Die Botschaft von Papst Franziskus zum 53. Weltfriedenstag

Papst Franziskus am Mittwoch, 18. November bei der Generalaudienz auf dem Petersplatz. Foto: CNA/Daniel Ibanez

VATIKANSTADT , 12 December, 2019 / 12:46 AM (CNA Deutsch).-

Am 1. Januar 2020 wird der 53. Weltfriedenstag begangen. CNA Deutsch dokumentiert den vollen Wortlaut der Botschaft des Pontifex in der offiziellen Übersetzung.

Der Frieden als Weg der Hoffnung:
Dialog, Versöhnung und ökologische Umkehr

1. Der Frieden als Weg der Hoffnung angesichts der Hindernisse und der Prüfungen

Der Frieden ist ein kostbares Gut, er ist Gegenstand unserer Hoffnung, nach dem die ganze Menschheit strebt. Auf den Frieden zu hoffen ist eine menschliche Haltung, die eine existentielle Spannung beinhaltet, weshalb auch eine zuweilen mühsame Gegenwart »gelebt und angenommen werden [kann], wenn sie auf ein Ziel zuführt und wenn wir dieses Ziels gewiss sein können; wenn dies Ziel so groß ist, dass es die Anstrengung des Weges rechtfertigt« . Auf diese Weise ist die Hoffnung die Tugend, die uns aufbrechen lässt, die uns die Flügel verleiht, um weiterzugehen, selbst dann, wenn die Hindernisse unüberwindlich scheinen.

Unsere menschliche Gemeinschaft trägt im Gedächtnis und am eigenen Fleisch die Zeichen der Kriege und Konflikte, die mit wachsender Zerstörungskraft aufeinander gefolgt sind und die nicht aufhören, vor allem die Ärmsten und die Schwächsten zu treffen. Selbst ganze Nationen haben Mühe, sich von den Fesseln der Ausbeutung und der Korruption zu befreien, welche Hass und Gewalt schüren. Auch heute noch bleiben vielen Männern und Frauen, Kindern und alten Menschen die Würde, die physische Unversehrtheit, die Freiheit einschließlich der Religionsfreiheit, die gemeinschaftliche Solidarität und die Hoffnung auf Zukunft versagt. Viele unschuldige Opfer müssen die Qual der Demütigung und des Ausgeschlossenseins, der Trauer und der Ungerechtigkeit ertragen, wenn nicht sogar Traumata, die von der systematischen Feindseligkeit gegen ihr Volk und ihre Angehörigen herrühren.

Die schrecklichen Prüfungen nationaler und internationaler Konflikte, die oftmals durch erbarmungslose Gewalt verschlimmert werden, zeichnen Leib und Seele der Menschheit auf lange Zeit. Denn jeder Krieg entpuppt sich in Wirklichkeit als Brudermord, der das Projekt der Brüderlichkeit selbst zerstört, das der Berufung der Menschheitsfamilie eingeschrieben ist.

Der Krieg beginnt, wie wir wissen, häufig mit einer Unduldsamkeit gegen die Verschiedenartigkeit des anderen, die das Verlangen nach Besitz und den Willen zur Vorherrschaft schürt. Sie entsteht im Herzen des Menschen aus Egoismus und Stolz sowie aus dem Hass, der dazu verleitet, zu zerstören, den anderen allein negativ zu sehen, ihn auszuschließen oder auszulöschen. Der Krieg speist sich aus einer Verkehrung der Beziehungen, aus hegemonialen Ambitionen, aus Machtmissbrauch, aus der Angst vor dem anderen und vor der Verschiedenartigkeit, die für ein Hindernis gehalten wird; und zugleich nährt der Krieg dies alles.

Während meiner jüngsten Reise nach Japan hatte ich Gelegenheit, auf den offenbaren Widerspruch hinzuweisen, dass »unsere Welt in der abartigen Dichotomie [lebt], Stabilität und Frieden auf der Basis einer falschen, von einer Logik der Angst und des Misstrauens gestützten Sicherheit verteidigen und sichern zu wollen. Am Ende vergiftet sie die Beziehungen zwischen den Völkern und verhindert jeden möglichen Dialog. Der Frieden und die internationale Stabilität sind unvereinbar mit jedwedem Versuch, sie auf der Angst gegenseitiger Zerstörung oder auf der Bedrohung einer gänzlichen Auslöschung aufzubauen; sie sind nur möglich im Anschluss an eine globale Ethik der Solidarität und Zusammenarbeit im Dienst an einer Zukunft, die von der Interdependenz und Mitverantwortlichkeit innerhalb der ganzen Menschheitsfamilie von heute und morgen gestaltet wird.«

Jede Bedrohung nährt das Misstrauen und fördert den Rückzug auf die eigene Position. Misstrauen und Angst erhöhen die Brüchigkeit der Beziehungen und das Risiko der Gewalt; es handelt sich um einen Teufelskreis, der niemals zu einem Verhältnis des Friedens wird führen können. In diesem Sinne kann auch die nukleare Abschreckung nur eine trügerische Sicherheit schaffen.

Daher dürfen wir uns nicht einbilden, dass wir die Stabilität in der Welt durch die Angst vor der Vernichtung aufrechterhalten können; ein solches höchst instabiles Gleichgewicht steht am Rande des nuklearen Abgrunds und ist in den Mauern der Gleichgültigkeit eingeschlossen, wo man sozioökonomische Entscheidungen trifft, die dazu führen, dass Mensch und Schöpfung dramatisch herabgewürdigt werden, anstatt dass man einander behütet. Wie also kann man einen Weg des Friedens und der gegenseitigen Anerkennung aufbauen? Wie die krankhafte Logik von Drohung und Angst durchbrechen? Wie die derzeit vorherrschende Dynamik des Misstrauens unterbinden?

Wir müssen eine echte Brüderlichkeit anstreben, die auf unserem gemeinsamen Ursprung in Gott gründet und im Dialog und im gegenseitigen Vertrauen gelebt wird. Der Wunsch nach Frieden ist tief in das Herz des Menschen eingeschrieben, und wir dürfen uns mit nichts Geringerem als diesem abfinden.

2. Der Frieden als Weg des Zuhörens auf der Grundlage der Erinnerung, der Solidarität und der Brüderlichkeit

Die Hibakusha, die Überlebenden der Atombombenangriffe von Hiroshima und Nagasaki, zählen zu denen, die das kollektive Bewusstsein lebendig erhalten. Sie bezeugen nämlich den nachfolgenden Generationen das schreckliche Geschehen vom August 1945 und die unsäglichen Leiden, die bis heute daraus erwachsen sind. Auf diese Weise ruft ihr Zeugnis das Gedächtnis an die Opfer wach und bewahrt es, damit das menschliche Gewissen immer stärker werde gegenüber jedem Willen zur Vorherrschaft und zur Zerstörung: »Deshalb dürfen wir nicht zulassen, dass die gegenwärtigen und künftigen Generationen die Erinnerung an das Geschehene verlieren; jene Erinnerung, die Garantie und Ansporn ist, um eine gerechtere und brüderlichere Welt zu erbauen.«

Wie sie erbringen viele Menschen in allen Teilen der Welt den künftigen Generationen den unabdingbaren Dienst des Gedächtnisses. Dieses muss nicht nur deswegen bewahrt werden, damit die gleichen Fehler nicht wieder begangen werden oder die trügerischen Denkweisen der Vergangenheit erneut salonfähig werden, sondern auch deshalb, damit es als Frucht der Erfahrung für die gegenwärtigen und zukünftigen Friedensentscheidungen den Grund bilden und die Richtung vorgeben möge.

Darüber hinaus ist das Gedächtnis der Horizont der Hoffnung: Oftmals kann im Dunkel der Kriege und der Konflikte die Erinnerung auch an eine kleine Geste der Solidarität, die man empfangen hat, zu mutigen und sogar heroischen Entscheidungen anregen, sie kann neue Energien in Bewegung setzen und neue Hoffnung in den Einzelnen und den Gemeinschaften entzünden.

Einen Weg des Friedens zu eröffnen und festzulegen ist eine Herausforderung, die umso komplexer ist, je zahlreicher und widersprüchlicher die Interessen sind, die bei Beziehungen zwischen Personen, Gemeinschaften und Nationen im Spiel sind. Es tut vor allem not, an das moralische Gewissen und an den persönlichen und politischen Willen zu appellieren. Den Frieden erlangt man nämlich in der Tiefe des menschlichen Herzens und der politische Wille muss immer wieder gestärkt werden, um neue Prozesse zu eröffnen, die Personen und Gemeinschaften versöhnen und vereinen.

Die Welt braucht keine leeren Worte, sondern glaubwürdige Zeugen, „Handwerker des Friedens“, die offen für den Dialog sind, ohne dabei jemanden auszuschließen oder zu manipulieren. In der Tat kann man nicht wirklich zum Frieden gelangen, wenn es keinen überzeugten Dialog von Männern und Frauen gibt, die über die verschiedenen Ideologien und Meinungen hinaus nach der Wahrheit suchen. Der Frieden ist eine »immer wieder neu zu erfüllende Aufgabe« , ein Weg, den wir gemeinsam gehen, indem wir auf das Gemeinwohl bedacht sind und uns dafür einsetzen, das gegebene Wort zu halten und das Recht zu achten. Im gegenseitigen Zuhören können auch die Kenntnis und die Wertschätzung des anderen so sehr wachsen, dass man im Feind das Antlitz eines Bruders erkennt.

Der Friedensprozess ist also eine Aufgabe, die Zeit braucht. Er ist eine geduldige Arbeit der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit, die das Gedächtnis an die Opfer ehrt und schrittweise eine gemeinsame Hoffnung eröffnet, die stärker ist als die Rache. In einem Rechtsstaat kann die Demokratie ein bedeutendes Paradigma dieses Prozesses sein, wenn sie auf Gerechtigkeit und auf dem Einsatz für den Schutz der Rechte aller in der beständigen Suche nach Wahrheit gründet, insbesondere, wenn sie schwach oder ausgegrenzt sind. Es geht um den sozialen Aufbau und um eine wachsende Ausgestaltung, in der jeder verantwortlich seinen Beitrag auf allen Ebenen der lokalen, nationalen und weltweiten Gemeinschaft beisteuert.

So hob der heilige Paul VI. hervor: »Das zweifache Bestreben nach Erlangung der Gleichheit und Mitverantwortung hängt aber mit der Förderung eines demokratischen Gesellschaftsstils zusammen. […] Damit ist die Bedeutung jener Institution für das gesellschaftliche Leben genannt, durch die nicht nur die Kenntnis der persönlichen Rechte weitergegeben, sondern auch das ins Gedächtnis zurückgerufen wird, was mit ihnen notwendig zusammenhängt: die Anerkennung der Pflichten, zu denen der eine dem anderen gegenüber gehalten ist. Bewusstsein und Wahrnehmung der damit verbundenen Aufgabe aber hängen vor allem wieder von der persönlichen Einstellung, von der geistigen Selbstzucht, von der Übernahme von Verantwortung und von der Einwilligung in Reglements ab, durch die sowohl für den Einzelnen als auch für einzelne Gruppen bestimmte Freiheitsgrenzen festgelegt werden.«

Im Gegenteil, der Bruch zwischen den Mitgliedern einer Gesellschaft, die Zunahme sozialer Ungleichheit und die Ablehnung, die Mittel für eine ganzheitliche menschliche Entwicklung zu gebrauchen, gefährden die Verwirklichung des Gemeinwohls. Die geduldige Arbeit hingegen, die auf der Kraft des Wortes und der Wahrheit gründet, kann in den Personen die Fähigkeit zu Mitleid und kreativer Solidarität wiedererwecken.

In unserer christlichen Erfahrung haben wir stets Christus vor Augen, der sein Leben zu unserer Versöhnung hingegeben hat (vgl. Röm 5,6-11). Die Kirche nimmt an der Suche nach einer gerechten Ordnung auf umfassende Weise teil, indem sie dem Gemeinwohl dient und durch die Weitergabe der christlichen Werte, durch moralische Unterweisung und ihr soziales und erzieherisches Wirken die Hoffnung auf Frieden nährt.

3. Der Frieden als Weg der Versöhnung in geschwisterlicher Gemeinschaft

Die Bibel ruft – besonders durch das Wort der Propheten – die Gewissen und die Völker zum Bund Gottes mit den Menschen. Es geht darum, den Wunsch aufzugeben, über die anderen zu herrschen, und zu lernen, einander als Menschen, als Kinder Gottes, als Brüder und Schwestern anzusehen. Der andere darf niemals auf das reduziert werden, was er sagen oder machen konnte, sondern muss im Hinblick auf die Verheißung, die er in sich trägt, geachtet werden. Nur wenn der Weg der Achtung gewählt wird, kann man die Spirale der Rache aufbrechen und den Weg der Hoffnung beschreiten.

Hier leitet uns der Abschnitt aus dem Evangelium, der das folgende Gespräch zwischen Petrus und Jesus wiedergibt: » „Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er gegen mich sündigt? Bis zu siebenmal?“ Jesus sagte zu ihm: „Ich sage dir nicht: Bis zu siebenmal, sondern bis zu siebzigmal siebenmal“ « (Mt 18,21-22). Dieser Weg der Versöhnung ruft uns auf, tief in unserem Herzen die Kraft zur Vergebung zu finden sowie die Fähigkeit, uns als Brüder und Schwestern zu erkennen. Wenn wir in der Vergebung zu leben lernen, dann wächst unsere Fähigkeit, Frauen und Männer des Friedens zu werden.

Was für den Frieden im sozialen Bereich zutrifft, das stimmt auch im politischen und wirtschaftlichen Bereich, weil die Frage des Friedens alle Dimensionen des gemeinschaftlichen Lebens durchdringt: Es wird nie einen wahren Frieden geben, wenn wir nicht in der Lage sind, ein gerechteres Wirtschaftssystem aufzubauen. So schrieb vor zehn Jahren Benedikt XVI. in der Enzyklika Caritas in veritate: »Die Überwindung der Unterentwicklung erfordert ein Eingreifen nicht nur zur Verbesserung der auf Gütertausch beruhenden Transaktionen, nicht nur im Bereich der Leistungen der öffentlichen Hilfseinrichtungen, sondern vor allem eine fortschreitende Offenheit auf weltweiter Ebene für wirtschaftliche Tätigkeiten, die sich durch einen Anteil von Unentgeltlichkeit und Gemeinschaft auszeichnen« (Nr. 39).

4. Der Frieden als Weg der ökologischen Umkehr

»Wenn ein falsches Verständnis unserer eigenen Grundsätze uns auch manchmal dazu geführt hat, die schlechte Behandlung der Natur oder die despotische Herrschaft des Menschen über die Schöpfung oder die Kriege, die Ungerechtigkeit und die Gewalt zu rechtfertigen, können wir Glaubenden erkennen, dass wir auf diese Weise dem Schatz an Weisheit, den wir hätten hüten müssen, untreu gewesen sind.«

Angesichts der Folgen unserer Feindseligkeit den anderen gegenüber und der Auswirkungen der fehlenden Achtung für das gemeinsame Haus und der missbräuchlichen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen – einzig als Mittel für schnellen Profit heute gesehen, ohne auf die Gemeinschaften vor Ort, das Gemeinwohl und die Natur zu achten – brauchen wir eine ökologische Umkehr.

Die kürzlich stattgefundene Amazonien-Synode drängt uns, wieder neu zu einer friedlichen Beziehung zwischen den Gemeinschaften und der Erde, zwischen der Gegenwart und dem Gedächtnis, zwischen Erfahrungen und Hoffnungen aufzurufen.

Dieser Weg der Versöhnung bedeutet auch, die Welt zu hören und zu betrachten, die uns von Gott geschenkt wurde, damit wir sie zu unserem gemeinsamen Haus machen. Die natürlichen Ressourcen, die vielen Formen des Lebens und die Erde selbst wurden uns nämlich anvertraut, damit sie unter verantwortlicher und tätiger Mitwirkung eines jeden auch für die künftigen Generationen „bearbeitet und gehütet“ würden (vgl. Gen 2,15). Ferner brauchen wir einen Wandel der Überzeugungen und des Blicks, der uns offener macht für die Begegnung mit dem anderen und für die Annahme des Geschenks der Schöpfung, die die Schönheit und Weisheit ihres Schöpfers widerspiegelt.

Daraus entspringen insbesondere solide Beweggründe und eine neue Art und Weise, wie wir das gemeinsame Haus bewohnen und in unserer Verschiedenheit füreinander da sein sollen, wie wir das empfangene und gemeinsame Leben führen und achten sollen, wie wir uns um die Voraussetzungen und Modelle einer Gesellschaft, welche die Blüte und den Verbleib des Lebens in der Zukunft sichern, kümmern sollen und wie wir das Gemeinwohl der ganzen Menschheitsfamilie fördern sollen.

Die ökologische Umkehr, zu der wir aufrufen, führt uns also zu einem neuen Blick auf das Leben. Dabei betrachten wir die Freigebigkeit des Schöpfers, der uns die Erde geschenkt hat und zur frohen Genügsamkeit des Teilens mahnt. Eine solche Umkehr ist ganzheitlich zu verstehen, als eine Veränderung unserer Beziehungen zu unseren Schwestern und Brüdern, zu den anderen Lebewesen, zur Schöpfung in ihrer so reichen Vielfalt und zum Schöpfer, dem Urgrund allen Lebens. Für Christen heißt dies, dass sie verlangt, »alles, was ihnen aus ihrer Begegnung mit Jesus Christus erwachsen ist, in ihren Beziehungen zu der Welt, die sie umgibt, zur Blüte zu bringen« .

5. Man erlangt so viel, wie man erhofft

Der Weg der Versöhnung erfordert Geduld und Vertrauen. Man erhält keinen Frieden, wenn man ihn nicht erhofft.

Es geht vor allem darum, an die Möglichkeit des Friedens zu glauben, zu glauben, dass der andere ebenso wie wir Frieden braucht. Darin kann uns die Liebe Gottes zu einem jeden von uns inspirieren, die eine befreiende, uneingeschränkte, unentgeltliche und unermüdliche Liebe ist.

Die Angst ist oft Quelle von Konflikten. Es ist daher wichtig, dass wir unsere menschliche Furcht überwinden und uns zugleich vor dem als bedürftige Kinder erkennen, der uns wie der Vater des verlorenen Sohns liebt und erwartet (vgl. Lk 15,11-24). Die Kultur der Begegnung zwischen Brüdern und Schwestern bricht mit der Kultur der Bedrohung. Sie macht aus jeder Begegnung eine Möglichkeit und eine Gabe der freigebigen Liebe Gottes. Sie leitet uns, die Grenzen unserer engen Horizonte zu überschreiten, um immer bestrebt zu sein, die Brüderlichkeit aller Menschen als Söhne und Töchter des einen himmlischen Vaters zu leben.

Für die Jünger Christi wird dieser Weg auch vom Sakrament der Versöhnung getragen, das der Herr zur Vergebung der Sünden der Getauften geschenkt hat. Dieses Sakrament der Kirche, das die Menschen und Gemeinschaften erneuert, ruft dazu auf, den Blick auf Jesus gerichtet zu halten, der »alles im Himmel und auf Erden« versöhnt hat und »der Frieden gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut« (Kol 1,20). Dieses Sakrament verlangt zudem, jede Gewalt in Gedanken, Worten und Werken sowohl gegen den Nächsten als auch gegen die Schöpfung abzulegen.

Die Gnade Gottes des Vaters wird als bedingungslose Liebe geschenkt. Wenn wir in Christus seine Vergebung empfangen haben, können wir uns auf den Weg machen, um diese Vergebung den Männern und Frauen unserer Zeit anzubieten. Tag für Tag gibt uns der Heilige Geist Haltungen und Worte ein, damit wir zu „Handwerkern“ der Gerechtigkeit und des Friedens werden.

Möge der Gott des Friedens uns segnen und uns zu Hilfe kommen.

Möge Maria, die Mutter des Friedensfürsten und die Mutter aller Völker der Erde, uns Schritt für Schritt auf dem Weg der Versöhnung begleiten und unterstützen.

Möge jeder Mensch in dieser Welt ein friedliches Dasein finden und die Verheißung von Liebe und Leben, die er in sich trägt, vollkommen entfalten.

Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 2019

Franziskus

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Quelle

Die Papstbotschaft zum Weltfriedenstag im Wortlaut

Papst Franziskus (ANSA)

Hier lesen Sie die Botschaft des Papstes zum Weltfriedenstag, der jeweils am 1. Januar begangen wird. Es handelt sich um eine offizielle deutsche Übersetzung.

Gute Politik steht im Dienste des Friedens

 

1.               „Friede diesem Haus!“

Als Jesus seine Jünger aussandte, sagte er zu ihnen: »Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als Erstes: Friede diesem Haus! Und wenn dort ein Sohn des Friedens wohnt, wird euer Friede auf ihm ruhen; andernfalls wird er zu euch zurückkehren« (Lk 10,5-6).

Frieden zu bringen steht im Mittelpunkt der Sendung der Jünger Christi. Und dieses Angebot richtet sich an alle, Männer und Frauen, die inmitten der Dramen und Gewalttaten der Menschheitsgeschichte auf Frieden hoffen.[1] Das „Haus“, von dem Jesus spricht, ist jede Familie, jede Gemeinschaft, jedes Land, jeder Kontinent, mit der jeweiligen Einzigartigkeit und Geschichte; gemeint ist insbesondere jeder Mensch, ohne Unterschiede und Diskriminierungen. Es geht dabei auch um unser „gemeinsames Haus“, um den Planeten, den Gott uns als Lebensraum zugewiesen hat und für den wir achtsam Sorge tragen sollen.

So soll dies auch mein Wunsch zu Beginn des neuen Jahres sein: „Friede diesem Haus!“

 

2.               Die Herausforderung guter Politik

Der Friede ist der Hoffnung ähnlich, über die der Dichter Charles Péguy sagt,[2] sie sei wie eine zarte Blume, die versucht, mitten unter den Steinen der Gewalt aufzugehen. Wir wissen, dass ein Machtstreben um jeden Preis zu Missbrauch und Ungerechtigkeit führt. Die Politik ist ein grundlegendes Mittel, um ein Gemeinwesen aufzubauen und das Tun des Menschen zu fördern; aber wenn sie von den Verantwortlichen nicht als Dienst an der menschlichen Gemeinschaft verstanden wird, kann sie zu einem Instrument der Unterdrückung und Ausgrenzung, ja sogar der Zerstörung werden.

»Wer der Erste sein will«, sagt Jesus, »soll der Letzte von allen und der Diener aller sein« (Mk 9,35). So hob auch Papst Paul VI. hervor:»Nimmt man den Bereich des Politischen auf seinen verschiedenen Ebenen – örtlich, regional, national und auf Weltebene – wirklich ernst, dann muss man zugeben, dass jeder einzelne Mensch die Pflicht hat, die konkrete Wirklichkeit und die Bedeutung der ihm verliehenen Entscheidungsfreiheit anzuerkennen und darum bemüht zu sein, in gleicher Weise das Wohl der Stadt, der Nation und der Menschheit zu verwirklichen.«[3]

In der Tat stellen die politische Funktion und Verantwortung eine ständige Herausforderung für alle dar, die das Mandat erhalten, ihrem Land zu dienen, die dort lebenden Menschen zu schützen und Voraussetzungen für eine würdige und gerechte Zukunft zu schaffen. Wenn sie sich in grundlegender Achtung des Lebens, der Freiheit und der Würde des Menschen vollzieht, kann die Politik wirklich zu einer hervorragenden Form der Nächstenliebe werden.

 

3.               Nächstenliebe und menschliche Tugenden für eine Politik im Dienste der Menschenrechte und des riedens

Papst Benedikt XVI. erinnerte daran, dass »jeder Christ […] zu dieser Nächstenliebe aufgerufen [ist], in der Weise seiner Berufung und entsprechend seinen Einflussmöglichkeiten in der Polis. […] Wenn der Einsatz für das Gemeinwohl von der Liebe beseelt ist, hat er eine höhere Wertigkeit als der nur weltliche, politische. […] Wenn das Handeln des Menschen auf Erden von der Liebe inspiriert und unterstützt wird, trägt es zum Aufbau jener universellen Stadt Gottes bei, auf die sich die Geschichte der Menschheitsfamilie zubewegt.«[4] Dies ist ein Programm, in dem sich alle Politiker unabhängig von ihrer kulturellen oder religiösen Zugehörigkeit wiederfinden können, die gemeinsam für das Wohl der Menschheitsfamilie arbeiten wollen, indem sie die menschlichen Tugenden praktizieren, die einem guten politischen Handeln zugrunde liegen: Gerechtigkeit, Gleichheit, gegenseitiger Respekt, Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und Treue.

In diesem Zusammenhang verdienen es die „Seligpreisungen des Politikers“, in Erinnerung gerufen zu werden, die vom 2002 verstorbenen vietnamesischen Kardinal François-Xavier Nguyễn Vãn Thuận stammen, der ein treuer Zeuge des Evangeliums war:

 

Selig der Politiker, der ein seiner Rolle entsprechendes Bewusstsein und Gewissen hat.

Selig der Politiker, der als Person glaubwürdig ist.

Selig der Politiker, der für das Gemeinwohl arbeitet und nicht für seine eigenen Interessen.

Selig der Politiker, der kohärent bleibt.

Selig der Politiker, der Einheit schafft.

Selig der Politiker, der sich für die Verwirklichung radikalen Wandels einsetzt.

Selig der Politiker, der zuhören kann.

Selig der Politiker, der keine Angst hat.[5]

 

Jede Wahl von Amtsträgern, jede Amtsperiode, jede Phase des öffentlichen Lebens ist eine Gelegenheit, zur Quelle und zu den Bezugspunkten zurückzukehren, die die Gerechtigkeit und das Recht inspirieren. Wir sind davon überzeugt: Gute Politik steht im Dienste des Friedens; sie achtet und fördert die grundlegenden Menschenrechte, die ebenso gegenseitige Pflichten sind, damit ein Band des Vertrauens und der Dankbarkeit zwischen gegenwärtigen und kommenden Generationen geknüpft werden kann.

 

4.         Die Laster der Politik

Neben den Tugenden gibt es leider auch in der Politik Laster, die sowohl auf mangelnde persönliche Eignung wie auch auf Missstände im Umfeld und in den Institutionen zurückzuführen sind. Es ist allen klar, dass die Laster der Politik die Glaubwürdigkeit der Systeme, in denen sie stattfindet, sowie die Autorität, die Entscheidungen und das Handeln der Menschen, die sich dort einsetzen, untergraben. Diese Laster schwächen das Ideal einer echten Demokratie, sie sind die Schande des öffentlichen Lebens und gefährden den sozialen Frieden: Korruption – in ihren vielen Formen der Veruntreuung von öffentlichem Eigentum oder der Instrumentalisierung von Menschen –, Rechtsverweigerung, Missachtung von Gemeinschaftsregeln, illegale Bereicherung, Rechtfertigung der Macht durch Gewalt oder unter dem willkürlichen Vorwand der „Staatsräson“, der Hang zum Machterhalt, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, die Weigerung, achtsam mit der Erde umzugehen, eine unbegrenzte Ausbeutung der natürlichen Ressourcen für den unmittelbaren Profit und die Verachtung für die, die zu einem Leben in der Fremde gezwungen sind.

 

5.         Gute Politik fördert die Beteiligung junger Menschen und das Vertrauen in andere

Wenn die Ausübung der politischen Macht einzig auf die Wahrung der Interessen bestimmter privilegierter Personen abzielt, wird die Zukunft beeinträchtigt; junge Menschen stehen in Gefahr, ihr Vertrauen zu verlieren, weil sie dazu verurteilt sind, am Rande der Gesellschaft zu bleiben, und keine Möglichkeit haben, die Zukunft mitzugestalten. Wenn die Politik hingegen in der Förderung junger Talente und Berufungen, die nach Verwirklichung streben, einen konkreten Ausdruck findet, wird der Frieden in den Gewissen wachsen und auch auf den Gesichtern sichtbar sein. Es kommt zu einem dynamischen Vertrauen im Sinne von: Ich vertraue dir und glaube mit dir an die Möglichkeit, gemeinsam für das Gemeinwohl zu arbeiten. Politik dient dem Frieden, wenn sie sich in der Anerkennung der Charismen und Fähigkeiten eines jeden Menschen ausdrückt. »Was gibt es schöneres als eine hingereichte Hand? Sie ist von Gott, um zu geben und zu empfangen. Gott hat nicht gewollt, dass sie tötet (vgl. Gen 4,1ff) oder dass sie leiden lässt, sondern dass sie sorgt und zu leben hilft. Neben dem Herzen und dem Verstand kann auch die Hand zu einem Werkzeug des Dialogs werden.«[6]

Jeder kann mit seinem eigenen Stein einen Beitrag zum Bau des gemeinsamen Hauses erbringen. Echte Politik, die sich auf Recht und ehrlichen Dialog zwischen den Personen gründet, entsteht immer neu aus der Überzeugung heraus, dass mit jeder Frau, jedem Mann und jeder Generation die Hoffnung auf neue relationale, intellektuelle, kulturelle und spirituelle Möglichkeiten verbunden ist. Ein solches Vertrauen ist nie einfach, denn menschliche Beziehungen sind komplex. So leben wir momentan in einem Klima des Misstrauens, das in der Angst vor dem anderen oder Fremden, in der Angst vor dem Verlust der eigenen Vorteile wurzelt und sich leider auch auf politischer Ebene durch eine Haltung der Abschottung oder des Nationalismus manifestiert, die jene Brüderlichkeit in Frage stellen, die unsere globalisierte Welt so dringend braucht. Unsere Gesellschaften brauchen heute mehr denn je „Gestalter des Friedens“, die authentische Botschafter und Zeugen Gottes des Vaters sein können, der das Wohl und das Glück der Menschheitsfamilie will.

 

6.         Nein zum Krieg und zur Strategie der Angst

Wenn wir hundert Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs an die jungen Menschen, die bei diesen Kämpfen starben, und an die gequälte Zivilbevölkerung denken, verstehen wir heute besser als gestern die schreckliche Lehre aus den Bruderkriegen, dass nämlich Frieden sich niemals auf das bloße Gleichgewicht der Kräfte und der Angst beschränken kann. Den anderen zu bedrohen bedeutet, ihn zum bloßen Objekt zu machen und ihm seine Würde abzusprechen. Aus diesem Grund bekräftigen wir, dass die Eskalation von Einschüchterung wie auch die unkontrollierte Verbreitung von Waffen gegen die Moral und das Bemühen um wirkliche Eintracht verstoßen. Der Terror gegen die Schwächsten trägt dazu bei, dass ganze Bevölkerungsgruppen auf der Suche nach Orten des Friedens ins Exil gehen. Nicht tragbar sind politische Diskurse, welche die Migranten aller Übel beschuldigen und den Armen die Hoffnung nehmen. Stattdessen muss betont werden, dass der Frieden auf der Achtung jedes Menschen unabhängig von seiner Geschichte, auf der Achtung des Gesetzes und des Gemeinwohls sowie der uns anvertrauten Schöpfung und des reichen sittlichen Erbes früherer Generationen beruht.

Wir denken insbesondere auch an die Kinder, die in den derzeitigen Konfliktgebieten leben, und an all diejenigen, die sich für den Schutz ihres Lebens und ihrer Rechte einsetzen. In der Welt ist jedes sechste Kind von der Gewalt des Krieges oder ihren Folgen betroffen, wenn es nicht sogar selbst Soldat oder Geisel bewaffneter Gruppen wird. Das Zeugnis derer, die sich für die Achtung der Kinder und die Verteidigung ihrer Würde einsetzen, ist äußerst wertvoll für die Zukunft der Menschheit.

 

7.         Ein großes Friedensprojekt

In diesen Tagen feiern wir den siebzigsten Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die nach dem Zweiten Weltkrieg verabschiedet wurde. Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang an eine Feststellung von Papst Johannes XXIII.: »Wenn aber in einem Menschen das Bewusstsein seiner Rechte erwacht, so ist es notwendig, dass in ihm auch das Bewusstsein seiner Pflichten erwacht, sodass dem, der gewisse Rechte hat, in gleicher Weise die Pflicht innewohnt, seine Rechte als Zeichen seiner Würde einzufordern; den anderen aber wohnt die Pflicht inne, diese Rechte anzuerkennen und zu achten.«[7]

Der Frieden ist in der Tat das Ergebnis eines großen politischen Projekts, das auf der gegenseitigen Verantwortung und der wechselseitigen Abhängigkeit der Menschen beruht. Aber er ist auch eine Herausforderung, der man sich Tag für Tag stellen muss. Frieden ist eine Bekehrung von Herz und Seele, und es ist leicht, drei untrennbare Dimensionen dieses inneren und gemeinschaftlichen Friedens auszumachen:

 

–        Frieden mit sich selbst: Unnachgiebigkeit, Wut und Ungeduld zurückweisen und – wie der heilige Franz von Sales riet – „ein wenig Sanftmut an sich selbst“ üben, um „anderen ein wenig Sanftmut“ zu erweisen;

–        Frieden mit dem anderen: mit dem Familienangehörigen, dem Freund, dem Fremden, dem Armen, dem Leidenden …; den Mut haben, ihnen zu begegnen, und ihrer Botschaft zuhören;

–        Frieden mit der Schöpfung: die Größe des Geschenks Gottes und seinen Teil der Verantwortung wiederentdecken, der jedem von uns als Bewohner der Welt, als Bürger und Gestalter der Zukunft aufgegeben ist.

Eine Friedenspolitik, die um die menschlichen Schwächen weiß und sich ihrer annimmt, kann immer aus dem Geist des Magnifikats schöpfen, das Maria, die Mutter Christi, des Erlösers, und die Königin des Friedens, im Namen aller Menschen singt: »Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten. Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen […] und denkt an sein Erbarmen, das er unseren Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig« (Lk 1,50-55).

 

Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 2018

 

FRANZISKUS

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55 Jahre „Pacem in Terris“

Ein ganz besonderer Geburtstag: „Pacem in Terris“ wird an diesem Mittwoch 55 Jahre alt. Die Enzyklika des heiligen Papstes Johannes XXIII. war gleich in mehrfacher Hinsicht bahnbrechend.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

„Pacem in Terris soll in diesem Jahr des Herrn 1963 unser Ostergeschenk sein“: So kündigte der Roncalli-Papst damals seinen Text an. 1963: Das ist mitten im Kalten Krieg. Kuba-Krise, Angst vor einem neuen Weltkrieg, zugleich Zweites Vatikanisches Konzil und letztes Pontifikatsjahr von Johannes.

„Der Text breitet die Lehre der Kirche zum Thema Frieden aus. Es geht um die Elemente, die zu einem authentischen Frieden führen – im persönlichen, familiären und im öffentlichen Ambiente.“

Zum ersten Mal schreibt ein Papst eine Enzyklika nicht nur an eine bestimmte Gruppe – etwa die Bischöfe oder alle katholischen Gläubigen – sondern ausdrücklich an „alle Menschen guten Willens“. Eine Formel, die sich seither für diese päpstlichen Lehrdokumente eingebürgert hat.

Johannes schreibt bewusst an alle in Ost und West. Seine These: Frieden kann nicht durch ein Gleichgewicht des Schreckens, also durch nukleare Abschreckung, entstehen.

„Frieden ist nicht so sehr ein Gleichgewicht äußerer Kräfte als vielmehr ein Gottesgeschenk, Unterpfand der Liebe Christi, der die Seelen der Menschen mit dem Vater aussöhnt und sie mit seiner Gnade umfängt.“

“ Kirche gehört nicht zum Osten und nicht zum Westen ”

Der 11. April ’63, Tag der Veröffentlichung, ist der Gründonnerstag. Johannes ist schwerkrank; er weiß, dass er nicht mehr lange leben wird. Das macht „Pacem in Terris“ zu seinem Vermächtnis. „Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit“ nennt der Papst schon im Untertitel die Hauptvoraussetzungen für Frieden.

„Wir vertrauen darauf, dass die Botschaft der Enzyklika Pacem in Terris von den Menschen freudig und mit offenem Herzen aufgenommen werden wird. Und wir werden ihren Lauf mit unserem Gebet begleiten und mit der Zuneigung, die alle Völker umarmt.“

Erstmals macht ein hochrangiger päpstlicher Text auf die wichtige Rolle der Frauen aufmerksam. Aber auch dieser Satz findet sich in der Jahrhundert-Enzyklika, unter der Nummer 41: „Es kann nicht ein für allemal entschieden werden, welche Staatsform die geeignetere ist…“

Die Kirche gehört nicht zum Westen und nicht zum Osten, macht der Papst klar. Auch deswegen wird seine Enzyklika diesseits wie jenseits des Eisernen Vorhangs interessiert aufgenommen. Bis heute inspiriert sie die Friedensarbeit der Kirche überall auf der Welt.

Unser Video zeigt historische Aufnahmen aus der Entstehungszeit der Enzyklika; dazu hören Sie eine Ton-Aufnahme der Ankündigung von Pacem in Terris durch Johannes XXIII. in italienischer Sprache.

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Quelle

Lesen Sie auch die Enzyklika „Pacem in Terris“!

Die offizielle päpstliche Botschaft zum Weltfriedenstreffen 2017 in Münster und Osnabrück

BOTSCHAFT VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE TEILNEHMER DES INTERNATIONALEN WELTFRIEDENSTREFFENS
„WEGE DES FRIEDENS“

[Münster und Osnabrück, 10.-12. September 2017]

 

Verehrte, liebe Vertreter der christlichen Kirchen und Gemeinschaften und der Weltreligionen,

Ihnen allen entbiete ich meinen herzlichen Gruß und versichere Ihnen meine geistliche Nähe.

Auf Initiative der Diözesen Münster und Osnabrück sowie der Gemeinschaft Sant’Egidio, denen ich vielmals danke, sind Sie zu einem weiteren internationalen Treffen mit dem Titel „Wege des Friedens“ zusammengekommen. Dieser Weg des Friedens und des Dialogs, den der heilige Johannes Paul II. 1986 in Assisi gewünscht und angestoßen hat und dessen dreißigsten Jahrestag wir letztes Jahr gemeinsam begehen durften, ist aktuell und notwendig: Konflikte, verbreitete Gewalt, Terrorismus und Kriege bedrohen heute Millionen von Menschen, treten die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens mit Füßen und machen alle noch schwächer und verwundbarer.

Das Thema dieses Jahres lädt dazu ein, neue Wege des Friedens zu öffnen und zu bauen. Dies ist nötig, besonders dort, wo Konflikte ohne Ausweg zu sein scheinen, wo man keine Wege zur Versöhnung einschlagen will, wo man auf Waffen vertraut und nicht auf den Dialog und so ganze Völker in der Nacht der Gewalt belässt ohne Hoffnung auf einen Morgen des Friedens. Viele, zu viele haben immer noch „Durst nach Frieden“, wie wir es letztes Jahr in Assisi gesagt haben. Neben den politischen und gesellschaftlichen Verantwortungsträgern, deren Auftrag es ist, den Frieden für alle heute und in der Zukunft zu fördern, sind die Religionen dazu berufen, vor allem mit dem Gebet und mit dem konkreten, demütigen und konstruktiven Einsatz diesem Verlangen zu entsprechen und zusammen mit den Männern und Frauen guten Willens unermüdlich Wege des Friedens auszumachen und zu öffnen.

Angesichts der Unvernunft derer, die Gott herabwürdigen, indem sie Hass säen, angesichts des Dämons des Krieges, des Wahnsinns des Terrorismus und der trügerischen Stärke der Waffen kann unser Weg für den Frieden nur ein Weg des Friedens sein, jener nämlich, der die »vielen religiösen Traditionen, für die Mitleid und Gewaltlosigkeit wesentlich sind und den Weg des Lebens weisen«, vereint (Botschaft zum Weltfriedenstag, 1. Januar 2017, 4). Um Durchgänge des Friedens zu öffnen, braucht es demütigen Mut und beharrliche Ausdauer. Insbesondere ist es nötig zu beten, denn – so glaube ich fest – das Gebet steht am Anfang des Friedens. Als Religionsführer haben wir vor allem in diesem geschichtlichen Moment auch eine besondere Verantwortung: Menschen des Friedens zu sein und als solche zu leben, die bezeugen und in Erinnerung rufen, dass Gott den Krieg verabscheut, dass Krieg niemals heilig ist, dass Gewalt niemals im Namen Gottes verübt oder gerechtfertigt werden kann. Darüber hinaus sind wir berufen, die Gewissen wachzurütteln, Hoffnung zu verbreiten sowie Friedensstifter zu erwecken und zu unterstützen.

Was wir nicht machen können und dürfen, ist gleichgültig bleiben, so dass die Tragödien des Hasses in Vergessenheit geraten und man sich mit der Vorstellung abfindet, dass der Mensch weggeworfen wird und ihm Macht und Gewinn vorgezogen werden. Das Treffen dieser Tage möchte Wege des Friedens und für den Frieden öffnen und stärken und will offenbar genau dieser Einladung entsprechen: die Gleichgültigkeit gegenüber dem menschlichen Leid überwinden. Dafür danke ich Ihnen und ebenso dafür, dass Sie trotz der Unterschiede beisammen sind, um nach Wegen zu suchen, die von den Übeln des Krieges und des Hasses befreien. Der erste Schritt dazu besteht in der Fähigkeit, den Schmerz des anderen zu hören, ihn zu seinem eigenen zu machen, den anderen nicht fallen zu lassen und sich nicht daran zu gewöhnen. Nie darf man sich an das Übel gewöhnen, nie darf man ihm gegenüber gleichgültig sein.

Und doch kann man sich fragen: Was soll man angesichts so großen um sich greifenden und wütenden Übels tun? Ist es nicht zu stark? Ist nicht jeder Einsatz umsonst? Gegenüber diesen Fragen läuft man Gefahr, sich von der Resignation lähmen zu lassen. Sie hingegen haben sich auf den Weg gemacht und haben sich heute versammelt, um eine Antwort zu geben, ja, schon Ihr Zusammenkommen stellt eine Antwort des Friedens dar: nie wieder die einen gegen die anderen, sondern die einen gemeinsam mit den anderen. Die Religionen können nichts anderes als Frieden wollen; sie sind tätig im Gebet, sie sind bereit, sich über die Wunden des Lebens und über die Unterdrückten der Geschichte zu beugen, und sie sind wachsam, der Gleichgültigkeit entgegenzuwirken und Wege der Gemeinschaft zu fördern.

Es ist bedeutungsvoll, dass Ihr Treffen im Herzen Europas stattfindet, in dem Jahr, in dem dieser Kontinent sechzig Jahre Gründungsverträge der Union feiert, die 1957 in Rom unterzeichnet wurden. Der Friede bildet das Herz des Aufbaus Europas nach den Trümmern zweier verheerender Weltkriege und der schrecklichen Tragödie der Shoah. Ihre Anwesenheit in Deutschland möge ein Zeichen und eine Ermahnung für Europa sein, den Frieden zu pflegen, nämlich durch seinen Einsatz, Wege einer festeren Einheit im Innern und eine immer größeren Öffnung nach außen zu bauen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass der Friede nicht nur Frucht des menschlichen Einsatzes ist, sondern der Öffnung auf Gott hin.

So öffnen wir weiter gemeinsam neue Wege des Friedens. Lichter des Friedens mögen entzündet werden, wo die Finsternis des Hasses herrscht. Es möge der »Wille aller Menschen [sein], dass sie die Schranken zerbrechen, die die einen von den andern trennen; dass sie die Bande gegenseitiger Liebe festigen, einander besser verstehen; dass sie schließlich allen verzeihen, die ihnen Unrecht getan haben. So werden […] alle Völker sich brüderlich umarmen, und so wird stets in ihnen der ersehnte Friede herrschen« (Johannes XXIII., Enzyklika Pacem in terris, 91).

Aus dem Vatikan, am 28. August 2017

Franziskus

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Quelle

Papstgruß nach Münster: „Religionen wollen nichts als Frieden“

Franziskus mit einer weißen Taube als Symbol des Friedens

Papst Franziskus hat dem internationalen Friedenstreffen der Gemeinschaft Sant’Egidio in Münster und Osnabrück zu dessen Eröffnung eine Grußbotschaft übermittelt. Darin erinnert er an die besondere Rolle von Religionsführern in Konflikten, wie die Welt sie derzeit sieht. Franziskus kritisierte die „Unvernunft derer, die Gott herabwürdigen, indem sie Hass säen“, er wandte sich gegen den „Wahnsinn des Terrorismus“ und die „trügerische Stärke der Waffen“. Die Religionen könnten, fuhr der Papst fort, „nichts anders als Frieden wollen“. Das Treffen wurde am Sonntagnachmittag unter anderem mit einer Rede von Kanzlerin Angela Merkel in Münster eröffnet.

Religionsführer hätten die Verantwortung, „Menschen des Friedens zu sein und als solche zu leben”, schreibt der Papst in seinem Gruß nach Deutschland. Sie sollten „bezeugen und in Erinnerung rufen, dass Gott den Krieg verabscheut, dass Krieg niemals heilig ist, dass Gewalt niemals im Namen Gottes verübt oder gerechtfertigt werden kann. Darüber hinaus sind wir berufen, die Gewissen wachzurütteln, Hoffnung zu verbreiten sowie Friedensstifter zu erwecken und zu unterstützen.“

Franziskus rief dazu auf, vor der vermeintlichen Übermacht des „wütenden Übels“ nicht zu resignieren. Schon ihre Zusammenkunft, so der Papst in seinem Gruß an die versammelten Religionsführer, sei eine Antwort des Friedens: „nie wieder die einen gegen die anderen, sondern die einen gemeinsam mit den anderen. Die Religionen können nichts anders als Frieden wollen“.

Und der Papst verwies auf den Frieden als Gründungsidee Europas vor 60 Jahren mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge 1957, nach zwei Weltkriegen und der „schrecklichen Tragödie der Shoah“. „Ihre Anwesenheit in Deutschland möge ein Zeichen und eine Ermahnung für Europa sein, den Frieden zu pflegen.“

Zum Internationale Weltfriedenstreffen in Deutschland haben sich rund 5000 Teilnehmer aus aller Welt angemeldet. Die dreitägige Veranstaltungsreihe in den Domstädten Münster und Osnabrück steht unter dem Motto „Wege des Friedens“. Organisiert wird das Treffen von der katholischen Gemeinschaft Sant‘ Egidio, die ihren Hauptsitz in Rom hat. Es findet jedes Jahr an einem anderen Ort statt.

(rv 10.09.2017 gs)

Papstmesse: „Schämen wir uns für den Krieg“

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Papst Franziskus bei der Predigt in der Casa Santa Marta

Papst Franziskus erklärt „Assisi“: Die Welt braucht Frieden, und um Frieden zu bitten, sei eine Pflicht. Das verdeutlichte der Papst bei seiner Frühmesse am Dienstag, bevor er nach Assisi zum Friedenstreffen abreiste. Man soll um den Frieden beten, „bis man sich der Kriege schämt“, die es noch gibt, und vor allem dürfe man die Augen vor dem Krieg nicht verschließen. Es gebe kein „Gott der Kriege“, so der Papst. Die Gewalt zwischen den Menschen sei das Werk des Bösen, und dagegen müsse jeder Mensch vorgehen. Dies könne durch das Gebet wie auch durch das „Weinen für den Frieden“ geschehen, so der Papst. Jede Religion glaube, dass Gott „nur für den Frieden einstehen“ könne.

Zum Friedenstreffen in Assisi, das 30 Jahre nach dem ersten Treffen mit Johannes Paul II. stattfindet, sagte Franziskus: „Es geht nicht darum, dort ein Schauspiel zu veranstalten, sondern einfach darum, zu beten, und zwar für den Frieden.“ Er lud alle Bischöfe – und auch alle Gläubigen – ein, an diesem Dienstag gemeinsam für Frieden zu beten, egal wo man sich befindet.

„Die heutige Erste Lesung endet auf diese Weise: ,Wer sein Ohr verschließt vor dem Schreien des Armen, wird selbst nicht erhört, wenn er um Hilfe ruft.´ (vgl. Spr 21, 1-6.10-13) Wenn wir unsere Ohren verschließen vor dem Leid jener, die bombardiert werden, die durch den Menschenhandel leiden, dann kann es sein, dass eines Tages dies an uns geschieht und wir auf Antworten warten. Wir können die Ohren nicht verschließen vor dem Geschrei des Leids unserer Geschwister, die wegen des Krieges leiden.“

Hier im Westen sehe man den Krieg nicht, stattdessen fürchten sich viele vor terroristischen Anschlägen, fuhr Franziskus fort. Doch dies sei nichts im Vergleich zu dem, was in den heutigen Kriegsgebieten der Welt passiere: Bomben töteten Alte, Kinder, Männer und Frauen; im Übrigen seien die klassischen Kriegsschauplätze gar nicht so weit entfernt von den vermeintlich sicheren Orten. Jeder Krieg entstehe zuerst in den Herzen der Menschen.

„Möge der Herr uns den Frieden in unseren Herzen schenken. Er möge die Habsucht, die Gier und die Gewaltbereitschaft in uns beseitigen. Wir brauchen Frieden! Möge unser Herz den Frieden aufnehmen und ohne Unterscheidung der Religionen. Das gilt für alle! Denn wir sind alle Kinder Gottes! Eines Gottes des Friedens. Es gibt keinen Gott des Krieges. Der Krieg ist immer ein Werk des Bösen, des Teufels, der uns alle umbringen will.”

Davor könne es keine religiöse Unterschiede geben. Es sei falsch, Gott dafür zu danken, „vom Krieg verschont zu sein“. Man müsse auch an die Betroffenen denken, so der Papst weiter.

„Denken wir heute nicht nur an die Bomben, Toten, Verletzten, denken wir an all jene – ob Kinder oder Alte – die keine humanitären Hilfe bekommen und nichts zu essen haben, die keine Medizin erhalten, die hungern und krank sind. Sie erhalten keine Hilfe, weil Bomben dies verhindern. Und wenn wir heute für den Frieden beten, dann wäre es schön, wenn jeder von uns sich der Kriege schämt, die es auf der Welt gibt. Schämen wir uns, dass Menschen dazu fähig sind, ihren Geschwistern solche schreckliche Taten zu vollbringen. Es ist ein Tag des Gebets, der Reue, des Weinens um des Friedens willen. Möge der Schrei der Leidenden gehört werden und die Herzen der Menschen sich der Barmherzigkeit und der Liebe öffnen, die uns vor dem Egoismus retten.“

(rv 20.09.2016 mg)

PAPST BENEDIKT XVI.: RELIGIONSFREIHEIT, EIN WEG FÜR DEN FRIEDEN

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BOTSCHAFT
SEINER HEILIGKEIT
PAPST BENEDIKT XVI.

ZUR FEIER DES
WELTFRIEDENSTAGES

1. JANUAR 2011

RELIGIONSFREIHEIT, EIN WEG FÜR DEN FRIEDEN

 

1. Zu Beginn eines neuen Jahres will mein Glückwunsch alle und jeden einzelnen erreichen; es ist ein Wunsch für ein frohes Wohlergehen, vor allem aber ist es ein Friedenswunsch. Auch das Jahr, das seine Türen schließt, war leider von Verfolgung, von Diskriminierung, von schrecklichen Gewalttaten und von religiöser Intoleranz gezeichnet.

Ich denke besonders an das geschätzte Land Irak, das auf seinem Weg in die ersehnte Stabilität und Versöhnung weiterhin ein Schauplatz von Gewalt und Anschlägen ist. Mir kommen die jüngsten Leiden der christlichen Gemeinde in den Sinn und insbesondere der niederträchtige Angriff auf die syro-katholische Kathedrale „Unserer Lieben Frau von der Immerwährenden Hilfe“ in Bagdad, wo am vergangenen 31. Oktober zwei Priester und über fünfzig Gläubige, die zur Feier der heiligen Messe versammelt waren, getötet wurden. Diesem Anschlag folgten in den Tagen danach weitere Angriffe, auch auf Privathäuser. Sie haben in der christlichen Gemeinde Angst ausgelöst sowie bei vielen ihrer Mitglieder den Wunsch geweckt, auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen zu emigrieren. Ihnen bekunde ich meine Nähe und die der ganzen Kirche, was auch in der kürzlich abgehaltenen Sonderversammlung der Bischofssynode für den Nahen Osten konkret zum Ausdruck gekommen ist. Diese Versammlung hat die katholischen Gemeinden im Irak und im gesamten Nahen Osten ermutigt, die Gemeinschaft zu leben und in jenen Ländern weiterhin ein mutiges Glaubenszeugnis zu geben.

Von Herzen danke ich den Regierungen, die sich bemühen, die Leiden dieser Brüder und Schwestern in ihrer menschlichen Existenz zu lindern, und fordere die Katholiken auf, für ihre Brüder und Schwestern im Glauben, die unter Gewalt und Intoleranz leiden, zu beten und sich mit ihnen solidarisch zu zeigen. In diesem Zusammenhang schien mir eine besonders gute Gelegenheit gegeben, euch allen einige Gedanken über die Religionsfreiheit als Weg für den Frieden mitzuteilen. Denn es ist schmerzlich festzustellen, daß es in einigen Regionen der Welt nicht möglich ist, den eigenen Glauben frei zu bekennen und zum Ausdruck zu bringen, ohne das Leben und die persönliche Freiheit aufs Spiel zu setzen. In anderen Gebieten existieren lautlosere und raffiniertere Formen von Vorurteil und Widerstand gegen die Gläubigen und gegen religiöse Symbole. Die Christen sind gegenwärtig die Religionsgruppe, welche die meisten Verfolgungen aufgrund ihres Glaubens erleidet. Viele erfahren tagtäglich Beleidigungen und leben oft in Angst wegen ihrer Suche nach der Wahrheit, wegen ihres Glaubens an Jesus Christus und wegen ihres offenen Aufrufs zur Anerkennung der Religionsfreiheit. Das kann man alles nicht dulden, weil es eine Beleidigung Gottes und der Menschenwürde ist; es stellt außerdem eine Bedrohung für die Sicherheit und den Frieden dar und verhindert eine echte ganzheitliche Entwicklung des Menschen.[1]

In der Religionsfreiheit nämlich findet die Besonderheit der menschlichen Person, durch die sie das eigene persönliche und gemeinschaftliche Leben auf Gott hinordnen kann, ihren Ausdruck: Im Licht Gottes versteht man die Identität, den Sinn und das Ziel der Person vollständig. Diese Freiheit willkürlich zu verweigern oder zu beschränken bedeutet, eine verkürzende Sicht des Menschen zu haben; die öffentliche Rolle der Religion zu verdunkeln bedeutet, eine ungerechte Gesellschaft aufzubauen, da sie nicht im rechten Verhältnis zur wahren Natur der menschlichen Person steht; dies bedeutet, die Durchsetzung eines echten und dauerhaften Friedens der ganzen Menschheitsfamilie unmöglich zu machen.

Ich fordere daher die Menschen guten Willens auf, den Einsatz für den Aufbau einer Welt zu erneuern, in der alle frei sind, ihre Religion oder ihren Glauben zu bekennen und ihre Liebe zu Gott mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit allen Gedanken zu leben (vgl. Mt 22,37). Das ist die Gesinnung, welche die Botschaft zur Feier des XLIV. Weltfriedenstags, die dem ThemaReligionsfreiheit, ein Weg für den Frieden gewidmet ist, inspiriert und leitet.

Das heilige Recht auf Leben und auf ein religiöses Leben

2. Das Recht auf Religionsfreiheit ist in der Würde des Menschen selbst verankert,[2] dessen transzendente Natur nicht ignoriert oder vernachlässigt werden darf. Gott hat Mann und Frau als sein Abbild erschaffen (vgl. Gen 1,27). Deshalb besitzt jeder Mensch das heilige Recht auf ein ganzheitliches Leben auch in spiritueller Hinsicht. Ohne die Anerkennung des eigenen geistigen Wesens, ohne die Öffnung auf das Transzendente hin zieht der Mensch sich auf sich selbst zurück, kann er keine Antworten auf die Fragen seines Herzens nach dem Sinn des Lebens finden und keine dauerhaften ethischen Werte und Grundsätze gewinnen, kann er nicht einmal echte Freiheit erfahren und eine gerechte Gesellschaft entwickeln.[3]

Die Heilige Schrift offenbart in Übereinstimmung mit unserer eigenen Erfahrung den tiefen Wert der Menschenwürde: „Seh ich den Himmel, das Werk deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, daß du an ihn denkst, des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füßen gelegt“ (Ps 8,4-7).

Angesichts der erhabenen Wirklichkeit der menschlichen Natur kann uns das gleiche Staunen überkommen, das der Psalmist zum Ausdruck bringt. Sie zeigt sich als ein Offensein für das Mysterium, als die Fähigkeit, den Fragen über sich selbst und über den Ursprung des Universums auf den Grund zu gehen, als innerer Widerhall der höchsten Liebe Gottes, der Ursprung und Ziel aller Dinge, eines jeden Menschen und aller Völker ist.[4] Die transzendente Würde der Person ist ein wesentlicher Wert der jüdisch-christlichen Weisheit, sie kann aber dank der Vernunft von allen erkannt werden. Diese Würde im Sinn einer Fähigkeit, die eigene Materialität zu überschreiten und die Wahrheit zu suchen, muß als ein allgemeines Gut anerkannt werden, das für den Aufbau einer auf die volle Verwirklichung des Menschen ausgerichteten Gesellschaft unverzichtbar ist. Die Achtung wesentlicher Elemente der Menschenwürde wie das Recht auf Leben und das Recht auf die Religionsfreiheit ist eine Bedingung für die moralische Legitimität jeder gesellschaftlichen und rechtlichen Vorschrift.

Religionsfreiheit und gegenseitige Achtung

3. Die Religionsfreiheit ist der Ausgangspunkt der moralischen Freiheit. Tatsächlich verleiht das in der menschlichen Natur verwurzelte Offensein für die Wahrheit und das Gute jedem Menschen volle Würde und gewährleistet den gegenseitigen Respekt zwischen Personen. Darum ist die Religionsfreiheit nicht nur als Schutz gegenüber Nötigungen zu verstehen, sondern in erster Linie als Fähigkeit, die eigenen Entscheidungen gemäß der Wahrheit zu ordnen.

Es besteht eine untrennbare Verbindung zwischen Freiheit und Achtung des anderen: „Die einzelnen Menschen und die sozialen Gruppen sind bei der Ausübung ihrer Rechte durch das Sittengesetz verpflichtet, sowohl die Rechte der andern wie auch die eigenen Pflichten den anderen und dem Gemeinwohl gegenüber zu beachten.“[5]

Eine Gott gegenüber feindliche oder gleichgültige Freiheit endet in der Verneinung ihrer selbst und gewährleistet nicht die vollkommene Achtung gegenüber dem anderen. Ein Wille, der sich für gänzlich unfähig hält, die Wahrheit und das Gute zu suchen, hat keine objektiven Gründe noch Motive für sein Handeln außer denen, die seine augenblicklichen und zufälligen Interessen ihm diktieren; er hat keine „Identität“, die durch wirklich freie und bewußte Entscheidungen zu schützen und aufzubauen ist. Er kann daher nicht die Achtung seitens anderer „Willen“ fordern, die sich ebenfalls von ihrem tiefsten Sein losgelöst haben, die also andere „Gründe“ oder sogar gar keinen „Grund“ geltend machen können. Die Illusion, im ethischen Relativismus den Schlüssel für ein friedliches Zusammenleben zu finden, ist in Wirklichkeit der Ursprung von Spaltungen und von Verneinung der Würde der Menschen. So ist es verständlicherweise notwendig, eine zweifache Dimension in der Einheit der menschlichen Person anzuerkennen: die religiöse und die soziale. In diesem Zusammenhang ist es unvorstellbar, daß die Gläubigen „einen Teil von sich – ihren Glauben – unterdrücken müssen, um aktive Bürger zu sein. Es sollte niemals erforderlich sein, Gott zu verleugnen, um in den Genuß der eigenen Rechte zu kommen“.[6]

Die Familie, eine Schule der Freiheit und des Friedens

4. Wenn die Religionsfreiheit ein Weg für den Frieden ist, dann ist die religiöse Erziehung der bevorzugte Weg, die neuen Generationen zu befähigen, im anderen den eigenen Bruder bzw. die eigene Schwester zu erkennen, mit denen man gemeinsam vorangehen und zusammenarbeiten muß, damit alle sich als lebendige Glieder ein und derselben Menschheitsfamilie empfinden, aus der niemand ausgeschlossen werden darf.

Die auf die Ehe gegründete Familie, Ausdruck inniger Gemeinschaft und gegenseitiger Ergänzung zwischen einem Mann und einer Frau, fügt sich in diesen Zusammenhang als die erste Schule von Bildung und von sozialem, kulturellem, moralischem und geistlichem Wachstum der Kinder ein, die im Vater und in der Mutter stets die ersten Zeugen eines Lebens finden sollten, das auf die Suche nach der Wahrheit und die Liebe zu Gott ausgerichtet ist. Die Eltern selbst müßten immer frei sein, ihr Erbe des Glaubens, der Werte und der Kultur ohne Zwänge und in Verantwortung an ihre Kinder weiterzugeben. Die Familie, die erste Zelle der menschlichen Gesellschaft, ist der vorrangige Bereich der Erziehung zu harmonischen Beziehungen auf allen nationalen und internationalen Ebenen menschlichen Zusammenlebens. Das ist der Weg, der weise eingeschlagen werden muß, um ein solides und solidarisches gesellschaftliches Gefüge zu schaffen, um die jungen Menschen darauf vorzubereiten, im Leben ihre Verantwortung zu übernehmen, in einer freien Gesellschaft, in einem Geist der Verständnisses und des Friedens.

Ein gemeinsames Erbe

5. Man könnte sagen, daß unter den Grundrechten und Grundfreiheiten, die in der Menschenwürde wurzeln, die Religionsfreiheit einen speziellen Stand besitzt. Wenn die Religionsfreiheit anerkannt wird, ist die Würde der Person in ihrer Wurzel geachtet und das Ethos sowie die Institutionen der Völker werden gestärkt. Wenn umgekehrt die Religionsfreiheit verweigert wird, wenn versucht wird zu verbieten, daß man die eigene Religion oder den eigenen Glauben bekennt und ihnen gemäß lebt, wird die Würde des Menschen beleidigt, und mit ihr werden die Gerechtigkeit und der Frieden bedroht, die auf jener rechten, im Licht des höchsten Wahren und Guten aufgebauten gesellschaftlichen Ordnung basieren.

In diesem Sinne ist die Religionsfreiheit auch eine Errungenschaft politischer und rechtlicher Kultur. Sie ist ein wesentliches Gut: Jeder Mensch muß frei das Recht wahrnehmen können, seine Religion oder seinen Glauben als einzelner oder gemeinschaftlich zu bekennen und auszudrücken, sowohl öffentlich als auch privat, im Unterricht, in Bräuchen, in Veröffentlichungen, im Kult und in der Befolgung der Riten. Er dürfte nicht auf Hindernisse stoßen, falls er sich eventuell einer anderen Religion anschließen oder gar keine Religion bekennen wollte. In diesem Bereich erweist sich die internationale Ordnung als bedeutungsvoll und ist ein wesentlicher Bezugspunkt für die Staaten, da sie keinerlei Ausnahme von der Religionsfreiheit gestattet, außer dem legitimen Bedürfnis der öffentlichen Ordnung, die auf der Gerechtigkeit beruht.[7] Auf diese Weise erkennt die internationale Ordnung den Rechten religiöser Natur den gleichen Status zu wie dem Recht auf Leben und auf persönliche Freiheit, womit sie deren Zugehörigkeit zum wesentlichen Kern der Menschenrechte beweist, zu jenen universalen und natürlichen Rechten, die das menschliche Gesetz niemals verweigern darf.

Die Religionsfreiheit ist nicht ausschließliches Erbe der Gläubigen, sondern der gesamten Familie der Völker der Erde. Sie ist ein unabdingbares Element eines Rechtsstaates; man kann sie nicht verweigern, ohne zugleich alle Grundrechte und -freiheiten zu verletzen, da sie deren Zusammenfassung und Gipfel ist. Sie ist „eine Art ‚Lackmustest‘ für die Achtung aller weiteren Menschenrechte“.[8] Während sie die Ausübung der spezifisch menschlichen Fähigkeiten fördert, schafft sie die nötigen Voraussetzungen für die Verwirklichung einer ganzheitlichen Entwicklung, die einheitlich die Ganzheit der Person in allen ihren Dimensionen betrifft.[9]

Die öffentliche Dimension der Religion

6. Obschon die Religionsfreiheit wie jede Freiheit von der persönlichen Sphäre ausgeht, verwirklicht sie sich in der Beziehung zu den anderen. Eine Freiheit ohne Beziehung ist keine vollendete Freiheit. Auch die Religionsfreiheit erschöpft sich nicht in der rein individuellen Dimension, sondern sie verwirklicht sich in der eigenen Gemeinschaft und in der Gesellschaft, in Übereinstimmung mit dem relationalen Wesen der Person und mit der öffentlichen Natur der Religion.

Der relationale Charakter ist eine entscheidende Komponente der Religionsfreiheit, die die Gemeinschaften der Gläubigen zur Solidarität für das Gemeinwohl drängt. In dieser gemeinschaftlichen Dimension bleibt jeder Mensch einzig und unwiederholbar, und zugleich vollendet und verwirklicht er sich ganz.

Der Beitrag, den die religiösen Gemeinschaften für die Gesellschaft leisten, ist unbestreitbar. Zahlreiche karitative und kulturelle Einrichtungen bestätigen die konstruktive Rolle der Gläubigen für das gesellschaftliche Leben. Noch bedeutender ist der ethische Beitrag der Religion im politischen Bereich. Er sollte nicht marginalisiert oder verboten, sondern als wertvolle Unterstützung zur Förderung des Gemeinwohls verstanden werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die religiöse Dimension der Kultur zu erwähnen, die über die Jahrhunderte hin durch die sozialen und vor allem ethischen Beiträge der Religion entwickelt wurde. Diese Dimension stellt keinesfalls eine Diskriminierung derer dar, die ihre Glaubensinhalte nicht teilen, sondern sie stärkt vielmehr den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Integration und die Solidarität.

Religionsfreiheit, eine Kraft der Freiheit und der Zivilisation:
die Gefahren ihrer Instrumentalisierung

7. Die Instrumentalisierung der Religionsfreiheit zur Verschleierung geheimer Interessen – wie zum Beispiel der Umsturz der konstituierten Ordnung, das Horten von Ressourcen oder die Erhaltung der Macht durch eine Gruppe – kann der Gesellschaft ungeheuren Schaden zufügen. Fanatismus, Fundamentalismus und Handlungen, die gegen die Menschenrechte verstoßen, können niemals gerechtfertigt werden, am wenigsten, wenn sie im Namen der Religion geschehen. Das Bekenntnis einer Religion darf nicht instrumentalisiert, noch mit Gewalt aufgezwungen werden. Die Staaten und die verschiedenen menschlichen Gemeinschaften dürfen also niemals vergessen, daß die Religionsfreiheit die Voraussetzung für die Suche nach der Wahrheit ist und daß sich die Wahrheit nicht mit Gewalt durchsetzt, sondern „kraft der Wahrheit selbst“.[10] In diesem Sinne ist die Religion eine positive und treibende Kraft für den Aufbau der zivilen und der politischen Gesellschaft.

Wie könnte man den Beitrag der großen Weltreligionen zur Entwicklung der Zivilisation leugnen? Die aufrichtige Suche nach Gott hat zu einer vermehrten Achtung der Menschenwürde geführt. Die christlichen Gemeinschaften haben mit ihrem Erbe an Werten und Grundsätzen erheblich dazu beigetragen, daß Menschen und Völker sich ihrer eigenen Identität und ihrer Würde bewußt wurden, und ebenso sind sie an der Errungenschaft demokratischer Einrichtungen sowie an der Festschreibung der Menschenrechte und der entsprechenden Pflichten beteiligt.

Auch heute, in einer zunehmend globalisierten Gesellschaft, sind die Christen berufen, nicht allein mit einem verantwortlichen zivilen, wirtschaftlichen und politischen Engagement, sondern auch mit dem Zeugnis der eigenen Nächstenliebe und des persönlichen Glaubens einen wertvollen Beitrag zu leisten zum mühsamen und erhebenden Einsatz für die Gerechtigkeit, für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen und für die rechte Ordnung der menschlichen Angelegenheiten. Die Ausschließung der Religion aus dem öffentlichen Leben entzieht diesem einen lebenswichtigen Bereich, der offen ist für die Transzendenz. Ohne diese Grunderfahrung ist es schwierig, die Gesellschaften auf allgemeine ethische Grundsätze hin zu orientieren, und kaum möglich, nationale und internationale Richtlinien aufzustellen, in denen die Grundrechte und -freiheiten vollständig anerkannt und verwirklicht werden können, entsprechend den – leider immer noch unbeachteten oder bestrittenen – Zielsetzungen derAllgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948.

Eine Frage der Gerechtigkeit und der Zivilisation:
Der Fundamentalismus und die Feindseligkeit gegenüber Gläubigen beeinträchtigen die positive Laizität der Staaten

8. Mit der gleichen Entschiedenheit, mit der alle Formen von Fanatismus und religiösem Fundamentalismus verurteilt werden, muß auch allen Formen von Religionsfeindlichkeit, die die öffentliche Rolle der Gläubigen im zivilen und politischen Leben begrenzen, entgegengetreten werden.

Man darf nicht vergessen, daß der religiöse Fundamentalismus und der Laizismus spiegelbildlich einander gegenüberstehende extreme Formen der Ablehnung des legitimen Pluralismus und des Prinzips der Laizität sind. Beide setzen nämlich eine einengende und partielle Sicht des Menschen absolut, indem sie im ersten Fall Formen von religiösem Integralismus und im zweiten von Rationalismus unterstützen. Die Gesellschaft, die die Religion gewaltsam aufzwingen oder – im Gegenteil – verbieten will, ist ungerecht gegenüber dem Menschen und Gott, aber auch gegenüber sich selbst. Gott ruft die Menschheit zu sich mit einem Plan der Liebe, der den ganzen Menschen in seiner natürlichen und geistlichen Dimension einbezieht und zugleich eine Antwort in Freiheit und Verantwortung erwartet, die aus ganzem Herzen und mit der ganzen individuellen und gemeinschaftlichen Existenz gegeben wird. So muß also auch die Gesellschaft, insofern sie Ausdruck der Person und der Gesamtheit der sie grundlegenden Dimensionen ist, so leben und sich organisieren, daß sie das Sich-öffnen auf die Transzendenz hin begünstigt. Genau aus diesem Grund dürfen die Gesetze und die Institutionen einer Gesellschaft nicht so gestaltet sein, daß sie die religiöse Dimension der Bürger nicht beachten oder gänzlich von ihr absehen. Durch das demokratische Wirken von Bürgern, die sich ihrer hohen Berufung bewußt sind, müssen die Gesetze und Institutionen dem Wesen des Menschen angepaßt werden, damit sie ihn in seiner religiösen Dimension unterstützen können. Da diese kein Werk des Staates ist, kann sie nicht manipuliert werden, sondern muß vielmehr anerkannt und respektiert werden.

Wenn die Rechtsordnung – sei es auf nationaler oder internationaler Ebene – den religiösen oder antireligiösen Fanatismus zuläßt oder toleriert, kommt sie ihrer Aufgabe nicht nach, die Gerechtigkeit und das Recht eines jeden zu schützen und zu fördern. Diese Wirklichkeiten können nicht der Willkür des Gesetzgebers oder der Mehrheit ausgesetzt werden, denn – wie schon Cicero lehrte – die Rechtsprechung besteht aus mehr als einer bloßen Schaffung des Gesetzes und seiner Anwendung. Sie schließt ein, jedem seine Würde zuzuerkennen.[11] Und diese ist ohne garantierte und in ihrem Wesen gelebte Religionsfreiheit verstümmelt und verletzt, der Gefahr ausgesetzt, unter die Vorherrschaft von Götzen, von relativen Gütern zu geraten, die absolut gesetzt werden. All das bringt die Gesellschaft in die Gefahr von politischen und ideologischen Totalitarismen, welche die öffentliche Macht nachdrücklich betonen, während die Gewissensfreiheit, die Freiheit des Denkens und die Religionsfreiheit, als wären sie Konkurrenten, Beeinträchtigungen oder Zwang erleiden.

Der Dialog zwischen zivilen und religiösen Institutionen

9. Das Erbe an Grundsätzen und an Werten, die durch eine authentische Religiosität zum Ausdruck kommen, ist ein Reichtum für die Völker und ihr Ethos

Unter Berücksichtigung der positiven Laizität der staatlichen Institutionen muß die öffentliche Dimension der Religion immer anerkannt werden. Zu diesem Zweck ist ein gesunder Dialog zwischen den zivilen und den religiösen Institutionen für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen und der Eintracht der Gesellschaft von grundlegender Bedeutung.

In der Liebe und der Wahrheit leben

10. In der globalisierten Welt, die von zunehmend multiethnischen und multireligiösen Gesellschaften gekennzeichnet ist, können die großen Religionen einen wichtigen Faktor der Einheit und des Friedens für die Menschheitsfamilie darstellen. Auf der Basis der eigenen religiösen Überzeugungen und der rationalen Suche nach dem Gemeinwohl sollen ihre Anhänger verantwortungsvoll ihren eigenen Einsatz in einem Umfeld der Religionsfreiheit ausüben. Es ist notwendig, in den verschiedenen religiösen Kulturen das zu beherzigen, was sich für das zivile Miteinander als positiv erweist, während alles der Würde des Menschen Entgegenstehende verworfen werden muß.

Der öffentliche Raum, den die internationale Gemeinschaft den Religionen und ihrem Angebot eines „guten Lebens“ zur Verfügung stellt, fördert das Hervortreten eines gemeinsam geteilten Maßstabs der Wahrheit und des Guten wie auch einen moralischen Konsens – beides Dinge, die für ein gerechtes und friedvolles Miteinander grundlegend sind. Die Leader der großen Religionen sind wegen ihrer Rolle, ihres Einflusses und ihrer Autorität in ihren eigenen Gemeinschaften als erste zum gegenseitigen Respekt und zum Dialog angehalten.

Die Christen ihrerseits werden vom Glauben an Gott selbst, dem Vater des Herrn Jesus Christus, dazu aufgefordert, als Brüder und Schwestern zu leben, die in der Kirche zusammenkommen und am Aufbau einer neuen Welt mitarbeiten, der prophetischen Vorwegnahme der Reiches Gottes, wo die Menschen und Völker „nichts Böses mehr tun und kein Verbrechen begehen […]; denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist“ (vgl. Jes 11,9).

Dialog als gemeinsame Suche

11. Für die Kirche stellt der Dialog zwischen den Anhängern verschiedener Religionen ein wichtiges Werkzeug dar, um mit allen Religionsgemeinschaften zum Gemeinwohl zusammenzuarbeiten. Die Kirche selbst lehnt nichts von alledem ab, was in den verschiedenen Religionen wahr und heilig ist. „Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet.“[13]

Der aufgezeigte Weg ist nicht der des Relativismus oder des religiösen Synkretismus. Denn die Kirche „verkündet und sie muß verkündigen Christus, der ‚der Weg, die Wahrheit und das Leben‘ ist (Joh 14,6), in dem die Menschen die Fülle des religiösen Lebens finden, in dem Gott alles mit sich versöhnt hat“[14]. Dies schließt jedoch den Dialog und die gemeinsame Suche nach der Wahrheit in verschiedenen Lebensumfeldern nicht aus, da nämlich, wie ein vom heiligen Thomas von Aquin oft gebrauchtes Wort sagt, „jede Wahrheit, von wem auch immer sie vorgebracht wird, vom Heiligen Geist kommt“[15].

Im Jahr 2011 begehen wir den 25. Jahrestag des Weltgebetstages für den Frieden, zu dem Papst Johannes Paul II. 1986 nach Assisi eingeladen hatte. Damals haben die Leader der großen Weltreligionen Zeugnis davon gegeben, daß die Religion ein Faktor der Einheit und des Friedens und nicht der Trennung und des Konflikts ist. Die Erinnerung an diese Erfahrung ist Grund zur Hoffnung auf eine Zukunft, in der alle Gläubigen sich als Arbeiter für die Gerechtigkeit und Friedensstifter sehen und wirklich zu solchen machen.

Moralische Wahrheit in Politik und Diplomatie

12. Die Politik und die Diplomatie sollten auf das von den großen Weltreligionen angebotene moralische und geistige Erbe schauen, um die Wahrheit sowie die allgemeinen Prinzipien und Werte zu erkennen und zu vertreten, die nicht geleugnet werden können, ohne damit auch die Würde des Menschen zu leugnen. Was heißt aber, praktisch gesprochen, die moralische Wahrheit in der Welt der Politik und der Diplomatie zu fördern? Es bedeutet, auf der Basis der objektiven und vollständigen Kenntnis der Fakten verantwortungsvoll zu handeln; es bedeutet, politische Ideologien aufzubrechen, die die Wahrheit und die Würde des Menschen letztlich verdrängen und unter dem Vorwand des Friedens, der Entwicklung und der Menschenrechte Pseudo-Werte fördern wollen; es bedeutet, ein ständiges Bemühen zu fördern, das positive Recht auf die Prinzipien des Naturrechts zu gründen[16]. Das alles ist notwendig und hängt mit der Achtung der Würde und des Wertes der menschlichen Person zusammen, wie sie die Völker der Erde in der Charta der Organisation der Vereinten Nationen von 1945 festgelegt haben, welche die Werte und allgemeinen moralischen Prinzipien als Maßstab für die Normen, Einrichtungen und Systeme des Miteinanders auf nationaler und internationaler Ebene darlegt.

Jenseits von Haß und Vorurteil

13. Trotz der Lehren der Geschichte und der Anstrengungen der Staaten, der internationalen Organisationen auf Welt- und Ortsebene, der Nichtregierungsorganisationen und aller Menschen guten Willens, die sich jeden Tag für den Schutz der Grundrechte und -freiheiten einsetzen, sind heute noch in der Welt Verfolgungen, Diskriminierungen, Akte der Gewalt und Intoleranz aus religiösen Gründen zu verzeichnen. Insbesondere in Asien und Afrika sind die Opfer hauptsächlich Angehörige der religiösen Minderheiten, die daran gehindert werden, die eigene Religion frei zu bekennen oder sie zu wechseln, und zwar durch Einschüchterung und Verletzung der Grundrechte, der Grundfreiheiten und der notwendigen Güter bis hin zur Beraubung der persönlichen Freiheit oder zum Verlust des Lebens selbst.

Es gibt dann – wie ich bereits festgestellt habe – raffiniertere Formen der Feindseligkeit gegenüber der Religion, die in den westlichen Ländern mitunter in der Verleugnung der Geschichte und der religiösen Symbole, die die Identität und die Kultur der Mehrheit der Bürger widerspiegeln, zum Ausdruck gebracht werden. Oft fachen sie Haß und Vorurteile an und stehen nicht im Einklang mit einer sachlichen und ausgewogenen Sicht des Pluralismus und der Laizität der Institutionen, ohne zu beachten, daß die jungen Generationen Gefahr laufen, mit dem wertvollen geistigen Erbe ihrer Länder nicht in Berührung zu kommen.

Die Verteidigung der Religion verläuft über die Verteidigung der Rechte und Freiheiten der Religionsgemeinschaften. Die Leader der großen Weltreligionen und die Verantwortlichen der Nationen mögen daher ihr Bemühen um die Förderung und den Schutz der Religionsfreiheit erneuern, insbesondere um die Verteidigung der religiösen Minderheiten, die keine Gefahr für die Identität der Mehrheit darstellen, sondern, im Gegenteil, eine Gelegenheit zum Dialog und zur gegenseitigen kulturellen Bereicherung. Ihre Verteidigung ist die ideale Art und Weise, den Geist des Wohlwollens, der Offenheit und der Gegenseitigkeit zu stärken, mit dem die Grundrechte und -freiheiten in allen Gebieten und Regionen der Welt geschützt werden können.

Die Religionsfreiheit in der Welt

14. Ich wende mich schließlich den christlichen Gemeinschaften zu, die unter Verfolgung, Diskriminierung, Akten der Gewalt und der Intoleranz leiden, insbesondere in Asien, in Afrika, im Nahen Osten und besonders im Heiligen Land, dem von Gott auserlesenen und gesegneten Ort. Während ich ihnen meine väterliche Zuneigung erneuere und sie meines Gebetes versichere, bitte ich alle Verantwortlichen um schnelles Handeln, um jeden Übergriff auf Christen zu beenden, die in jenen Gebieten leben. Die Jünger Christi mögen angesichts der gegenwärtigen Widrigkeiten nicht den Mut verlieren, denn das Zeugnis des Evangeliums ist und wird immer ein Zeichen des Widerspruchs sein.

Betrachten wir in unserem Herzen die Worte Jesu: „Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden. […] Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden. […] Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein“ (Mt 5,4-12). Erneuern wir nun „die übernommene Verpflichtung zur Nachsicht und zum Verzeihen, die wir im Vater unser von Gott erbitten, wo wir selbst die Bedingung und das Maß des ersehnten Erbarmens festlegen, wenn wir nämlich beten: ‚Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern‘ (Mt 6,12)“.[17] Gewalt wird nicht mit Gewalt überwunden. Unser Schmerzensschrei soll immer vom Glauben, von der Hoffnung und vom Zeugnis der Liebe Gottes begleitet werden. Ich drücke auch meine Hoffnung aus, daß im Westen, besonders in Europa, die Feindschaft und die Vorurteile gegen Christen aufhören, die darauf beruhen, daß sie ihr eigenes Leben in einer konsequenten Weise nach den Werten und den Grundsätzen ausrichten wollen, wie sie im Evangelium zum Ausdruck gebracht sind. Europa möge sich vielmehr mit seinen eigenen christlichen Wurzeln wiederversöhnen, die grundlegend sind, um die Rolle zu begreifen, die es gehabt hat, die es hat und die es in der Geschichte haben will. So wird es auf Gerechtigkeit, Eintracht und Frieden hoffen können, wenn es einen ernsthaften Dialog mit allen Völkern pflegt.

Religionsfreiheit, ein Weg für den Frieden

15. Die Welt braucht Gott. Sie braucht ethische und geistliche Werte, die allgemein geteilt werden. Und die Religion kann bei dieser Suche einen wertvollen Beitrag für den Aufbau einer gerechten und friedlichen sozialen Ordnung auf nationaler und internationaler Ebene leisten.

Der Friede ist ein Geschenk Gottes und zugleich ein Plan, der realisiert werden muß und nie ganz vollendet ist. Eine mit Gott versöhnte Gesellschaft ist näher am Frieden, der nicht einfach das Fehlen von Krieg, nicht bloß Frucht militärischer oder wirtschaftlicher Vorherrschaft und noch weniger täuschender Irreführung oder geschickter Manipulationen ist. Der Friede ist hingegen das Ergebnis eines Prozesses der Reinigung und des kulturellen, moralischen und geistlichen Fortschritts einer jeden Person und eines jeden Volkes, in dem die menschliche Würde vollkommen geachtet wird. Alle, die Mitarbeiter des Friedens werden wollen, und besonders die Jugendlichen lade ich ein, auf ihre innere Stimme zu hören, um in Gott den festen Bezugspunkt für den Gewinn echter Freiheit und die unerschöpfliche Kraft zu finden, um die Welt mit einem neuen Geist auszurichten, der befähigt, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Papst Paul VI., dessen Weisheit und Weitblick die Einrichtung des Weltfriedenstags zu verdanken ist, lehrt: „Man muß dem Frieden vor allem andere Waffen geben als jene, die zum Töten und Vernichten der Menschheit bestimmt sind. Man braucht vor allem moralische Waffen, die dem internationalen Recht Kraft und Geltung verschaffen; zuallererst jene zur Einhaltung der Verträge.“[18] Die Religionsfreiheit ist eine echte Waffe des Friedens mit einer geschichtlichen und prophetischen Mission. Sie bringt in der Tat die tiefsten Eigenschaften und Möglichkeiten des Menschen, die die Welt verändern und verbessern können, zur Geltung und macht sie fruchtbar. Sie erlaubt, die Hoffnung auf eine Zukunft der Gerechtigkeit und des Friedens zu nähren, auch gegenüber den schweren Ungerechtigkeiten sowie den materiellen und moralischen Nöten. Auf daß alle Menschen und die Gesellschaften auf allen Ebenen und in jedem Teil der Erde bald die Religionsfreiheit als Weg für den Frieden erfahren können!

Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 2010

 

BENEDICTUS PP XVI

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Quelle

FATIMA: „DIE WORTE MARIENS ERFÜLLEN SICH“ *)

Collegial-Consecration

Johannes Paul II. erneuert die Weihe der Welt an das Unbefleckte Herz Mariens am 25. März 1984

Der Weiheakt von Johannes Paul II.


Ich [POS] veröffentliche nachfolgend den 2-teiligen Artikel des „Schweizer Fatima-Bote“ [Nrn. 67 und 68, Januar und Februar 2016 – ohne persönlich Stellung zu nehmen dazu:

 


*) Pfr. Dr. A. Fugel, ehemaliger Geisticher Leiter des Fatima-Weltapostolats der Deutsch-Schweiz

Bemerkung der Redaktion.- Die offizielle Haltung der Kirche ist, dass Russland durch die Weihe am 25. März 1984 geweiht worden ist. Als öffentlicher Verein von Gläubigen päpstlichen Rechts müssen wir diese Ansicht hochhalten. Das schliesst aber nicht aus, hier auch andere Meinungen zu veröffentlichen. 

[1. Teil – Schweizer Fatima-Bote Nr. 67:] 

Drei Etappen zum Triumph des Unbefleckten Herzens Mariens

„Am Ende wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren. Der Heilige Vater wird mir Russland weihen, das sich bekehren wird, und es wird der Welt eine Zeit des Friedens geschenkt werden“. So die Gottesmutter am 13. Juli 1917 in Fatima. Wir nähern uns der Jahrhundertfeier des Geschehens von Fatima im Jahre 1917. Da Fatima ein zentrales Ereignis im Leben der Kirche ist und eine Kirche Christi ohne Fatima nicht mehr vorstellbar noch möglich ist, stellt sich die Frage, wie dieses Jubiläum würdig begangen werden kann.

Droht das Fatima-Jahr 2017 global zu scheitern?

Die Unkenntnis viel zu vieler Katholiken und noch mehr Nichtkatholiken über Marias Wirken im Heilsplan Gottes ist gross. Maria ist die Mutter Jesu und somit gelten ihre Worte allen, die an Jesus glauben! Allen! Nicht nur Katholiken. Die Irreführung durch ihre eigene Kirche bezüglich Maria muss aufhören!

Es sind bei den Feierlichkeiten in Fatima jedes Mal mehrere Bischöfe zugegen, doch im Prozentsatz aller Bischöfe der Welt ist das eine kaum relevante Grösse; Kardinäle sind eher selten anzutreffen. Umso mehr sind alle marianischen Apostolate bereit, ohne Furcht in die Worte der Gottesmutter von 1917 tief einzudrin­gen, zu verstehen und weiter zu geben. 2017 ist ein Jahr, das feierlich begangen wird, entweder feiern wir den Frieden, den die Gottesmutter versprochen hat oder den Beginn der seither vielhundertfachen Zersplit­terung der Kirche Jesu Christi durch den von der Kirche abgefallenen Priester Martin Luther.

In Fatima geht es um viel, viel mehr als um Erscheinungen, Visionen etc. und schon gar nicht um Sensatio­nen. Fatima ist der Blitzschlag Gottes mitten in den Lauf der Menschheitsgeschichte hinein, dessen Donnergrollen die Menschheit bis zu ihrem Ende vernehmen wird (müssen).

„Am Ende wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren“ steht als absolute Aussage, die sich ohne Wenn und Aber erfüllen wird. Dies ist daher eher keine Prophetie, sondern schlicht die Feststellung einer Tatsache. Mit anderen Worten könnte man sagen: Über den ersten Teil, über die Worte, welche vor dieser Feststellung stehen: „Wenn ihr tut, was ich euch sage, wird Friede sein“, dürft ihr Menschen selber entschei­den. Entscheidet ihr euch jedoch gegen mein Friedensangebot, dann wird sich das Böse weltweit verbreiten und unendliches Leid über die Menschheit bringen. Ja, selbst wenn sich alle Menschen gegen mich ent­scheiden würden, bleibt doch noch die Tatsache bestehen: „Am Ende wird mein Unbeflecktes Herz trium­phieren!“

Betrachten wir den Glaubenszerfall seit 1917, muss wohl der Teil der Aussage Mariens: „Wenn nicht, dann…“ als Entscheidung der Menschheit gelten.

Damit nähern wir uns der Weihe Russlands an das Unbefleckte Herz Mariens.

Wie wir noch sehen werden, geht es der Gottesmutter weder um ein triumphalistisches Auftreten eines Papstes mit allen Bischöfen der Welt, noch um eine Weihe, die alles Mögliche zitiert, nur Russland nicht. Ein kurzes Gebet von ein paar Zeilen, durch den Papst in Einheit mit dem Weltepiskopat gesprochen, in welchem Russland innig in das Herz Mariä gelegt wird, hätte genügt! Betrachten wir die Worte der Gottes­mutter vom 13. Juli 1917 genau, so schließt sich der Triumph des Unbefleckten Herzen Mariens nicht sofort einer ersten Weihe an, da Russland Zeit haben muss, seine Bekehrung, ja seine Abkehr vom Atheismus zu beweisen und den Rest der Welt davon zu überzeugen, ja diese vom Atheismus zu bekehren. Maria nennt die Weihe Russlands als einen Moment, der das Ende satanischer Irreführung und Herrschaft über den Menschen markiert, und der sich VOR IHREM Triumph vollziehen muss.

Die Hierarchie des Triumphes Mariens

  • Zuerst muss es einen Triumph der Sühne an ihr Unbeflecktes Herz geben. Dieser wird herbeigeführt durch den gehorsamen und demütigen Vollzug der fünf Herz-Maria-Sühnesamstage, der wiederum sei­nerseits die Bekehrung Russlands erwirken wird. Noch vor den spektakulären „Weltweihen“ Seiner Heilig­keit Papst Johannes Paul II. in Fatima (1982) und Rom (1984), hätte der Andacht der Sühnesamstage ein gebührender Platz in der Liturgie der Kirche eingeräumt werden müssen, ähnlich dem Herz-Jesu Freitag.

Das ist nicht geschehen. Seit über 90 Jahren fordert Jesus die Einfüh­rung der Sühnesamstage und kein einziger Papst hat sich die Mühe gegeben, diese weltweit zu verbreiten. Eine „Weihe“ jedoch ohne die Einführung der fünf Sühnesamstage kann nicht der richtige Weg sein. So hat die Kirche selbst den ersten Triumph der Gottesmutter vereitelt.

  • Der zweite Triumph der Gottesmutter ist die nach Erreichung des Zieles des ersten Triumphes folgende Weihe und Bekehrung Russ­lands. Ist der Triumph der Sühne erreicht, wird der Himmel diesen Tri­umph der Sühne in der Weihe Russlands durch den HI. Vater an Ihr Unbeflecktes Herz in Einheit mit ALLEN Bischöfen der Welt in der völli­gen Abkehr „Russlands“ — und somit der ganzen Welt – vom Atheismus krönen. Der tiefe Sinn der Weihe Russlands an das Unbefleckte Herz Mariens liegt darin, dass der HI. Vater als Krönung der ersten Stufe (Sühnestufe) „Russland“, d.h. alle Irrtümer und satanische Verirrungen, die in diesem Lande entstanden, tief ins Herz Mariens versenkt, damit wenn „Russland“ neu ersteht, es aus dem Herzen Mariens neu gebo­ren werde. Es ist anzunehmen, dass dies auch einen grossen Schub zur Einheit der beiden Schwesterkirchen, der katholischen und der or­thodoxen, geführt hätte. Von einer politischen diplomatischen Kompli­kation hätte sich kein Papst fürchten müssen. Denn in der Zeit, in der die Weihe Russlands hätte stattfinden sollen, gab es kein Land mit die­sem Namen. Im Oktober 1917 hörten die Visionen in Fatima auf und es hörte auch auf, ein Land mit dem Namen Russland zu existieren, da es sich den Namen Sowjetunion gegeben hat. Erst 1990 gab es wie­der ein Land namens Russland! Das wusste die Gottesmutter und rief uns auf, IHR „Russland“ zu weihen! Von hier aus gesehen kann die ab­solute Notwendigkeit der deutlichen Aussage des Wortes Russland in der Weihe nicht kleingeredet werden!
  • Dann erst folgt der letzte Triumph, DER TRIUMPH DES UNBE­FLECKTEN HERZENS MARIENS in der völligen Vernichtung Satans und satanischer Macht über den Menschen, in der Ankunft und Ver­wirklichung des Reiches Mariens, das der endgültigen Herrschaft Christi vorauszugehen hat, da Maria IMMER Wegbereiterin für Jesus Christus ist, Wegbereiterin auch seiner Wiederkunft in Herrlichkeit.

Was ist „Fatima“?

Zunächst ein Wallfahrtsort. Wer dorthin pilgert ist bereit, die Grundaus­sagen der Botschaft von Fatima in sich aufzunehmen. Dann aber ist Fatima nicht mehr nur ein Ort! Sondern mehr! Fatima ist eine Pro­phetie! „So ist es auch mit dem Wort, das meinen Mund verlässt: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt all das, wozu ich es ausgesandt habe.“(Jes 55,11)

Diese Worte des Propheten umschreiben Echtheit und Wirkung einer Prophetie, die von Gott kommt! Die „Prophetie Fatima“ hat 1917 ihren Weg für Menschheit und Kirche begonnen und strebt unbeirrt ihrem Gott gewollten Ziel entgegen! Kein Mensch, kein Ereignis kann ihren Lauf aufhalten bis zu ihrer Vollendung! Das ist Fatima!

Worte von Papst Johannes Paul II. in Fatima:

„Der Ruf des Evangeliums zur Busse und Bekehrung, geäussert in der Fatima-Botschaft der Mutter, ist noch immer von Bedeutung. Sie bleibt nach wie vor wichtig, ja sie ist heute noch dringlicher“.

Joseph Kardinal Ratzinger zur Veröffentlichung des dritten Teils des Geheimnisses von Fatima in Rom am 26. Juni 2000:

„In ihrer Botschaft und Segnung bedeutet Fatima die Bekehrung zu Gott. Hier können wir das Zeugnis der Erlösung der Menschheit fühlen, durch ihre Fürsprache, sie, die mit ihrem Fuss den Kopf der alten Schlange zerdrückte und im­mer zerdrücken wird. Das ist auch die Botschaft von Fati­ma, die mit ihrem bekümmer­ten Ruf zu Umkehr und Busse tatsächlich zum Herzen des Menschen vordringt. Fatima ist unter den modernen Er­scheinungen zweifellos die prophetischste. Die drei Hir­tenkinder von Fatima schauen, hören und bewahren es im Ge­dächtnis auf, und Lucia, die Zeugin, die überlebt hat, schreibt es nieder in dem Au­genblick, als sie vom Bischof von Leiria den Auftrag und von Unserer Lieben Frau die Erlaubnis erhält…“

„Von dem Augenblick an, da wir dem Ruf der Botschaft nicht Rechnung trugen, stellen wir fest, dass die Botschaft sich bewahrheitet hat, dass Russland die Welt mit sei­nen Irrlehren eingenommen hat. Und wenn wir die voll­ständige Erfüllung des En­des dieser Prophezeiung noch nicht feststellen, dann sehen wir, dass wir allmäh­lich mit weiten Schritten da­rauf zusteuern“…

„Wenn wir nicht den Weg der Sünde, des Hasses, der Ra­che, der Ungerechtigkeit, der Verletzung der menschlichen Person, des unmoralischen Verhaltens und der Gewalt usw. verlassen. Und sagen wir nicht, dass Gott es ist, der uns so straft; im Gegenteil: Es sind die Menschen, die sich selbst die Strafe berei­ten. Gott gibt uns das in sei­ner Fürsorge kund und ruft auf den guten Weg. Dabei achtet er die Freiheit, die er uns ge­geben hat. Deshalb sind die Menschen verantwortlich.“ So weit Papst Benedikt XVI.

3. Die Endzeit

Die Zeit bzw. die Vorbereitung auf das Zweite Kommen Jesu, diesmal nicht mehr in Knechts­gestalt, sondern in „Macht und Herrlichkeit“ (vgl. Mt. 25,31) nennt christlicher Glaube DIE ENDZEIT.

Und in der Endzeit wird wiederhergestellt und nicht vernichtet! Die Welt wird nicht in Schutt und Asche gelegt, sondern wieder her­gestellt nach dem anfänglichen Schöpfungsplan Gottes.

Christus fordert uns auf, wenn wir die Zeichen der Ankunft dieser Zeit sehen, das Haupt zu erheben:

Lk 21,7: Sie fragten ihn: Meister, wann wird das geschehen und an wel­chem Zeichen wird man erkennen, dass es beginnt?

Lk 21,8: Er antwortete: Gebt Acht, dass man euch nicht irreführt! Denn viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: Ich bin es! und: Die Zeit ist da. – Lauft ihnen nicht nach!

Lk 21,9: Und wenn ihr von Kriegen und Unruhen hört, lasst euch dadurch nicht erschrecken! Denn das muss als erstes geschehen; aber das Ende kommt noch nicht sofort.

Lk 21,10: Dann sagte er zu ihnen: Ein Volk wird sich gegen das andere erheben und ein Reich gegen das andere.

Lk, 21,11: Es wird gewaltige Erdbeben und an vielen Orten Seuchen und Hungersnöte geben; schreckliche Dinge werden geschehen und am Himmel wird man gewaltige Zeichen sehen.

Lk 21,12: Aber bevor das alles geschieht, wird man euch festnehmen und euch verfolgen. Man wird euch um meines Namens willen den Gerichten der Synagogen übergeben, ins Gefängnis werfen und vor Könige und Statthalter bringen.

Lk 21,13: Dann werdet ihr Zeugnis ablegen können.

Lk 21,14: Nehmt euch fest vor, nicht im Voraus für eure Verteidigung zu sorgen;

Lk 21,15: denn ich werde euch die Worte und die Weisheit eingeben, so dass alle eure Gegner nicht dagegen ankommen und nichts dagegen sagen können.

Lk, 21,16: Sogar eure Eltern und Geschwister, eure Verwandten und Freunde werden euch ausliefern und manche von euch wird man töten.

Lk 21,17: Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden.

Lk 21,18: Und doch wird euch kein Haar gekrümmt werden.

Und diese Zeit wurde weder „von solchen noch von anderen“ Bot­schaften, sondern mit den Erscheinungen der Gottesmutter Maria in Fatima eingeleitet.

Wie die Jünger nach der Himmelfahrt Jesu im Abendmahlssaal mit Maria um die Herabkunft des Heiligen Geistes beteten, so ist es auch heute an Maria, sich Beter zu berufen, die das Kommen Jesu Christi in seiner göttlichen Herrlichkeit betend erflehen.

Das ist die Zeit der Vorbereitung auf das Wiederkommen Christi oder die Endzeit! Fatima lässt die Endzeit erahnen. Schwester Lucia von Fatima gibt uns einen visionären Einblick in den Ablauf bzw. in die Etappen des Herannahens der Endzeit. In einem Interview spricht sie in eindeutigen Worten über sieben Etappen, die auf Fatima folgen werden. Es gibt ganz klare Anzei­chen, dass die Menschheit heute am „Donnerstag der Woche von Fatima“, und zwar am Ende des Tages, angekommen ist.

 

[2. Teil – Schweizer Fatima-Bote Nr. 68:] 

4. Schwester Luzia über die Russlandweihe

In einem Interview von 1998 antwortet Sr. Lucia auf Fra­gen zweier Kardinäle zwei Jahre vor der Veröffentlichung des dritten Teils des Fatima-Geheimnisses durch Papst Johannes Paul II. in Fatima und Rom und nach der Welt­weihe durch den Papst von 1984.

In der spanischen Ausgabe vom Mai/Juni 1998 der Zeit­schrift „Sol de Fatima“ (Sonne von Fatima) erschien eine Zusammenfassung der Antworten, die mit Genehmigung der portugiesischen Zeitschrift „Christus“ abgedruckt wur­de. Es handelt sich um wichtige Erklärungen von Sr. Lucia an zwei Kardinäle, Anthony Padiyara von Erna­culan (Indien) und Ricardo Vidal von Cebu, Philippinen, während ihrer zahlreichen Besuchen im Karmel von Coimbra. Wir bringen einen Auszug daraus.

FRAGE: Wurde die Weihe Russlands wie von Unserer Lieben Frau (ULF) am 13.6.1929 gewünscht, von Papst Johannes Paul II. am 25.3.1984 vollzogen?

ANTWORT: Ja. Die Weihe war teilweise bereits vollzo­gen worden. Papst Pius XII. vollzog sie am 31.10.1942, doch es fehlte noch die Vereinigung mit allen Bischöfen der Welt, was Papst Johannes Paul II. schliesslich 1984 erreichte. Papst Paul VI. fragte mich auch, ob die Weihe von 1942 dem Wunsch ULF entsprochen habe. Ich ver­neinte und erklärte ihm, dass jeder Bischof in seiner eigenen Diözese anwesend (und mit dem Papst verbun­den) sein solle und nicht an einem einzigen Ort, denn die Weihe sei ein Ruf zur Vereinigung mit dem Volk Gottes gewesen.1982 vollzog Papst (Johannes Paul II.) die Weihe in Fatima. [1]

FRAGE: Und die Schwester war anwesend?

ANTWORT: Ja, aber an dieser Weihe war die Verei­nigung mit allen Bischöfen nicht vollständig. Später, 1984, lud Papst Johannes Paul II. sämtliche Bischöfe ein, sich mit ihm an der Weihe zu vereinigen, was sich am 25. März 1984 verwirklichte. Der Papst verfügte, dass sich alle Bischöfe [2] während des Weiheaktes mit dem HI. Vater vor dem Bild Unserer Frau von Fati­ma, das sich im Heiligtum von Fatima befindet, vereini­gen sollten.

FRAGE: Was ist mit den Bischöfen, welche die Ein­ladung zu spät erhielten, sie nicht beachteten und entschieden, am Akt nicht teilzunehmen?

ANTWORT: Wir können nicht sagen, dass jene Bischö­fe, die nicht teilnahmen, eine Sünde oder einen Fehler begangen haben. Die meisten Bischöfe waren mit dem Papst in diesem Weiheakt vereint. Die Ortschaften der ganzen Welt und jede Diözese waren mit den Bischöfen und die Bischöfe ihrerseits mit dem Papst vereint. Da­mals war diese Weihe die grosse Vereinigung des Vol­kes Gottes. All dies trug dazu bei, dass die Weihe durch Unsere Frau angenommen wurde. [3]

FRAGE: Musste jedoch Russland nicht spezifisch erwähnt werden und hatte dies ULF nicht gesagt?

ANTWORT: Es war schon Russland gemeint, als der Papst im Text der Weihe von 1984 sagte: „Jene Völker“.

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[1] Lucia spricht hier naturgemäss sehr vorsichtig. Auch ihre Antwort auf die Weihe vom 25. März 1984 durch den HI. Vater in Rom ist kein eindeutiges „Ja“, was sich nur auf den Vollzug der Weihe, nicht aber auf die Annahme durch die Gottesmutter bezieht. Das unterstreicht die Schwester noch einmal mit dem Hinweis auf die andere Weihe von 1982 in Fatima und der klaren Verneinung der Frage von Papst Paul VI. Interessant wirkt auch die Aussage der Seherin, dass es nicht darum ginge, viele Bischöfe an einer Stelle zu haben – also nicht um eine prachtvolle Schau, sondern vielmehr um eine schlichte und ehrliche Verbindung aller Bischöfe der Welt mit dem Papst und dies auch dann, wenn jeder bei seinem Volk und in seiner Diözese diese Weihe Russlands vollzöge. Mit dieser Weihe hätte eine Welle der Bereitschaft zur Sühne ausgelöst werden können; die Bischöfe hätten den Sühnesamstag einführen können und die erste Etappe der „Weihe Russlands“ wäre weltweit vollzogen worden. Mit grossformatigem Auflauf in Rom oder Fatima einschliess­lich ein paar tausend Bischöfen wurde wohl der ersten Etappe des Triumphes des Unbefleckten Herzens Mariens der Weg nicht berei­tet. Ein weiterer Hinweis von Sr Lucia, „1982 vollzog der gegenwärtige Papst (Johannes Paul II.) die Weihe in Fatima“, lässt natürlich aufhorchen, denkt man daran, dass derselbe Papst 1984 die Weihe von sich aus wiederholte; warum das, wenn sie schon 1982 vollzo­gen wurde? Es ist der vorsichtigen Redensart von Sr Lucia zuzuschreiben, dass sie beide Weihen, 1982 in Fatima und 1984 in Rom, mit dieser Aussage auf die gleiche Stufe stellt.

[2] Aber schätzungsweise kaum 20% der „westlichen Bischöfe“ sind diesem Aufruf gefolgt. Über die Bischöfe des damaligen „Ostblocks“ ist verständlicherweise nichts bekannt, da „Fatima“ mehr als nur „ein rotes Tuch“ in den Augen der kommunistischen Machthaber und eine „Propaganda“ darüber strafbar war. ALLE Bischöfe…? Und selbst wenn nur die des Ostblocks fehlten…. Die „im Westen“ lebenden Bischöfe haben sich inzwischen in grosser Zahl die vom „Geiste des Konzils“ herrührende Selbstbestimmung (früher nannte man das „Ungehorsam“) zu eigen gemacht, insbesondere wenn es um die Marienverehrung (wohl wegen der unsinni­gen „Ökumene“ gegenüber den Protestanten) oder Gehorsam dem Papst gegenüber ging.

[3] Man beachte die Wortwahl der Schwester: Nicht von Seiten des Papstes war die WEIHE GÜLTIG VOLLZOGEN worden (weil viele Bi­schöfe schon in grossem Ungehorsam gegenüber dem Papst standen), sondern Maria hat IHREREITS die Weihe ANGENOMMEN!

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Diejenigen, die vom Wunsch der Weihe Russlands Kenntnis hatten, wussten, worauf er sich bezog und der allwissende Gott wusste ebenfalls, dass die Absicht des Papstes Russland war und er sich bei der Weihe auf Russland bezog. Wichtig ist die Absicht.

FRAGE: Aber wollte ULF nicht, dass Russland explizit erwähnt werde?

ANTWORT: Unsere Frau verlangte nie, dass Russland explizit beim Namen genannt werde. Zu jener Zeit wuss­te ich nicht einmal, was Russland sei. Wir dachten, es handle sich um eine böse Frau. Was zählt, ist die Ab­sicht des Papstes, und die Bischöfe wussten, dass der Papst Russland weihen wollte. Russland muss nicht von neuem geweiht werden, aber jeder Bischof kann seine eigene Diözese dem Unbefleckten Herzen Mariens wei­hen, sofern er dies wünscht. [5] (…)

5. Frieden heisst Besserung der begangenen Fehler

FRAGE: Handelt es sich beim Frieden in der Bot­schaft von Fatima um einen Weltfrieden und tritt er plötzlich ein?

ANTWORT: Der Bezug auf den Frieden muss als Frie­den oder als Besserung der begangenen Fehler verstan­den werden, ein Friede, der in einem bestimmten Mo­ment vom atheistischen Kommunismus behindert wurde. Es stand geschrieben, dass Russland seine Irrtümer auf der Welt verbreiten werde, Kriege und Kirchenverfolgun­gen verursachend… viele würden gemartert werden. Dann, endlich, nach all diesem, wird mir der HI. Vater Russland weihen, [8] sagte die Jungfrau. Sie sagte aber nicht wie! In welcher Form. Der Friede, von dem die Jungfrau in der Prophezeiung sprach, bezieht sich auf die Kriege und Verfolgungen, welche die Irrtümer des atheistischen Kommunismus in der ganzen Welt verursachten. Der Friede ist nicht ein wunderbarer Weltfriede, sondern ein Friede nur be­züglich des Krieges der Irrtümer, welche Russland in der ganzen Welt verbreitete. Der Atheismus ist im­mer noch das Instrument des Teufels in der heutigen Zeit. Es ist eine grosse Sünde gegen Gott, wer Seine Existenz leugnet und dadurch vielfältige, teuflische Wer­ke, wie z.B. die Abtreibung, begünstigt. Der Atheismus ist am meisten zu verurteilen. Und die grösste Häre­sie, die es gibt, ist der atheistische Kommunismus. [9]

FRAGE: Warum gibt es in Russland trotz der Weihe keinen Frieden?

ANTWORT: Weil die jetzigen Kriege praktisch nicht vom Atheismus stammen, sondern Bürgerkriege sind. Die Leute kämpfen um die Macht. Die heutigen Kriege sind keine Weltkriege, sondern Bürgerkriege. Obschon der Atheismus immer noch existiert, glaube ich nicht, dass es dieser ist, der die Hoffnung, die Kirche Gottes und alles was übernatürlich ist, zerstören möchte. Die Jungfrau sagt jedoch, Kriege könnten durch Gebet und Opfer verhindert werden.

Aus diesem Grunde verlangte Unsere Liebe Frau die Sühne-Kommunion durch die Weihe an Sie. [10]

Die Menschen erwarten, dass die Dinge in einer persön­lichen und sofortigen Zeitepoche eintreten. Fatima befindet sich immer noch am dritten Tag. (Aus Sicht von 1998; heute dürfte dies eher das Ende des vierten oder An­fang des fünften Tages sein – die Red.) Der Triumph ist ein kontinuierlicher Prozess. Wir befinden uns in der Situation „nach der Weihe“. Der erste Tag war die Zeit der Erscheinungen; der zweite jener der „nachträglichen“ Erscheinungen vor der Weihe von 1984. Die Woche von Fatima ist noch nicht vorüber: „Fatima“ hat erst an­gefangen, wie soll alles so schnell fertig sein! (Wiederum aus Sicht von 1998 die Red.)

FRAGE: Warum wurde nur Russland geweiht? Auch China ist kommunistisch…

ANTWORT: Die Jungfrau sprach nicht speziell über Chi­na. Aber China ist heute die grosse kommunistische Weltmacht. Die Jungfrau sprach von der ganzen Welt und China ist damit enthalten. China ist jetzt wichtig, vor allem nach den letzten Vorkommnissen. Wie auch im­mer, die Jungfrau hat China nicht spezifisch erwähnt.

FRAGE: Haben wir durch die Weihe Russlands 1984 einen Atomkrieg verhindert?

ANTWORT: Wir standen unmittelbar davor, wenn man die Konfrontationen zwischen den USA und Russland betrachtete. Die ganze Welt hielt den Atem an. Doch als der Heilige Vater die Weihe Russlands vollzog, wurden

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[4] Sr. Lucia weist natürlich in der Antwort auf diese und die nächste Frage ausweichend aber sehr höflich auf das Fehlen der WEIHE bzw. AUSDRÜCKLICHE NENNUNG RUSSLANDS hin, was ja wesentlicher Bestandteil der längst fälligen Weihe war.

[5] Eine Liste dieser Bischöfe, die dies gemacht hätten, ist nicht bekannt.

[8] „Dann, endlich, nach all diesem, wird mir der HI. Vater Russland weihen“. Es geht hier scheinbar nicht um jene „erste“ Weihe Russ­lands, die zum Zusammenbruch der dort entwickelten atheistischen Ideologie führt, sondern um eine Weihe Russlands durch den Papst, „nachdem“ dieses seine Irrlehren verbreitet, Kriege und weltweite Kirchenverfolgungen hervorgerufen hat usw. Ein Hinweis auf die drei Phasen, die dem TRIUMPH DES UNBEFLECKTEN HERZENS MARIENS vorausgehen.

[9] Und genau dieser hat seine Schleusen zur Verbreitung auf der ganzen Welt 1989 geöffnet! Seit 1989 läuft somit der zweite Teil des Dramas „Russland“. Der erste Teil war der scheinbare Zusammenbruch, der zweite Teil ist ein eher „theatralischer“ Frieden, dem der dritte Teil folgt: Kriege und Verfolgungen der Kirche. Die folgende Antwort bestätigen diese Annahme: Nicht der schon immer beste­hende Atheismus, sondern der in der „Friedensphase“ neu erstarkte kommunistische Atheismus wird diese Entwicklung in Gang set­zen.

[10] Sr. Lucia weist eindeutig auf die ausgebliebene weltweite Einführeng des Sühnesamstags hin! Es wird sich bald zeigen, inwiefern dies ein schwerwiegendes Versäumnis war, um dem neuen Atheismus zuvorzukommen.

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von einem Moment auf den andern die kriegerischen Pläne zu Friedensplänen. Das ist nicht normal! Die Waf­fen, die produziert wurden, wurden eingestellt und Zer­störungspläne wandelten sich in Friedenspläne um. [11]

Die Weihe von 1984 verhinderte einen Atomkrieg, der 1985 stattgefunden hätte. Aber es muss für Gott gear­beitet werden, weil sich jetzt – wo diese Gefahr nicht mehr existiert – der Teufel aufrichtet und von seinem Traum erwacht und gegen Gott und alle seine Werke arbeitet.

FRAGE: Fällt der Materialismus in die ganze Welt ein?

ANTWORT: Seit den Anfängen dieser ehrgeizigen Welt existiert die Idee, dass der Wohlstand mehr und besser ist als alles andere. Jeder kämpft darum, besser als der andere zu sein. Bruder gegen Bruder. Deshalb ist dies seit den Anfängen der Welt ein Übel.

FRAGE: Da jetzt der Kommunismus nicht mehr da ist, folgt nun der Materialismus.

ANTWORT: Früher konnten die Leute nichts kaufen. Der Materialismus ist viel schlimmer. Die Menschen soll­ten zuerst mehr Dinge von Gott wollen, bevor sie nach materiellen Gütern streben. Dieser Kampf existiert seit eh und je. Es ging so weit, dass sich der Kommunismus vom Materialismus trennte und so die Menschheit mit Unterstützung der Wissenschaft hätte zerstören können. Mit der modernen Technik schlugen sie diesen Weg der Zerstörung ein, um die Menschheit bis in einen atoma­ren Krieg zu stürzen. Aus diesem Grund verlangte Gott vom Papst, dass er die Weihe vollziehe und genau des­halb haben sich die Worte der Jungfrau erfüllt. [12]

FRAGE; Welchen Ratschlag geben Sie uns?

ANTWORT: Beten, beten, beten. Das ist mein Rat­schlag für die ganze Welt. [13]

Und seit Bekanntgabe des dritten Teils des Ge­heimnisses (26.6.2000) ist die Warnung des Engels mit dem auf die Erde gerichteten Flam­menschwert zu beachten mit den Worten: „Busse, Busse, Busse“! (Die Redaktion).

6. Taten und Fakten, die zur Endzeit führen

Fatima hat die Endzeit eingeleitet! Das wegzudiskutie­ren gleicht einem Blinden, der die Existenz der Sonne leugnet! Darum kann Fatima weder nachgeahmt noch wiederholt und schon gar nicht „fortgeführt“ werden. Fati­ma steht in sich als ein beispielloses Entgegenkommen Gottes einer Menschheit gegenüber, die sich in jahrhun­dertelanger Vorbereitung reif dazu fühlt, Gott von sich abzuschütteln und geschaffene Dinge als neues „goldenes Kalb“ in ihre Mitte zu stellen, sich einen eige­nen Tanz um das goldene Kalb zurechtzurücken und zu sagen: Das sind deine Götter, Israel, die dich aus Ägyp­ten heraufgeführt haben. (Vgl. Exodus 32.3-6).

Was im Atheismus heranreifte, hat Jahrhunderte benö­tigt, um einen vermeintlichen Sieg des Menschen über das, was Glaube und Religion „Gott“ nennen, zu erlan­gen. Doch ist es bisher noch keiner einzigen Gesell­schaftsordnung gelungen, den Frieden und das Glück der Menschen ohne Gott zu sichern. Träume gab es viele ­in der Realität aber entpuppten sich diese als Albträume, Diktaturen, Intoleranz und Machtmissbrauch.

Unter die drei grössten „Reifestufen“, die für den heutigen Atheismus und die Gottlosigkeit stehen, könnten gezählt werden:

1517:     Luther spaltet die Kirche: Weg vom Papst!

1717:    Die Freimaurerlogen werden gegründet. Weg von der Kirche!

1917:     In Russland entsteht die Sowjetunion im sel­ben Monat, als die Erscheinungen in Fatima aufhören. Millionen Menschen werden ihres Glaubens wegen gemartert. Weg von Gott!

2017:  Atheismus pur oder totaler Zusammen­bruch aller menschlichen Werte und Kulturen?

War die Sowjetunion eine Strafe Gottes?

Kaum! Denn das russische Volk ist tiefgläubig und in höchstem Masse marianisch! Im Rückblick ist eines si­cher: Die geballte mörderische Macht Stalins, mit der er jede religiöse Regung und Gedanken vernichten wollte, hat sich in einen Segen verwandelt. Es ist ja so, dass die Feinde der Kirche uns zuerst total vernichten wollen und sich ihrer Morde und unbeschränkter Macht rühmen, ohne zu bedenken, dass das Christentum auf das Erlö­serblut Christi aufgebaut ist. Und jeder Märtyrer [14] ist ein neuer, schöner, glänzender Stern am christlichen Himmel, ist eine neue Perle, die man im Acker der Kirche gefunden hat. Danke! Liebe radikale Gegner! Danke! Ihr beschenkt uns jedes Mal seit 2000 Jahren mit den

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[11] Wenn schon die „angenommene Weihe“ ein so mächtiges Weltgeschehen völlig ins Gegenteil wendete, dann ist nur zu erahnen, was heute wäre, wenn „Russland“ – jenseits von politischem Komplikationsdenken – namentlich in das Unbefleckte Herz Mariens ge­legt worden wäre! Es geht in diesem Text eindeutig um die Bezeichnung „Russland“. Ab 30. Okt. 1917 heisst es Sowjetunion (bis 8. Dezember 1989) – dann wieder Russland. 1984 hätte „Russland“ problemlos in der Weihe namentlich genannt werden können!

[12] ,,…erfüllt“. In der Tat arbeiten Atheismus, Materialismus und Wohlstand auf ein gemeinsames Ziel hin, wenn auch oft getrennt und auf verschiedenen Wegen: Die Menschheit von Gott weg zu führen. Das aber KANN NUR IN EINE KATASTROPHE münden, denn ohne Gott kann es keinen Frieden geben. So „begehrenswert“ wie er heute den Menschen erscheint („Meine Kinder mögen es besser ha­ben.-..“), so katastrophal wirkt er sich im Zusammenhang mit den anderen beiden Komponenten aus. Nochmals: Weihe „RUSSLANDS“ und das „letzte Heilmittel“, DIE HERZ-MARIÄ SÜHNESAMSTAGE offiziell einführen und von jedem Bischof, Priester und Gläubigen sehr ernst genommen – das ist das unbedingte Gebot der Stunde, bevor eintritt, was die Gottesmutter in Fatima sagt: „… wenn ihr nicht tut, was ich euch sage…“

[13] Ende der Übersetzung aus dem Spanischen von A Martin/G. Inglin

[14] WER ist MÄRTYRER? Das Wort beinhaltet drei Begriffe: „Marter“, das heisst von jemand anderem mit Werkzeugen oder Gegenstän­den zugefügte „Schmerzen“ und „Martyrium“ als absolut sichere Bezeichnung dessen, dass die „ANDEREN“ zugefügten Schmerzen bzw. Qualen, Torturen etc. zum Tode geführt haben. Sich selbst zugefügtes Leid oder Tod ganz gleich in welcher Art und Weise, kann nie­mals ein Martyrium sein, sondern freiwilliges Ausscheiden aus dem Leben oder kurz: Selbstmord. Diese beiden Elemente reichen jedoch noch nicht, um ein Märtyrer im Sinne des Verhältnisses Gott-Mensch zu sein. Es muss unbedingt beim Märtyrer a) die freie und freiwil­lige Hingabe des Lebens aus Liebe zu Gott und der Erlösung der Menschen vorhanden sein und b) die „freiwillige Hingabe“ heisst kei­neswegs Widerstandslosigkeit und schon lange nicht, dass man keine Angst haben darf, sondern vielmehr die Einsicht, dass der Punkt erreicht ist, wo die Hingabe meines Lebens die einzige Lösung ist und daher in Gottergebenheit auch angenommen wird.
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schönsten Perlen unsere Kirche, um dann still im Dun­kel der Geschichte zu verschwinden.

Gott ist Liebe und Liebe kann nicht strafen! (vgl. 1 Joh 4,16)

Liebe duldet, Liebe leidet! Wenn sich der Mensch von der Gott geschuldeten Liebe abwendet und dadurch Schuld und Irrungen auf sich lädt, ja, in Gefahr ist, ewig verloren zu gehen, beweist die Liebe ihre Macht darin, Leiden nicht zu beseitigen. Wenn heute viele Menschen meinen, selbst aufer­legte Busse und Sühne sei Gott angeblich nicht wohlgefällig, da Gott uns liebe und Leiden nicht zu­lasse, so sei der Verweis auf Jesu Christi erlösen­des Leiden erlaubt. Leiden ist eben der Beweis der Liebe. Das mag wohl auch der Hintergrund des Ver­langens Gottes sein nach Sühneleiden bzw. nach Einhaltung der Sühnesamstage von Fatima.

Satan hat zur alles entscheidenden Schlacht gegen Maria ausgeholt

Noch lange, sehr lange vor dem Interview mit den beiden Kardinälen von 1998 antwortete Schwester Lucia auf Fragen eines vom Bischof zu ihr gesand­ten Priesters. Dieses Gespräch entstand schon 1957 und zeigt in erschütternden Worten auf, wie sehr Satan um die Endzeit weiß, und da ihm nicht mehr viel Zeit bleibt, hat er die Hölle in eine kämpfe­rische Stimmung versetzt.

Hier stellt sich die Frage, wen bekämpft Satan mit seinem Anhang?

Zum ersten gilt die geballte Macht der Hölle der Be­kämpfung der Gottesmutter Maria. Die Reinheit und völlige Sündenlosigkeit dieses einen wahren Men­schen, an dem er absolut keinen Anteil hatte, stört ihn, ja, er hasst sie.

Man sagt im Allgemeinen: Das Gefühl der Hölle ist der absolute Hass aller gegen alles (im Himmel ist es die unendliche Liebe) und ihre Sprache sei das Fluchen (im Himmel ist es der Lobpreis Gottes). Doch wird der Hass Satans gegen Maria auch aus einer weiteren Quelle gespeist. Nur zu gut klingt ihm in den Ohren die über ihn und seine Vernichtung ausgesprochene Verheissung im Paradies:

Gen 3,15 Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, / zwischen deinen Nachkom­men und ihren Nachkommen. / Sie wird dir den Kopf zertreten, du aber wirst ih­rer Ferse nachstellen“.

Die ganze „Pforte der Hölle“ steht scheinbar in einem fürchterlichen Kampf gegen die Unbefleckte, die Immacu­lata. Nichts beweist mehr die Tatsache der Endzeit als Satans vermehrter Kampf gegen alles Marianische; gegen Marienverehrung, marianische Spiritualität und nicht zu­letzt auch gegen den Rosenkranz. Wenn wir zur Kenntnis nehmen, was alles an „Marianischem“ seit Fatima (1917) und ganz besonders seit einigen Jahrzehnten in unserer Kirche völlig verloren ging, dann erhalten wir eine leise Ahnung von dem Endkampf, von jener letzten Schlacht zwischen Maria und Satan, der über unseren Köpfen um die Menschenseele tobt. Denn die ganze Hölle ist unfähig und es steht ihr gar nicht zu, gegen Gott selbst zu kämp­fen. Gott ist der allmächtige Schöpfer — Satan ist ein Ge­schöpf. Daher richtet sich sein Kampf unmittelbar gegen die Geschöpfe, deren ewiges Seelenheil in Gott er zunich­te machen will. In erster Linie aber richtet sich seine Macht gegen die Immaculata, wohlwissend, dass sie es ist, die ihm im Endkampf die Tür zur Hölle verschliessen wird. Indem er den Menschen glaubhaft macht, dass es ihn gar nicht gibt, was nicht selten durch irreführende Lehren ka­tholischer Wissenschaftler, sogenannter „Theologen“ auch verkündet wird, hat er ein leichtes Spiel in diesem Kampf. Und wenn Satan sein Wesen verschleiert, dann bleibt er sich selbst treu in dem, was er ist:

Joh 8,44 Ihr habt den Teufel zum Vater und ihr wollt das tun, wonach es euren Vater verlangt. Er war ein Mörder von An­fang an. Und er steht nicht in der Wahrheit; denn es ist keine Wahrheit in ihm. Wenn er lügt, sagt er das, was aus ihm selbst kommt; denn er ist ein Lügner und ist der Vater der Lüge“.

Satans Lüge macht Sinn: Denn wenn es ihn nicht gibt, dann gibt es auch keine Sünde, dann ist keine Beichte vonnöten; es gibt keine Ewigkeit, keinen Himmel, keinen Gott, keine Hölle. Was für eine gewaltige und verhängnisvolle Täuschung!

„Die Menschen erwarten, dass die Dinge in einer persönlichen und sofortigen Zeitepoche eintreten. „Fatima“ befindet sich immer noch im Ablauf der sogenannten „Woche von Fatima“. Der Triumph ist ein kontinuierlicher Prozess. Wir befinden uns in der Situation „nach der Weihe“. Der „erste Tag“ war die Zeit der Erscheinungen; der „zweite“ jener der „nachträglichen“ Erscheinungen und vor der Weihe von 1984

Die Woche von Fatima ist noch nicht vorüber.

Ja, in diesen Tagen, wo der Teufel so aktiv ist, müs­sen wir täglich den Rosenkranz beten.“

Mit diesen Worten weist Schwester Lucia eindeutig da­rauf hin, dass die Zeit nach Fatima als Endzeit betrachtet werden muss; sie ist die Zeit der klaren Trennung und Entscheidung, von der Jesus sagt:

Mt 5,37: Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen.

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Tragt das Braune Skapulier! Betet den Rosenkranz jeden Tag für den Triumph des Unbefleckten Herzens Mariens!“

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7. Eine Zeitanalyse der „Tageswoche von Fatima

Schwester Lucia macht also einen klaren Trennstrich zwi­schen Weltende und Endzeit und benennt als den Anfang der Endzeit die Erscheinungen von Fatima; ein Weg durch die kommende Zeit, auf dem sieben voneinander verschiedene Etappen zu beobachten sein werden und die jeweils als Folge der vorherigen ihre Fortsetzung fin­det.

  • Alles hat mit dem Geschenk Gottes an die Menschen begonnen: Die Zeit der Erscheinungen: „Der erste Tag“. („Sonntag“)
  • Nach dieser kurzen Zeitspanne folgt eine längere Pe­riode und zwar die Zeit der nicht offiziellen Erscheinungen der Gottesmutter den beiden mit 10 und 11 Jahren ver­storbenen Seherkindern Francisco und Jacinta, [16] und Schwester Lucia wohl ihr Leben lang, wie aus dem Inter­view herauszuhören ist. Dieser „Tag“ überspannt somit die Zeit bis zur Weihe Russlands durch Papst Johannes Paul II. am 25. März 1984 in Rom = der „zweite Tag“ („Montag“).

Dieses Ereignis und die darauf folgenden Umwälzungen in der Sowjetunion und insbesondere im Osten Europas, bilden die nächste Etappe, die möglicherweise am Tag der Auflösung der Sowjetunion am 8. Dezember 1991 und der Gründung einer Reihe von unabhängigen Staa­ten endet. An diesem „Tag“ erstand nämlich „Russland“ neu, wie es bei der Erscheinung der Gottesmutter in Fatima am 13. Juli 1917 erwähnt wird. [17]. Der „dritte“ Tag. (Dienstag“).

Es folgt eine kurze Zeitspanne des Friedens und der Neuorientierung der Grenzen Europas in scheinbar völli­ger Freiheit, die auch Russland garantiert,

Jedoch wird das neu erstandene Russland nicht von de­mokratischen UND religiös geprägten Führern gelenkt, sondern bis zum heutigen Tag möglicherweise von den­selben Kadern, die im vormaligen kommunistischen Zu­stand für tausendfache Morde verantwortlich waren, wenn auch nicht direkt, so doch in höheren politisch verantwort­lichen Positionen.

Am Ende dieser Epoche stirbt Schwester Lucia: der vier­te Tag. „(Mittwoch“).

Dieser Logik folgend leben wir heute im „fünften Tag“ der Woche von Fatima. „Donnerstag“.

Die Weihe von 1984 markiert somit das Ende des „dritten Tages“, worauf die Zeit, eine kurze Zeit des Friedens ­auch mit Russland — als der „vierte Tag“ (der Mittwoch) galt und möglicherweise mit dem Tod von Schwester Lucia endete. Worauf der fünfte Tag, der Donnerstag, folgte. Es scheint, an den Ereignissen in und um die Kirche ablesbar, dass wir die letzten Stunden des „Donnerstags nach Fatima“ (also des 5. Tages) erleben.

Dieser „Tag“ kann an seinem Ende zwei mögliche Rich­tungen einschlagen und die eingeschlagene Richtung zu Ende führen:

Die vollkommene Abwendung der Machthaber Russlands von den atheistischen wie von den kommunistischen Idea­len für den Fall, dass „Russland sich bekehrt“ hat und vo­rausgesetzt, dass es schon am „vierten“ Tag langsam zur christlichen Reife heranwuchs, oder für den Fall, dass der noch vorhandene Frieden nur ein zeitlich bedingtes Theater ist, in dem die satanischen Mächte des Kommu‑

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[16] Francisco Marto 11.6.1908 – 4.4.1919 = nicht ganz elf Jahre alt; Jacinta Marto 11.3.1910 – 20.2.1920 = nicht ganz 10 Jahre alt.

[17] Die Beachtung der richtigen Beurteilung der Prophetie Marias bezüglich Russlands, seiner Bekehrung oder aber, für den Fall, „wenn ihr nicht tut, was ich euch sage…“, seiner erneuten und verstärkten Hinwendung zum atheisti­schen und militanten Kommunismus, der dann Kriege und Verfolgungen hervorrufen wird, ist von grosser Bedeutung.

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nismus und Handlanger der Hölle unter den Menschen neue Kraft sammeln, Menschen verführbar machen, deologien der dümmsten Art unter den Menschen verbreiten und Ähnliches — um dann, wie Phönix aus der Asche, mit erneuter Kraft auf der Weltbühne der Macht aufzutreten.

Und das ist nicht einmal so abwegig wenn man be­lenkt, mit welch grossen Schritten das christliche Abendland, Europa, sich nicht nur vom Christentum loslöst, sondern ausgesprochen atheistisch-diktatorische, ja dem christlichen Glauben gegenüber intolerante Züge anzunehmen anschickt. Ich kann nur für mich persönlich bekennen, dass ich an eine Bekehrung Russlands weniger glaube, vielmehr, dass die gottlosen Machthaber daselbst, durch diese Verschnaufpause“ im Kommunismus erstarken und zum Kampf gegen den Glauben gerüstet, erneut ihr Haupt erheben. (…)

Maria nennt in einem einzigen Satz beide Momente, die das Ende satanischer Irreführung und Herrschaft über den Menschen markieren und die sich VOR IHREM Triumph vollziehen müssen:

  • Zuerst muss es einen Triumph der Sühne an Ihr Unbeflecktes Herz geben. Dieser wird herbeige­führt durch den gehorsamen und demütigen Vollzug der fünf Herz-Mariä-Sühnesamstage, der wiederum seinerseits die Bekehrung Russ­lands erwirken wird.
  • Der Himmel wird diesen Triumph durch den Hl. Vater an Ihr Unbeflecktes Herz in Einheit mit ALLEN Bischöfen der Welt durch die völlige Ab­kehr „Russlands“ – und somit der ganzen Welt vom Atheismus krönen.
  • Dann erst folgt der letzte Triumph, DER TRI­UMPH DES UNBEFLECKTEN HERZENS MA­RIENS in der völligen Vernichtung Satans und satanischer Macht über den Menschen, in der Ankunft und Verwirklichung des Reiches Mari­ens, das der endgültigen Herrschaft Christi vo­rauszugehen hat, da Maria IMMER Wegbereite­rin für Jesus Christus ist – auch für seine Wie­derkunft in Herrlichkeit.

 

Kommentar der Redaktion: Wie bereits im Vorspann dieser beiden Artikel erwähnt, (erster Artikel erschien in Nr. 67), stehen wir als Fatima-Weltapostolat der Deutsch-Schweiz voll und ganz zur offiziellen Version unserer Kirche, dass nämlich Sr. Lucia eindeutig festhielt, der Himmel habe die Weihe vom 25. März 1984 durch Papst Johannes Paul II. angenommen Das zeigt sich – wie schon wiederholt dargelegt ­an den wunderbaren Ereignissen, die sich unmittelbar an diese Weihe mit der raschen Auflösung der Sowjet­union und der wiedergewonnenen Freiheit der Osteuropäischen Staaten eingestellt haben. Alle in ver­schiedensten Kreisen gerührten Diskussionen über vollzogene oder nicht vollzogene Weihe Russlands wie auch über die angeblich nicht vollständige Veröffentlichung des sogenannten dritten Geheimnisses lenken nur von den anderen wichtigen Teilen der Botschaften von Fatima ab, namentlich von den Aufrufen des tägli­chen Rosenkranzgebetes, der Sühneandachten der ersten Samstage, der Opferbereitschaft zur Rettung der Sünder, die der Barmherzigkeit Gottes am meisten bedürfen, aber auch von den so aufrüttelnden Warnungen bei Nichtbeachtung dieser ernsten Mahnungen! (Siehe z.B. Nr. 66, Seite 13 bezüglich der Erdachse!)

Papst Franziskus: Überwinde die Gleichgültigkeit und erringe den Frieden

S07

Botschaft des Heiligen Vaters Papst Franziskus
zur Feier des Weltfriedenstages 1. Januar 2016

1. Gott ist nicht gleichgültig! Für Gott ist die Menschheit wichtig, Gott verlässt sie nicht! Mit dieser meiner tiefen Überzeugung möchte ich zu Beginn des neuen Jahres meine Glückwünsche verbinden: Im Zeichen der Hoffnung wünsche ich reichen Segen und Frieden für die Zukunft eines jeden Menschen, jeder Familie, jedes Volkes und jeder Nation der Erde sowie für die Zukunft der Staatsoberhäupter, der Regierungen und der Verantwortungsträger der Religionen. Wir verlieren nämlich nicht die Hoffnung, dass sich im Jahr 2016 alle entschieden und zuversichtlich dafür engagieren, auf verschiedenen Ebenen die Gerechtigkeit zu verwirklichen und für den Frieden zu arbeiten. Ja, dieser Friede ist Gabe Gottes und Werk der Menschen – Gabe Gottes, die aber allen Männern und Frauen anvertraut ist: Sie sind berufen, ihn zu verwirklichen.

Die Gründe zur Hoffnung bewahren

2. Kriege und terroristische Aktionen mit ihren tragischen Folgen, Entführungen, ethnisch und religiös motivierte Verfolgungen und Machtmissbrauch haben das vergangene Jahr von Anfang an bis zu seinem Ende charakterisiert und sich in zahlreichen Regionen der Welt so vervielfältigt, dass sie die Züge dessen angenommen haben, was man einen »dritten Weltkrieg in Abschnitten« nennen könnte. Doch einige Ereignisse der vergangenen Jahre und des gerade verbrachten Jahres regen mich an, im Hinblick auf das neue Jahr wieder dazu aufzufordern, die Hoffnung auf die Fähigkeit des Menschen, mit Gottes Gnade das Böse zu überwinden, nicht zu verlieren und sich nicht der Resignation und der Gleichgültigkeit hinzugeben. Die Ereignisse, auf die ich mich beziehe, zeigen die Fähigkeit der Menschheit zu solidarischem Handeln, jenseits von individualistischen Interessen, von Apathie und Gleichgültigkeit gegenüber schwierigen Situationen.

Unter diesen möchte ich die Anstrengungen erwähnen, die unternommen wurden, um das Treffen der weltweiten Leader im Rahmen der COP21 zu erleichtern, mit dem Ziel, neue Wege zur Bewältigung des Klimawandels und zur Sicherung des Wohls der Erde, unseres gemeinsamen Hauses, zu suchen. Und das verweist auf zwei vorangegangene Ereignisse auf globaler Ebene: auf das Gipfeltreffen von Addis Abeba, um Mittel für die nachhaltige Entwicklung der Welt zu sammeln, und auf die Annahme der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung durch die Vereinten Nationen, die den Zweck verfolgt, bis zu jenem Jahr allen – und vor allem den armen Bevölkerungen des Planeten – ein würdigeres Dasein zu sichern.

Für die Kirche war 2015 ein besonderes Jahr, auch weil es den fünfzigsten Jahrestag der Veröffentlichung zweier Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils markierte, die besonders aussagekräftig den Sinn der Kirche für die Solidarität mit der Welt wiedergeben. Papst Johannes XXIII. wollte zu Beginn des Konzils die Fenster der Kirche aufreißen, damit die Kommunikation zwischen ihr und der Welt offener sei. Die beiden Dokumente – Nostra aetate und Gaudium et spes – sind ein beispielhafter Ausdruck der neuen Beziehung des Dialogs, der Solidarität und der Begleitung, welche die Kirche innerhalb der Menschheit einführen wollte. In der Erklärung Nostra aetate wird die Kirche aufgefordert, sich dem Dialog mit den nicht christlichen Religionen zu öffnen. In der Pastoralen Konstitution Gaudium et spes wollte die Kirche, da »Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, […] auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi«1 sind, einen Dialog mit der Menschheitsfamilie über die Probleme der Welt aufnehmen, als ein Zeichen der Solidarität und der respektvollen Zuneigung.2

Aus derselben Perspektive möchte ich mit dem Jubiläum der Barmherzigkeit die Kirche einladen zu beten und zu arbeiten, damit alle Chris­ten in sich ein demütiges und mitfühlendes Herz heranreifen lassen, das fähig ist, die Barmherzigkeit zu verkünden und zu bezeugen; das fähig ist, »zu vergeben und [sich] selbst hinzugeben«; das fähig ist, sich zu öffnen »für alle, die an den unterschiedlichsten existenziellen Peripherien leben, die die moderne Welt in oft dramatischer Weise hervorbringt«, und nicht absinkt »in die Gleichgültigkeit, die erniedrigt, in die Gewohnheit, die das Gemüt betäubt und die verhindert, etwas Neues zu entdecken, in den Zynismus, der zerstört«.3

Es gibt vielerlei Gründe, an die Fähigkeit der Menschheit zu glauben, gemeinsam zu handeln, in Solidarität und unter Anerkennung der gegenseitigen Bindung und Abhängigkeit, und dabei die schwächsten Glieder sowie die Wahrung des Gemeinwohls besonders im Auge zu haben. Diese Haltung einer solidarischen Mitverantwortung ist die Basis für die grundlegende Berufung zu Geschwisterlichkeit und Gemeinschaftsleben. Die Würde und die zwischenmenschlichen Beziehungen gehören wesentlich zum Menschen, den Gott ja als sein Abbild und ihm ähnlich erschaffen wollte. Als Geschöpfe, die mit einer unveräußerlichen Würde begabt sind, existieren wir in Beziehung zu unseren Brüdern und Schwestern, denen gegenüber wir eine Verantwortung tragen und uns solidarisch verhalten. Ohne diese Beziehung würde man weniger menschlich sein. Gerade deshalb stellt die Gleichgültigkeit eine Bedrohung für die Menschheits­familie dar. Während wir uns auf den Weg in ein neues Jahr begeben, möchte ich alle einladen, diesen Sachverhalt zu erkennen, um die Gleichgültigkeit zu überwinden und den Frieden zu erringen.

Einige Formen der Gleichgültigkeit

3. Gewiss, die Haltung des Gleichgültigen – dessen, der sein Herz verschließt, um die anderen nicht in Betracht zu ziehen, der die Augen schließt, um nicht zu sehen, was ihn umgibt, oder ausweicht, um nicht von den Problemen anderer berührt zu werden – kennzeichnet einen Menschentyp, der ziemlich verbreitet und in jeder geschichtlichen Epoche anzutreffen ist. Doch in unseren Tagen hat sie entschieden den individuellen Bereich überschritten, um eine globale Dimension anzunehmen und das Phänomen der »Globalisierung der Gleichgültigkeit« zu erzeugen.

Die erste Form der Gleichgültigkeit in der menschlichen Gesellschaft ist die gegenüber Gott, aus der auch die Gleichgültigkeit gegenüber dem Nächsten und gegenüber der Schöpfung entspringt. Es ist dies eine der schwerwiegenden Nachwirkungen eines falschen Humanismus und des praktischen Materialismus in Kombination mit einem relativistischen und nihilistischen Denken. Der Mensch meint, der Urheber seiner selbst, seines Lebens und der Gesellschaft zu sein. Er fühlt sich unabhängig und trachtet nicht nur danach, den Platz Gottes einzunehmen, sondern völlig ohne Gott auszukommen. Folglich meint er, niemandem etwas schuldig zu sein außer sich selbst, und beansprucht, nur Rechte zu besitzen.4 Gegen dieses irrige Selbstverständnis des Menschen erinnerte Benedikt XVI. daran, dass weder der Mensch, noch seine Entwicklung in der Lage sind, sich selbst ihren letzten Sinn zu geben.5 Und vor ihm hatte Paul VI. bekräftigt: »Nur jener Humanismus also ist der wahre, der sich zum Absoluten hin öffnet, in Dank für eine Berufung, die die richtige Auffassung vom menschlichen Leben schenkt.«6

Die Gleichgültigkeit gegenüber dem Nächs­ten nimmt verschiedene Gesichter an. Es gibt Menschen, die gut informiert sind, Radio hören, Zeitungen lesen oder Fernsehprogramme verfolgen, das aber mit innerer Lauheit tun, gleichsam in einem Zustand der Gewöhnung. Diese Leute haben eine vage Vorstellung von den Tragödien, welche die Menschheit quälen, fühlen sich aber nicht betroffen, spüren kein Mitleid. Das ist die Haltung dessen, der Bescheid weiß, aber den Blick, das Denken und das Handeln auf sich selbst gerichtet hält. Leider müssen wir feststellen, dass die Zunahme der Informationen gerade in unserer Zeit von sich aus keine Zunahme an Aufmerksamkeit für die Probleme bedeutet, wenn sie nicht mit einer Öffnung des Bewusstseins im Sinn der Solidarität einhergeht.7 Ja, sie kann eine gewisse Sättigung nach sich ziehen, die betäubt und den Ernst der Probleme einigermaßen relativiert. »Einige finden schlicht Gefallen daran, die Armen und die armen Länder mit ungebührlichen Verallgemeinerungen der eigenen Übel zu beschuldigen und sich einzubilden, die Lösung in einer ›Erziehung‹ zu finden, die sie beruhigt und in gezähmte, harmlose Wesen verwandelt. Das wird noch anstößiger, wenn die Ausgeschlossenen jenen gesellschaftlichen Krebs wachsen sehen, der die in vielen Ländern – in den Regierungen, im Unternehmertum und in den Institutionen – tief verwurzelte Korruption ist, unabhängig von der politischen Ideologie der Regierenden.«8

In anderen Fällen zeigt sich die Gleichgültigkeit in Form eines Mangels an Aufmerksamkeit gegenüber der umliegenden Wirklichkeit, besonders der weiter entfernten. Einige Menschen ziehen es vor, nicht zu suchen, sich nicht zu informieren, und leben ihren Wohlstand und ihre Bequemlichkeit in Taubheit gegenüber dem schmerzvollen Aufschrei der leidenden Menschheit. Fast ohne es zu bemerken, sind wir unfähig geworden, Mitleid mit den anderen, mit ihrem Unglück zu empfinden. Wir haben kein Interesse daran, uns um sie zu kümmern, als sei das, was ihnen geschieht, eine uns fern liegende Verantwortung, die uns nichts angeht.9 So kommt es, dass wir, »wenn es uns gut geht und wir uns wohl fühlen, die anderen gewiss vergessen (was Gott Vater niemals tut); dass wir uns nicht für ihre Probleme, für ihre Leiden und für die Ungerechtigkeiten interessieren, die sie erdulden… Dann verfällt unser Herz der Gleichgültigkeit: Während es mir relativ gut geht und ich mich wohl fühle, vergesse ich jene, denen es nicht gut geht«.10

Da wir in einem gemeinsamen Haus leben, dürfen wir nicht unterlassen, uns zu fragen, wie es um seine Gesundheit steht – in der Enzyklika Laudato si’ habe ich das zu tun versucht. Die Verschmutzung von Wasser und Luft, die wahllose Ausbeutung der Wälder, die Zerstörung der Umwelt sind oft Frucht der Gleichgültigkeit des Menschen gegenüber den anderen, denn alles steht miteinander in Beziehung. Wie auch das Verhalten des Menschen gegenüber den Tieren seine Beziehungen zu den anderen beeinflusst11 – ganz zu schweigen von denen, die sich erlauben, woanders das zu tun, was sie im eigenen Hause nicht zu tun wagen.12

In diesen und anderen Fällen verursacht die Gleichgültigkeit vor allem Verschlossenheit und Teilnahmslosigkeit und trägt so schließlich zum Fehlen von Frieden mit Gott, mit dem Nächsten und mit der Schöpfung bei.

Die Bedrohung des Friedens durch die globalisierte Gleichgültigkeit

4. Die Gleichgültigkeit gegenüber Gott überschreitet den persönlichen und geistigen Bereich des Einzelnen und greift auf den öffentlichen und gesellschaftlichen Bereich über. So bemerkte Benedikt XVI.: Es gibt »eine enge Verbindung zwischen der Verherrlichung Gottes und dem Frieden der Menschen auf Erden«.13 Denn »ohne eine Offenheit auf das Transzendente hin wird der Mensch tatsächlich leicht zur Beute des Relativismus, und dann fällt es ihm schwer, gerecht zu handeln und sich für den Frieden einzusetzen«.14 Das Vergessen und die Leugnung Gottes, die den Menschen dazu verleiten, keinen Maßstab mehr über sich anzuerkennen und nur sich selbst zum Maßstab zu nehmen, haben maßlose Grausamkeit und Gewalt hervorgebracht.15

Auf individueller und gemeinschaftlicher Ebene nimmt die Gleichgültigkeit gegenüber dem Nächsten – eine Tochter der Gleichgültigkeit gegenüber Gott – die Züge der Trägheit und der Teilnahmslosigkeit an. Diese bilden einen Nährboden, auf dem Situationen von Ungerechtigkeit und schwerwiegendem sozialen Ungleichgewicht fortdauern, die dann ihrerseits zu Konflikten führen können oder in jedem Fall ein Klima der Unzufriedenheit erzeugen, das Gefahr läuft, früher oder später in Gewalt und Unsicherheit zu eskalieren.

In diesem Sinn stellen die Gleichgültigkeit und die daraus folgende Teilnahmslosigkeit eine schwere Verfehlung in Bezug auf die Pflicht eines jeden Menschen dar, entsprechend seinen Fähigkeiten und der Rolle, die er in der Gesellschaft spielt, zum Gemeinwohl beizutragen, im Besonderen zum Frieden, der eines der wertvollsten Güter der Menschheit ist.16

Wenn die Gleichgültigkeit dann die institutionelle Ebene betrifft – Gleichgültigkeit gegenüber dem anderen, gegenüber seiner Würde, seinen Grundrechten und seiner Freiheit – und mit einer von Profitdenken und Genusssucht geprägten Kultur gepaart ist, begünstigt und rechtfertigt sie manchmal auch Handlungen und politische Programme, die schließlich den Frieden bedrohen. Eine solche Haltung der Gleichgültigkeit kann auch so weit gehen, im Hinblick auf die Verfolgung des eigenen Wohlstands oder jenes der

Nation einige tadelnswerte Formen der Wirtschaftspolitik zu rechtfertigen, die zu Ungerechtigkeiten, Spaltungen und Gewalt führen. Nicht selten zielen nämlich die wirtschaftlichen und politischen Pläne der Menschen auf die Erlangung oder die Erhaltung von Macht und Reichtum ab, sogar um den Preis, die Rechte und die fundamentalen Bedürfnisse der anderen mit Füßen zu treten. Wenn die Bevölkerungen sehen, dass ihnen ihre Grundrechte wie Nahrung, Wasser, medizinische Versorgung oder Arbeit verweigert werden, sind sie versucht, sich diese mit Gewalt zu verschaffen.17

Darüber hinaus schafft die Gleichgültigkeit gegenüber der natürlichen Umwelt durch die Begünstigung von Entwaldung, Luftverschmutzung und Naturkatastrophen, die ganze Gemeinschaften aus ihrem Lebensbereich entwurzeln und ihnen Unstabilität und Unsicherheit aufzwingen, neue Formen der Armut und neue Situationen der Ungerechtigkeit mit häufig unheilvollen Konsequenzen hinsichtlich der Sicherheit und des sozialen Friedens. Wie viele Kriege sind geführt worden und werden noch geführt werden aufgrund des Mangels an Ressourcen oder um der unersättlichen Nachfrage nach natürlichen Ressourcen zu entsprechen?18

Von der Gleichgültigkeit zur Barmherzigkeit: die Umkehr des Herzens

5. Als ich vor einem Jahr in der Botschaft zum Weltfriedenstag »Nicht mehr Knechte, sondern Brüder« an das erste biblische Bild der menschlichen Geschwisterbeziehung – das von Kain und Abel (vgl. Gen 4,1-16) – erinnerte, sollte das die Aufmerksamkeit darauf lenken, wie diese erste Geschwisterbeziehung verraten worden ist. Kain und Abel sind Brüder. Beide entstammen sie demselben Schoß, besitzen die gleiche Würde und sind als Abbild Gottes und ihm ähnlich erschaffen; aber ihre kreatürliche Brüderlichkeit zerbricht. »Kain erträgt nicht nur nicht seinen Bruder Abel, sondern aus Neid tötet er ihn.«19 So wird der Brudermord die Form des Verrats, und die Ablehnung der Brüderlichkeit Abels durch Kain ist der erste Bruch in den familiären Beziehungen der Geschwisterlichkeit, der Solidarität und der gegenseitigen Achtung.

Gott greift dann ein, um den Menschen für seinen Mitmenschen zur Verantwortung zu ziehen, und er tut es genauso, wie er es tat, als Adam und Eva, die ersten Eltern, die Gemeinschaft mit dem Schöpfer gebrochen hatten. »Da sprach der Herr zu Kain: ›Wo ist dein Bruder Abel?‹ Er entgegnete: ,Ich weiß es nicht. Bin ich der Hüter meines Bruders?‘ Der Herr sprach: ›Was hast du getan? Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom Ackerboden!‹« (Gen 4,9-10).

Kain gibt vor, nicht zu wissen, was mit seinem Bruder geschehen ist, und sagt, er sei nicht dessen Hüter. Er fühlt sich nicht verantwortlich für sein Leben, für sein Geschick. Er fühlt sich nicht betroffen. Er ist seinem Bruder gegenüber gleichgültig, obwohl sie durch ihre gemeinsame Herkunft miteinander verbunden sind. Wie traurig! Was für ein geschwisterliches, familiäres und menschliches Drama! Dies ist die erste Erscheinung der Gleichgültigkeit unter Brüdern. Gott hingegen ist nicht gleichgültig: Das Blut Abels ist in seinen Augen sehr wertvoll, er verlangt von Kain, Rechenschaft darüber abzulegen. Gott offenbart sich also vom Anbeginn der Menschheit an als derjenige, der sich für das Geschick der Menschen interessiert. Als sich später die Söhne Israels in Ägypten in der Sklaverei befinden, greift Gott von neuem ein. Er sagt zu Mose: »Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen, und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid. Ich bin herabgestiegen, um sie der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen« (Ex 3,7-8). Es ist wichtig, auf die Verben zu achten, die das Eingreifen Gottes beschreiben: Er sieht, hört, kennt, steigt herab und entreißt, d.?h. befreit. Gott ist nicht gleichgültig. Er ist aufmerksam und handelt.

Auf die gleiche Weise ist Gott in seinem Sohn Jesus herabgestiegen unter die Menschen, hat Fleisch angenommen und hat sich in allem, außer der Sünde, solidarisch mit der Menschheit gezeigt. Jesus hat sich mit der Menschheit identifiziert als »der Erstgeborene von vielen Brüdern« (Röm 8,29). Er begnügte sich nicht damit, die Menschenmenge zu unterweisen, sondern er kümmerte sich um sie, besonders wenn er sah, dass sie hungrig (vgl. Mk 6,34-44) oder arbeitslos (vgl. Mt 20,3) waren. Sein Blick war nicht nur auf die Menschen gerichtet, sondern auch auf die Fische im Meer, die Vögel des Himmels, die kleinen und großen Pflanzen und Bäume; er umfass­te die gesamte Schöpfung. Jesus sieht, gewiss, aber er beschränkt sich nicht darauf, denn er berührt die Menschen, spricht mit ihnen, handelt zu ihren Gunsten und tut denen Gutes, die bedürftig sind. Und nicht nur das, sondern er lässt sich innerlich erschüttern und weint (vgl. Joh 11,33-44). Und er handelt, um dem Leiden, der Traurigkeit, dem Elend und dem Tod ein Ende zu bereiten.

Jesus lehrt uns, barmherzig zu sein wie der himmlische Vater (vgl. Lk 6,36). In dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter (vgl. Lk 10,29-37) prangert er die unterlassene Hilfeleistung angesichts der dringenden Not der Mitmenschen an: »Er sah ihn und ging weiter« (Lk 10,31.32). Zugleich fordert er durch dieses Beispiel seine Hörer – und besonders seine Jünger – auf zu lernen, anzuhalten vor den Leiden dieser Welt, um sie zu lindern; vor den Wunden der anderen, um sie zu pflegen mit den Mitteln, über die man verfügt, angefangen bei der eigenen Zeit, trotz der vielen Beschäftigungen. Die Gleichgültigkeit sucht nämlich immer nach Ausreden: in der Beachtung ritueller Vorschriften, in der Menge der zu erledigenden Dinge, in den Gegensätzen, die uns auf Distanz voneinander halten, in den Vorurteilen aller Art, die uns daran hindern, dem anderen ein Nächster zu werden.

Die Barmherzigkeit ist das »Herz« Gottes. Darum muss sie auch das Herz all derer sein, die sich als Glieder der einen großen Familie seiner Kinder erkennen; ein Herz, das überall dort heftig schlägt, wo die Menschenwürde – ein Widerschein von Gottes Angesicht in seinen Geschöpfen – auf dem Spiel steht. Jesus warnt uns: Die Liebe zu den anderen – den Fremden, den Kranken, den Gefangenen, den Obdachlosen und sogar den Feinden – ist der Maßstab Gottes zur Beurteilung unserer Taten. Davon hängt unser ewiges Geschick ab. So ist es nicht verwunderlich, dass der Apostel Paulus die Christen von Rom auffordert, sich zu freuen mit den Fröhlichen und zu weinen mit den Weinenden (vgl. Röm 12,15), oder dass er den Korinthern ans Herz legt, Sammlungen zu organisieren als Zeichen der Solidarität mit den leidenden Gliedern der Kirche (vgl. 1 Kor 16,2-3). Und der heilige Johannes schreibt: »Wenn jemand Vermögen hat und sein Herz vor dem Bruder verschließt, den er in Not sieht, wie kann die Gottesliebe in ihm bleiben?« (1 Joh 3,17; vgl. Jak 2,15-16).

Darum ist es »entscheidend für die Kirche und für die Glaubwürdigkeit ihrer Verkündigung, dass sie in erster Person die Barmherzigkeit lebt und bezeugt! Ihre Sprache und ihre Gesten müssen die Barmherzigkeit vermitteln und so in die Herzen der Menschen eindringen und sie herausfordern, den Weg zurück zum Vater einzuschlagen. Die erste Wahrheit der Kirche ist die Liebe Christi. Die Kirche macht sich zur Dienerin und Mittlerin dieser Liebe, die bis zur Vergebung und zur Selbsthingabe führt. Wo also die Kirche gegenwärtig ist, dort muss auch die Barmherzigkeit des Vaters sichtbar werden. In unseren Pfarreien, Gemeinschaften, Vereinigungen und Bewegungen, d.h. überall wo Christen sind, muss ein jeder Oasen der Barmherzigkeit vorfinden können.«20

So sind auch wir aufgerufen, aus der Liebe, dem Mitgefühl, der Barmherzigkeit und der Solidarität ein wirkliches Lebensprogramm zu machen, einen Verhaltensstil in unseren Beziehungen untereinander.21 Das verlangt die Umkehr des Herzens: dass die Gnade Gottes unser Herz von Stein in ein Herz von Fleisch verwandelt (vgl. Ez 36,26), das fähig ist, sich den anderen mit echter Solidarität zu öffnen. Diese ist nämlich viel mehr als »ein Gefühl vagen Mitleids oder oberflächlicher Rührung wegen der Leiden so vieler Menschen nah oder fern«.22 Die Solidarität ist »die feste und beständige Entschlossenheit, sich für das Gemeinwohl einzusetzen, das heißt, für das Wohl aller und eines jeden, weil wir alle für alle verantwortlich sind«23, denn das Mitgefühl geht aus der Brüderlichkeit hervor.

So verstanden ist die Solidarität das moralische und soziale Verhalten, das am besten der Bewusstwerdung der Plagen unserer Zeit und der unleugbaren Interdependenz entspricht – einer besonders in einer globalisierten Welt ständig zunehmenden Interdependenz zwischen dem Leben des Einzelnen und seiner Gemeinschaft an einem bestimmten Ort und dem Leben anderer Menschen in der übrigen Welt.24

Eine Kultur der Solidarität und der Barmherzigkeit fördern, um die Gleichgültigkeit zu überwinden

6. Die Solidarität als moralische Tugend und soziales Verhalten, eine Frucht der persönlichen Umkehr, erfordert ein Engagement vieler Einzelner, die im Erziehungs- und Bildungswesen Verantwortung tragen.

Ich denke zunächst an die Familien, die zu einer vorrangigen und unabdingbaren Erziehungsaufgabe berufen sind. Sie bilden den ersten Ort, an dem die Werte der Liebe und der Geschwis­terlichkeit, des Zusammenlebens und des Miteinander-Teilens, der Aufmerksamkeit und der Sorge für den anderen gelebt und vermittelt werden. Sie sind auch der bevorzugte Bereich für die Weitergabe des Glaubens, angefangen von jenen ersten einfachen Gesten der Frömmigkeit, die die Mütter ihren Kindern beibringen.25

Die Erzieher und die Lehrer, die in der Schule oder in den verschiedenen Kinder- und Jugendzentren die anspruchsvolle Aufgabe haben, die jungen Menschen zu erziehen, sind berufen, sich bewusst zu machen, dass ihre Verantwortung die moralische, spirituelle und soziale Dimension des Menschen betrifft.

Die Werte der Freiheit, der gegenseitigen Achtung und der Solidarität können vom frühesten Alter an vermittelt werden. In einem Wort an die Verantwortlichen der Einrichtungen, die Erziehungsaufgaben haben, sagte Benedikt XVI.: »Möge jeder Bereich pädagogischer Arbeit ein Ort der Offenheit gegenüber dem Transzendenten und gegenüber den anderen sein; ein Ort des Dialogs, des Zusammenhalts und des Hörens, in dem der Jugendliche spürt, dass seine persönlichen Möglichkeiten und inneren Werte zur Geltung gebracht werden, und lernt, seine Mitmenschen zu schätzen. Mögen sie dazu anleiten, die Freude zu empfinden, die daraus entspringt, dass man Tag für Tag Liebe und Mitgefühl gegenüber dem Nächsten praktiziert und sich aktiv am Aufbau einer menschlicheren und brüderlicheren Gesellschaft beteiligt.«26

Auch die Kulturanbieter und die Betreiber der sozialen Kommunikationsmittel tragen eine Verantwortung auf dem Gebiet der Erziehung und der Bildung, besonders in den zeitgenössischen Gesellschaften, in denen der Zugriff auf Informations- und Kommunikationsmittel immer stärker verbreitet ist. Ihre Aufgabe ist vor allem, sich in den Dienst der Wahrheit und nicht der Partikular­interessen zu stellen.

Denn die Kommunikationsmittel »informieren nicht nur den Geist ihrer Adressaten, sondern sie formen ihn auch und können folglich beträchtlich zur Erziehung der Jugendlichen beitragen. Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, dass die Verbindung zwischen Erziehung und Kommunikation äußerst eng ist: Die Erziehung ereignet sich ja durch Kommunikation, welche die Bildung des Menschen positiv oder negativ beeinflusst«.27 Die Kulturanbieter und die Betreiber der Medien müssten auch darüber wachen, dass die Weise, wie die Informationen erhalten und verbreitet werden, immer rechtlich und moralisch zulässig ist.

Der Friede – Frucht einer Kultur der Solidarität, der Barmherzigkeit und des Mitgefühls

7. Im Bewusstsein der Bedrohung durch eine Globalisierung der Gleichgültigkeit dürfen wir aber nicht unterlassen anzuerkennen, dass sich in die oben beschriebene Gesamtsituation auch zahlreiche positive Initiativen und Aktionen einfügen, die das Mitgefühl, die Barmherzigkeit und die Solidarität bezeugen, zu denen der Mensch fähig ist.

Ich möchte einige Beispiele lobenswerten Engagements erwähnen, die zeigen, wie jeder die Gleichgültigkeit überwinden kann, wenn er sich entscheidet, seinen Blick nicht von seinem Nächsten abzuwenden – Beispiele für gute Formen konkreten Handelns auf dem Weg zu einer menschlicheren Gesellschaft.

Es gibt viele Nichtregierungsorganisationen und karitative Gruppen in und außerhalb der Kirche, deren Mitglieder im Fall von Epidemien, Unglücken oder bewaffneten Konflikten Mühen und Gefahren auf sich nehmen, um die Verletzten und die Kranken zu pflegen und die Toten zu begraben. Neben ihnen möchte ich die Personen und Vereinigungen erwähnen, die den Migranten Hilfe bringen, die auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen Wüsten durchziehen und Meere überqueren. Diese Taten sind Werke der leiblichen und geistigen Barmherzigkeit, nach denen wir am Ende unseres Lebens gerichtet werden.

Ich denke auch an die Journalisten und Fotografen, die die Öffentlichkeit über schwierige Situationen informieren, die an die Gewissen appellieren, sowie an diejenigen, die sich für die Verteidigung der Menschenrechte einsetzen, besonders für die der ethnischen und religiösen Minderheiten, der indigenen Völker, der Frauen und Kinder und aller, die in Situationen größerer Verwundbarkeit leben. Unter ihnen gibt es auch viele Priester und Missionare, die als gute Hirten trotz der Gefahren und Entbehrungen – besonders während bewaffneter Konflikte – an der Seite ihrer Gläubigen bleiben und sie unterstützen.

Und außerdem: Wie viele Familien bemühen sich inmitten zahlreicher sozialer und arbeitsbezogener Schwierigkeiten konkret und um den Preis vieler Opfer, ihre Kinder »gegen den Strom« zu den Werten der Solidarität, des Mitgefühls und der Geschwisterlichkeit zu erziehen! Wie viele Familien öffnen Notleidenden wie den Flüchtlingen und Migranten ihre Herzen und ihre Häuser! Ich möchte in besonderer Weise allen Einzelpersonen, Familien, Pfarreien, Ordensgemeinschaften, Klöstern und Heiligtümern danken, die umgehend auf meinen Aufruf reagiert haben, eine Flüchtlingsfamilie aufzunehmen.28

Schließlich möchte ich die Jugendlichen erwähnen, die sich zusammentun, um Projekte der Solidarität zu verwirklichen, sowie alle, die ihre Hände öffnen, um dem notleidenden Nächsten in ihren Städten, in ihrem Land oder in anderen Regionen der Welt zu helfen. Allen, die sich in Aktionen dieser Art engagieren, auch wenn diese nicht öffentlich bekannt werden, möchte ich danken und sie ermutigen: Ihr Hunger und Durst nach Gerechtigkeit wird gesättigt werden, ihre Barmherzigkeit wird sie selbst Barmherzigkeit finden lassen, und insofern sie Friedenstifter sind, werden sie Kinder Gottes genannt werden (vgl. Mt 5,6-9).

8. Im Geist des Jubiläums der Barmherzigkeit ist jeder aufgerufen zu erkennen, wie sich die Gleichgültigkeit in seinem eigenen Leben zeigt, und ein konkretes Engagement zu übernehmen, um dazu beizutragen, die Wirklichkeit, in der er lebt, zu verbessern, ausgehend von der eigenen Familie, der Nachbarschaft oder dem Arbeitsbereich.

Auch die Staaten sind zu konkreten Taten aufgerufen, zu mutigen Gesten gegenüber den Schwächsten ihrer Gesellschaft wie den Gefangenen, den Migranten, den Arbeitslosen und den Kranken.

Was die Häftlinge betrifft, erscheint es in vielen Fällen dringend, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Lebensbedingungen in den Gefängnissen zu verbessern. Dabei sollte man denen, die ihrer Freiheit beraubt sind und noch auf ihr Urteil warten, eine besondere Aufmerksamkeit schenken29, bei der Verbüßung der Strafe die Zielsetzung der Rehabilitation im Sinn haben und die Möglichkeit erwägen, in die nationalen Gesetzgebungen alternative Strafen zur Gefängnishaft einzufügen. In diesem Zusammenhang möchte ich meinen Appell an die staatlichen Autoritäten erneuern, die Todesstrafe dort, wo sie noch in Kraft ist, abzuschaffen und die Möglichkeit einer Begnadigung in Betracht zu ziehen.

In Bezug auf die Migranten möchte ich dazu einladen, die Gesetzgebungen über die Migration zu überdenken, damit sie – in der Achtung der wechselseitigen Pflichten und Verantwortungen – von Aufnahmebereitschaft geprägt sind und die Integration der Migranten vereinfachen können. Aus dieser Sicht müsste den Aufenthaltsbedingungen der Migranten eine besondere Aufmerksamkeit gelten, wenn man bedenkt, dass das Leben im Untergrund die Gefahr birgt, sie in die Kriminalität zu ziehen.

Außerdem möchte ich in diesem Jubiläumsjahr einen dringenden Appell an die Verant­wortlichen der Staaten richten, konkrete Taten zugunsten unserer Brüder und Schwestern zu vollziehen, die unter dem Mangel an Arbeit, Land und Wohnung leiden. Ich denke an die Schaffung von Arbeitsplätzen mit würdiger Arbeit, um der sozialen Plage der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken, die eine große Anzahl von Familien und von Jugendlichen betrifft und sehr ernste Folgen für den Zusammenhalt der gesamten Gesellschaft hat. Keine Arbeit zu haben schwächt in hohem Maße das Empfinden für die eigene Würde, lässt die Hoffnung schwinden und kann nur zum Teil durch die – wenn auch notwendigen – Hilfen aufgewogen werden, die für die Arbeitslosen und ihre Familien bestimmt sind. Eine spezielle Aufmerksamkeit müsste den – im Arbeitsbereich leider noch diskriminierten – Frauen gewidmet werden sowie einigen Kategorien von Beschäftigten, deren Arbeitsbedingungen unsicher oder gefährlich sind und deren Besoldung der Bedeutung ihrer sozialen Aufgabe nicht angemessen ist.

Zum Schluss möchte ich dazu auffordern, wirksame Schritte zu unternehmen, um die Lebensbedingungen der Kranken zu verbessern, indem allen der Zugang zu medizinischer Behandlung und lebensnotwendigen Medikamenten einschließlich der Möglichkeit zu häuslicher Pflege gewährleistet wird.

Die Verantwortungsträger der Staaten sind auch aufgerufen, mit einem Blick über die eigenen Grenzen hinaus ihre Beziehungen zu den anderen Völkern zu erneuern und allen eine wirkliche Einschließung und Beteiligung am Leben der internationalen Gemeinschaft zu erlauben, damit die Brüderlichkeit auch innerhalb der Familie der Nationen verwirklicht wird.

Aus dieser Sicht möchte ich an alle einen dreifachen Appell richten: Abstand davon zu nehmen, andere Völker in Konflikte oder Kriege zu verwickeln, die nicht nur ihre materiellen und kulturellen Güter sowie ihre sozialen Errungenschaften zerstören, sondern auch – und auf lange Sicht – die moralische und geistige Integrität; die internationalen Schulden der ärmsten Länder zu streichen oder annehmbar zu verwalten; Formen einer Politik der Zusammenarbeit anzuwenden, die sich nicht der Diktatur einiger Ideologien beugen, sondern stattdessen die Werte der örtlichen Bevölkerungen respektieren und keinesfalls das fundamentale und unveräußerliche Recht der Ungeborenen auf Leben verletzen.

Ich vertraue diese Überlegungen – zusammen mit meinen besten Wünschen für das neue Jahr – der Fürsprache Marias an, der für die Nöte der Menschheit aufmerksamen Mutter, damit sie für uns von ihrem Sohn Jesus, dem Friedensfürs­ten, die Erhörung unserer Gebete und den Segen für unseren täglichen Einsatz zugunsten einer brüderlichen und solidarischen Welt erbitte.

Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 2015, Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau Maria, Eröffnung des Außerordentlichen Jubiläums der Barmherzigkeit.

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Fußnoten

1 Zweites Vatikanisches Konzil, Past. Konst. Gaudium et spes, 1.

2 # Vgl. ebd., 3.

3 Verkündigungsbulle des Außerordentlichen Jubiläums der Barmherzigkeit Misericordiae Vultus, 14-15.

4 Vgl. Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate, 43.

5 Vgl. ebd., 16.

6 Enzyklika Populorum progressio, 42.

7 »Die zunehmend globalisierte Gesellschaft macht uns zu Nachbarn, aber nicht zu Geschwis­tern. Die Vernunft für sich allein ist imstande, die Gleichheit unter den Menschen zu begreifen und ein bürgerliches Zusammenleben herzustellen, aber es gelingt ihr nicht, Brüderlichkeit zu schaffen« (Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate, 19).

8 Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 60.

9 #Vgl. ebd., 54.

10 Botschaft zur österlichen Bußzeit 2015.

11 Vgl. Enzyklika Laudato si’, 92.

12 Vgl. ebd., 51.

13 #Ansprache beim Neujahrsempfang für die Mitglieder des beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomatischen Corps (7. Januar 2013).

14 Ebd.

15 Vgl. Benedikt XVI., Ansprache am Tag der Reflexion, des Dialogs und des Gebets für Frieden und Gerechtigkeit auf der Welt (Assisi, 27. Oktober 2011).

16 Vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 217-237.

17 #»Solange die Ausschließung und die soziale Ungleichheit in der Gesellschaft und unter den verschiedenen Völkern nicht beseitigt werden, wird es unmöglich sein, die Gewalt auszumerzen. Die Armen und die ärmsten Bevölkerungen werden der Gewalt beschuldigt, aber ohne Chancengleichheit finden die verschiedenen Formen von Aggression und Krieg einen fruchtbaren Boden, der früher oder später die Explosion verursacht. Wenn die lokale, nationale oder weltweite Gesellschaft einen Teil ihrer selbst in den Randgebieten seinem Schicksal überlässt, wird es keine politischen Programme, noch Ordnungskräfte oder Intelligence geben, die unbeschränkt die Ruhe gewährleisten können. Das geschieht nicht nur, weil die soziale Ungleichheit gewaltsame Reaktionen derer provoziert, die vom Sys­tem ausgeschlossen sind, sondern weil das gesellschaftliche und wirtschaftliche System an der Wurzel ungerecht ist. Wie das Gute dazu neigt, sich auszubreiten, so neigt das Böse, dem man einwilligt, das heißt die Ungerechtigkeit, dazu, ihre schädigende Kraft auszudehnen und im Stillen die Grundlagen jeden politischen und sozialen Systems aus den Angeln zu heben, so gefes­tigt es auch erscheinen mag« (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 59).

18 Vgl. Enzyklika Laudato si’, 31; 48.

19 Botschaft zum Weltfriedenstag 2015, 2.

20 Verkündigungsbulle des Außerordentlichen Jubiläums der Barmherzigkeit Misericordiae Vultus, 12.

21 Ebd., 13.

22 Johannes Paul II., Enzyklika Sollecitudo rei socialis, 38.

23 Ebd.

24 Vgl. ebd.

25 # Vgl. Ansprache bei der Generalaudienz am 7. Januar 2015.

26 Botschaft zum Weltfriedenstag 2012, 2

27 Ebd.

28 Vgl. Angelus vom 6. September 2015.

29 Vgl. Ansprache an eine Delegation der internationalen Strafrechtsgesellschaft (23. Oktober 2014).

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Quelle: Osservatore Romano 52/2015

PAPST FRANZISKUS: Ansprache in den Vatikanischen Gärten am 8. Juni 2014

PRAYERGRAPHIC_StJPII

ANRUFUNG DES FRIEDENS

ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS

Vatikanische Gärten
Sonntag
, 8. Juni 2014

Fotogalerie

Meine Herren Präsidenten,
Heiligkeit, liebe Brüder und Schwestern,

mit großer Freude begrüße ich Sie und möchte Ihnen und den ehrenwerten Delegationen, die Sie begleiten, den gleichen herzlichen Empfang bereiten, den Sie mir auf meiner gerade beendeten Pilgerreise im Heiligen Land erwiesen haben.

Ich danke Ihnen aus tiefstem Herzen, dass Sie meine Einladung angenommen haben, hierher zu kommen und gemeinsam von Gott das Geschenk des Friedens zu erflehen. Ich hoffe, dass diese Begegnung ein Weg auf der Suche nach dem sei, was eint, um das zu überwinden, was trennt.

Und ich danke Eurer Heiligkeit, verehrter Bruder Bartholomäus, dass Sie hier bei mir sind, um diese bedeutenden Gäste zu empfangen. Ihre Teilnahme ist ein großes Geschenk, eine wertvolle Unterstützung und ein Zeugnis für den Weg, den wir als Christen auf die volle Einheit hin beschreiten.

Ihre Anwesenheit, meine Herren Präsidenten, ist ein großes Zeichen der Brüderlichkeit, das Sie als Söhne Abrahams vollziehen, und ein Ausdruck konkreten Vertrauens auf Gott, den Herrn der Geschichte, der heute auf uns schaut als auf Menschen, die einander Brüder sind, und uns auf seine Wege führen möchte.

Diese unsere Begegnung zur Bitte um den Frieden im Heiligen Land, im Nahen Osten und in der ganzen Welt wird begleitet vom Gebet unzähliger Menschen, die verschiedenen Kulturen, Heimatländern, Sprachen und Religionen angehören – Menschen, die für diese Begegnung gebetet haben und die jetzt mit uns in der flehentlichen Bitte selbst vereint sind. Es ist eine Begegnung, die dem brennenden Wunsch all derer entspricht, die sich nach dem Frieden sehnen und von einer Welt träumen, in der Männer und Frauen als Geschwister leben können und nicht als Gegner oder als Feinde.

Meine Herren Präsidenten, die Welt ist ein Erbe, das wir von unseren Vorfahren empfangen haben, aber sie ist auch eine Leihgabe unserer Kinder – Kinder, die müde und erschöpft sind von den Konflikten und danach verlangen, den Anbruch des Friedens zu erreichen; Kinder, die uns bitten, die Mauern der Feindschaft niederzureißen und den Weg des Dialogs und des Friedens zu beschreiten, damit Liebe und Freundschaft triumphieren.

Viele, allzu viele dieser Kinder sind unschuldige Opfer von Krieg und Gewalt geworden – Pflanzen, die in voller Blüte ausgerissen wurden. Es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass ihr Opfer nicht vergeblich sei. Möge die Erinnerung an sie uns den Mut zum Frieden einflößen, die Kraft, um jeden Preis beharrlich den Dialog fortzusetzen, die Geduld, Tag für Tag das immer festere Netz eines respekt- und friedvollen Zusammenlebens zu knüpfen, zur Ehre Gottes und zum Wohl aller.

Um Frieden zu schaffen, braucht es Mut, sehr viel mehr, als um Krieg zu führen. Es braucht Mut, um Ja zu sagen zur Begegnung und Nein zur Auseinandersetzung; Ja zum Dialog und Nein zur Gewalt; Ja zur Verhandlung und Nein zu Feindseligkeiten; Ja zur Einhaltung der Abmachungen und Nein zu Provokationen; Ja zur Aufrichtigkeit und Nein zur Doppelzüngigkeit. Für all das braucht es Mut, eine große Seelenstärke.

Die Geschichte lehrt uns, dass unsere Kräfte nicht ausreichen. Mehr als einmal waren wir dem Frieden nahe, doch dem Bösen ist es mit verschiedenen Mitteln gelungen, ihn zu verhindern. Deshalb sind wir hier, denn wir wissen und glauben, dass wir der Hilfe Gottes bedürfen. Wir lassen nicht von unseren Verantwortlichkeiten ab, sondern wir rufen Gott an als Akt höchster Verantwortung unserem Gewissen und unseren Völkern gegenüber. Wir haben einen Ruf vernommen, und wir müssen antworten – den Ruf, die Spirale des Hasses und der Gewalt zu durchbrechen, sie zu durchbrechen mit einem einzigen Wort: „Bruder“. Doch um dieses Wort zu sagen, müssen wir alle den Blick zum Himmel erheben und uns als Söhne des einen Vaters erkennen.

An ihn wende ich mich im Geist Jesu Christi und bitte zugleich um die Fürsprache der Jungfrau Maria, Tochter des Heiligen Landes und unsere Mutter.

Herr, Gott des Friedens, erhöre unser Flehen!

Viele Male und über viele Jahre hin haben wir versucht, unsere Konflikte mit unseren Kräften und auch mit unseren Waffen zu lösen; so viele Momente der Feindseligkeit und der Dunkelheit; so viel vergossenes Blut; so viele zerbrochene Leben; so viele begrabene Hoffnungen… Doch unsere Anstrengungen waren vergeblich. Nun, Herr, hilf Du uns! Schenke Du uns den Frieden, lehre Du uns den Frieden, führe Du uns zum Frieden! Öffne unsere Augen und unsere Herzen, und gib uns den Mut zu sagen: „Nie wieder Krieg!“; „Mit dem Krieg ist alles zerstört!“ Flöße uns den Mut ein, konkrete Taten zu vollbringen, um den Frieden aufzubauen. Herr, Gott Abrahams und der Propheten, Du Gott der Liebe, der Du uns erschaffen hast und uns rufst, als Brüder zu leben, schenke uns die Kraft, jeden Tag Baumeister des Friedens zu sein; schenke uns die Fähigkeit, alle Mitmenschen, denen wir auf unserem Weg begegnen, mit wohlwollenden Augen zu sehen. Mach uns bereit, auf den Notschrei unserer Bürger zu hören, die uns bitten, unsere Waffen in Werkzeuge des Friedens zu verwandeln, unsere Ängste in Vertrauen und unsere Spannungen in Vergebung. Halte in uns die Flamme der Hoffnung am Brennen, damit wir mit geduldiger Ausdauer Entscheidungen für den Dialog und die Versöhnung treffen, damit endlich der Friede siege. Und mögen diese Worte – Spaltung, Hass, Krieg – aus dem Herzen jedes Menschen verbannt werden! Herr, entwaffne die Zunge und die Hände, erneuere Herzen und Geist, damit das Wort, das uns einander begegnen lässt, immer „Bruder“ laute und unser Leben seinen Ausdruck finde in „Shalom, Frieden, Salam“! Amen.

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Siehe ferner: