Weisheit; sie ist und wird immer die Regel für das Verhalten und die Taten des guten Katholiken sein. Dieses Grundprinzip ist im Alten Testament klar verkündigt worden (es genügt, die Propheten zu lesen). Im Neuen erweitert sich der Horizont auf unaussprechliche Weise. Unser Herr Jesus Christus, unser göttliche Meister und unser Erlöser, gibt uns Sein Evangelium veritatis et pacis (Wahrheits- und Friedens­evangelium), welches einen unvergleichlichen Schatz für die­jenigen enthält, die den Weg der Entsagung, des Opfers, der Liebe beschreiten; Weg, auf welchen alle berufen sind, die Christus nachfolgen. Im Laufe der Jahrhunderte gab es Zeit­abstände mit grösserem oder weniger großem Eifer. Aber es fehlte nie die Hauptnote: Wenn man die Lage und die Um­stände sorgfältig prüft, findet man immer, daß die Haupt sorge im Augenblick die Rückkehr zum timor Domini (zur Gottes­furcht) ist. (3)

(Fortsetzung folgt)

ANMERKUNGEN:

(1) 0 Gott, der Du allein die Zahl der zur ewigen Seligkeit Be­stimmten kennst.

(2) 0 Gott, Dessen Barmherzigkeit und Güte unendlich ist.

(3) Johannes XXIII. Aus dem Spanischen übersetzt. Kein entsprechender Text zur angegebenen Referenz (4.XI. 61) konnte gefunden werden.

VON DER ZAHL DER AUSERWÄHLTEN – 03

Lesen Sie vorausgehend:

VON DER ZAHL DER AUSERWÄHLTEN – 01

VON DER ZAHL DER AUSERWÄHLTEN – 02


 

von Jose Ricart Torrens, Barcelona

Aus dem Französischen übersetzt von Prinzessin Maria-Christina von Habsburg

 

HEILIGER LUKAS

„Denn die Axt ist schon an die Wurzel der Bäume gesetzt. Ein jeder Baum also, der keine gute Frucht bringt, wird ausge­hauen und ins Feuer geworfen.“ (III, 9).

„Er hat seine Wurfschaufel in seiner Hand, und wird seine Tenne reinigen; den Weizen wird er in seine Scheune sammeln, die Spreu aber mit unauslöschlichem Feuer verbrennen.“ (III, 17).

„Aber wehe euch, ihr Reichen, denn ihr habt euern Trost!

Wehe euch, die ihr gesättigt seid; denn ihr werdet hungern! Wehe euch, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet trauern und weinen!

Wehe euch, wenn euch die Menschen loben! denn so haben ihre Väter den falschen Propheten getan.“ (VI, 24-26).

„Wer aber hört, und nicht tut, der ist gleich einem Men­schen, der sein Haus ohne Grund auf die Erde hinbaute; wider dieses Haus stiess der Strom, und es fiel sogleich; und der Fall desselben Hauses war gross. (VI, 49).

„Zu allen aber sagte er: Wer mir nachfolgen will, der ver­leugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.

Denn wer sein Leben retten will, der wird es verlieren; aber wer sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten.

Denn was nützte es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewänne, sich selbst aber verlöre, und an sich Schaden litte?

Denn wer sich meiner und meiner Worte schämt, dessen wird auch der Menschensohn sich schämen, wenn er kommen wird in seiner Herrlichkeit und (in der Herrlichkeit) des Vaters und der heiligen Engel.“ (IX, 23-26).

„Und du Kapharnaum! die du bis zu dem Himmel erhoben bist, wirst bis in die Hölle versenkt werden.

Wer euch hört, der hört mich, und wer euch verachtet, der verachtet mich; wer aber mich verachtet, der verachtet den, der mich gesandt hat.“ (X, 15-16).

„Als aber das Volk sich versammelte, fing er an zu sagen: Dieses Geschlecht ist ein böses Geschlecht; es verlangt ein Zeichen, aber es wird ihm kein Zeichen gegeben werden, als das Zeichen Jonas, des Propheten.

Denn gleichwie Jonas ein Zeichen war den Niniviten, so wird es auch der Menschensohn diesem Geschlechte sein.

Die Königin von Mittag wird im Gerichte mit den Männern dieses Geschlechtes auftreten und sie verdammen; denn sie kam von den Enden der Erde, um die Weisheit Salomons zu hören; und siehe, hier ist mehr als Salomon!

Die Männer von Ninive werden im Gerichte mit diesem Geschlechte auftreten, und es verdammen; denn sie haben auf die Predigt des Jonas Busse getan und siehe, hier ist mehr als Jonas!“ (XI, 29-32).

„Euch aber, meinen Freunden, sage ich: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, und danach nichts mehr tun können!

Ich will euch aber zeigen, wen ihr fürchten sollet: Fürchtet den, welcher, nachdem er getötet hat, auch Macht hat, in die Hölle zu werfen. Ja, ich sage euch, diesen fürchtet!“ (XII, 4-5).

„Ich sage euch aber: Ein jeder, der mich vor den Men­schen bekennen wird, den wird auch der Menschensohn vor den Engeln Gottes bekennen.

Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, der wird auch vor den Engeln Gottes verleugnet werden.

Und jedem, der ein Wort wider den Menschensohn redet, kann vergeben werden; dem aber, der wider den Heiligen Geist lästert, wird nicht vergeben werden.“ (XII, 8-10).

„Der ihn aber nicht gekannt, und getan hat, was Schläge verdient, wird weniger bekommen. Denn von einem jeden, dem viel gegeben worden ist, wird viel gefordert werden; und wem viel anvertraut worden ist, von dem wird viel zurückverlangt werden.“ (XII, 48).

„Nein, sage ich euch; sondern wenn ihr nicht Busse tut, so werdet ihr alle auf gleiche Weise zu Grunde gehen.

Er sagte aber auch dieses Gleichnis: Einer hatte einen Feigenbaum, der in seinem Weinberge gepflanzt war. Und er kam und suchte Früchte auf demselben, fand aber keine.

Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, schon drei Jahre komme ich, und suche Frucht an diesem Feigenbaume, und finde keine; hau ihn also weg! Was soll er noch das Land einnehmen?

Er aber antwortete, und sprach zu ihm: Herr! lass ihn auch noch dieses Jahr, bis ich um ihn her ausgegraben, und Dünger daran gelegt habe, vielleicht bringt er Frucht; wenn nicht, so magst du ihn für die Zukunft weghauen.“ (XIII, 5-9).

„Und er ging durch die Städte und Flecken, und lehrte, und nahm seinen Weg nach Jerusalem.

Einer aber sprach zu ihm: Herr! sind es wenige, die selig werden? Da sprach er zu ihnen:

Bemühet euch, einzugehen durch die enge Pforte; denn ich sage euch: Viele werden suchen einzugehen, und es nicht vermögen.

Wenn der Hausvater hineingegangen ist, und die Türe ver­schlossen hat, dann werdet ihr draussen stehen, und euch anschicken, an die Türe zu klopfen, und zu sagen: Herr, tu uns auf! Und er wird antworten und zu euch sprechen: Ich kenne euch nicht, woher ihr seid.

Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und du hast auf unseren Strassen gelehrt.

Und er wird zu euch sagen: Ich kenne euch nicht, woher ihr seid; weichet von mir alle, ihr Übeltäter!

Da wird Heulen und Zähneknirschen sein, wenn ihr Abra­ham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reiche Gottes seht, euch aber hinausgestossen.

Und sie werden kommen von Aufgang und Niedergang, von Mitternacht und Mittag, und zu Tische sitzen im Reiche Got­tes.

Und siehe, die (jetzt) die Letzten sind, werden die Ersten sein, und welche die Ersten sind, werden die Letzten sein.“ (XIII, 22-30).

„Es war ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und feine Leinwand, und hielt alle Tage herrliche Mahlzeit.

Es war auch ein Armer, mit Namen Lazarus, der lag vor dessen Türe voll Geschwüre, und er hätte sich gerne mit den Brosamen gesättigt, die von des Reichen Tische fielen, aber niemand gab sie ihm; ja auch die Hunde kamen und leckten seine Geschwüre.

Es geschah aber, dass der Arme starb, und von den Engeln in den Schoss Abrahams getragen wurde. Und es starb auch der Reiche, und wurde in die Hölle begraben.

Als er nun in der Qual war, und seine Augen erhob, sah er Abraham von ferne, und Lazarus in seinem Schosse; und er rief, und sprach: Vater Abraham! erbarme dich meiner, und sende den Lazarus, dass er seine Fingerspitze ins Wasser tauche, und meine Zunge abkühle, denn ich leide große Pein in diesen Flammen.

Abraham aber sprach zu ihm: Gedenke, Sohn! daß du Gutes empfangen hast in deinem Leben, und Lazarus hingegen Übles; nun aber wird dieser getröstet, und du wirst gepeinigt.

Und über dies alles ist zwischen uns und euch eine große Kluft gesetzt, dass die, welche von hier zu euch hinübergehen wollen, nicht können, und die, welche von dort herübergehen wollen, auch nicht können.“ (XVI, 19-26).

„Und gleichwie es zuging in den Tagen des Noe, so wird es auch zur Zeit des Menschensohnes sein.

Sie aßen und tranken, sie nahmen und gaben Weiber zur Ehe bis auf den Tag, da Noe in die Arche ging; und es kam die Sintflut und vertilgte sie alle.

Desgleichen wie es in den Tagen des Lot geschah: Sie aßen und tranken, sie kauften und verkauften, sie pflanzten und bauten; an dem Tage aber, da Lot aus Sodoma ging, regnete es Feuer und Schwefel vom Himmel, und vertilgte sie alle.

Auf gleiche Weise wird es gehen am Tage, da der Menschen­sohn offenbar werden wird.“ (XVII, 26-30).

„Wahrlich, sag‘ ich euch, wer das Reich Gottes nicht an­nimmt, wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen! (XVIII, 17).

„Da nun Jesus sah, dass er traurig geworden, sprach er: Wie schwer werden die, welche Geld haben, in das Reich Gottes ein­gehen!

Denn es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Reich Gottes eingehe. (XVIII, 24-25).

„Aber jene meine Feinde, die nicht wollten, dass ich über sie herrschen sollte, bringet herbei, und ermordet sie vor mir.“ (XIX, 27).

„Hütet euch aber, dass eure Herzen nicht etwa belastet werden mit Völlerei, Trunkenheit und den Sorgen dieses Le­bens, und jener Tag euch nicht plötzlich überrasche; denn wie eine Schlinge wird er kommen über alle, die auf dem ganzen Erdboden wohnen.

Darum wachet und betet allezeit, damit ihr würdig geachtet werdet, allem dem zu entgehen, was da kommen wird, und zu bestehen vor dem Menschensohne.“ (XXI, 34-36).

 

HEILIGER JOHANNES

„Denn also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen einge­borenen Sohn dahingab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.

Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, daß er die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn selig wer­de.

Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einge­borenen Sohnes Gottes nicht glaubt.

Das aber ist das Gericht, daß das Licht in die Welt gekom­men ist und die Menschen die Finsternis mehr liebten als das Licht; denn ihre Werke waren böse.

Denn jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht an das Licht, damit seine Werke nicht gestraft werden; wer aber die Wahrheit tut, kommt an das Licht, damit seine Werke offenbar werden, weil sie in Gott getan sind. (III, 16-20).

„Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben; wer aber dem Sohne nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.“ (III, 36).

„Denn gleichwie der Vater das Leben in sich selbst hat, so hat er auch dem Sohne gegeben, das Leben in sich selbst zu haben; und er hat ihm Macht gegeben, auch Gericht zu halten, weil er der Menschensohn ist.

Verwundert euch nicht darüber, denn es kommt die Stunde, in der alle, welche in den Gräbern sind, die Stimme des Sohnes Gottes hören werden.

Und es werden hervorgehen, die Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Böses getan haben, zur Auf­erstehung des Gerichtes.“ (V, 26-29).

„Jesus aber sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, sage ich euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht essen und sein Blut nicht trinken werdet, so werdet ihr das Leben nicht in euch haben.“ (VI, 54).

„Und er sprach zu ihnen: Ihr seid von unten, ich bin von oben. Ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt.

Darum hab‘ ich euch gesagt: Ihr werdet in euren Sünden sterben; denn wenn ihr nicht glaubt, daß ich es bin, so werdet ihr in eurer Sünde sterben.“ (VIII, 23-24).

„Jesus aber sprach zu ihnen: Wenn Gott euer Vater wäre, so würdet ihr mich gewiss lieben; denn ich bin von Gott ausge­gangen und gekommen; denn ich bin nicht von mir selbst ge­kommen, sondern Er hat mich gesandt.

Warum erkennt ihr meine Sprache nicht? Weil ihr mein Wort nicht hören könnt.

Ihr habt den Teufel zum Vater, und wollt nach den Gelüsten eures Vaters tun. Dieser war ein Menschenmörder von Anbe­ginn, und ist in der Wahrheit nicht bestanden; denn die Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er Lüge redet, so redet er aus seinem Eigentume; denn er ist ein Lügner und der Vater der Lüge.

Wenn ich aber die Wahrheit rede, so glaubt ihr mir nicht.

Wer aus euch kann mich einer Sünde beschuldigen? Wenn ich euch die Wahrheit sage, warum glaubt ihr mir nicht?

Wer aus Gott ist, der hört auf Gottes Wort; darum hört ihr nicht darauf, weil ihr nicht aus Gott seid.“ (VIII, 42-47).

„Und Jesus sprach: Ich bin zum Gerichte in diese Welt gekommen, daß die Blinden sehend, und die Sehenden blind werden.

Dieses hörten einige Pharisäer, die bei ihm waren, und spra­chen zu ihm: Sind etwa auch wir blind?

Jesus sprach zu ihnen: Wenn ihr blind wäret, so hättet ihr keine Sünde; nun aber sprechet ihr: Wir sehen! Darum bleibt eure Sünde.“ (IX, 39-41).

„Wenn aber jemand meine Worte hört, und nicht hält, den richte ich nicht; denn ich bin nicht gekommen, die Welt zu richten, sondern die Welt selig zu machen.

Wer mich verachtet und meine Worte nicht annimmt, der hat einen, welcher ihn richtet. Das Wort, das ich geredet habe, das wird ihn richten am jüngsten Tage.“ (XII, 47-48).

„Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben; wer in mir bleibt, und ich in ihm, der bringt viele Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun.

Wenn jemand nicht in mir bleibt, der wird wie eine Rebe hinausgeworfen, und verdorrt; man sammelt sie ein, wirft sie ins Feuer, und sie brennt.“ (XV, 5-6).

„Wenn ich nicht gekommen wäre, und zu ihnen nicht geredet hätte, so hätten sie keine Sünde; nun aber haben sie keine Entschuldigung für ihre Sünde.

Wer mich hasst, der hasst auch meinen Vater.

Wenn ich nicht die Werke unter ihnen getan hätte, die kein anderer getan hat, so hätten sie keine Sünde; nun aber haben sie auch gesehen, und hassen doch mich und meinen Vater.

Aber es musste das Wort erfüllt werden, das in ihrem Ge­setze geschrieben steht; Sie hassen mich ohne Ursache. (XV, 22-25).

„Da er dies gesagt hatte, hauchte er sie an, und sprach zu ihnen: Empfanget den Heiligen Geist!

Welchen ihr die Sünden nachlassen werdet, denen sind sie nachgelassen; und welchen ihr sie behalten werdet, denen sind sie behalten.“ (XX, 22-23).

 

So spricht Jesus Christus. Die Definitionen der Kirche fußen vernunftgemäß auf der Offenbarung. Es ist weise und not­wendig, von der Hölle zu sprechen. Wir sollen nicht vergessen, daß das christliche Leben die göttliche Liebe veranschaulicht, d.h. das göttliche Leben, dem Menschen beigebracht, ist. Ein Kirchenvater hat gesagt: „Das Wort ist Fleisch geworden, damit du wie Gott werdest.“ Das heißt, daß Gott Mensch geworden ist, damit der Mensch Gott ähnlich werde.

Es verdient die Hölle, sich dieser sehr hohen Würde und Gotteskindschaft nicht bewusst zu sein. Die Liebe verlangt Freiheit. Die Freiheit verlangt die Hölle.

Dies gilt für die Menschen der Vergangenheit, der Zukunft sowie für diejenigen der Gegenwart. Die Worte Christi sind von Ewigkeitswert, also von sehr aktuellem Wert.

Das ist zweifellos das einzige transzendente Zeitgeschehen!

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(Fortsetzung folgt)

Zum Hochfest der LEIBLICHEN AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL

sMariaMaggiore_Koimesis_1295

Santa Maria Maggiore – Koimesis – 1295

HEILIGE MESSE AM HOCHFEST DER AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL

PREDIGT VON PAPST BENEDIKT XVI.

Pfarrkirche „San Tommaso da Villanova“, Castel Gandolfo
Mittwoch, 15. August 201
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Liebe Brüder und Schwestern!

Am 1. November 1950 verkündigte der ehrwürdige Diener Gottes Papst Pius XII. als Dogma, daß die Jungfrau Maria, »nachdem sie ihren irdischen Lebenslauf vollendet hatte, mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen worden« ist. Diese Glaubenswahrheit war der Überlieferung bekannt, wurde von den Kirchenvätern bekräftigt und war vor allem ein wesentlicher Aspekt der Verehrung, die der Mutter Christi entgegengebracht wurde. Gerade das Element der Verehrung war sozusagen die entscheidende Antriebskraft für die Formulierung dieses Dogmas: Das Dogma ist gleichsam ein Lobpreis der allerseligsten Jungfrau. Das geht auch aus dem Text der Apostolischen Konstitution hervor, wo es heißt, daß das Dogma »zur Ehre des Sohnes, […] zur Mehrung der Herrlichkeit der erhabenen Gottesmutter, zur Freude und zum Jubel der ganzen Kirche« verkündigt wird. So wurde in dogmatischer Form das zum Ausdruck gebracht, was bereits in Verehrung und Frömmigkeit des Gottesvolkes als höchste und beständige Verherrlichung Mariens gefeiert wurde: Der Akt der Verkündigung der Aufnahme Mariens in den Himmel erwies sich gleichsam als eine Liturgie des Glaubens. Und im Evangelium, das wir soeben vernommen haben, spricht Maria selbst in prophetischer Weise Worte, die auf diese Perspektive hin ausgerichtet sind. Sie sagt: »Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter« (Lk 1,48). Es ist eine Prophezeiung für die ganze Kirchengeschichte.

Dieses Wort aus dem Magnifikat, das vom hl. Lukas überliefert wird, zeigt, daß der Lobpreis an die – mit ihrem Sohn Christus innig verbundene – Jungfrau und Gottesmutter die Kirche aller Zeiten und aller Orte betrifft. Und die Niederschrift dieser Worte von seiten des Evangelisten setzt voraus, daß die Verherrlichung Mariens zur Zeit des hl. Lukas bereits vorhanden war und er sie als eine Pflicht und eine Aufgabe der christlichen Gemeinschaft für alle Generationen betrachtete. Die Worte Mariens bedeuten, daß die Kirche die Pflicht hat, der Größe der Gottesmutter aufgrund des Glaubens zu gedenken. Dieses Hochfest ist also eine Einladung, Gott zu loben und auf die Größe der Gottesmutter zu schauen, denn wer Gott ist, das erkennen wir im Antlitz der Seinen.

Aber warum wird Maria durch die Aufnahme in den Himmel verherrlicht? Wie wir gehört haben, sieht der hl. Lukas die Wurzel des Lobpreises Marias im Wort der Elisabet: »Selig ist die, die geglaubt hat« (Lk 1,45). Und das Magnifikat, jener Lobgesang auf den lebendigen und in der Geschichte handelnden Gott, ist ein Hymnus des Glaubens und der Liebe, der aus dem Herzen der Jungfrau hervorgeht. Sie hat die Worte Gottes an sein Volk, die Verheißungen, die an Abraham, Isaak und Jakob ergangen sind, mit vorbildlicher Treue gelebt, sie in der Tiefe ihres Herzens bewahrt und sie zum Inhalt ihres Gebets gemacht: Das Wort Gottes ist im Magnifikat zum Wort Mariens geworden, zum Licht für ihren Weg, um sie bereit zu machen, das fleischgewordene Wort Gottes auch in ihrem Leib aufzunehmen. Der heutige Abschnitt aus dem Evangelium verweist auf diese Gegenwart Gottes in der Geschichte und im Ablauf der Ereignisse. Insbesondere gibt es einen Bezug zum Zweiten Buch Samuel im sechsten Kapitel (6,1–15), in dem David die heilige Bundeslade überführt. Der Vergleich, den der Evangelist zieht, ist deutlich: Maria, die die Geburt ihres Sohnes Jesus erwartet, ist die heilige Lade, die die Gegenwart Gottes in sich trägt, eine Gegenwart, die Quelle des Trostes, vollkommener Freude ist. Denn Johannes hüpft im Leib der Elisabet, genau wie David vor der Lade getanzt hatte. Maria ist der »Besuch« Gottes, der Freude schenkt. Zacharias wird es in seinem Lobgesang ausdrücklich sagen: »Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat sein Volk besucht und ihm Erlösung geschaffen « (Lk 1,68). Das Haus des Zacharias hat den Besuch Gottes erfahren durch die unerwartete Geburt Johannes des Täufers, vor allem aber durch die Gegenwart Mariens, die in ihrem Leib den Sohn Gottes trägt.

Aber jetzt fragen wir uns: Was gibt die Aufnahme Mariens in den Himmel unserem Weg, unserem Leben? Die erste Antwort lautet: In der Aufnahme Mariens in den Himmel sehen wir, daß in Gott Raum ist für den Menschen. Gott selbst ist das Haus mit den vielen Wohnungen, von dem Jesus spricht (vgl. Joh 14,2); Gott ist das Haus des Menschen, in Gott gibt es Raum Gottes. Und Maria, die sich mit Gott vereint, mit Gott vereint ist, entfernt sich nicht von uns, geht nicht in eine ferne Galaxie; vielmehr ist, wer zu Gott geht, uns nahe, weil Gott uns allen nahe ist, und Maria, die mit Gott vereint ist, hat teil an der Gegenwart Gottes, ist uns sehr nahe, einem jeden von uns. Es gibt ein schönes Wort des hl. Gregor des Großen über den hl. Benedikt, das wir auch auf Maria anwenden können: Der hl. Gregor der Große sagt, daß das Herz des hl. Benedikt so groß geworden ist, daß die gesamte Schöpfung in dieses Herz hineinpaßte. Das gilt noch mehr für Maria: Maria, die völlig mit Gott vereint ist, hat ein so großes Herz, daß die ganze Schöpfung in dieses Herz hineinpaßt, und die Votivgaben in allen Teilen der Welt zeigen das. Maria ist nahe, kann zuhören, kann helfen, sie ist uns allen nahe. In Gott ist Raum für den Menschen, und Gott ist nahe, und Maria, die mit Gott vereint ist, ist sehr nahe, sie hat ein Herz, das so weit ist wie das Herz Gottes.

Aber da ist auch der andere Aspekt: Es ist nicht nur in Gott Raum für den Menschen; im Menschen ist Raum für Gott. Auch das sehen wir in Maria, der heiligen Lade, die die Gegenwart Gottes trägt. In uns ist Raum für Gott, und diese Gegenwart Gottes in uns, die so wichtig ist, um der Welt in ihrer Traurigkeit, in ihren Problemen Licht zu schenken, diese Gegenwart wird im Glauben verwirklicht: Im Glauben öffnen wir die Türen unseres Daseins, damit Gott in uns hineinkommt, damit Gott die Kraft sein kann, die unserem Dasein Leben und Weg schenkt. In uns ist Raum, öffnen wir uns, wie Maria sich geöffnet hat, indem wir sagen: »Dein Wille möge verwirklicht werden, ich bin die Magd des Herrn.« Wenn wir uns Gott öffnen, verlieren wir nichts. Im Gegenteil: Unser Leben wird reich und groß. Und so gehören Glaube, Hoffnung und Liebe zusammen. Es gibt heute viele Worte über eine zu erwartende bessere Welt: das soll unsere Hoffnung sein. Ob und wann diese bessere Welt kommt, wissen wir nicht, weiß ich nicht. Sicher ist, daß eine Welt, die sich von Gott entfernt, nicht besser wird, sondern schlechter. Nur die Gegenwart Gottes kann auch eine gute Welt gewährleisten. Aber lassen wir das.

Eine Sache, eine Hoffnung ist sicher: Gott wartet auf uns, er erwartet uns, wir gehen nicht ins Leere, wir werden erwartet. Gott wartet auf uns, und wenn wir in die andere Welt gehen, finden wir die Güte der Mutter, finden wir unsere Lieben, finden wir die ewige Liebe. Gott erwartet uns: Das ist unsere große Freude und die große Hoffnung, die gerade aus diesem Fest heraus entsteht. Maria besucht uns, und das ist die Freude unseres Lebens, und die Freude ist Hoffnung.

Was soll man sagen? Ein großes Herz, die Gegenwart Gottes in der Welt, der Raum Gottes in uns und der Raum Gottes für uns, Hoffnung, Erwartetsein: Das ist die Symphonie dieses Festes, der Hinweis, den die Betrachtung dieses Hochfestes uns schenkt. Maria ist Morgenröte und Glanz der triumphierenden Kirche; dem pilgernden Volk ist sie ein Zeichen der Hoffnung und eine Quelle des Trostes, wie es in der heutigen Präfation heißt. Vertrauen wir uns ihrer mütterlichen Fürsprache an, auf daß sie uns vom Herrn erlange, unseren Glauben an das ewige Leben zu stärken; sie möge uns helfen, die Zeit, die Gott uns schenkt, gut und mit Hoffnung zu leben – einer christlichen Hoffnung, die nicht nur Sehnsucht nach dem Himmel ist, sondern das lebendige und aufrichtige Verlangen nach Gott hier in der Welt, das Verlangen nach Gott, das uns zu unermüdlichen Pilgern macht und in uns den Mut und die Kraft des Glaubens nährt, die gleichzeitig Mut und Kraft der Liebe sind. Amen.

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Quelle


 

EUCHARISTIEFEIER AM HOCHFEST
DER AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL

PREDIGT VON PAPST BENEDIKT XVI.

Pfarrkirche „San Tommaso da Villanova“, Castel Gandolfo
Montag, 15. August 2011

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Wieder einmal sind wir versammelt, um eines der ältesten und am meisten geliebten Feste zu feiern, die der allerseligsten Jungfrau Maria gewidmet sind: das Hochfest ihrer Aufnahme in die Herrlichkeit des Himmels mit Leib und Seele, also mit ihrem ganzen menschlichen Sein, in der Unversehrtheit ihrer Person. So ist uns die Gnade gegeben, unsere Liebe zu Maria zu erneuern, sie zu bewundern und zu loben für das »Große«, das der Allmächtige an ihr getan und in ihr gewirkt hat.

Durch die Betrachtung der Jungfrau Maria ist uns eine weitere Gnade gegeben: die Gnade, auch tief in unser eigenes Leben hineinblicken zu können. Ja, denn auch unser tägliches Leben, mit seinen Problemen und seinen Hoffnungen, erhält Licht von der Mutter Gottes, von ihrem geistlichen Weg, von der ihr verheißenen Herrlichkeit: ein Weg und ein Ziel, die in gewisser Weise unser eigener Weg und unser eigenes Ziel werden können und müssen. Wir lassen uns leiten von den Abschnitten der Heiligen Schrift, die die Liturgie uns heute vorlegt. Ich möchte insbesondere bei einem Bild verweilen, das wir in der Ersten Lesung finden, die der Offenbarung entnommen ist, und das im Lukasevangelium einen Widerhall findet: das Bild der »Bundeslade«.

In der Ersten Lesung haben wir gehört: »Der Tempel Gottes im Himmel wurde geöffnet, und in seinem Tempel wurde die Lade des Bundes sichtbar« (Offb 11,19). Welche Bedeutung hat die Lade? Was wird sichtbar? Für das Alte Testament ist sie das Symbol der Gegenwart Gottes unter seinem Volk. Aber das Symbol hat nunmehr der Wirklichkeit Platz gemacht. So sagt uns das Neue Testament, daß die wahre Lade des Bundes eine lebendige und konkrete Person ist: die Jungfrau Maria. Gott wohnt nicht in einem beweglichen Möbel, Gott wohnt in einer Person, in einem Herzen: in Maria, die den menschgewordenen ewigen Sohn Gottes, Jesus, unseren Herrn und Erlöser, in ihrem Schoß getragen hat. Bekanntlich wurden in der Lade die beiden Tafeln mit dem Gesetz des Mose aufbewahrt, die den Willen Gottes, den Bund mit seinem Volk zu wahren, zum Ausdruck brachten und die Bedingungen aufzeigten, dem Bund mit Gott treu zu sein, um sich dem Willen Gottes und damit auch unserer tiefsten Wahrheit anzugleichen. Maria ist die Lade des Bundes, weil sie Jesus in sich aufgenommen hat. Sie hat das lebendige Wort in sich aufgenommen, alles, was im Willen Gottes, in der Wahrheit Gottes enthalten ist; sie hat denjenigen in sich aufgenommen, der der neue und ewige Bund ist. Dieser Bund hat seinen Höhepunkt gefunden in der Hingabe seines Leibes und seines Blutes: des Leibes und des Blutes, die er von Maria empfangen hat. Zu Recht ruft die christliche Frömmigkeit sie daher in den Litaneien zu Ehren der Gottesmutter an als »Foederis Arca«, also »Arche des Bundes«, Lade der Gegenwart Gottes, Lade des Bundes der Liebe, den Gott in Christus endgültig mit der gesamten Menschheit geschlossen hat.

Der Abschnitt aus der Offenbarung soll auf einen weiteren wichtigen Aspekt der Wirklichkeit Mariens verweisen. Ihr, der lebendigen Lade des Bundes, ist eine außerordentliche Herrlichkeit verheißen, weil sie mit dem Sohn, den sie im Glauben angenommen und im Fleisch hervorgebracht hat, so eng verbunden ist, daß sie völligen Anteil hat an seiner himmlischen Herrlichkeit. Das vermitteln uns die Worte, die wir gehört haben: »Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt. Sie war schwanger … Und sie gebar ein Kind, einen Sohn, der über alle Völker … herrschen wird« (12,1–2;5).

Die Größe Mariens: Sie ist die Mutter Gottes, die Begnadete, die vollkommen fügsam ist gegenüber dem Wirken des Heiligen Geistes, sie lebt bereits in Gottes Himmel mit ihrem ganzen Sein, Seele und Leib. Der hl. Johannes von Damaskus sagt in einer berühmten Predigt in bezug auf dieses Geheimnis: »Heute wird die heilige und einzigartige Jungfrau zum himmlischen Tempel geführt … Heute ruht die heilige und vom lebendigen Gott beseelte Lade, [die Lade], die ihren eigenen Schöpfer im Schoß getragen hat, im Tempel des Herrn, der nicht von Menschenhand erbaut ist« (In Dormitionem sanctissimae Dei Genitricis ac perpetuae Virginis Mariae 2, PG 96,723). Und weiter sagt er: »Sie, die den göttlichen ›Logos‹ in ihrem Schoß getragen hatte, mußte in die Zelte ihres Sohnes eingehen … Die Braut, die der Vater sich erwählt hatte, mußte im Brautgemach des Himmels wohnen« (ebd. 14,PG 96,742).

Heute feiert die Kirche die unendliche Liebe Gottes zu diesem seinem Geschöpf: Er hat sie erwählt als wahre »Lade des Bundes«; als diejenige, die Christus, den Erlöser, immerfort hervorbringt und ihn der Menschheit schenkt; als diejenige, die im Himmel Anteil hat an der Fülle der Herrlichkeit, die Gottes Glückseligkeit genießt und gleichzeitig auch uns einlädt, auf unsere bescheidene Weise zur »Lade« zu werden, in der das Wort Gottes gegenwärtig ist, damit die Menschen im anderen Menschen der Nähe Gottes begegnen können und so in Gemeinschaft mit Gott leben und die Wirklichkeit des Himmels kennenlernen können.

Der Abschnitt aus dem Lukasevangelium, den wir soeben gehört haben (vgl. Lk 1,39–56), zeigt uns diese lebendige Lade, Maria, in Bewegung: Sie hat ihr Haus in Nazaret verlassen und eilt in eine Stadt im Bergland von Judäa, um in das Haus von Zacharias und Elisabet zu gehen. Es scheint mir wichtig hervorzuheben, daß sie »eilt«: Die Dinge Gottes verdienen Eile, ja die einzigen Dinge der Welt, die Eile verdienen, sind die Dinge Gottes. Sie sind wirklich dringlich in unserem Leben.

Maria betritt also das Haus des Zacharias und der Elisabet, aber sie betritt es nicht allein. Als sie es betritt, trägt sie im Schoß ihren Sohn, Gott selbst, der Mensch geworden ist. Gewiß wurde sie, wurde ihre Hilfe in jenem Haus erwartet, aber der Evangelist gibt uns zu verstehen, daß diese Erwartung auf eine andere, eine tiefere verweist. Zacharias, Elisabet und der kleine Johannes der Täufer sind nämlich das Symbol für alle Gerechten Israels, deren Herz hoffnungsvoll auf das Kommen des Messias, des Erlösers wartet. Und der Heilige Geist öffnet Elisabet die Augen und läßt sie in Maria die wahre Lade des Bundes erkennen, die Mutter Gottes, die kommt, um sie zu besuchen. Und so empfängt ihre betagte Verwandte sie, indem sie »mit lauter Stimme« ruft: »Gesegnet bis du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt?« (Lk 1,42–43). Und der Heilige Geist öffnet in ihrer Anwesenheit, da sie den menschgewordenen Gott in ihrem Schoß trägt, auch das Herz Johannes’ des Täufers in Elisabets Leib. Elisabet ruft aus: »In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib« (V. 44). Hier benutzt der Evangelist Lukas den Ausdruck »skirtan«, also »hüpfen«. Denselben Ausdruck finden wir in einer der antiken griechischen Übersetzungen des Alten Testaments, um den Tanz des Königs David vor der heiligen Lade zu beschreiben, die endlich in die Heimat zurückgekehrt ist (2 Sam 6,16). Wie David tanzt Johannes der Täufer im Leib seiner Mutter vor der Lade des Bundes und bekennt so: Maria ist die neue Lade des Bundes, vor der das Herz freudig jubelt, die Mutter des in der Welt gegenwärtigen Gottes. Und sie behält diese göttliche Gegenwart nicht für sich, sondern bietet sie dar und teilt die Gnade Gottes mit den anderen. So ist Maria – wie es im Gebet heißt – wirklich »causa nostrae laetititae«, die »Lade«, in der der Erlöser wirklich unter uns gegenwärtig ist.

Liebe Brüder! Wir sprechen von Maria, aber in gewissem Sinne sprechen wir auch von uns, von jedem von uns: Auch wir sind Empfänger jener unendlichen Liebe, die Gott – ganz gewiß in absolut einzigartiger und unwiederholbarer Weise – Maria vorbehalten hat. Heute am Hochfest ihrer Aufnahme in den Himmel blicken wir auf Maria. Sie macht uns offen für die Hoffnung, für eine Zukunft voll Freude, und sie lehrt uns den Weg, sie zu erlangen: ihren Sohn im Glauben annehmen; nie die Freundschaft mit ihm verlieren, sondern uns von seinem Wort erleuchten und leiten lassen; ihm täglich nachfolgen, auch in den Augenblicken, in denen wir spüren, daß unser Kreuz schwer auf uns lastet. Maria, die Lade des Bundes, die im Heiligtum des Himmels ist, zeigt uns mit leuchtender Klarheit, daß wir auf dem Weg sind zu unserem wahren Zuhause, der Gemeinschaft der Freude und des Friedens mit Gott. Amen!

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HEILIGE MESSE AM HOCHFEST DER AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL

PREDIGT VON PAPST BENEDIKT XVI.

Pfarrkirche des hl. Thomas von Villanova, Castel Gandolfo
Sonntag, 15. August 2010


Bilder von der Messfeier

 

Eminenz,
Exzellenz,
geehrte Obrigkeiten,
liebe Brüder und Schwestern!

Heute feiert die Kirche eines der wichtigsten Feste im Kirchenjahr, die der allerseligsten Jungfrau Maria gewidmet sind: Mariä Himmelfahrt. Am Ende ihres irdischen Lebens ist Maria mit Leib und Seele in den Himmel erhoben worden, das heißt in die Herrlichkeit des ewigen Lebens, in die volle und vollkommene Gemeinschaft mit Gott.

Dieses Jahr begehen wir den 60. Jahrestag, seit der ehrwürdige Diener Gottes Papst Pius XII. am 1. November 1950 dieses Dogma feierlich verkündet hatte, und ich möchte die Formel der Dogmatisierung vorlesen, wenngleich sie ein wenig kompliziert ist. Der Papst sagte: »Deshalb hat es die erhabene Mutter Gottes, mit Jesus Christus von aller Ewigkeit her durch ein und denselben Ratschluß der Vorherbestimmung auf geheimnisvolle Weise verbunden, unbefleckt in ihrer Empfängnis, in ihrer göttlichen Mutterschaft völlig unversehrte Jungfrau, die edle Gefährtin des göttlichen Erlösers, der den völligen Triumph über die Sünde und ihre Folgen davongetragen hat, schließlich als höchste Krone ihrer Vorrechte erlangt, daß sie von der Verwesung des Grabes unversehrt bewahrt wurde und daß sie, wie schon ihr Sohn, nach dem völligen Sieg über den Tod mit Leib und Seele zur erhabenen Herrlichkeit des Himmels emporgehoben wurde, wo sie zur Rechten eben dieses ihres Sohnes, des unsterblichen Königs der Zeiten, als Königin erstrahlen sollte« (Apostolische Konstitution Munificentissimus Deus, AAS 42 [1950], 768–769).

Das also ist der Kern unseres Glaubens an die Aufnahme in den Himmel: Wir glauben, daß Maria wie Christus, ihr Sohn, bereits über den Tod gesiegt hat und schon in der himmlischen Herrlichkeit in der Ganzheit ihres Seins »mit Leib und Seele« den Triumph fortträgt. In der zweiten Lesung von heute hilft uns der hl. Paulus, etwas Licht auf dieses Geheimnis zu werfen, während er von der zentralen Tatsache der Menschheitsgeschichte und unseres Glaubens ausgeht: das heißt von der Tatsache der Auferstehung Christi, der der »Erste der Entschlafenen« ist. Versenkt in sein Paschageheimnis sind wir seines Sieges über die Sünde und den Tod teilhaftig geworden. Hierin liegen das überraschende Geheimnis und das Schlüsselereignis der gesamten menschlichen Geschichte. Der hl. Paulus sagt uns, daß wir alle in Adam, den ersten und alten Menschen, »einverleibt« sind, wir alle besitzen dasselbe menschliche Erbe; zu diesem gehören: das Leid, der Tod, die Sünde. Doch zu dieser Wirklichkeit, die wir alle jeden Tag sehen und erleben können, kommt etwas Neues hinzu: Wir stehen nicht nur in diesem Erbe des einzigen Menschseins, das mit Adam seinen Anfang genommen hat, sondern wir sind auch in den neuen Menschen »einverleibt«, in den auferstandenen Christus, und so ist das Leben der Auferstehung bereits in uns gegenwärtig. Diese erste biologische »Einverleibung« ist also eine Einverleibung in den Tod, eine Einverleibung, die den Tod hervorbringt. Die zweite und neue, die uns in der Taufe geschenkt wird, ist die »Einverleibung«, die das Leben schenkt. Ich zitiere noch einmal die zweite Lesung von heute, in welcher der hl. Paulus sagt: »Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden. Es gibt aber eine bestimmte Reihenfolge: Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören« (1 Kor 15, 21–24).

Was der hl. Paulus von allen Menschen erklärt, sagt nun die Kirche in ihrem unfehlbaren Lehramt von Maria, auf klare Weise und in einem genauen Sinn: Die Gottesmutter ist derart in das Geheimnis Christi eingeschrieben, daß sie der Auferstehung ihres Sohnes mit ihrem ganzen Sein bereits am Ende ihres irdischen Lebens teilhaftig wird; sie lebt das, was wir am Ende der Zeiten erwarten, wenn der »letzte Feind«, der Tod, vernichtet werden wird (vgl. 1 Kor 15,26); sie lebt bereits das, was wir im Glaubensbekenntnis erklären: »Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt.«

So dürfen wir uns fragen: Was sind die Wurzeln dieses Sieges über den Tod, der in Maria wunderbar vorweggenommen ist? Die Wurzeln liegen im Glauben der Jungfrau von Nazaret, wie der Abschnitt aus dem Evangelium bezeugt, den wir soeben gehört haben (Lk 1,39–56): ein Glaube, der Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes und völlige Hingabe an die Initiative und das Wirken Gottes ist, entsprechend dem, was ihr der Erzengel verkündet. Der Glaube ist also die Größe Mariens, wie Elisabet voller Freude ausruft: Maria ist »gesegnet unter den Frauen«, »gesegnet ist die Frucht ihres Leibes«, da sie »die Mutter des Herrn« ist, da sie glaubt und auf einzigartige Weise die »erste« der Seligkeiten lebt, die Seligkeit des Glaubens. Elisabet bekennt es in ihrer Freude und in der des Kindes, das in ihrem Leib hüpft: »Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ« (V. 45). Liebe Freunde, beschränken wir uns nicht darauf, Maria in ihrer Bestimmung zur Herrlichkeit als einen Menschen zu bewundern, der weit weg von uns ist: Nein! Wir sind dazu aufgerufen, auf das zu blicken, was der Herr in seiner Liebe auch für uns gewollt hat, für unsere endgültige Bestimmung: durch den Glauben mit ihm in der vollkommenen Gemeinschaft der Liebe zu leben und so wahrhaft zu leben.

Diesbezüglich möchte ich bei einem Aspekt der dogmatischen Erklärung verweilen, wo von der Aufnahme in die himmlische Herrlichkeit die Rede ist. Wir alle sind uns heute bewußt, daß wir uns mit dem Begriff »Himmel« nicht auf irgendeinen Ort im Universum beziehen, auf einen Stern oder ähnliches: Nein. Wir beziehen uns auf etwas, das viel größer und schwer mit unseren begrenzten menschlichen Begriffen zu bestimmen ist. Mit diesem Begriff des »Himmels« wollen wir sagen, daß uns Gott, der Gott, der uns nahe geworden ist, nicht einmal im Tod und jenseits des Todes verläßt, sondern einen Platz für uns hat und uns die Ewigkeit schenkt; wir wollen sagen, daß es in Gott einen Platz für uns gibt. Um diese Wirklichkeit ein wenig besser zu verstehen, wollen wir auf unser Leben blicken: Wir alle machen die Erfahrung, daß ein Mensch, wenn er gestorben ist, in einer bestimmten Weise in der Erinnerung und im Herzen derer weiterlebt, die ihn gekannt und geliebt haben. Wir könnten sagen, daß in ihnen ein Teil dieser Person weiterlebt, doch sie ist wie ein »Schatten«, da auch dieses Weiterleben im Herzen der Lieben dazu bestimmt ist, zu einem Ende zu kommen. Gott hingegen vergeht nie, und wir alle existieren kraft seiner Liebe. Wir existieren, weil er uns liebt, weil er uns gedacht und ins Leben gerufen hat. Wir existieren in den Gedanken und in der Liebe Gottes. Wir existieren in unserer gesamten Wirklichkeit, nicht nur als unser »Schatten«. Unsere Zuversicht, unsere Hoffnung, unser Friede gründen gerade darin, daß in Gott, in seinem Gedanken und in seiner Liebe, nicht nur ein »Schatten« unserer selbst überlebt, sondern in ihm, in seiner Schöpferliebe werden wir behütet und mit unserem ganzen Leben, mit unserem ganzen Sein in die Ewigkeit eingeführt.

Es ist seine Liebe, die über den Tod siegt und uns die Ewigkeit schenkt, und es ist diese Liebe, die wir »Himmel« nennen: Gott ist so groß, daß er auch für uns Platz hat. Und der Mensch Jesus, der gleichzeitig Gott ist, ist für uns die Gewährleistung dessen, daß Mensch-Sein und Gott-Sein auf ewig miteinander existieren und leben können. Das will heißen, daß von einem jeden von uns nicht nur ein Teil fortbestehen wird, der uns sozusagen entrissen worden ist, während andere Teile vergehen; es will vielmehr besagen, daß Gott den ganzen Menschen, der wir sind, kennt und liebt. Und Gott nimmt in seine Ewigkeit das auf, was jetzt, in unserem Leben, das aus Leiden und Liebe, aus Hoffnung, Freude und Traurigkeit besteht, wächst und ins Sein kommt. Der ganze Mensch, sein ganzes Leben wird von Gott genommen und empfängt – in ihm gereinigt – die Ewigkeit.

Liebe Freunde, ich denke, daß dies eine Wahrheit ist, die uns mit tiefer Freude erfüllen muß. Das Christentum verkündet nicht nur irgendein Heil der Seele in einem nicht weiter bestimmten Jenseits, in dem alles, was in dieser Welt kostbar und teuer gewesen ist, ausgelöscht werden würde, sondern es verheißt das ewige Leben, »das Leben der kommenden Welt«: Nichts von dem, was uns kostbar und teuer ist, wird vergehen, sondern es wird Fülle in Gott finden. Alle Haare auf unserem Kopf sind gezählt, sagte Jesus eines Tages (vgl. Mt 10,30). Die endgültige Welt wird auch die Vollendung dieser Erde sein, wie der hl. Paulus sagt: »Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes« (Röm 8,21). So ist zu verstehen, wie das Christentum eine starke Hoffnung auf eine lichtvolle Zukunft schenkt und einen Weg zur Verwirklichung dieser Zukunft auftut. Gerade als Christen sind wir dazu berufen, diese neue Welt zu errichten, zu arbeiten, damit sie eines Tages die »Welt Gottes« werde, eine Welt, die über all das hinausgehen wird, was wir errichten könnten. In der in den Himmel aufgenommenen Jungfrau Maria, die gänzlich der Auferstehung des Sohnes teilhaftig ist, betrachten wir die Verwirklichung des menschlichen Geschöpfes nach der »Welt Gottes«. Beten wir zum Herrn, daß er uns begreifen lasse, wie kostbar in seinen Augen unser ganzes Leben ist; er stärke unseren Glauben an das ewige Leben; er lasse uns Menschen der Hoffnung sein, die für den Aufbau einer Welt wirken, die offen ist für Gott, Menschen voller Freude, die es verstehen, die Schönheit der künftigen Welt inmitten der Mühen des alltäglichen Lebens zu erkennen, und die in dieser Gewißheit leben, glauben und hoffen. Amen.

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