Archiv der Kategorie: WELTGEBETSTAG DER RELIGIONEN FÜR DEN FRIEDEN
Die offizielle päpstliche Botschaft zum Weltfriedenstreffen 2017 in Münster und Osnabrück
BOTSCHAFT VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE TEILNEHMER DES INTERNATIONALEN WELTFRIEDENSTREFFENS
„WEGE DES FRIEDENS“
[Münster und Osnabrück, 10.-12. September 2017]
Verehrte, liebe Vertreter der christlichen Kirchen und Gemeinschaften und der Weltreligionen,
Ihnen allen entbiete ich meinen herzlichen Gruß und versichere Ihnen meine geistliche Nähe.
Auf Initiative der Diözesen Münster und Osnabrück sowie der Gemeinschaft Sant’Egidio, denen ich vielmals danke, sind Sie zu einem weiteren internationalen Treffen mit dem Titel „Wege des Friedens“ zusammengekommen. Dieser Weg des Friedens und des Dialogs, den der heilige Johannes Paul II. 1986 in Assisi gewünscht und angestoßen hat und dessen dreißigsten Jahrestag wir letztes Jahr gemeinsam begehen durften, ist aktuell und notwendig: Konflikte, verbreitete Gewalt, Terrorismus und Kriege bedrohen heute Millionen von Menschen, treten die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens mit Füßen und machen alle noch schwächer und verwundbarer.
Das Thema dieses Jahres lädt dazu ein, neue Wege des Friedens zu öffnen und zu bauen. Dies ist nötig, besonders dort, wo Konflikte ohne Ausweg zu sein scheinen, wo man keine Wege zur Versöhnung einschlagen will, wo man auf Waffen vertraut und nicht auf den Dialog und so ganze Völker in der Nacht der Gewalt belässt ohne Hoffnung auf einen Morgen des Friedens. Viele, zu viele haben immer noch „Durst nach Frieden“, wie wir es letztes Jahr in Assisi gesagt haben. Neben den politischen und gesellschaftlichen Verantwortungsträgern, deren Auftrag es ist, den Frieden für alle heute und in der Zukunft zu fördern, sind die Religionen dazu berufen, vor allem mit dem Gebet und mit dem konkreten, demütigen und konstruktiven Einsatz diesem Verlangen zu entsprechen und zusammen mit den Männern und Frauen guten Willens unermüdlich Wege des Friedens auszumachen und zu öffnen.
Angesichts der Unvernunft derer, die Gott herabwürdigen, indem sie Hass säen, angesichts des Dämons des Krieges, des Wahnsinns des Terrorismus und der trügerischen Stärke der Waffen kann unser Weg für den Frieden nur ein Weg des Friedens sein, jener nämlich, der die »vielen religiösen Traditionen, für die Mitleid und Gewaltlosigkeit wesentlich sind und den Weg des Lebens weisen«, vereint (Botschaft zum Weltfriedenstag, 1. Januar 2017, 4). Um Durchgänge des Friedens zu öffnen, braucht es demütigen Mut und beharrliche Ausdauer. Insbesondere ist es nötig zu beten, denn – so glaube ich fest – das Gebet steht am Anfang des Friedens. Als Religionsführer haben wir vor allem in diesem geschichtlichen Moment auch eine besondere Verantwortung: Menschen des Friedens zu sein und als solche zu leben, die bezeugen und in Erinnerung rufen, dass Gott den Krieg verabscheut, dass Krieg niemals heilig ist, dass Gewalt niemals im Namen Gottes verübt oder gerechtfertigt werden kann. Darüber hinaus sind wir berufen, die Gewissen wachzurütteln, Hoffnung zu verbreiten sowie Friedensstifter zu erwecken und zu unterstützen.
Was wir nicht machen können und dürfen, ist gleichgültig bleiben, so dass die Tragödien des Hasses in Vergessenheit geraten und man sich mit der Vorstellung abfindet, dass der Mensch weggeworfen wird und ihm Macht und Gewinn vorgezogen werden. Das Treffen dieser Tage möchte Wege des Friedens und für den Frieden öffnen und stärken und will offenbar genau dieser Einladung entsprechen: die Gleichgültigkeit gegenüber dem menschlichen Leid überwinden. Dafür danke ich Ihnen und ebenso dafür, dass Sie trotz der Unterschiede beisammen sind, um nach Wegen zu suchen, die von den Übeln des Krieges und des Hasses befreien. Der erste Schritt dazu besteht in der Fähigkeit, den Schmerz des anderen zu hören, ihn zu seinem eigenen zu machen, den anderen nicht fallen zu lassen und sich nicht daran zu gewöhnen. Nie darf man sich an das Übel gewöhnen, nie darf man ihm gegenüber gleichgültig sein.
Und doch kann man sich fragen: Was soll man angesichts so großen um sich greifenden und wütenden Übels tun? Ist es nicht zu stark? Ist nicht jeder Einsatz umsonst? Gegenüber diesen Fragen läuft man Gefahr, sich von der Resignation lähmen zu lassen. Sie hingegen haben sich auf den Weg gemacht und haben sich heute versammelt, um eine Antwort zu geben, ja, schon Ihr Zusammenkommen stellt eine Antwort des Friedens dar: nie wieder die einen gegen die anderen, sondern die einen gemeinsam mit den anderen. Die Religionen können nichts anderes als Frieden wollen; sie sind tätig im Gebet, sie sind bereit, sich über die Wunden des Lebens und über die Unterdrückten der Geschichte zu beugen, und sie sind wachsam, der Gleichgültigkeit entgegenzuwirken und Wege der Gemeinschaft zu fördern.
Es ist bedeutungsvoll, dass Ihr Treffen im Herzen Europas stattfindet, in dem Jahr, in dem dieser Kontinent sechzig Jahre Gründungsverträge der Union feiert, die 1957 in Rom unterzeichnet wurden. Der Friede bildet das Herz des Aufbaus Europas nach den Trümmern zweier verheerender Weltkriege und der schrecklichen Tragödie der Shoah. Ihre Anwesenheit in Deutschland möge ein Zeichen und eine Ermahnung für Europa sein, den Frieden zu pflegen, nämlich durch seinen Einsatz, Wege einer festeren Einheit im Innern und eine immer größeren Öffnung nach außen zu bauen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass der Friede nicht nur Frucht des menschlichen Einsatzes ist, sondern der Öffnung auf Gott hin.
So öffnen wir weiter gemeinsam neue Wege des Friedens. Lichter des Friedens mögen entzündet werden, wo die Finsternis des Hasses herrscht. Es möge der »Wille aller Menschen [sein], dass sie die Schranken zerbrechen, die die einen von den andern trennen; dass sie die Bande gegenseitiger Liebe festigen, einander besser verstehen; dass sie schließlich allen verzeihen, die ihnen Unrecht getan haben. So werden […] alle Völker sich brüderlich umarmen, und so wird stets in ihnen der ersehnte Friede herrschen« (Johannes XXIII., Enzyklika Pacem in terris, 91).
Aus dem Vatikan, am 28. August 2017
Franziskus
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Der interreligiöse Dialog als Weg zum Frieden
ERÖFFNUNG EINES KURSES FÜR DIPLOMATEN
AUS ISLAMISCHEN LÄNDERN AN DER
PÄPSTLICHEN UNIVERSITÄT GREGORIANA
ANSPRACHE VON KARDINAL TARCISIO BERTONE
Montag, 7. Mai 2007
Der interreligiöse Dialog als Weg zum Frieden
Hochwürdige Patres,
verehrte Autoritäten,
meine Damen und Herren!
Ich möchte die Organisatoren und die Teilnehmer an dem Kurs »Die katholische Kirche und die internationale Politik des Heiligen Stuhls« für Diplomaten aus den Ländern des Mittelmeerraumes und des Nahen Ostens ehrerbietig begrüßen. Besonders danke ich dem Hw. Pater Franco Imoda, Präsident der Stiftung »La Gregoriana«, in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Kurses, und Professor Roberto Papini, Generalsekretär des internationalen Instituts »Jacques Maritain«, als ausführendem Direktor des Kurses. Meine Anerkennung gilt auch dem Hw. P. Gianfranco Ghirlanda, Rector Magnificus der Päpstlichen Universität Gregoriana, die uns Gastfreundschaft gewährt. Schließlich richte ich an Sie alle einen herzlichen und freundschaftlichen Gruß. Diese Initiative, an der angesehene Institutionen mitwirken, erscheint in der aktuellen geschichtlichen Situation notwendiger denn je, um qualifizierte Vertreter der muslimischen Welt in angemessener Weise mit dem Denken und der Tätigkeit der katholischen Kirche bekannt zu machen. Das gegenseitige Kennenlernen ist in der Tat der erste und notwendige Schritt, um eine harmonische Entwicklung des Dialogs und eine dauerhafte und gewinnbringende Zusammenarbeit sicherzustellen.
Das mir vorgeschlagene Thema – »Der interreligiöse Dialog als Weg zum Frieden« – ist anregend und aktueller denn je bei der Suche nach dem Dialog zwischen den Religionen sowie für die Zukunftsperspektiven der Welt. Darum bewahrt der Heilige Stuhl ständiges und aufrichtiges Interesse am Dialog.
Das hat der Heilige Vater Benedikt XVI. bei der Begegnung mit den Vertretern einiger muslimischer Gemeinden am 20. August 2005 in Köln klar ausgesprochen: »Der interreligiöse und interkulturelle Dialog zwischen Christen und Muslimen darf nicht auf eine Saisonentscheidung reduziert werden. Tatsächlich ist er eine vitale Notwendigkeit, von der zum großen Teil unsere Zukunft abhängt.« Hier sehen wir den religiösen Dialog im Dienst des Friedens. Die Suche nach Frieden liegt bekanntlich dem Heiligen Stuhl sehr am Herzen. Ich werde mich darauf beschränken, einige ausdrückliche Bezugnahmen auf dieses Thema anzuführen, welche in den Botschaften enthalten sind, die der Papst seit über dreißig Jahren anläßlich des Weltfriedenstages an die Staatsoberhäupter, an die Katholiken und an die Menschen guten Willens sendet.
1. Der Dialog für den Frieden, eine Herausforderung für unsere Zeit
Das Thema der Botschaft zum Weltfriedenstag 1983 lautete: »Der Dialog für den Frieden: eine Herausforderung für unsere Zeit.« Darin sagte der verehrte Papst Johannes Paul II., er sei zutiefst davon überzeugt, daß der Dialog – ein echter Dialog – eine wesentliche Bedingung für den Frieden ist, und bemerkte: »Ja, dieser Dialog ist notwendig, nicht nur opportun; er ist schwierig, aber möglich, trotz der Hindernisse, die wir, realistisch gesehen, dabei beachten müssen. Er stellt deshalb eine echte Herausforderung dar, die ich euch bitte, anzunehmen« (Insegnamenti Giovanni Paolo II, 1982/III, S. 1542). Und er fügte hinzu: ein echter Dialog geht aus »von der Suche nach dem Wahren, dem Guten und dem Gerechten für jeden Menschen, für jede Gruppe und jede Gesellschaft« (ebd., S. 1545). Der Dialog verlangt daher eine wirkliche Öffnung und gegenseitige Annahme in Respekt und Verständnis für die Verschiedenheit und die Besonderheit des anderen. Zugleich ist der Dialog Suche nach dem, was den Menschen gemeinsam ist und ihnen, auch inmitten von Spannungen, Widerständen und Konflikten, gemeinsam bleibt. Alles in allem ist der wahre Dialog die Suche nach dem Guten mit friedlichen Mitteln; er ist eine Anerkennung der unveräußerlichen Würde der Menschen und stützt sich auf die Achtung vor dem menschlichen Leben.
2. Dialog zwischen den Kulturen für eine Zivilisation der Liebe und des Friedens
Im Jahr 2001 hatte die Botschaft zum Weltfriedenstag als Thema »Dialog zwischen den Kulturen für eine Zivilisation der Liebe und des Friedens.« In einer Analyse über den Dialog zwischen den verschiedenen Kulturen und Traditionen der Völker zeigte der Heilige Vater im Dialog den notwendigen Weg für den Aufbau einer versöhnten Welt auf, die fähig ist, mit Gelassenheit in ihre Zukunft zu blicken. Die Kultur – schrieb er – ist die qualifizierte Äußerung des Menschen und seiner Geschichte. Menschsein bedeutet notwendigerweise Leben in einer bestimmten Kultur. Wenn es daher einerseits darauf ankommt, daß man die Werte der eigenen Kultur zu schätzen weiß, so ist andererseits das Bewußtsein erforderlich, daß jede Kultur, da sie ein typisch menschliches und geschichtlich bedingtes Produkt ist, notwendigerweise auch Grenzen einschließt. Ein wirksames Mittel dagegen, daß das kulturelle Zugehörigkeitsgefühl zur Abschottung wird, ist das unparteiliche, nicht von negativen Vorurteilen bestimmte Kennenlernen der anderen Kulturen (vgl. Nr. 7) (Insegnamenti Giov. Paolo II, 2000/II, S. 1066–1067). Wir können somit sagen – wie kürzlich von Seiner Exzellenz Francesco Follo bei der 176. Sitzung des Exekutivrates der UNESCO betont wurde –, daß die verschiedenen Kulturen, auch wenn sie von unterschiedlichen Interpretationen der Wirklichkeit geprägt sind, in der Grunderfahrung der menschlichen Situation, wo es um Fragen über Geburt und Tod, über Arbeit, Krankheit, soziale Ungerechtigkeit, die Erhaltung unseres Planeten geht, tief miteinander verbunden sind.
Unter diesem Aspekt erweist sich der Dialog zwischen den Kulturen als ein inneres Erfordernis der Natur des Menschen und der Kultur; er trägt dazu bei, den Reichtum der Unterschiedlichkeit anzuerkennen, indem er die Herzen zur gegenseitigen Annahme bereit macht, im Ausblick auf eine echte Zusammenarbeit, wie sie der ursprünglichen Berufung der ganzen Menschheitsfamilie zur Einheit entspricht. Der Dialog als solcher ist ein hervorragendes Werkzeug, um die Zivilisation der Liebe und des Friedens zu verwirklichen, die Papst Paul VI. als das Ideal bezeichnete, von dem sich das kulturelle, soziale, politische und wirtschaftliche Leben unserer Zeit inspirieren lassen sollte.
Angesichts der wachsenden Ungleichheiten in der Welt ist der erste gemeinsame Wert, dessen Bewußtmachung stärker gefördert werden muß, sicher die Solidarität. Aber im Mittelpunkt einer authentischen Kultur der Solidarität steht die Förderung der Gerechtigkeit, die eng mit dem Wert des Friedens verbunden ist, dem Hauptziel jeder Gesellschaft und gemeinsamen Gut für ein wirkliches nationales und internationales Zusammenleben. Außerdem ist zu betonen, daß ein echter Dialog zwischen den Kulturen auch eine lebendige Sensibilität für den Wert des Lebens nähren muß, das niemals als willkürlich verfügbares Objekt betrachtet werden darf, sondern als die heiligste und unantastbare Wirklichkeit. Wenn der Schutz eines so grundlegenden Gutes vernachlässigt wird, kann es keinen Frieden geben; man kann nicht zum Frieden aufrufen und das Leben mißachten.
3. Die Gläubigen vereint im Aufbau des Friedens: Der interreligiöse Dialog als Weg zum Frieden
Was die Rolle der Religion und des interreligiösen Dialogs zugunsten des Friedens betrifft, scheint mir die Botschaft zum Weltfriedenstag 1992 von großem Interesse. In ihr hebt Johannes Paul II. mehrmals die Aufgabe der Gläubigen hervor, die »ja auf Grund ihres Glaubens – als einzelne und alle zusammen – dazu berufen sind, Boten und Baumeister des Friedens zu sein« (Insegnamenti G.P. II, 1991/II, S. 1332). Das ist nicht die Aufgabe einer Elite, einer »Nische«, wie man heute sagt, sondern »sie betrifft jeden Menschen guten Willens« (ebd.), auch wenn diese »Verpflichtung allen dringend auferlegt ist, die sich zum Glauben an Gott bekennen« (ebd.).
In den heiligen Büchern der verschiedenen Religionen nimmt der Bezug zum Frieden im Rahmen des Lebens des Menschen und seiner Beziehung zu Gott einen wichtigen Platz ein. In diesem Zusammenhang bemerkt Papst Wojtyla: »Religiöses Leben muß, wenn es authentisch gelebt wird, Früchte des Friedens und der Brüderlichkeit hervorbringen« (ebd., Nr. 2, S. 1333).
Man versteht also leicht die Bedeutung des Gebets für den Frieden als Faktor der Begegnung und Einheit, »wo Ungleichheiten, Unverständnis, Groll und Feindseligkeiten überwunden werden, nämlich vor Gott, dem Herrn und Vater aller« (ebd., Nr. 4, S. 1335). Zur Friedensförderung müssen zusammen mit dem Gebet die interreligiösen Kontakte und der ökumenische Dialog in Gang gebracht werden. »Dank diesen Formen der Gegenüberstellung und des Austausches« – schreibt Johannes Paul II. – »konnten sich die Religionen ihrer gewiß nicht leichten Verantwortung hinsichtlich des wahren Wohles der ganzen Menschheit klarer bewußt werden … Ein solches Vorgehen der Gläubigen kann entscheidend sein für die Befriedung der Völker und die Überwindung der immer noch bestehenden Spaltungen zwischen ›Zonen‹ und ›Welten‹« (ebd., Nr. 5, S. 1335–1336). Und er schließt: »Die interreligiösen Kontakte scheinen neben dem ökumenischen Dialog nunmehr die vorgeschriebenen Wege zu sein, damit so viele schmerzliche Verletzungen, die im Laufe der Jahrhunderte geschehen sind, nicht mehr vorkommen und die noch vorhandenen schnell geheilt werden« (ebd., Nr. 6, S. 1336).
4. Das interreligiöse Gebetstreffen von Assisi
Als historisches Ereignis, als Meilenstein im interreligiösen Dialog im Dienst des Friedens hat sich das Treffen vom 27. Oktober 1986 in Assisi erwiesen. Im Abstand von zwanzig Jahren hat Papst Benedikt XVI. am 2. September 2006 in einem Schreiben zur Erinnerung an jenes Ereignis ausgeführt, daß die Einladung an die Führer der Weltreligionen zu einem vielstimmigen Zeugnis für den Frieden damals dazu diente, unmißverständlich klarzustellen, daß die Religion nichts anderes sein könne als Verkünderin des Friedens. Das ist eine Auffassung, die in der Erklärung Nostra aetate des II. Vatikanischen Konzils über die Beziehungen der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen nachdrücklich unterstrichen wird, wo es in Nr. 5 heißt: »Wir können aber Gott, den Vater aller, nicht anrufen, wenn wir irgendwelchen Menschen, die ja nach dem Ebenbild Gottes geschaffen sind, die brüderliche Haltung verweigern«. Und der Papst fährt fort: »Trotz der Unterschiede, die die verschiedenen religiösen Wege kennzeichnen, muß die Erkenntnis der Existenz Gottes, zu der die Menschen auch dann gelangen können, wenn sie von der Erfahrung der Schöpfung ausgehen (vgl. Röm 1,20), die Gläubigen veranlassen, die anderen Menschen als Brüder zu betrachten. Niemand darf also religiöse Unterschiede als Voraussetzung oder Vorwand für eine feindselige Haltung anderen Menschen gegenüber nehmen«. Und die Religionskriege? »Derartige Gewaltakte« – signalisiert Benedikt XVI. – »sind nicht der Religion als solcher zuzuschreiben, sondern vielmehr der kulturellen Begrenzung, mit der sie gelebt wird und sich im Laufe der Zeit entwickelt.«
Aber kommen wir für einen Augenblick auf Assisi, auf jenen 27. Oktober 1986 zurück, als der Diener Gottes Johannes Paul II. den Wert des Gebets bei der Friedensstiftung betonte, weil »der Friede zuallererst in den Herzen entstehen muß. Das Herz des Menschen ist der Ort des Eingreifens Gottes«. In einem Klima großen Interesses bat er alle um ein glaubwürdiges Gebet, das begleitet sein soll von Fasten und Ausdruck findet in der Wallfahrt, dem Symbol des Weges zur Begegnung mit Gott, und er erklärte, daß »das Gebet unsererseits die Umkehr des Herzens einschließt« (Insegnamenti G.P. II, 1986/II, S. 1253).
Um kein Mißverständnis über den Sinn dessen aufkommen zu lassen, was man bei diesem Treffen realisieren wollte, um das richtig zu verstehen, was man den »Geist von Assisi« zu nennen pflegt, ist es wichtig, nicht zu vergessen, wie sehr man darauf bedacht war, daß jenes interreligiöse Gebetstreffen keinen Anlaß zu synkretistischen Interpretationen auf relativistischer Grundlage gäbe. Um diesem Risiko vorzubeugen, erklärte Johannes Paul II. gleich zu Beginn: »Die Tatsache, daß wir hierhergekommen sind, beinhaltet nicht die Absicht, unter uns selbst einen religiösen Konsens zu suchen oder über unsere religiösen Überzeugungen zu verhandeln. Es bedeutet weder, daß die Religionen auf der Ebene einer gemeinsamen Verpflichtung gegenüber einem irdischen Projekt, das sie alle übersteigen würde, miteinander versöhnt werden könnten. Noch ist es eine Konzession an einen Relativismus in religiösen Glaubensfragen« (ebd., S. 1252).
5. Die Absage an den Terrorismus
Der aufrichtige Dialog zwischen den Religionen muß eine klare Absage an die Gewalt und an jede Art von Terrorismus enthalten. Nach den Geschehnissen vom 11. September 2001 hat Johannes Paul II. am 24. Januar 2002 noch einmal die Religionsführer nach Assisi zum Gebet für den Frieden zusammengerufen. Bei jener Gelegenheit sagte er klar und deutlich: »Darum ist es Pflicht, daß die Personen und religiösen Gemeinschaften der Gewalt, jeder Form von Gewalt, eine ganz klare und radikale Absage erteilen, angefangen von der Gewalt, die den Anspruch erhebt, sich als Religiosität zu bemänteln, indem sie sogar den heiligen Namen Gottes anruft, um den Menschen zu beleidigen. Die Beleidigung des Menschen ist letztlich eine Beleidigung Gottes. Niemals kann eine religiöse Zielsetzung die Gewaltanwendung des Menschen gegen den Menschen rechtfertigen« (Insegnamenti G.P. II, 2002/I, S. 1011). Und in der Botschaft zum Weltfriedenstag jenes Jahres 2002 hatte er als Thema gewählt: »Kein Friede ohne Gerechtigkeit, keine Gerechtigkeit ohne Vergebung«. In der Botschaft zu diesem jährlichen Anlaß verkündete er mit Nachdruck: »Der Terrorismus basiert auf der Verachtung des Lebens des Menschen. Deshalb bildet er nicht allein den Grund für unerträgliche Verbrechen, sondern stellt selbst ein wirkliches Verbrechen gegen die Menschheit dar, insofern er auf den Terror als politische und wirtschaftliche Strategie zurückgreift« (Insegnamenti G.P. II, 2001/II, S. 1083). Und an die religiösen Führer gewandt, fügte er hinzu: »Kein Verantwortlicher der Religionen kann daher dem Terrorismus gegenüber Nachsicht üben und noch weniger kann er ihn predigen« (ebd., S. 1085).
Auf den Terrorismus bezog sich auch Benedikt XVI. in der Botschaft zum Weltfriedenstag des Jahres 2006: »Bis zum heutigen Tag« – so schrieb er – »ist die Wahrheit des Friedens immer noch auf dramatische Weise gefährdet und geleugnet durch den Terrorismus, der mit seinen Drohungen und seinen kriminellen Handlungen imstande ist, die Welt im Zustand der Angst und der Unsicherheit zu halten« (Insegnamenti Benedetto XVI, 2005/I, S. 958). Und er fügt hinzu: »Es ist zu wünschen, daß man sich bei der Analyse der Ursachen des zeitgenössischen Phänomens des Terrorismus außer den Gründen politischen und sozialen Charakters auch die kulturellen, religiösen und ideologischen Motive vor Augen hält« (ebd., S. 959).
6. Förderung und Achtung der Menschenrechte
Die letzten Überlegungen meines Vortrags möchte ich der Förderung und Achtung der Menschenrechte widmen, ein Bereich, in dem der interreligiöse Dialog für den Aufbau des Friedens nützlicher denn je ist. Tatsächlich entsteht und festigt sich der Friede dann, wenn die Menschenrechte vollständig beachtet und respektiert werden. Der Heilige Stuhl ist der Überzeugung, daß dann feste und dauerhafte Fundamente für den Aufbau des Friedens gelegt werden, wenn die Förderung der Würde der menschlichen Person das inspirierende Leitprinzip darstellt, wenn die Suche nach dem Gemeinwohl die vorherrschende Aufgabe bildet. Wenn hingegen die Menschenrechte ignoriert oder mißachtet werden, wenn die Verfolgung von Sonderinteressen ungerechterweise über das Gemeinwohl gestellt werden, dann verbreiten sich unvermeidlich die Keime der Instabilität, der Auflehnung und der Gewalt.
Die »Allgemeine Erklärung der Menschenrechte« hat als grundlegende Präambel die Feststellung, nach welcher die Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Menschheitsfamilie die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet.
Papst Benedikt XVI. hat in der Botschaft zum Weltfriedenstag dieses Jahres, deren Thema »Der Mensch – Herz des Friedens« ist, bekräftigt, daß für den Aufbau einer friedlichen Gesellschaft und für die Gesamtentwicklung von Menschen, Völkern und Nationen die Verteidigung der Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte wesentlich ist. Unter diesen Rechten möchte ich zwei herausgreifen, die heute besonders mehr oder weniger offenkundigen Verletzungen ausgesetzt sind: nämlich das Recht auf Leben und das Recht auf Religionsfreiheit. Das menschliche Leben ist heilig und muß von seiner Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende als solches betrachtet werden. Das ist ein unantastbares Recht, das die klare Ablehnung jeder Form von Gewalt einschließt.
Neben dem Recht auf Leben liegt der Kirche in gleicher Weise das Recht auf Religionsfreiheit am Herzen. In der Botschaft zum Weltfriedenstag 1999 schreibt Johannes Paul II.: »Die Religionsfreiheit bildet den Kern der Menschenrechte. Sie ist so unantastbar, daß sie fordert, daß der Person auch die Freiheit des Religionswechsels zuerkannt wird, wenn das Gewissen es verlangt. Denn jeder ist gehalten, dem eigenen Gewissen in jeder Situation zu folgen, und darf nicht gezwungen werden, gegen sein Gewissen zu handeln. Gerade deshalb darf niemand gezwungen werden, unbedingt eine bestimmte Religion anzunehmen, welche Umstände oder Beweggründe es auch immer dafür geben mag« (Insegnamenti G.P. II, 1998/II, S. 1218).
7. Schluß
In meinem Beitrag zur Eröffnung Ihrer Arbeiten wollte ich auf einige Stichworte aus den Überlegungen und der Aktivität des Heiligen Stuhls hinweisen, die den Lehren der Päpste über ein Thema von großer Aktualität entnommen sind.
Als Priester und jetzt als Kardinalstaatssekretär komme ich immer mehr zur Überzeugung, daß jedem Dialog zwischen Menschen das Einander- Zuhören und das gegenseitige Kennenlernen zugrunde liegen muß; es muß die Achtung vorhanden sein, die aus der Anerkennung des guten Willens des anderen und aus der Klarheit und Aufrichtigkeit bei der Darlegung der eigenen Positionen entsteht. Der interreligiöse Dialog im Dienst des Friedens macht eine »Reinigung« des Glaubens erforderlich, die das Herz für die Liebe öffnet; er erfordert letzten Endes eine ständige »Umkehr« zu Gott. Denn Gott allein kann das Herz des Menschen berühren und den Funken jener Liebe überspringen lassen, die zu Annahme und Vergebung und damit zur günstigen Voraussetzung für die Verteidigung und den Aufbau des Friedens wird.
Möge auch diese Begegnung zu einem gegenseitigen Kennenlernen und zur Achtung zwischen allen Teilnehmern werden und dazu dienen, die Tätigkeit des Heiligen Stuhls und den Geist, der ihn beseelt, besser kennenzulernen. Möge sie uns vor allem helfen, unermüdliche Friedensstifter in einer Welt zu werden, wo Gott nicht als fremd oder, schlimmer, als Feind des Glücks des Menschen gesehen wird, sondern als echter Freund der Menschheit, die er unter seinen Schutz nimmt. In der väterlichen Umarmung Gottes kann die Menschheitsfamilie nur zu einer freieren, gedeihlicheren und glücklicheren Menschheit wachsen.
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Papstmesse: „Schämen wir uns für den Krieg“
Papst Franziskus erklärt „Assisi“: Die Welt braucht Frieden, und um Frieden zu bitten, sei eine Pflicht. Das verdeutlichte der Papst bei seiner Frühmesse am Dienstag, bevor er nach Assisi zum Friedenstreffen abreiste. Man soll um den Frieden beten, „bis man sich der Kriege schämt“, die es noch gibt, und vor allem dürfe man die Augen vor dem Krieg nicht verschließen. Es gebe kein „Gott der Kriege“, so der Papst. Die Gewalt zwischen den Menschen sei das Werk des Bösen, und dagegen müsse jeder Mensch vorgehen. Dies könne durch das Gebet wie auch durch das „Weinen für den Frieden“ geschehen, so der Papst. Jede Religion glaube, dass Gott „nur für den Frieden einstehen“ könne.
Zum Friedenstreffen in Assisi, das 30 Jahre nach dem ersten Treffen mit Johannes Paul II. stattfindet, sagte Franziskus: „Es geht nicht darum, dort ein Schauspiel zu veranstalten, sondern einfach darum, zu beten, und zwar für den Frieden.“ Er lud alle Bischöfe – und auch alle Gläubigen – ein, an diesem Dienstag gemeinsam für Frieden zu beten, egal wo man sich befindet.
„Die heutige Erste Lesung endet auf diese Weise: ,Wer sein Ohr verschließt vor dem Schreien des Armen, wird selbst nicht erhört, wenn er um Hilfe ruft.´ (vgl. Spr 21, 1-6.10-13) Wenn wir unsere Ohren verschließen vor dem Leid jener, die bombardiert werden, die durch den Menschenhandel leiden, dann kann es sein, dass eines Tages dies an uns geschieht und wir auf Antworten warten. Wir können die Ohren nicht verschließen vor dem Geschrei des Leids unserer Geschwister, die wegen des Krieges leiden.“
Hier im Westen sehe man den Krieg nicht, stattdessen fürchten sich viele vor terroristischen Anschlägen, fuhr Franziskus fort. Doch dies sei nichts im Vergleich zu dem, was in den heutigen Kriegsgebieten der Welt passiere: Bomben töteten Alte, Kinder, Männer und Frauen; im Übrigen seien die klassischen Kriegsschauplätze gar nicht so weit entfernt von den vermeintlich sicheren Orten. Jeder Krieg entstehe zuerst in den Herzen der Menschen.
„Möge der Herr uns den Frieden in unseren Herzen schenken. Er möge die Habsucht, die Gier und die Gewaltbereitschaft in uns beseitigen. Wir brauchen Frieden! Möge unser Herz den Frieden aufnehmen und ohne Unterscheidung der Religionen. Das gilt für alle! Denn wir sind alle Kinder Gottes! Eines Gottes des Friedens. Es gibt keinen Gott des Krieges. Der Krieg ist immer ein Werk des Bösen, des Teufels, der uns alle umbringen will.”
Davor könne es keine religiöse Unterschiede geben. Es sei falsch, Gott dafür zu danken, „vom Krieg verschont zu sein“. Man müsse auch an die Betroffenen denken, so der Papst weiter.
„Denken wir heute nicht nur an die Bomben, Toten, Verletzten, denken wir an all jene – ob Kinder oder Alte – die keine humanitären Hilfe bekommen und nichts zu essen haben, die keine Medizin erhalten, die hungern und krank sind. Sie erhalten keine Hilfe, weil Bomben dies verhindern. Und wenn wir heute für den Frieden beten, dann wäre es schön, wenn jeder von uns sich der Kriege schämt, die es auf der Welt gibt. Schämen wir uns, dass Menschen dazu fähig sind, ihren Geschwistern solche schreckliche Taten zu vollbringen. Es ist ein Tag des Gebets, der Reue, des Weinens um des Friedens willen. Möge der Schrei der Leidenden gehört werden und die Herzen der Menschen sich der Barmherzigkeit und der Liebe öffnen, die uns vor dem Egoismus retten.“
DER HEILIGE JOHANNES PAUL II. AM 24. JANUAR 2002 IN ASSISI
WELTGEBETSTAG FÜR DEN FRIEDEN
ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II .
AN DIE REPRÄSENTANTEN DER WELTRELIGIONEN
Assisi, 24. Januar 2002
1. In einer Friedenswallfahrt sind wir nach Assisi gekommen. Als Vertreter der verschiedenen Religionen sind wir hier, um uns vor Gott zu prüfen im Hinblick auf unseren Einsatz für den Frieden. Zugleich wollen wir Ihn um das Geschenk des Friedens bitten und unsere gemeinsame Sehnsucht nach einer gerechteren und solidarischeren Welt bezeugen.
Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, daß die Wolken des Terrorismus, des Hasses, der bewaffneten Konflikte vertrieben werden, denn in den vergangenen Monaten haben sich diese Wolken am Horizont der Menschheit besonders verdichtet. Deshalb wollen wiraufeinander hören, weil das schon ein Zeichen des Friedens ist, das fühlen wir. Darin liegt ja schon eine Antwort auf die besorgten Fragen, die uns beunruhigen. Das dient bereits dazu, die Nebel des Mißtrauens und Unverständnisses zu lichten.
Die Finsternis kann nicht mit Waffen aufgehellt werden; die Finsternis weicht, wenn Lichter angezündet werden. Haß wird nur durch Liebe besiegt, das betonte ich vor einigen Tagen vor dem beim Hl. Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps.
2. Wir haben uns hier in Assisi eingefunden, wo alles von einem einzigartigen Propheten des Friedens Zeugnis gibt, der Franziskusgenannt wird. Er wird nicht nur von den Christen, sondern auch von vielen Andersgläubigen geliebt, von Menschen, die der Religion fernstehen, aber sich zu seinen Idealen der Gerechtigkeit, der Versöhnung und des Friedens bekennen.
Der »Poverello« von Assisi lädt uns hier zunächst ein, Gott für alle seine Gaben zu danken. Wir loben Gott für die Schönheit des Kosmos und der Erde, des wunderbaren »Gartens«, den er dem Menschen anvertraut hat, damit er ihn bebaue und hüte (vgl. Gen2, 15). Es ist gut, wenn die Menschen sich daran erinnern, daß sie sich in einem von Gott für sie geschaffenen »Gartenstück« des Weltalls befinden. Es ist wichtig, daß sie sich dessen bewußt sind, daß weder sie noch die Dinge, um die sie sich so sehr mühen, das »Ganze« sind. Nur Gott ist »das Ganze«, und am Ende muß jeder vor ihn hintreten und Rechenschaft ablegen.
Wir loben Gott, den Schöpfer und Herrscher über das All, für das Geschenk des Lebens und besonders das des menschlichenLebens, das einem geheimnisvollen Plan seiner Güte entsprechend auf der Erde entstanden ist. Das Leben in all seinen Formen ist in ganz besonderer Weise der Verantwortung der Menschen anvertraut.
Jeden Tag stellen wir mit neuem Staunen die große Verschiedenheit fest, in der das menschliche Leben sich kundtut, angefangen von der weiblichen und männlichen Polarität bis hin zu einer Vielfalt von charakteristischen Gaben, die den einzelnen Kulturen und Traditionen eigen sind, die einen mannigfaltigen und vielfältigen Kosmos im Hinblick auf Sprache, Kultur und Kunst bilden. DieseVielfältigkeit ist dazu berufen, sich zur Bereicherung und Freude aller durch die Gegenüberstellung und den Dialog zu ergänzen.
Gott selbst hat dem Menschenherzen den instinktiven Antrieb, in Frieden und Harmonie zu leben, eingepflanzt. Dieser Wunsch sitzt tiefer und fester als irgendein Antrieb zu Gewalt. Und diesen Wunsch wollen wir hier in Assisi bekräftigen. Wir tun es in dem Bewußtsein, dem tiefsten Gefühl jedes Menschen Ausdruck zu verleihen.
Im Lauf der Geschichte gab und gibt es Männer und Frauen, die sich gerade aufgrund ihres Glaubens als Zeugen des Friedensauszeichneten. Durch ihr Beispiel lehren sie uns, daß es möglich ist, zwischen den einzelnen und zwischen den Völkern Brücken zu bauen, um einander zu begegnen und zusammen den Weg des Friedens zu gehen. Wir wollen auf sie schauen und uns von ihnen inspirieren lassen für unseren Einsatz im Dienst an der Menschheit. Sie ermutigen uns in der Hoffnung, daß es auch in dem soeben begonnenen neuen Jahrtausend nicht an Männern und Frauen des Friedens fehlen wird, die imstande sind, das Licht der Liebe und der Hoffnung in die Welt auszustrahlen.
3. Der Friede! Die Menschheit braucht immer den Frieden, aber heute braucht sie ihn mehr denn je, das heißt nach den tragischen Ereignissen, die ihr Vertrauen erschüttert haben und die Welt durch die fortdauernden Brandherde und leidvollen Konflikte in Angst versetzen. In der Botschaft vom 1. Januar des Jahres habe ich besonders zwei »Stützpfeiler« hervorgehoben, auf denen der Frieden gründet:den Einsatz für die Gerechtigkeit und die Bereitschaft zur Vergebung.
An erster Stelle die Gerechtigkeit, denn es gibt keinen wahren Frieden ohne die Achtung der Würde der Personen und der Völker, der Rechte und der Pflichten eines jeden und der gleichen Verteilung von Wohltaten und Lasten zwischen den einzelnen und der Gesamtheit. Nicht zu vergessen ist, daß den Akten von Gewalt und Terrorismus oft Situationen von Unterdrückung und Ausgrenzung zugrunde liegen. Und dann auch die Vergebung, weil die menschliche Gerechtigkeit der Brüchigkeit und den Grenzen der Egoismen von Einzelpersonen und Gruppen ausgesetzt ist. Nur die Vergebung heilt die Wunden der Herzen und stellt die gestörten menschlichen Beziehungen im Innern wieder her.
Erforderlich sind Demut und Starkmut, um in dieser Richtung fortzuschreiten. Der Kontext der heutigen Begegnung, das heißt des Dialogs mit Gott, bietet uns die Gelegenheit, zu bekräftigen, daß wir in Gott die herausragende Vereinigung der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit finden. Er ist sich selbst und dem Menschen in höchstem Maß treu, auch wenn sich der Mensch von Ihm entfernt.Die Religionen dienen deshalb dem Frieden. Sie und vor allem ihre Führer haben die Aufgabe, in den Menschen unserer Zeit ein neues Bewußtsein zu wecken hinsichtlich der Dringlichkeit, den Frieden aufzubauen.
4. Das haben die Teilnehmer der Interreligiösen Konferenz anerkannt, die im Oktober 1999 im Vatikan stattfand; sie bekräftigten, daß die religiösen Traditionen die notwendigen Fähigkeiten besitzen, um die Spaltungen zu überwinden und die gegenseitige Freundschaft und Achtung unter den Völkern zu fördern. Bei dieser Gelegenheit wurde auch anerkannt, daß die tragischen Konflikte oft aus der unrechten Verbindung der Religion mit nationalistischen, politischen, wirtschaftlichen oder anderen Interessen erwachsen. Wir, die hier versammelt sind, bekräftigen noch einmal, daß derjenige, der die Religion dazu benützt, um die Gewalt zu schüren, ihrem eigentlichen inneren Antrieb widerspricht.
Darum ist es Pflicht, daß die Personen und religiösen Gemeinschaften der Gewalt, jeder Form von Gewalt, eine ganz klare und radikale Absage erteilen, angefangen von der Gewalt, die den Anspruch erhebt, sich als Religiosität zu bemänteln, indem sie sogar den heiligen Namen Gottes anruft, um den Menschen zu beleidigen. Die Beleidigung des Menschen ist letztlich eine Beleidigung Gottes. Niemals kann eine religiöse Zielsetzung die Gewaltanwendung des Menschen gegen den Menschen rechtfertigen.
5. Jetzt wende ich mich in besonderer Weise an euch Christen, Brüder und Schwestern. Unser Lehrer und Herr Jesus Christus beruft uns dazu, Apostel des Friedens zu sein. Er hat sich die goldene Weisheit der Alten zu eigen gemacht: »Alles was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen!« (Mt 7, 12; vgl. Lk 6, 31), und das Gebot Gottes an Mose: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (vgl. Lev 19, 18; Mt 22, 39 und Parallelstellen), indem er sie in dem neuen Gebot zur Vollendung führte: »Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben« (Joh 13, 34).
Durch den Tod auf Golgota hat er in sein Fleisch die Wundmale des göttlichen Leidens für die Menschheit eingedrückt. Als Zeuge des Liebesplans des himmlischen Vaters ist er »unser Friede. Er vereinigte die beiden Teile und riß durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft nieder« (Eph 2, 14).
Mit Franziskus, dem Heiligen, der die milde Luft dieser hügeligen Landschaft geatmet und dieses Gebiet durchquert hat, schauen wir auf das Geheimnis des Kreuzes, den Baum der Erlösung, der vom heilbringenden Blut Christi getränkt ist. Das Geheimnis des Kreuzes war kennzeichnend für das Leben des »Poverello«, der hl. Klara und so vieler anderer Heiligen und christlicher Märtyrer. Ihr Geheimnis war genau dieses Zeichen des Sieges der Liebe über den Haß, der Vergebung über die Rache, des Guten über das Böse. In ihren Fußstapfen sollen wir fortschreiten, damit der Friede Christi zum brennenden Wunsch für das Leben der Welt werde.
6. Wenn der Friede ein Geschenk Gottes ist und in ihm seinen Ursprung hat, wo könnten wir ihn suchen, und wie könnten wir ihn bauen, wenn nicht in einer engen und tiefen Beziehung zu Ihm? Den Frieden in der Ordnung, Gerechtigkeit und Freiheit aufzubauen, erfordert deshalb an erster Stelle das Bemühen des Gebets, das Offenheit, Hören, Dialog und zuletzt Vereinigung mit Gott ist, dem eigentlichen Ursprung des wahren Friedens.
Beten heißt nicht, vor der Geschichte und den Fragen, die sie aufwirft, zu fliehen. Im Gegenteil, es bedeutet die Entscheidung, die Wirklichkeit nicht allein, sondern mit der Kraft, die von oben kommt, mit der Kraft der Wahrheit und der Liebe, anzugehen, deren ursprüngliche Quelle in Gott ist. Der religiöse Mensch weiß, daß er angesichts der Nachstellungen des Bösen auf Gott, den absoluten Willen zum Guten, zählen kann; er weiß, daß er Ihn um den Starkmut bitten kann, die Schwierigkeiten zu überwinden, auch die härtesten, mit persönlicher Verantwortlichkeit und ohne in Fatalismus oder impulsive Reaktionen zu fallen.
7. Brüder und Schwestern, die ihr aus so vielen Teilen der Welt hierhergekommen seid! In Kürze begeben wir uns an die vorbereiteten Plätze, um von Gott das Geschenk des Friedens für die ganze Menschheit zu erflehen. Bitten wir, daß es uns gegeben sei, den Weg des Friedens, der rechten Beziehungen zu Gott und zwischen uns zu erkennen. Bitten wir Gott, unsere Herzen zu öffnen für die Wahrheit über Ihn und über den Menschen. Das Ziel ist eines, und das Anliegen ist das gleiche, aber wir werden in unterschiedlichen Formen beten und die religiösen Traditionen der anderen achten. Auch das ist im Grunde genommen eine Botschaft: Wir wollen der Welt zeigen, daß der aufrichtige Gebetsimpuls nicht zur Gegenüberstellung und noch weniger zur Verachtung des andern antreibt, sondern zum konstruktiven Dialog, in dem jeder, ohne in irgendeiner Weise dem Relativismus oder Synkretismus nachzugeben, sich noch stärker der Pflicht der Zeugenschaft und Verkündigung bewußt wird.
Es ist Zeit, diese Versuchungen zur Anfeindung, an denen es auch in der Religionsgeschichte der Menschheit nicht gefehlt hat, entschlossen zu überwinden. Wenn sie sich auf die Religion berufen, zeigen sie in Wirklichkeit eine sehr unreife Seite von ihr. Denn das ehrliche religiöse Empfinden leitet dazu an, in irgendeiner Weise das Geheimnis Gottes zu spüren, jenes Ursprungs der Güte, und das ist eine Quelle der Achtung und des Verstehens zwischen den Völkern: genau darin liegt das wichtigste Gegenmittel gegen Gewalt und Konflikte (vgl. Botschaft, Nr. 14).
Und Assisi wird heute wie am 27. Oktober 1986 wieder das »Herz« einer zahllosen Schar, die um den Frieden bittet. Mit uns vereinigen sich viele Menschen, die seit gestern bis heute abend in Gotteshäusern, zu Hause, in den Gemeinschaften, in der ganzen Welt für den Frieden beten. Es sind alte Menschen, Kinder, Erwachsene und Jugendliche: ein Volk, das nicht müde wird, an die Kraft des Gebets zu glauben, um den Frieden zu erlangen.
Der Friede soll vor allem in den Herzen der jungen Generationen wohnen. Jugend des dritten Jahrtausends, junge Christen, Jugend aller Religionen, ich bitte euch, wie Franz von Assisi fügsame und mutige »Wächter« des wahren Friedens zu sein, der auf der Gerechtigkeit und Vergebung, auf der Wahrheit und Barmherzigkeit gründet!
Schreitet der Zukunft entgegen, und haltet die Fackel des Friedens hoch. Die Welt verlangt nach diesem Licht!
© Copyright 2002 – Libreria Editrice Vaticana
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DER HEILIGE JOHANNES PAUL II. AM 27. OKTOBER 1986 IN ASSISI
„Friede trägt den Namen Jesu Christi“
Ansprache von Papst Johannes Paul II.
zum Abschluß des Weltgebetstags der Religionen für den Frieden
vor der Franziskus-Basilika in Assisi am 27. Oktober 1986
Quelle: Der Apostolische Stuhl 1986, 1670-1676
Meine Brüder und Schwestern, Führer und Vertreter der christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und der Weitreligionen, liebe Freunde!
1. Am Ende dieses Weltgebetstages für den Frieden, zu dem Sie meine Einladung angenommen und aus vielen Erdteilen hierhergekommen sind, möchte ich nun meinen Empfindungen Ausdruck geben als Bruder und Freund, aber auch als einer, der an Jesus Christus und an die katholische Kirche glaubt und der erste Zeuge des Glaubens an ihn ist.
In bezug auf das letzte, das christliche Gebet in der Serie, die wir alle gehört haben, bekenne ich hier erneut meine Überzeugung, die von allen Christen geteilt wird, daß in Jesus Christus, als dem Erlöser aller, wahrer Friede gefunden wird, Friede den Fernen und Friede den Nahen (vgl. Eph 2,17). Seine Geburt wurde vom Gesang der Engel begrüßt: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade“ (Lk 2,14). Er hat aus Liebe zu allen, sogar zu den Feinden, gepredigt, seliggepriesen diejenigen, die Frieden stiften (vgl. Mt 5,9) und hat durch seinen Tod und seine Auferstehung Himmel und Erde miteinander versöhnt (vgl. Kol 1,20): Um einen Ausdruck des Paulus zu benutzen: „Er ist unser Friede“ (Eph 2,14).
2. Es ist in der Tat meine Glaubensüberzeugung, die mich euch, den Vertretern der christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und Weltreligionen, in tiefer Liebe und Achtung zugewandt hat.
Mit den anderen Christen teilen wir viele Überzeugungen und besonders, was den Frieden betrifft.
Mit den Weltreligionen teilen wir eine gemeinsame Achtung des Gewissens und Gehorsam ihm gegenüber, das uns allen lehrt, die Wahrheit zu suchen, die einzelnen und die Völker zu lieben und ihnen zu dienen, und deshalb unter den einzelnen Menschen und unter den Nationen Frieden zu stiften.
Ja, wir alle halten das Gewissen und den Gehorsam gegenüber der Stimme des Gewissens für ein wesentliches Element auf dem Weg zu einer besseren und friedvolleren Welt.
Könnte es anders sein, da doch alle Männer und Frauen in dieser Welt eine gemeinsame Natur, einen gemeinsamen Ursprung und ein gemeinsames Schicksal haben?
Wenn es auch zwischen uns viele und bedeutsame Unterschiede gibt, so gibt es doch auch einen gemeinsamen Grund, von wo her es zusammenzuarbeiten gilt für die Lösung dieser dramatischen Herausforderung unserer Zeit: wahrer Friede oder katastrophaler Krieg?
3. Ja, es gibt die Dimension des Gebetes, die sogar in der tatsächlichen Verschiedenheit der Religionen eine Verbindung mit einer Macht über allen menschlichen Kräften auszudrücken versucht.
Der Friede hängt grundlegend von dieser Macht ab, die wir Gott nennen und die sich, wie die Christen glauben, sich selbst in Christus geoffenbart hat.
Dies ist der Sinn dieses Weltgebetstages.
Zum ersten Mal in der Geschichte sind wir, christliche Kirchen und kirchliche Gemeinschaften und Weltreligionen, von überallher zusammengekommen an diesem heiligen, dem hl. Franziskus geweihten Ort, um vor der Welt jeder entsprechend seiner eigenen Überzeugung vom transzendenten Wert des Friedens Zeugnis zu geben.
Die Form und der Inhalt unserer Gebete sind sehr verschieden, wie wir gesehen haben, und es kann keine Frage sein, sie auf eine Art gemeinsamen Nenner zu reduzieren.
4. Dennoch haben wir in dieser tatsächlichen Verschiedenheit vielleicht neu entdeckt, daß es hinsichtlich des Friedensproblems und seiner Beziehung zur religiösen Verpflichtung etwas gibt, was uns miteinander verbindet..
Die Herausforderung des Friedens, wie sie sich gegenwärtig jedem menschlichen Gewissen stellt, ist verbunden mit dem Problem einer angemessenen Lebensqualität für alle, mit dem Problem des Überlebens für die Menschheit, mit dem Problem von Leben und Tod.
Angesichts eines solchen Problems scheinen zwei Dinge eine höchste Wichtigkeit zu haben, und beide von ihnen sind uns allen gemeinsam.
Das erste ist der innere Imperativ des moralischen Gewissens, das uns einschärft, menschliches Leben zu achten, zu schützen und zu fördern vom Mutterleib an bis zum Totenbett, für einzelne Menschen und Völker, besonders aber für den Schwachen, den Notleidenden, den Verlassenen: der Imperativ, Selbstsucht, Gier und den Geist der Rache zu überwinden.
Die zweite Gemeinsamkeit ist die Überzeugung, daß der Friede die menschlichen Kräfte weit übersteigt, besonders in der gegenwärtigen Lage der Welt, und daß deshalb seine Quelle und Verwirklichung in jener Wirklichkeit zu suchen ist, die über uns allen ist.
Das ist der Grund, warum ein jeder von uns um Frieden betet. Sogar wenn wir denken, wie wir es auch tatsächlich tun, daß die Beziehung zwischen jener Wirklichkeit und dem Geschenk des Friedens entsprechend unserer jeweiligen religiösen Überzeugung verschieden ist, so bejahen wir doch alle, daß es solche eine Beziehung gibt.
Das ist es, was wir ausdrücken, wenn wir darum beten.
Ich wiederhole demütig hier meine eigene Überzeugung: Friede trägt den Namen Jesu Christi.
5. Aber zur selben Zeit und im selben Atemzug bin ich bereit anzuerkennen, daß Katholiken nicht immer treu zu dieser Glaubensaussage gestanden haben. Wir sind nicht immer „Friedensstifter“ gewesen
Deshalb ist für uns selbst, aber vielleicht auch in einem gewissen Sinn für alle diese Begegnung in Assisi ein Akt der Buße. Wir haben gebetet, jeder auf seine Weise, wir haben gefastet, wir sind zusammen gepilgert. Auf diese Weise haben wir versucht, unsere Herzen der göttlichen Wirklichkeit über uns und auf unsere Mitmenschen hin zu öffnen.
Ja, weil wir gefastet haben, haben wir die Leiden vor Augen, die unsinnige Kriege verursacht haben und noch immer für die Menschheit verursachen. Dadurch haben wir versucht, geistig den Millionen nahe zu sein, die die Opfer von Hunger in aller Welt sind.
Während wir schweigend einhergeschritten sind, haben wir über den Weg nachgedacht, den unsere Menschheitsfamilie geht: entweder in Feindschaft, wenn wir es verfehlen, uns einander in Liebe anzunehmen; oder als eine gemeinsame Wanderung zu unserem erhabenen Ziel, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß die anderen unsere Brüder und Schwestern sind. Die Tatsache selbst, daß wir von den verschiedenen Erdteilen nach Assisi gekommen sind; ist in sich ein Zeichen für diesen gemeinsamen Weg, den zu beschreiten die Menschheit berufen ist. Entweder lernen wir, in Frieden und Harmonie miteinander zu gehen, oder wir werden vom Wege abgetrieben und zerstören uns selbst und die anderen. Wir hoffen, daß die Pilgerreise nach Assisi uns erneut gelehrt hat, uns des gemeinsamen Ursprungs und des gemeinsamen Schicksals der Menschheit bewußt zu werden. Laßt uns darin eine Vorwegnahme dessen sehen, was Gott von der geschichtlichen Entwicklung der Menschheit gern verwirklicht sehen möchte: eine brüderliche Wanderung, auf der wir uns gegenseitig begleiten zum transzendenten Ziel, das er uns gesetzt hat.
Gebet, Fasten, Wallfahrt.
6. Dieser Tag in Assisi hat uns geholfen, uns unserer religiösen Verpflichtung mehr bewußt zu werden. Er hat aber auch die Welt, die durch die Medien auf uns geschaut hat, der Verantwortung jeder Religion für das Problem von Krieg und Frieden bewußter gemacht.
Mehr vielleicht als je zuvor in der Geschichte ist die innere Verbindung zwischen einer aufrichtigen religiösen Haltung und dem großen Gut des Friedens allen deutlich geworden.
Was für eine furchtbare Last für menschliche Schultern zu tragen! Aber gleichzeitig was für ein wunderbarer, erfreulicher Ruf zu folgen!
Wenn auch das Gebet in sich selbst schon Aktion ist, so entschuldigt uns dies je doch keineswegs davon, auch für den Frieden zu arbeiten. Hier handeln wir als die Herolde des moralischen Bewußtseins der Menschheit als solcher, der Menschheit, die Frieden wünscht, die des Friedens bedarf.
7. Es gibt keinen Frieden ohne eine leidenschaftliche Liebe für den Frieden. Es gibt keinen Frieden ohne eine unnachgiebige Entschlossenheit, den Frieden auch zu erlangen.
Der Friede wartet auf seine Propheten. Wir haben gemeinsam unsere Augen mit Friedensvisionen gefüllt: sie setzen Kräfte frei für eine neue Sprache des Friedens, für neue Gesten des Friedens, Gesten, welche die verhängnisvollen Ketten der Entzweiungen zerbrechen, die von der Geschichte ererbt oder durch moderne Ideologien geschmiedet worden sind.
Der Friede wartet auf seine Erbauer. Laßt uns unsere Hände unseren Brüdern und Schwestern entgegenstrecken, sie ermutigen, Friede auf den vier Saulen der Wahrheit, der Gerechtigkeit der Liebe und des Friedens zu errichten (vgl. Pacem in terris).
Der Friede ist eine Werkstatt, die allen offensteht, nicht nur Fachleuten, Gebildeten und Strategen. Der Friede ist eine universale Verantwortung: er verwirk licht sich durch tausende kleiner Handlungen im täglichen Leben. Durch die Art ihres täglichen Zusammenlebens mit anderen entscheiden sich die Menschen für oder gegen den Frieden. Wir vertrauen die Sache des Friedens besonders der Jugend an. Mögen die jungen Menschen helfen, den Lauf der Geschichte von den falschen Pfaden zu befreien, auf denen sich die Menschheit verirrt
Der Friede liegt nicht nur in den Händen von einzelnen Personen, sondern von ganzen Nationen. Die Nationen sind es, die die Ehre haben, ihr friedensstiftendes Handeln auf der Überzeugung von der Unantastbarkeit der menschlichen Würde und der Anerkennung der unbestreitbaren Gleichheit der Menschen untereinander zu gründen. Eindringlich laden wir die Führer der Nationen und der internationalen Organisationen ein, sich unermüdlich um Dialog zu bemühen und ihn dort zu fördern, wo immer der Friede bedroht oder bereits kompromittiert ist. Wir bieten ihren oft anstrengenden Bemühungen, den Frieden zu erhalten oder wiederherzustellen, unsere Unterstützung an. Wir ermutigen erneut die Organisation der Vereinten Nationen, ihrer universalen Friedenssendung in all ihrer Weite und Größe voll zu entsprechen.
8. Als Antwort auf den Aufruf, den ich von Lyon in Frankreich an dem Tag gemacht habe, an dem wir Katholiken das Fest des hl. Franziskus feiern, hoffen wir, daß die Waffen schweigen und die Kämpfe aufgehört haben. Dies würde ein erstes bedeutsames Ergebnis der geistigen Wirksamkeit des Gebetes sein. Dieser Aufruf würde in der Tat von vielen Herzen und Lippen überall in der Welt geteilt, besonders dort, wo Menschen unter dem Krieg und seinen Folgen leiden.
Es ist lebenswichtig, den Frieden und die Mittel zu wählen, um ihn zu erhalten. Der Friede, der von so anfälliger Gesundheit ist, erfordert ständige und intensive Pflege. Auf diesem Pfad sollten wir sicheren und schnelleren Schrittes voranschreiten, denn zweifellos haben die Menschen niemals zuvor so viele Mittel wie heute gehabt, den wahren Frieden zu erbauen. Die Menschheit ist in eine Ära erhöhter Solidarität und größeren Hungers nach sozialer Gerechtigkeit eingetreten. Darin liegt unsere Chance. Es ist auch unsere Aufgabe, die das Gebet uns zu meistern hilft.
9. Was wir heute in Assisi getan haben, indem wir gebetet und für unser Engagement für den Frieden Zeugnis abgelegt haben, müssen wir jeden Tag unseres Lebens fortsetzen. Denn das, was wir heute getan haben, ist lebenswichtig für die Welt. Wenn die Welt weiterbesteht und Männer und Frauen in ihr überleben sollen, kann ihr das nicht ohne Gebet gelingen.
Das ist die ständige Lehre von Assisi: es ist die Lehre des heiligen Franziskus, der für uns ein anziehendes Ideal verkörpert; es ist die Lehre der hl. Klara, seiner ersten Schülerin. Es ist ein Ideal, das sich aus Sanftmut, Demut, einem tiefen Gefühl der Nähe Gottes und der Bereitschaft, allen zu dienen, zusammensetzt. Der hl. Franziskus war ein Mann des Friedens. Wir erinnern uns, daß er die militärische Karriere, welche er eine Zeitlang in seiner Jugend verfolgt hatte, aufgegeben und den Wert der Armut entdeckt hat, den Wert eines einfachen und strengen Lebens in der Nachfolge Jesu Christi, dem er dienen wollte. Die hl. Klara war die Frau des Gebetes par excellence. Ihre Vereinigung mit Gott im Gebet unterstützte Franziskus und seine Anhänger, wie es uns heute unterstützt. Franziskus und Klara sind Beispiele des Friedens: mit Gott, mit sich selbst, mit allen Männern und Frauen in dieser Welt. Mögen dieser heilige Mann und diese heilige Frau heute alle Menschen inspirieren, die gleiche Charakterstärke und Liebe zu Gott und zum Nächsten zu haben, um auf dem Weg weiterzuschreiten, den wir zusammen gehen müssen..
10. Bewegt vom Beispiel des hl. Franziskus und der hl. Klara, den wahren Jüngern Christi, und erneut überzeugt von der Erfahrung dieses Tages, den wir zusammen verlebt haben, sind wir bereit, unser Gewissen zu prüfen, seine Stimme treuer zu hören, unseren Geist von Vorurteil, Ärger, Feindschaft, Eifersucht und Neid zu reinigen. Wir wollen danach trachten, Friedensstifter im Denken und Tun zu sein, mit Geist und Herz auf die Einheit der menschlichen Familie ausgerichtet. Und wir fordern all unsere Brüder und Schwestern, die uns hören, auf, dasselbe zu tun.
Wir tun dies mit dem Gefühl unserer eigenen menschlichen Begrenzungen und im Bewußtsein, daß wir aus uns allein heraus scheitern werden. Deshalb betonen wir und erkennen wir an, daß unser künftiges Leben und der Friede immer von Gottes Geschenk an uns abhängen.
In diesem Geist bitten wir die Führer der Welt, davon Kenntnis zu nehmen, daß wir Gott demütig um Frieden anflehen. Aber wir bitten sie auch, ihre Verantwortungen zu erkennen, sich selbst der Aufgabe des Friedens ganz zu widmen, Strategien des Friedens mit Mut und Weitblick zu verwirklichen.
11. Laßt mich nun zu einem jeden von euch zurückkommen, den Vertretern der christlichen Kirchen, kirchlichen Gemeinschaften und Weltreligionen, die ihr zu diesem Gebetstag nach Assisi gekommen seid, fastend und pilgernd. Ich danke euch noch einmal, daß ihr meine Einladung angenommen habt; zu diesem Zeugnisakt vor der Welt hierher zu kommen.
Ich danke auch all jenen, die unsere Anwesenheit hier ermöglicht haben, besonders unseren Brüdern und Schwestern in Assisi.
Vor allem aber danke ich Gott dem Vater Jesu Christi, für diesen Tag der Gnade für die Welt, für jeden von euch und für mich selbst. Ich tue dies unter Anrufung der Jungfrau Maria, der „Königin des Friedens“. Ich tue dies mit den Worten, die dem hl. Franziskus zugeschrieben werden:
„Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens,
daß ich liebe, wo man haßt;
daß ich verzeihe, wo man beleidigt;
daß ich verbinde, wo Streit ist;
daß ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
daß ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
daß ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
daß ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
daß ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt!
Herr, laß mich trachten, nicht, daß ich getröstet werde, sondern daß ich tröste;
nicht, daß ich verstanden werde, sondern daß ich verstehe;
nicht, daß ich geliebt werde, sondern daß ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergißt, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.“
(Am Schluß der Ansprache richtete der Papst kurze Grußworte in verschiedenen Sprachen, u.a. in Arabisch und in Russisch, an die Anwesenden; in deutscher Sprache sagte er:)
Aufrichtig danke ich allen, die sich nah und fern, einzeln oder in Gemeinschaft, unserem heutigen Gebet für den Frieden in der Welt angeschlossen haben. Ich ermutige euch, darin auch in Zukunft nicht nachzulassen und im Geiste Jesu Christi in der eigenen Familie, im Beruf und im Leben der Gesellschaft selber immer mehr zu Friedensstiftern zu werden. Der Friede Christi sei mit euch allen!
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Siehe ferner: