Dr. Peter Kwasniewski zu Traditionis Custodes: Das schlimmste päpstliche Dokument in der Geschichte.

Übersetzung des englischen Interviews auf RemnantNewspaper.com aus dem Englischen durch Pro Missa Tridentina:

Gerhard Eger: Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Dr. Kwasniewski, daß Sie sich die Zeit nehmen, meine Fragen zu beantworten. Wie beurteilen Sie das Motu proprio Traditionis Custodes insgesamt?

Dr. Kwasniewski: Es ist das schlechteste Dokument, das ein Papst in der Geschichte der römischen Kirche je vorgelegt hat. Punktum. Warum sage ich das? Weil Päpste zwar diesen oder jenen Aspekt der Gesetzgebung ihrer Vorgänger geändert haben, keiner jedoch jemals versucht hat, einen der bedeutendsten liturgischen Riten der Christenheit auszumerzen, indem er dessen Anhänger so lange belagert und aushungert, bis sie sterben oder kapitulieren. Auf die Glieder des mystischen Leibes wird die Mentalität der Kriegsführung angewandt. Das ist eines Nachfolgers des Apostels Petrus völlig unwürdig, der, wie der Apostel Paulus, mit dem er in der Ikonographie immer abgebildet ist, uns vielmehr geraten hätte, „an den Traditionen festzuhalten“ (2 Thess 2,15).

Man hatte mit einer Veröffentlichung gerechnet, aber nicht mit einem Dokument von einer solchen Härte. Und diese Härte, diese Gemeinheit des Geistes, diese Bereitschaft, alle und jeden für die (angeblichen) Sünden einiger weniger zu bestrafen, hat die schlimmen Erwartungen hinsichtlich des Motu proprio ganz und gar bestätigt.

Wenn die Alte Messe und besonders ihre lautstarken Befürworter – die gleichzeitig dazu neigen, die Gegner des päpstlichen Progressivismus zu sein – Papst Franziskus ein Dorn im Auge sind, dann ist sein Motu proprio ein Dorn im Auge all jener Bischöfe, die in den letzten vierzehn Jahren erleichtert gewesen sein dürften, in ihren Diözesen ein wenig liturgischen Frieden zu finden und einige wachsende Gemeinschaften von jungen Menschen sowie Familien, die aufgeschlossen für das Leben und eifrig im Glauben sind (und, vergessen wir nicht, großzügige materielle Wohltäter).

Die Aktion des Papstes hat den Episkopat beleidigt, indem er ihm unterstellte, er sei unfähig, seinen Aufgaben nachzukommen (was zwar leider oft zutrifft, aber in einer ganz anderen Weise als das, was Franziskus im Sinn hat), und darüber hinaus unfähig, das Problem eines offensichtlichen mangelnden Gehorsams gegenüber dem Lehramt zu behandeln. Denn wir müssen feststellen, daß das Motu proprio den Bischöfen nur die Macht gibt, zu zerstören, nicht aber aufzubauen: Sie dürfen Gruppen für die lateinische Messe einschränken oder eliminieren, aber sie dürfen keine neuen Gruppen, neue Pfarreien oder neu geweihte Priester beauftragen, die Messe kennenzulernen. Das ist, als würde man über 4000 Bischöfen die Hände binden und dann erwarten, daß sie dafür dankbar sind.

Traditionis Custodes wirkt wie ein in pauschale Anklagen gekleideter Racheakt – Anklagen, die erbärmlich wenig Substanz haben: eine Abrechnung mit konservativen und traditionellen Katholiken, besonders in den Vereinigten Staaten, für ihren ständigen Widerstand gegen den Progressivismus und Modernismus des Papstes.

Welche praktischen Konsequenzen könnte es für das Leben der Kirche haben?

Das Dokument wird uns direkt in die bitteren Zeiten der 1970er Jahre zurückkatapultieren. Dieser Schritt wirft das gesamte Projekt der Suche nach einer „inneren Versöhnung“ (wie Benedikt XVI. es ausdrückte) um fünfzig Jahre zurück, allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Heute gibt es Millionen von Katholiken, die die traditionelle lateinische Messe entweder lieben oder unterstützen, und sie sind oft gut organisiert und gut ausgebildet.

Deshalb wird der Bürgerkrieg, den der Papst entfesselt hat, viel mehr Menschen betreffen als in den frühen Tagen des Traditionalismus. In jenen frühen Tagen nach dem Konzil, als die Gläubigen noch im Griff eines naiven Ultramontanismus waren, machte fast jeder das neue Programm mit (oder stimmte traurigerweise mit den Füßen ab und ließ die sich modernisierende Kirche hinter sich).

Heute, fünfzig Jahre später, sind die gläubigen Katholiken so oft von Missbräuchen und Korruption schockiert worden, daß sie nicht mehr so ohne Weiteres bereit sind, blinde Mitläufer zu sein, die einfach den Befehlen des großen Führers gehorchen. Eigentlich sollte es so bald wie möglich einen Friedensvertrag geben, um die Verluste aufzufangen.

Die Auswirkungen werden schrecklich sein: Viele werden sich entmutigt fühlen und versucht sein, zu verzweifeln; einige werden ein dauerhaftes Zuhause bei den Katholiken des östlichen Ritus oder sogar bei der östlichen Orthodoxie finden; viele werden möglicherweise zur FSSPX überlaufen (nicht, daß ich es ihnen verübeln könnte!) und faktisch einen Vatikan aufgeben, der mehr daran interessiert zu sein scheint, in den Reihen seiner Gläubigen Säuberungsprozesse in Gang zu bringen, als gegen Ketzerei, Finanzskandale und sexuellen Missbrauch vorzugehen.

In all diesen Fällen können wir sehen, wie heuchlerisch es ist, wenn der Papst sagt, er tue dies alles im Dienst der Einheit. Es geschieht eher im Dienst der ideologischen Gleichschaltung.

Es fällt auf, daß das Dokument sofort in Kraft getreten ist, ohne daß zwischen der Ankündigung und dem Inkrafttreten eine Pause der Besinnung (vacatio legis) lag.

Ja: auch das ist beispiellos, und womöglich wird es sich als eine der Arten erweisen, in denen dieser Schritt von Bergoglio selbstmörderisch ist, denn das Böse hat unter anderem die Eigenschaft, sich in seinen Bestrebungen zu überheben und in den Abgrund zu stürzen.

Es liegt auf der Hand, daß das Fehlen der vacatio legis auf Ängste um die Gesundheit des Papstes zurückzuführen ist: Eine schwere Operation birgt das Risiko eines plötzlichen Endes des Pontifikats, und wenn ein Papst zufällig während der vacatio legis eines Gesetzes stirbt, dann wird das entsprechende Gesetz nie in Kraft treten.

Schon jetzt trudeln von allen Seiten Berichte von Bischöfen ein, die irritiert und sogar wütend darüber sind, daß ihnen ein so komplexes und drakonisches Dokument am selben Tag gegeben wurde, an dem es in Kraft treten sollte. Ein Bischof sagte, er habe zuerst über die sozialen Medien davon erfahren! Die allgemeine Reaktion war entweder zu sagen „die Dinge werden nicht geändert“ oder „wir brauchen mehr Zeit, um zu studieren, wie das Dokument umgesetzt werden soll“. Mit anderen Worten, die Bischöfe gewähren sich die vacatio legis selbst – und wer weiß, vielleicht entscheiden sich viele nach dieser Bedenkzeit, das Dokument nicht oder nur so minimalistisch wie möglich umzusetzen, um nicht noch mehr Turbulenzen und bürokratische Kopfschmerzen in ihren Diözesen zu haben.

Wir dürfen nicht vergessen, daß es nicht 99% der Bischöfe der Welt waren, die um dieses Motu Proprio gebeten haben, sondern vielleicht 1%, in denen der Haß auf das beständige Zeugnis der traditionellen lateinischen Messe brodelt.

Ich nehme dem Papst auch nicht einen Moment lang die Behauptung ab, daß die Ergebnisse der Glaubenskongregations-Umfrage überwiegend negativ waren, da es mehr als genug gegenteilige Beweise gibt; und das Argument erinnert unwiderstehlich an andere berüchtigte Fälle von Informationskontrolle und Unterdrückung. Der Strategie des „Vertraut uns einfach“ ist im Zeitalter von McCarrick wirklich der Sprit ausgegangen.

Ist das eine Enttäuschung für diejenigen, für die die traditionelle Liturgie ein „gerechtes Streben“ ist und die glauben, daß sie einen großen Reichtum für die Kirche darstellt?

Nein, es ist keine Enttäuschung. Es ist ein Grund für gerechten Zorn, ein Skandal, eine Form von klerikalem Mißbrauch durch einen Vater, der seine Kinder für das „Verbrechen“, das zu lieben, was die Heiligen über so viele Jahrhunderte geliebt haben, einen Tritt in die Magengrube versetzt hat, und der jetzt auf ihre dankbare Rückkehr zum Novus Ordo wartet.

Ich hatte immer gedacht, Jesuiten seien klug, aber dieser hier scheint grundlegende Regeln der menschlichen Psychologie nicht zu kennen:

(1) der Außenseiter gewinnt immer die Sympathie der Vielen;

(2) harte Taktiken, die gegen Minderheiten gerichtet sind, werden viel Aufmerksamkeit auf deren Sache lenken;

(3) verbotene Güter werden begehrenswerter;

(4) wenn man versucht, etwas wegzunehmen, das die Menschen so sehr lieben wie das Leben selbst, wird das nur dazu führen, ihre Liebe dazu zu intensivieren und ihre Distanz oder Gewalt gegen diejenigen zu vergrößern, die es wegnehmen würden.

Wenn Sie wollen, daß ein Mann seine Liebe zu seiner Familie zeigt, brauchen Sie nur seiner Frau und seinen Kindern mit Schaden zu drohen, und er wird sie entweder weit wegbringen oder bis zum Tod kämpfen. Das ist die richtige Reaktion auf natürlicher Ebene und auf übernatürlicher Ebene. Schließlich sagte der heilige Thomas von Aquin, daß angesichts von Ungerechtigkeit „das Fehlen von Zorn ein Zeichen dafür ist, daß das Urteil der Vernunft fehlt“ (ST II-II.158.8 ad 3).

Das negative Urteil über die traditionelle Messe und die Gläubigen, die dieser Meßform verbunden sind, ist völlig ungerechtfertigt. Darüber hinaus gibt es vor, daß Bischöfe zu beurteilen haben, ob Usus antiquior-Gruppen die Gültigkeit und Legitimität der Liturgiereform, der Dekrete des Zweiten Vatikanischen Konzils und des Lehramtes des obersten Pontifex in Frage stellen oder nicht.

Das Dokument macht wie nicht anders zu erwarten nur schwammige Aussagen darüber, was „Festhalten an“ oder „Akzeptanz“ des Zweiten Vatikanischen Konzils eigentlich bedeuten soll, und nach so vielen Jahrzehnten der Diskussion ist immer noch nicht ganz klar, was es bedeutet. Nehmen wir zum Beispiel Dignitatis Humanae: Wissenschaftler haben jahrzehntelang um eine Antwort auf die Frage gerungen, was es sagt, wozu es uns verpflichtet und was es uns verbietet, und trotzdem ist die Sache alles andere als klar.

Johannes XXIII. und Paul VI. sagten beide, das Konzil lehre nichts grundlegend Neues, sondern präsentiere der modernen Welt denselben katholischen Glauben. Es gibt durchaus Raum für Debatten darüber, wie effektiv und klar dieser Glaube tatsächlich vorgestellt wurde, aber sicherlich sollte von keinem Katholiken verlangt werden, das Zweite Vatikanische Konzil in einer Weise zu rezipieren, die in einem Widerspruch zum Ersten Vatikanischen Konzil, zum Tridentinum, zu den ersten sieben Konzilien oder irgendeinem der vorangegangenen Magisteriumsinhalte steht.

Es zeugt daher von Willkür und Ideologie (wie Kardinal Ratzinger mehr als nur einmal feststellte), das Zweite Vatikanische Konzil zu einen „Superkonzil“ zu stilisieren, einem Lackmus-Test der Rechtgläubigkeit, solange man in der Umgebung des Novus Ordo Häresien in Hülle und Fülle findet – Häresien im Bereich der Sittlichkeit, Dinge, die zuvor mit einem Anathema belegt waren, während das Zweite Vatikanum nichts definiert und nichts mit einem Anathema belegt hat.

Mir geht es hier darum, daß die Art und Weise, wie Franziskus spricht, den Anschein erweckt, als sei das Festhalten am Zweiten Vatikanischen Konzil irgendwie wichtiger als das Festhalten am Tridentinischen Konzil, von dessen Lehre heute eine große Zahl von Klerikern, Ordensleuten und Laien abweicht oder sich davon distanziert.

Wir erleben, kurz gesagt, die Hochrüstung des Konzils.

Keinem aufmerksamen Beobachter kann die Ironie entgehen, daß traditionalistische Katholiken den „traditionellen“ Inhalt des Zweiten Vatikanischen Konzils in weitaus größerem Ausmaß akzeptieren als ihre Novus-Ordo-Brüder, besonders diejenigen unter den Akademikern und Klerikern.

Nach diesem Maßstab sollte Papst Franziskus also eigentlich gegen die Novus-Ordo-Welt vorgehen, aber er tut es nicht, und wegen seiner ideologischen Scheuklappen kann er es auch nicht. Das Gleiche könnte man sagen, wenn man die Liturgiereform zu einem Gradmesser der Orthodoxie macht.

Solange es keinen offenkundigen Widerspruch zwischen der lex orandi des alten römischen Ritus und der lex orandi des modernen Ritus von Paul VI. gibt, so daß die eine orthodox und die andere häretisch ist – einige wenige vertreten diese Ansicht, aber die große Mehrheit der Traditionalisten ist nicht dieser Meinung -, so lange gibt es keinen Grund, warum ein Katholik, der die eine Form akzeptiert, den theologischen Inhalt der anderen Form als solchen ablehnen sollte. Viele (einschließlich Franziskus‘ eigener lebender Vorgänger) haben die Schwächen und Auslassungen der neuen liturgischen Bücher kritisiert, aber nur sehr wenige stellen ihre sakramentale Gültigkeit in Frage.

Hinzu kommt, daß keine liturgische Reform jemals „unumkehrbar“ sein kann, da sie von Natur aus eine disziplinäre Angelegenheit ist, die einer umsichtigen Bewertung und praktischen Änderung unterliegt. Bei den vom Papst auferlegten Vorschriften geht es also offenbar um etwas anderes als ihre oberflächliche Bedeutung. Hier stehen „Vatikanum II“ und „die Liturgiereform“ für etwas anderes, etwas, das nicht offen ausgesprochen werden kann.

Aber seien wir ehrlich: Hochtrabende theologische Diskussionen sprechen die meisten Gläubigen nicht an. Sie besuchen die alte Messe, weil sie ihre Ehrfurcht, ihre Schönheit, ihre transzendente Ausrichtung, ihre reichhaltigen und stets verläßlichen Gebete (das Fehlen von „Optionitis“), ihre Atmosphäre der Zeitlosigkeit lieben, die uns aus und über unser gewöhnliches Leben hinausträgt, so wie es auch die ihr verwandte Form aus dem Osten tut, die byzantinische Göttliche Liturgie, die singt: „Himmlische Heere der Cherubim stellen wir geheimnisvoll dar, dem dreifaltigen Lebensquell bringen wir den dreimalheiligen Lobgesang. All irdisch Sinnen und Trachten laßt uns nun vergessen.“

Ehrwürdige Liturgien wie diese versetzen uns an den Saum des Himmels. Und sie tun dies auf eine Weise, die in der reformierten Liturgie Pauls VI. entweder nicht existiert oder dort nur ungelenk und selten einen Platz findet.

Das Dokument gibt vor, daß die liturgischen Bücher, die von den heiligen Päpsten Paul VI. und Johannes Paul II. in Übereinstimmung mit den Dekreten des Zweiten Vatikanischen Konzils promulgiert wurden, der einzige Ausdruck der lex orandi des römischen Ritus sind. Bedeutet das, daß das Missale Romanum von 1962 in gewisser Weise abgeschafft ist?

Es ist prinzipiell ausgeschlossen, daß ein Papst den ehrwürdigen römischen Ritus, die Messe aller Zeiten, abschafft. Den Grund dafür habe ich in einem Artikel bei LifeSite News erläutert. Wie schon Paul VI. vor ihm, so erdreistet sich auch Franziskus in diesem Motu proprio nicht zu sagen: „Der Ritus, der vor der Liturgiereform in Kraft war, wird abgeschafft.“ Vielmehr hebt er Summorum Pontificum auf und unternimmt den Versuch, den alten römischen Ritus davon auszuschließen, eine legitime lex orandi des katholischen Glaubens zu sein. Das ist bizarr, unhaltbar und letztlich inkohärent.

Das Dokument ist voller Widersprüche und geistiger Unsauberkeiten. Es erwähnt nie die Ordinariatsliturgie, die ebenfalls Teil des römischen Ritus ist, aber eine eigene lex orandi hat; oder die verschiedenen Verwendungen des römischen Ritus, die wiederum nicht mit ihm identisch sind (z.B. den Dominikanischen oder den Norbertinischen Ritus).

Der giftige Geist von Traditionis Custodes verrät sich in dessen schlechter Komposition – das Ergebnis von Eile, mangelnder Intelligenz und tiefgreifender Unkenntnis der liturgischen Geschichte und Theologie. Man könnte hinzufügen, daß ein eklatanter Widerspruch zu den theologischen Positionen seines Vorgängers ungefähr so sinnvoll ist, wie unter Einsatz aller Kräfte an dem Ast zu sägen, auf dem man sitzt. Das diskreditiert entweder den aktuellen Papst oder sämtliche Päpste vor ihm.

Gleichzeitig wird jedoch bekräftigt, daß einzig die Diözesanbischöfe die Befugnis haben, den Gebrauch des Missale Romanum von 1962 in ihren Diözesen zuzulassen, wobei sie den Anweisungen des Heiligen Stuhls folgen sollen.

Richtig: ein weiterer Widerspruch. Als ich am vergangenen Sonntag [d.h. am Sonntag nach dem Erscheinen des MPCT] eine [alte] lateinische Messe besuchte, betete ich (so die Aussage des Motu proprio) nicht mehr gemäß der lex orandi der römischen Kirche. Und doch war die Messe eine Messe im römischen Ritus, die von einem Priester in hohem Ansehen und mit voller Erlaubnis der Kirche zelebriert wurde. Meiner Meinung nach ist das Motu proprio ein perfekter Ausdruck von Nominalismus und Voluntarismus: Man geht davon aus, daß wir durch das Anbringen von Wörterschildchen an bestimmten Realitäten diese Realitäten dazu bringen, zu existieren; und sie existieren, wenn wir es wollen, aber nicht, wenn wir es nicht wollen. Das paßt zu der relativistischen Philosophie, die man in so vielen Aktionen dieses Pontifikats entdecken kann, einer Art Vereinigung von Untreue und Irrationalität, die die katholische Harmonie von Glauben und Vernunft parodiert. In der Tat kann man mit Fug und Recht argumentieren – ich habe damit in diesem LifeSite-Artikel begonnen -, daß dieses Dokument so voller Fehler, Unklarheiten und Widersprüche ist, daß es keine Rechtsgültigkeit besitzt. Es ist von vornherein rechtswidrig. Das wird jedoch nichts daran ändern, daß einige Hierarchien sich gezwungen fühlen werden, es mit einer Geschwindigkeit in Kraft zu setzen, die ihrer Einigkeit im Geiste mit dem regierenden Pontifex alle Ehre macht. Man braucht sich nur daran zu erinnern, wie Ex Corde Ecclesiae von Johannes Paul II., das Dokument, das versuchte, die katholische Hochschulbildung zu säubern, fast überall unumgesetzt blieb.

Aber immerhin gibt es hoffnungsvolle Zeichen: Bischof Paprocki von Springfield, Illinois, hat seine Diözese kanonisch von bestimmten Elementen des Motu proprio dispensiert; Erzbischof Fisher von Sydney hat seiner Diözese mitgeteilt, daß die traditionelle lateinische Messe auch weiterhin zelebriert wird und die Gläubigen keine Angst haben müssen, daß sie ihnen weggenommen wird. Ich erfuhr von einer Diözese, in welcher der Bischof innerhalb von 24 Stunden 27 Priestern erneut die Erlaubnis erteilt hatte, weiterhin die lateinische Messe zu zelebrieren. Berichte wie diese, die mich immer wieder erreichen, zeigen, daß die Zahl der Freunde der Tradition oder zumindest von diplomatisch wohlwollenden Partnern vielleicht größer ist, als wir bislang angenommen haben. Das Motu Proprio hat sie aus der Reserve gelockt. Das kommt bei krassen Alternativen immer wieder vor. In jedem Fall braucht kein Priester, egal, was das Motu proprio an Gegenteiligem sagt, eine Erlaubnis, um die tridentinische Messe privat oder öffentlich zu zelebrieren. Unvermeidlicher- und klugerweise werden die meisten Priester wünschen, sich die Gunst ihrer Bischöfe zu erhalten, und sie werden sich um ihren Segen bemühen (und sogar mitspielen, indem sie es „Erlaubnis“ nennen), aber entscheidend ist, nicht aus dem Blick zu verlieren, daß dies nur eine Formalität ist, eine Sache klerikaler Höflichkeit.

Die traditionelle Messe ist zwar unter bestimmten Umständen weiterhin erlaubt, aber ist dies nicht doch ein Schritt in Richtung ihrer völligen Abschaffung?

Die Neo-Modernisten unserer Zeit wünschen sich nichts sehnlicher als das, eben genau aus dem Grund, weil sie um die Wahrheit des Axioms lex orandi, lex credendi, lex vivendi wissen.

Traditionelle Katholiken sind gewissermaßen immunisiert gegen die Zerstörung und Neukonstruktion des Katholizismus, die seit einiger Zeit im „langen Marsch durch die Institutionen“ betrieben wird.

Die traditionellen Katholiken sind die „Ikonophilen“ unserer Zeit, die die Bilder von Christus und seinen Heiligen verehren – das primäre Bild ist die Liturgie selbst! – und die deshalb dem Ritual, der Kultur, der Erinnerung, der Geschichte einen zentralen Platz einräumen.

Die Bilderstürmer wollen die Kirche von all diesen Dingen befreien und sie durch ihre eigenen humanistischen Surrogate ersetzen. Die Fraktion, die im Moment an der Macht ist, wird, trunken von Blut, versuchen, die alte Messe ganz zu unterdrücken. Es ist schlimmer: sie wollen die Auslöschung des usus antiquior in seiner Gesamtheit – alle sakramentalen Riten, das Breviarium Romanum von Pius X., das Rituale Romanum, das Pontificale Romanum, sämtliche Teile.

Sie beginnen mit der Messe, weil sie die „Quelle und der Höhepunkt“ ist, aber letztlich geht es ihnen darum, daß der historische römische Ritus nichts weiter mehr ist als ein Eintrag in Nachschlagewerken. Wir werden sehr viel arbeiten und beten müssen, um uns ihren Anstrengungen zu widersetzen, und es wird an vielen Stellen sehr unschön werden.

Abschließend: Würden Sie unseren Lesern bitte einen Rat geben, Herr Dr. Kwasniewski?

In den drei Tagen, die auf die Veröffentlichung des Motu proprio folgten, wurde mir das Ausmaß des geistlichen Kampfes neu bewußt, in dem wir als traditionelle Katholiken stehen.

Machen wir uns nichts vor: Dies ist ein Kampf um Seelen, ein Kampf um Klerus und Ordensleute, ein Kampf um die Zukunft der Kirche, um unsere Nachkommen. Entweder stellen wir uns dem, wir alle – oder es ist alles vorbei. Wir müssen uns vom Glauben antreiben lassen, nicht von der Angst!

Meine Frau und ich haben beschlossen, uns zu einer täglichen Heiligen Stunde in einer Anbetungskapelle bei uns in der Nähe zu verpflichten, wo wir um eine Lösung dieser Krise beten werden, für alle Priester und Laien, die davon betroffen sind, für alle Bischöfe und natürlich auch für den Papst. Ich möchte jeden auffordern, irgendeinen konkreten Schritt zu tun, und sei es so einfach wie während des täglichen Rosenkranzes ausdrücklich für die Wiederherstellung der Tradition an ihrem rechtmäßigen Platz zu beten.

Falls Sie es noch nicht getan haben: Lassen Sie sich das braune Skapulier Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel auflegen. Legen Sie einen oder mehrere Fasttage fest: Unser Herr sagt, daß manche Dämonen nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben werden.

Und letztlich: Vergessen Sie nicht, daß diese Krise sich wohl kaum schnell auflösen wird. Wir werden vielleicht nicht einmal mehr erleben, daß sie aufgelöst wird, aber unsere Kinder und Enkel werden die Früchte von dem ernten, was wir heute durch unsere Gebete, unsere Arbeit und unsere Leiden säen.

Wir tun das alles, weil Gott unsere treue Liebe verdient und sie mit der Aufnahme in die himmlische Liturgie belohnt. Ein Freund erinnerte mich kürzlich an einige passende Verse aus dem ersten Petrusbrief: „Und wer wird euch Böses zufügen, wenn ihr euch voll Eifer um das Gute bemüht? Aber auch wenn ihr um der Gerechtigkeit willen leiden müßt, seid ihr selig zu preisen. Fürchtet euch nicht vor ihnen und laßt euch nicht erschrecken, sondern haltet in eurem Herzen Christus, den Herrn, heilig! Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt; aber antwortet bescheiden und ehrfürchtig, denn ihr habt ein reines Gewissen. Dann werden die, die euch beschimpfen, weil ihr in (der Gemeinschaft mit) Christus ein rechtschaffenes Leben führt, sich wegen ihrer Verleumdungen schämen müssen. Es ist besser, für gute Taten zu leiden, wenn es Gottes Wille ist, als für böse.“ (1 Petr 3,13-17)

Mögen der heilige Gregor der Große, der heilige Pius V. und alle heiligen Päpste für uns Fürsprache einlegen!

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Quelle

Pope’s Plan to Restrict Traditional Latin Mass Backed by Two Curial Cardinals

Written by  Diane Montagna

VATICAN CITY, June 1, 2021 — The Remnant has independently confirmed that a Vatican document restricting Pope Benedict XVI’s apostolic letter Summorum Pontificum is backed by at least two Vatican cardinals, is in its third draft, and threatens to thwart the growth of the Traditional Latin Mass and other sacraments particularly among diocesan clergy.

Two senior members of the hierarchy confirmed May 31 that the document, first reported by Messainlatino.it on May 25, is currently under review at the Congregation for the Doctrine of the Faith (CDF).

Multiple sources have also told The Remnant that Pope Francis wishes to soon publish the document, and that it is alleged to be receiving backing in varying degrees from two cardinal consultors to the Congregation for the Doctrine of the Faith: Cardinal Pietro Parolin, Vatican Secretary of State, and Cardinal Marc Ouellet, Prefect of the Congregation for Bishops.

The sources also said that these restrictive measures will most probably be carried out by the Congregation for Divine Worship and the Discipline of the Sacraments and its newly appointed under-secretary Msgr. Aurelio García Marcías, whom Pope Francis is said to have raised to the episcopate for the very purpose of executing these plans.

Several senior Vatican sources have also confirmed that the first draft document was preceded by an introductory letter from Pope Francis that is said to have been very harsh and acrimonious toward the Tridentine Mass.

The document is now in the third draft, the first two having been thought to be too severe. If it is eventually published, it is likely to roll back the liberalization of the Extraordinary Form of the Mass introduced by Pope Benedict XVI’s 2007 apostolic letter, Summorum Pontificum.

That document authorized any stable group of faithful attached to the “previous liturgical tradition” to ask their local priest for the Mass who “should willingly accede to their requests.” The decree stated that the older form of the Mass was “never abrogated” and that both the Extraordinary and Ordinary Forms were “two expressions” of “one Roman Rite.”

The Remnant has learned that the first draft put strict limitations on the age of the celebrants and is described as somewhat similar to the indult of Paul VI, which allowed elderly priests to continue offering the Tridentine Mass after the promulgation of the Novus Ordo Missae by Paul VI. It also discussed whether to allow or prohibit the administration of the other sacraments in the Extraordinary Form of the Roman Rite.

In its present form, communities and diocesan priests who already offer the Mass in the Extraordinary Form may continue to do so, but diocesan clergy who wish to begin offering the Traditional Mass would have to obtain authorization. Whether local bishops or the Holy See will be responsible for granting such permissions is still under discussion.

The administration of the other sacraments in the Extraordinary Form, i.e. marriage, baptism, confirmation, etc., would be maintained for those who already have permission to celebrate the Traditional Mass.

The third draft moves the office of recourse for matters pertaining to the Traditional Latin Mass and oversight of priestly societies and religious communities that use the pre-1970 Missal, from the fourth section of the Congregation for the Doctrine of the Faith (formerly the pontifical commission Ecclesia Dei) to the Congregation for Divine Worship and the Discipline of the Sacraments.

The first draft initially discussed placing these priestly societies (e.g. Fraternity of St. Peter, Institute of Christ the King, and Institute of the Good Shepherd) and other traditional communities under the Congregation for Institutes of Consecrated Life and Societies of Apostolic Life, two senior Vatican sources confirmed.

Such a move would be considered potentially more problematic for these communities, in light of the way the congregation has handled contemplative orders in the recent past, namely, through the 2018 Instruction Cor Orans, which requires autonomous female monasteries to belong to a wider federation, and asks novices and professed cloistered contemplative nuns to leave their enclosure for initial and ongoing formation, something alien to cloistered contemplative life.

Under the current plan, Msgr. García, who has served as head of office in the Congregation for Divine Worship since 2016, has been elevated to the episcopate in order to assume the responsibilities formerly carried out under Ecclesia Dei by its former president, Archbishop Guido Pozzo. A professor at the Pontifical Liturgical Institute at the Pontifical Athenaeum Sant’Anselmo, Msgr. García is not known to share Benedict XVI’s views on the sacred liturgy, one source describing him as “the most anti-Tridentine Mass person ever known.”

It is not clear yet whether the fourth section of the Congregation for the Doctrine of the Faith will continue to handle doctrinal matters and relations with the Society of St. Pius X.

Several senior Vatican sources have also confirmed that the first draft document was preceded by an introductory letter from Pope Francis that is said to have been very harsh and acrimonious toward the Tridentine Mass. Jesuit Cardinal Luis Ladaria, Prefect of the CDF, strongly opposed both the first draft and the letter, senior Vatican sources confirmed. The letter has since been revised.

Concerns over possible curtailments of the Extraordinary Form arose after the CDF sent a letter to the presidents of bishops’ conferences worldwide asking them to distribute a nine-point questionnaire about Summorum Pontificum. Cardinal Ladaria said the questionnaire was issued because the Pope wanted to be “informed about the current application” of the apostolic letter

Approximately thirty percent of the world’s bishops responded to the questionnaire, and more than half of those who responded had a favorable or neutral response, multiple sources confirmed.

One source familiar with the consultation document said that, although the questions were notably biased against Summorum Pontificum, or formulated in a manner that did not always elicit a clear and specific response, what emerged from the questionnaire is how the Traditional Latin Mass has taken root. It has revealed that even in unexpected places, the old Mass is embraced and loved by young people and families, is bearing fruit in flourishing parishes, priestly and religious vocations, and in greater prayer and devotion among the faithful.

On May 31, the French traditional website Paix Liturgique, which was among the first to report on the forthcoming document, published an article titled, “The Summorum Pontificum Galaxy Prepares to Resist!”

Describing Summorum Pontificum as “provisions for peace” that “sought to bring peace to a Church that was sinking deeper and deeper into crisis,” the authors note how “from the very beginning, the traditional movement has been grounded in the action of laymen.”

Their efforts, it continues, were “a surprising and providential manifestation of the sensus fidelium, of the instinct of the faith among the faithful, which defends tooth and nail the lex orandi’s expression of the doctrines of the Eucharistic Sacrifice, the Real Presence, the hierarchical priesthood, and more generally of the transcendence of the mystery: ‘Do this in memory of Me!’”

Should Pope Francis decide to restrict Summorum Pontificum by issuing such a document, Paix Liturgique asserts that “this capacity to resist ‘on the ground’… may well come to include powerful demonstrations and actions.

“Already now,” they add, “in various spots of the globe, they are being given serious consideration.”

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Editor’s Note:  Those who wish to write to the Vatican to express their concerns about potential restrictions to Pope Benedict XVI’s Summorum Pontificum may contact the Congregation for the Doctrine of the Faith here:

Email: cdf@cfaith.va

Postal address:

Congregation for the Doctrine of the Faith
Palazzo della Congregazione per la Dottrina della Fede
00120 Città del Vaticano

Those who wish to write to the Holy Father, Pope Francis, may do so at this address:

Postal address:

Sua Santità Papa Francesco
Domus Santa Marta
00120 Città del Vaticano

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Kardinal Sarah: „Das Einzige, was zählt, ist, Gott immer tiefer zu suchen“

Kardinal Robert Sarah Foto: CNA/Paul Badde

Von CNA Deutsch Nachrichtenredaktion

VATIKANSTADT , 11 March, 2021 / 6:00 AM (CNA Deutsch).-

In seinem ersten Interview nach Annahme seines Rücktritts als Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung im vergangenen Monat durch Papst Franziskus hat Kardinal Robert Sarah offengelegt, wie ideologische Kämpfe um die Liturgie für ihn eine Quelle „großen Leids“ waren.

Im Gespräch mit Matteo Matzuzzi von der italienischen Tageszeitung Il Foglio, das am Mittwoch veröffentlicht wurde, sagt Kardinal Sarah, in der Kirche werde heute „zu oft so getan, als ob alles eine Frage der Politik, der Macht, des Einflusses und der ungerechtfertigten Auferlegung einer Hermeneutik des Zweiten Vatikanischen Konzils ist, die völlig mit der Tradition bricht und ihr unumkehrbar widerspricht“.

Die Lösung, so argumentiert er, besteht darin, dass die Kirche wieder Gott in den Mittelpunkt der Liturgie stellt, beginnend mit der Feier der Messe ad orientem. „Wenn Gott nicht im Zentrum des Lebens der Kirche steht, dann ist sie in Gefahr zu sterben“, sagt er und deutet an, dass die Kirche „derzeit einen Karfreitag erlebt“. Er fügt jedoch hinzu, dass „der Sieg Christi immer durch das Kreuz kommt“.

Kardinal Sarah betont, es sei nicht richtig, solche Fragen als ideologische Fragen zu betrachten. „Ich glaube nicht, dass der Kampf zwischen Progressiven und Konservativen irgendeine Bedeutung in der Kirche hat“, erklärt er. „Dies sind politische und ideologische Kategorien. Die Kirche ist kein Feld des politischen Kampfes.“

Er spricht auch über seine positiven Beziehungen zu Papst Franziskus und dem emeritierten Papst Benedikt XVI., seine Zeit als Präfekt, seine Pläne für die Zukunft und wie er die Kirche in den kommenden Jahren sieht.

Nachfolgend ein kurzer Auszug aus dem Interview, das via National Catholic Register in voller Länge auf Englisch nachgelesen werden kann.

Eminenz, Ihr Abschied von der Gottesdienstkongregation hat alle überrascht. Welche Bedeutung hat der zeitliche Ablauf?

Wie alle Kardinäle hatte ich, gemäß der geltenden Regel, dem Heiligen Vater mein Rücktrittsschreiben als Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung im vergangenen Juni anlässlich meines 75. Geburtstags überreicht. Damals bat er mich, meine Arbeit im Dienst der Weltkirche donec alter provideatur fortzusetzen (mit anderen Worten „bis der Heilige Vater etwas anderes anordnet“). Vor ein paar Wochen teilte mir der Papst jedoch mit, dass er beschlossen habe, diese Bitte anzunehmen. Ich habe sofort geantwortet, dass ich glücklich und dankbar für seine Entscheidung bin.

Ich habe schon oft gesagt: Der Gehorsam gegenüber dem Papst ist nicht nur eine menschliche Notwendigkeit, er ist das Mittel, Christus zu gehorchen, der den Apostel Petrus und seine Nachfolger an die Spitze der Kirche gestellt hat.

Ich bin glücklich und stolz, drei Päpsten gedient zu haben (Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus), in der römischen Kurie mehr als 20 Jahre lang gedient zu haben. Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus, in der römischen Kurie mehr als 20 Jahre lang gedient zu haben. Ich habe versucht, ein loyaler, gehorsamer und demütiger Diener der Wahrheit des Evangeliums zu sein. Auch wenn einige Journalisten ständig den gleichen Unsinn wiederholen, habe ich mich nie gegen den Papst gestellt.

[…]

Wie sieht die Zukunft für Sie aus?

Ich habe nicht die Absicht, mit der Arbeit aufzuhören! Und in der Tat bin ich froh, mehr Zeit zum Beten und Lesen zu haben. Ich werde weiterhin schreiben, Vorträge halten und reisen. Hier in Rom empfange ich weiterhin Priester und Gläubige aus der ganzen Welt. Mehr denn je braucht die Kirche Bischöfe, die klar, frei und treu zu Jesus Christus und zu den doktrinären und moralischen Lehren seines Evangeliums sprechen. Ich habe die Absicht, diese Mission fortzusetzen und sie sogar noch zu verstärken. Ich muss weiterhin im Dienst der Einheit der Kirche wirken, in Wahrheit und Nächstenliebe. Ich möchte in aller Bescheidenheit weiterhin das Nachdenken, das Gebet, den Mut und den Glauben so vieler Christen unterstützen, die desorientiert, verwirrt und ratlos sind angesichts der vielen Krisen, die wir in dieser Zeit durchmachen: die anthropologische Krise, kulturelle Krise, Glaubenskrise, priesterliche Krise, moralische Krise, aber vor allem die Krise in unserer Beziehung zu Gott.

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Quelle

D: Überraschende Studie zu außerordentlichem Ritus

Bei Messfeiern in der außerordentlichen Form des römischen Ritus sind jüngere Menschen und Familien überrepräsentiert. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommt eine neue Studie, von der der Internetauftritt katholisch.de berichtet.

Die Studie zu den Erfahrungen mit der Messform im Zeitraum seit der Veröffentlichung des Motu Proprio „Summorum Pontificium“ im Jahr 2007 ist nicht öffentlich, wird jedoch von einem ihrer Autoren, dem Oxforder Philosophen und Sekretär der Una-Voce-Vereinigung, Joseph Shaw, in der Januar-Ausgabe der US-Fachzeitschrift „Homiletic and Pastoral Review“ vorgestellt. „Die Verbindung der außerordentlichen Form mit jungen Menschen und Familien ist weder ein Mythos noch auf einige Länder begrenzt“, schließt Shaw in dem Artikel.

Daten sind nicht repräsentativ

Während in Messen in der ordentlichen Form in den meisten Ländern deutlich mehr Frauen als Männer zur Gottesdienstgemeinde gehören, feiern Messen in der außerordentlichen Form deutlich mehr Männer mit, im Schnitt sind etwa 55 Prozent der Teilnehmenden männlich. Damit ähnele die Zusammensetzung der Gottesdienstgemeinden mehr derjenigen von Ostkirchen, islamischen und orthodoxen jüdischen Gemeinden und weniger der protestantischer Gottesdienste, heißt es.

Die Erhebung basiert auf Daten aus 362 Diözesen in 52 Ländern; diese Daten sind allerdings weder repräsentativ noch quantitativ auswertbar. Die „Una Voce“-Bewegung setzt sich für die Erhaltung und Pflege der Messe in der außerordentlichen Form ein. 2007 hat der damalige Papst Benedikt XVI. die Feier dieser Messe mit dem Motu Proprio „Summorum Pontificium“ als „außerordentliche Form“ des römischen Ritus wesentlich erleichtert. Schätzungen zufolge zelebrieren etwa ein Prozent der Priester weltweit die Messe in außerordentlicher Form.

(katholisch.de – sk)

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April 11, 2018 – Vatican City State (Holy See) POPE FRANCIS during his wednesday general audience inSt. Peter’s Square at the Vatican |

Die Möglichkeit, den römischen Ritus an die Traditionen unterschiedlicher Völker anzupassen, sei eine der großen Errungenschaften des Zweiten Vatikanums gewesen, so der Papst. Seit 50 Jahren tut sich kaum etwas. Doch das könnte sich nun ändern.

Vatikanstadt – 01.12.2020

Gottesdienste in der katholischen Kirche sollen nach dem Willen von Papst Franziskus eine größere kulturelle Vielfalt widerspiegeln. Der 1988 anerkannte kongolesische Ritus könne als „Beispiel und Vorbild für andere Kulturen“ dienen, sagte das Kirchenoberhaupt am Dienstag in einer Videobotschaft. Schon nach der Amazonas-Synode im Oktober 2019 hatte Franziskus angeregt, für Amazonien eine eigene Liturgie mit Ausdrucksformen indigener Völker zu schaffen.

Normen für die Anpassung des römischen Ritus an die Traditionen unterschiedlicher Völker vorzuschlagen, sei eine der wesentlichen Errungenschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) gewesen, so der Papst. Allerdings habe es in den folgenden über 50 Jahren nur geringe Fortschritte in dieser Richtung gegeben. Die Sonderform der Messe für den Kongo sei der bislang „einzige inkulturierte Ritus der lateinischen Kirche“.

Der Papst rief dazu auf, für die katholische Kirche im Kongo jetzt auch Formulare zur Feier der übrigen Sakramente und Segnungshandlungen neben der Messe zu schaffen. Vor einem Jahr hatte Franziskus in Rom erstmals öffentlich einen Gottesdienst im kongolesischen Ritus gefeiert. Der Ablauf entspricht dem einer normalen Messe; jedoch spielen Gesang und Tanz sowie die Anrufung der Heiligen und der Vorfahren eine besondere Rolle. (KNA)


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Hannibal Ante Portas

Missale aus dem Jahr 1447 (Ausschnitt) Foto: Sailko / Biblioteca Medicea Laurenziana (CC BY 3.0)

Heute vor 50 Jahren wurde das neue Missale Romanum eingeführt – Dirk Weisbrod über Annibale Bugnini, den Mann, der die Liturgiereform Pauls VI. vorantrieb

03 April, 2019 / 8:30 AM

„Ich bin überzeugt, dass die Kirchenkrise, die wir heute erleben, weitgehend auf dem Zerfall der Liturgie beruht, die mitunter sogar so konzipiert wird, etsi Deus non daretur: Dass es gar nicht mehr darauf ankommt, ob es Gott gibt und ob er uns anredet oder erhört.“

Diese Worte stammen nicht von einem Piusbruder, sondern von Papst Benedikt XVI. oder besser von Kardinal Joseph Ratzinger. Sie stehen am Ende seiner Autobiographie „Aus meinem Leben“, die er schon in den 1990er Jahren verfasst hat.

Wenige Absätze zuvor hatte der Kardinal seine Bestürzung über das „fast völlige Verbot des bisherigen Missales nach einer Übergangsphase von nur einem halben Jahr“ beklagt und die Einzigartigkeit dieses Vorgehens Pauls VI. in der Liturgiegeschichte herausgestellt. Wo zuvor Liturgie über Jahrhunderte hindurch wachsen konnte und ein Missale nie verboten, sondern revidiert wurde, geschah nun folgendes: „Man brach das alte Gebäude ab und baute ein anderes, freilich weitgehend aus dem Material des Bisherigen und auch unter Verwendung der Baupläne.“ Zwar habe das neue Missale in vielem auch Verbesserungen und Bereicherungen gebracht, aber letztendlich sei der Eindruck entstanden, dass Liturgie „gemacht“ werde, nichts Vorgegebenes, sondern etwas in unserem Entscheiden Liegendes sei.

Wohl auch deswegen hat er in seinem Motu proprio Summorum Pontificum den Versuch unternommen, der über die Jahrhunderte gewachsenen Messe zu ihrem Recht zu verhelfen. Nunmehr unter der Überschrift „außerordentliche Form des römischen Ritus“ und mit dem Wunsch, dass die „alte“ und die „neue“ Messordnung sich gegenseitig befruchten sollen.

Bis heute ist von dieser Befruchtung nichts zu merken.

Liturgie, die den Eindruck erweckt, „gemacht“ zu sein, verweist auch auf einen „Macher“, der im Falle des Novus Ordo – so die Kritiker – nicht unser Herr Jesus Christus, sondern ein Vinzentiner-Pater und Kurienerzbischof aus Umbrien gewesen ist: Annibale Bugnini. Angefeindet wie kein anderes Mitglied der Kurie seiner Zeit, hatte er zugleich hochrangige Fürsprecher und das Ohr des Papstes, seines Papstes Pauls VI., der ihm zugleich die größte Enttäuschung seines Lebens bereiten sollte – oder bereitete Bugnini sie umgekehrt den Papst? Darüber wird noch zu reden sein.

„Die Messe näher bringen“

Bugnini war das, was wir heute einen „Netzwerker“ nennen würden, einen Macher, der seine Arme überallhin ausstreckte, diplomatisch geschickt und unermüdlich arbeitend. Annibale, Hannibal ante Portas der Liturgie. Im Gegensatz zum karthagischen Feldherrn hat er diese Tore auch durchschritten und sein Werk vollendet. Das von ihm in wesentlich Teilen erarbeitete Messbuch – und damit der wichtigste Teil der Reform, die alle liturgischen Bücher der Kirche, die Stundenbücher, die Sakramente und Sakramentalien bis hin zum liturgischen Kalender umfasste – ist heute noch in fast unveränderter Form in Kraft. Am 3. April jährt sich die Promulgation dieses Messbuches durch Paul VI. zum fünfzigsten Mal. Grund genug einmal an seinen „Macher“ zu erinnern. Wer war dieser Mann? Was wollte er?

Am 14. Juni 1912 in Civitella del Lago in Umbrien geboren, trat er noch als Schüler in den Vinzentiner-Orden ein. Er studierte Philosophie und Theologie in Piacenza und Rom und wurde 1936 zum Priester geweiht. Seine Ordensoberen erkannten offenbar sehr schnell die Führungsqualitäten des jungen Vinzentiner-Paters, denn sie ernannten ihn 1939, mit nur 27 Jahren, zum Direktor des neu gegründeten Priesterkonvikts im römischen Collegio Leoniano. Viele der fast gleichaltrigen Priesterstudenten wurden später hochrangige Kurienmitarbeiter. Bugnini pflegte diese Kontakte.

Währenddessen studierte er selbst noch einmal und zwar christliche Archäologie, wobei ihn besonders die frühchristliche Liturgie interessierte. Vielleicht rührte hierher der Wunsch, die antiken Wurzeln der Liturgie wieder zur Geltung zu bringen. Der Erfolg war durchschlagend. Schon 1946 wurde er Schriftleiter der Ephemerides liturgicae – einer anerkannten Liturgiezeitschrift; dort profilierte er sich als Befürworter einer Liturgiereform. Schon direkt nach seiner Priesterweihe, als er in den Vorstädten Roms als Seelsorger arbeitete, war er der Meinung, dass die Gläubigen der Messe nicht mehr angemessen folgen konnten. Insbesondere den Kindern wollte er den Reichtum der Messe fruchtbarer näherbringen. So schreibt er es in seinen Memoiren.

Nur wenige Jahre als Schriftleiter genügten, um ihn bis in die höchsten kirchlichen Kreise bekannt zu machen. 1948 berief ihn Pius XII. zum Sekretär der neu geschaffenen Kommission für die Liturgiereform. Ja, auch Pius XII. hatte seine Liturgiereform! Und zwar die Erneuerung der Karwoche und der Osternacht (1951–1955). Ihr Spiritus Rector war der junge Bugnini. Sekretär der verschiedenen Häutungen dieser und anderer Liturgiekommissionen blieb er bis zu seiner Entmachtung 1975 und damit bis zum Abschluss der Liturgiereform. Und wer die Kurie kennt, weiß: Es sind die Sekretäre, die das Steuer in der Hand haben. Mit Bugnini blieben übrigens auch seine Mitstreiter aus der liturgischen Bewegung, die er in den jeweiligen Gremien platziert hatte.

Die eigentliche Reform

Nur einmal – zwischen 1962 und 1964 – verlor er seinen Posten. Nach Bugninis Version war es der Kardinal-Präfekt der Ritenkongregation, der Spanier Arcadio Larraona, der dafür sorgte, dass Johannes XXIII. ihn nicht zum Sekretär der liturgischen Konzils-Kommission berief. Das von ihm mitgestaltete Liturgie-Schema war dem Kardinal zu progressiv, er lancierte eine entschärfte Version. Allerdings hatte er die Rechnung ohne Bugnini gemacht. Der selbst berichtet, dass „irgendjemand“ die Konzilsväter über die für die Ortskirchen ungünstigen Änderungen informierte – das ursprüngliche Schema wollte ihnen in Liturgiefragen mehr Freiheit lassen – und so wurde dann doch die ursprüngliche Fassung dem Konzil vorgelegt und – als einzige – akzeptiert: Damit wurde das von Bugnini maßgeblich beeinflusste Schema Grundlage von Sacrosanctum Consilium, der Liturgie-Konstitution. Als Paul VI. 1964 das „Consilium zur Durchführung der Liturgiekonstitution“ unter Kardinal Giacomo Lercaro einsetzte, kehrte Bugnini als Sekretär zurück.

Nun begann die eigentlich Liturgiereform – eine Reform, die argwöhnisch betrachtet wurde. So urteilte Dietrich von Hildebrand, eigentlich selbst ein Anhänger der liturgischen Bewegung, in seinem Buch „Der verwüstete Weinberg“: „Wahrhaft – wenn einer der Teufel in C.S. Lewis‘ ,Screwtape Letters‘ mit der Untergrabung der Liturgie betraut worden wäre, er hätte es nicht besser machen können.“  Ja, so die Kritiker, Annibale Bugnini und das „Consilium“ hätten die Messe protestantisiert. Zumindest diesen Vorwurf hatte der Sekretär selbst befeuert. Hatten nicht protestantische Pastoren das „Consilium“ beraten? Wie konnte der Papst so etwas zulassen?

Bugnini selbst wusste, dass sein Tun erklärungsbedürftig war und dass es keinen Zweifel darüber geben durfte, dass die Reform sub et cum Petrodurchgeführt wurde. Wohl auch deswegen verfasste er die Rechtfertigungsschrift „La riforma liturgia“ (dt. „Die Liturgiereform“, 1987 bei Herder auf Deutsch erschienen). Das 1000-Seiten-Werk enthält eigene Erinnerungen, Notizen und Veröffentlichungen, die den ganzen Reformprozess minutiös nachzeichnen. Kein Zweifel lässt der Autor schon in der Einleitung am Anteil des Papstes an den Neuerungen: „Wenn je ein Papst all seine Energie für eine spezifische Arbeit eingesetzt hat, dann ist es Paul VI. im Hinblick auf die Liturgie. (…) Es ging mir aber auch darum, all jene Lügen zu strafen, die aus Unwissenheit oder Leichtfertigkeit oder aus kritischer oder voreingenommener Haltung behauptet haben und vielleicht noch meinen, dass eine Gruppe von Unbesonnenen dem Papst ihre eigenen Ideen eingeredet haben. Der Papst hat alles gesehen, hat alles verfolgt, hat alles geprüft, hat alles gebilligt.“ Viele Abendstunden habe er mit dem Papst verbracht und die Aktenbündel studiert. Paul VI. habe alles Zeile für Zeile, Wort für Wort gelesen.

Bouyer und Bugnini

Aus den Aufzeichnungen geht auch hervor, dass der Papst nur wenige Male einen Reformversuch gänzlich unterbunden hat, wie etwa die Reform des Rosenkranzgebets. Dieses sollte so abgeändert werden, dass die hergebrachte Form nur noch eine unter mehreren möglichen gewesen wäre. Und selbst zu dieser hätte dann der Gläubige sich noch eigene Geheimnisse ausdenken dürfen. Das war für den Papst zu iel des Guten.

Ganz anders fällt die Bewertung des Verhältnisses Bugnini – Paul VI. durch Pater Louis Bouyer aus. Bouyer war prominentes Mitglied des „Consiliums“ und damit selbst an der Reform der Liturgie beteiligt. In seinen posthum erscheinen Memoiren erinnert sich der 2004 verstorbene Oratorianer-Pater auch an den „verachtenswerten“ Bugnini. Insbesondere der Leiter des „Consiliums“, Kardinal Lercaro, sei unfähig gewesen, die Manöver dieses „Gauners“ zu überstehen. Demnach entfachte Bugnini zwischen Papst-Appartement und „Consilium“ einen Riesenwirbel – mit dem Ziel, die Reformen schnell und ohne allzu großen Widerstand abzuschließen. Denn Widerstand gab es selbst unter den Reformern reichlich – etwa unter anderem gegen die Kalenderreform, das neue Offertorium oder gegen die Totenliturgie. Diese Widerstände habe Bugnini aber mit der Bemerkung: „Der Heilige Vater will es!“ abgewürgt. Das „Consilium“ fügte sich. Die Reform sei nicht zuletzt deswegen unter beklagenswerten Bedingungen und übereilt vorangetrieben worden. So übereilt, dass Bouyer das zweite Hochgebet zusammen mit dem Benediktiner Bernard Botte in einer Nachtsitzung fertigstellen musste – in einer Kneipe in Trastevere. Wollte das der Heilige Vater wirklich? Bouyer ist nicht dieser Auffassung und berichtet von einem Gespräch mit Paul VI. nach Abschluss der Liturgiereform, als das „Consilium“ schon in der Gottesdienst-Kongregation aufgegangen war: „Als er mit mir über unser famoses Werk sprach, dem er am Ende mit kaum mehr Begeisterung als ich zugestimmt hatte, sagte er zu mir: ,Aber warum denn haben sie auf dieser Reform bestanden?’ (…) Selbstredend antwortete ich: „… ganz einfach, weil Bugnini uns sagte, dass Sie es unbedingt so wollten…“ Er reagierte sofort: „Ist das möglich? Zu mir sagte er, dass sie alle in dieser Hinsicht einer Meinung waren.“

Ein Dossier und die Verbannung

Hatte Bugnini Papst und Kommissionsmitglieder gegeneinander ausgespielt? Vielleicht liegt hierin ein Grund für seine plötzliche Entmachtung im Juli 1975, als Paul VI. ohne Vorankündigung Gottes dienst und Sakramenten-Kongregation zusammenlegte und Bugnini nicht mehr zum Sekretär ernannte. Womöglich gab es aber noch einen gewichtigeren. So machte schon unmittelbar danach das Gerücht die Runde, dass der Entmachtete ein Freimaurer gewesen sei, beauftragt die katholische Messe zu zerstören. Michael Davies, ein prominenter Gegner der neuen Messe, hat sogar jenen Prälaten getroffen, der das Dossier über Bugnini zusammengestellt und dem Papst übergeben haben will, zusammen mit der Ankündigung, die Sache publik zu machen, wenn dieser nicht handele. So berichtet er es in seinem Buch „Pope John’s Council“.

Bugnini selbst stritt diesen Vorwurf ab, der ihm – so schreibt er in seiner „Liturgiereform“ – aus erster Hand von einem Kardinal mitgeteilt wurde, der das Dossier auf dem Schreibtisch des Papstes gesehen hatte. Daraufhin schrieb er an Paul VI.: „Ich habe mich nie für die Freimaurerei interessiert. Ich weiß nicht, was sie treibt, welches ihre Ziele sind.“ Da behauptet wurde, er erhielte Geld von der Loge, fügte er hinzu: „Jedermann kann bestätigen, dass ich seit elf Jahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Büro fahre. Ich lebe in meiner Kommunität in zwei kleinen Zimmern, die kaum das Notwendigste enthalten.“ Aussage gegen Aussage! Der Brief blieb unbeantwortet. Ebenso hat der Vatikan niemals eine Begründung für die Ablösung des Vinzentiners bekanntgegeben oder die Gerüchte über dessen Mitgliedschaft bei den Freimaurern dementiert. 1976 wurde er als Nuntius in den Iran versetzt: Die zweite und endgültige Verbannung! Anfang der achtziger Jahre erkrankte Bugnini an Magenkrebs. Er verstarb mit siebzig Jahren am 3. Juli 1982 in einer römischen Klinik.

Von der Lebensumständen Bugninis kann sich heute noch jedermann im Konvent der Vinzentiner am Quirinalshügel überzeugen, wozu auch die wunderschöne Kirche San Silvestro al Quirinal gehört. Die Zelle, die der Erzbischof bis zu seiner Abreise in den Iran bewohnte, ist in ihrer Bescheidenheit und Einfachheit derjenigen Pater Pios vergleichbar. Überhaupt sei der Vinzentiner ein bescheidener und vor allem integrer Mann gewesen; ein Mensch, der sich jeden Tag für die Liturgiereform aufopferte, und dessen Leben und Leidenschaft darin bestand, den Menschen die heilige Messe, das Gebet der Kirche und damit Jesus Christus näherzubringen. So sagt es Pater Luigi Mezzadri, 81 Jahre, der Bugnini persönlich gekannt hat und heute noch täglich in San Silvestro al Quirinal zelebriert. Und so können wir es von vielen Klerikern, Liturgiewissenschaftlern und Theologen der 1950er Jahre bis heute hören.

Mezzadri führt die Besucher auch zum Altar, an dem Bugnini täglich die Messe zelebrierte – direkt unter einer Marienikone aus dem dreizehnten Jahrhundert, der Madonna delle Catene, und dem Bildnis Papst Pius V., der das römische Missale nach dem Tridentinum als allgemeinverbindlich festlegte. Eine fast schon schizophrene Situation, auch für jenen Herausgeber einer Zeitschrift, der sich in die Kirche geschmuggelt hatte, um zu beobachten, wie dieser berüchtigte Reformer denn die Messe zelebriere. Bugnini überliefert uns dessen Fazit: „Sehr gläubig. (…) Wie ist es aber möglich, dass dieser Priester am Morgen vor dem Bild Pius V. auf Latein, mit dem tridentinischen Missale zelebrierte, und dann am Abend der Kirche die reformierte Messe in der Volkssprache vorschreibt und damit das Konzil von Trient verrät?“ Wer dieser Beobachter war und wo seine Aussage nachzulesen ist, verrät uns Bugnini freilich nicht.

Noch einmal die Frage: Wer war Annibale Bugnini? Was wollte er? Was hat er erreicht? War er ein Freimaurer, ein Gauner und Schwätzer, der Papst, Kardinale und ganze Kommissionen gegeneinander ausspielte oder ein bescheidener, freundlicher und leidenschaftlicher Diener Gottes, der die Messe entstauben und den Menschen damit näherbringen wollte. War er vielleicht beides, weil er zu leidenschaftlich für seine Sache war? Er wäre damit nicht der erste gewesen.

Lex Orandi, Lex Credendi

Wenn man ein Werk wie die Liturgiereform an seinen Früchten erkennen kann, dann müssen wir zumindest für Europa und weite Teile Nord und Lateinamerikas feststellen, dass die Kirchen leer sind und sich die Kirchenaustritte häufen.

Dafür mag es viele Gründe geben, wie wir angesichts des Missbrauchsskandals in diesen Tagen sehen. Aber kann man das Fundament der Kirche, die Eucharistiefeier, mithin die heilige Messe ohne Folgen verändern?

Wir erinnern uns: Lex orandi, lex credendi. Womit wir wieder bei der Klage Joseph Ratzingers angekommen sind: Es ist wohl nicht möglich, ein jahrhundertelang gewachsenes Gebäude abzubrechen und in wenigen Jahren ein neues bauen. Diesen Versuch aber haben Annibale Bugnini und seine Mitstreiter unternommen, vielleicht weil sie auf die Menschen und die getrennten protestantischen Brüder zugehen und die Kirche in eine neue Zeit führen wollten. Wenn wir sie nach menschlichen Maßstäben beurteilen, dann sind sie gescheitert – unabhängig davon, welche Absichten sie hatten. Das endgültige Urteil aber fällt Gott. Und so müssen wir mit dem alten Atheisten Bertolt Brecht über Bugnini und sein Werk ausrufen: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen. Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Vatican Magazin.

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Quelle

Die Grenzen der päpstlichen Autorität und das Schicksal eines ketzerischen Papstes: ein Exklusivinterview mit Bischof Schneider

Rom, 25. März 2019 (LifeSiteNews) — Bischof Athanasius Schneider veröffentlichte kürzlich einen Aufsatz, in dem er die Möglichkeit der theologischen Ansicht, dass die Kirche einen ketzerischen Papst absetzen könnte, in Betracht zieht und zurückweist.

In seinem Essay (das hier zu sehen ist ) vertritt der Weihbischof von Astana die Auffassung, dass die Annahme der Möglichkeit eines ketzerischen Papstes aber mit der Ablehnung, dass er abgesetzt werden könnte, weit entfernt davon, einen übertriebenen Ultramontanismus zu reflektieren, ein durchdachtes und angemessenes Verständnis der päpstlichen Autorität darstellt.

In einem Exklusivinterview mit LifeSite erläutert Bischof Schneider bestimmte Fragen, die sich aus seinem Essay ergeben: die Autorität der Theologen, mit denen er nicht einverstanden ist, die Möglichkeiten für eine Debatte in dieser Frage und die seit dem Beginn entstandenen Missbräuche des letzten Jahrhunderts aus einer übertriebenen Sichtweise der päpstlichen Autorität.

 

Hiernach unser Interview mit Bischof Athanasius Schneider:

LifeSite: Exzellenz, können Sie die Position, die Sie in Ihrem Essay zur Frage eines ketzerischen Papstes dargelegt haben, kurz zusammenfassen?

Bischof Schneider: Die Hauptidee des Essays ist folgende: Ein Papst kann von niemandem abgesetzt werden und er kann sein Amt nicht aus irgendeinem Grund ipso facto verlieren. Die Kirche hat diese Wahrheit seit zweitausend Jahren beachtet, und es ist nie vorgekommen, dass ein Papst wegen Häresie abgesetzt wurde oder dass sein Pontifikat wegen Häresie für ungültig erklärt wurde. Kein Grund, auch wenn er von einem Heiligen oder berühmten Theologen vorgeschlagen wird – der jedoch nur eine Meinung und keine Lehre der Kirche bleibt – rechtfertigt einen Bruch mit dieser unerschütterlichen, ständigen Tradition. Es würde die revolutionäre Neuheit der Absetzung eines Papstes oder den Verlust seines Amtes aufgrund von Häresie einführen.

Die andere Hauptidee ist, ein konkretes kanonisches Verfahren vorzuschlagen, das im Falle eines ketzerischen oder halbketzerischen Papstes durchgeführt werden könnte – ein Verfahren, das der göttlichen Verfassung der Kirche nicht widerspricht. Dieser Vorschlag ist nur als Impuls und Beitrag zur weiteren theologischen und kanonischen Debatte gedacht.

Die andere relevante Absicht des Aufsatzes besteht darin, das Bewusstsein für den bereits Jahrhunderte alten fehlerhaften und ungesunden Zustand des Papstzentrismus oder der Papolatrie, d.h. des Phänomens eines aufgeblähten Begriffs der päpstlichen Autorität im Leben der Kirche, zu wecken, gewissermaßen eine Karikatur des päpstlichen Amtes. Sie macht den Papst zum allgegenwärtigen Brennpunkt des täglichen Lebens der Kirche auf weltweiter Ebene und unterstellt, dass ein Papst niemals einen Fehler machen kann. Dadurch entsteht eine völlig neue päpstliche Unfehlbarkeit, die den Papst unbewusst in eine Art Halbgott verwandelt. Ein solches Phänomen ist der gesunden Tradition der Apostel und der Kirchenväter fremd. Es ist in der Tat Zeit, diesbezüglich ein Warnsignal auszustoßen.

Warum haben Sie sich entschieden, diesen Essay jetzt zu veröffentlichen?

In letzter Zeit gab es Diskussionen über die Theorie oder Meinung zu einem ketzerischen Papst im Internet und in anderen Medien. Ich habe Briefe von vielen Leuten erhalten, sogar von ernsthaften Theologen, die die Angelegenheit besprechen und meine Herangehensweise kennenlernen wollen.

Ich bemerkte, dass es bis zu einem gewissen Grad mangelnde Klarheit des Denkens gab, eine Tendenz, sich auf Emotionen zu stützen, und Lösungen vorgeschlagen wurden, die in ihren endgültigen Konsequenzen die gefährlichen Prinzipien des Sedevakantismus und des Konziliarismus enthalten.

Die Ansicht, dass ein ketzerischer Papst wegen Häresie abgesetzt werden kann oder sein Amt ipso facto verliert, widerspricht letztlich der göttlichen Verfassung der Kirche, die besagt, dass die dem Papst übertragene Macht direkt von Gott kommt und nicht von der Kirche, d.h. nicht von einer kirchlichen Institution (Kardinalskollegium oder Konzil). In Zeiten weitverbreiteter Lehrverwirrung und einer beispiellosen Krise in Bezug auf das päpstliche Lehramt besteht die Gefahr, die emotionale Ruhe und intellektuelle Klarheit und Nüchternheit zu verlieren – Eigenschaften, die für das sichere Finden eines Ausweg aus der Krise unerlässlich sind – inmitten des Lärms einer wachsenden Anzahl zunehmend lauter und widersprüchlicher Stimmen.

Was ist die höchste Autorität in der Tradition, die ausdrücklich mit Ihrer Position übereinstimmt?

Die höchste Autorität ist für mich die konstante Tradition der Kirche, die nie offiziell gelehrt hat, dass ein Papst aus irgendeinem Grund legitim abgesetzt werden kann, und die niemals eine solche Absetzung in der Praxis durchgeführt hat. Was eine sogenannte Papolatrie und einen übertriebenen päpstlichen Zentrismus angeht, ist es wiederum die gesunde und sichere Tradition der Kirchenväter und der Päpste des ersten Jahrtausends, die dagegen sprechen.

Glauben Sie, dass ein Katholik in gutem Ansehen behaupten könnte, dass ein ökumenisches Konzil oder die Kardinäle es zustande bringen könnten, dass ein Papst abgesetzt würde, obwohl Sie der Meinung sind, dass diese Meinung falsch ist? Mit anderen Worten, ist es eine Frage, die legitimen Debatten unter katholischen Theologen offen steht?

Da die oberste Autorität der Kirche, d.h. das Päpstliche Lehramt oder das Lehramt eines Ökumenischen Konzils, bis jetzt noch keine einschlägigen Lehren oder verbindlichen Normen darüber abgegeben hat, wie die Kirche einen Papst behandeln sollte, der Häresien oder Halbhäresien verbreitet, bleibt die Möglichkeit einer legitimen Debatte unter den katholischen Theologen bestehen.

Was würden Sie jemandem sagen, der der Meinung ist, dass die Autorität von Cajetan, Suarez, Johannes von St. Thomas und Bellarmine so groß ist, dass es keinen Sinn macht, Ihre Autorität anstelle ihrer zu übernehmen?

Ich wollte mit meinem Aufsatz meine Meinung niemandem aufzwingen. Meine Absicht war es, einen Impuls zu geben und einen Beitrag zu einer ernsthaften Debatte zu diesem konkreten Thema zu leisten. Die Autorität selbst renommierter Theologen ist dennoch nur eine Meinung. Ihre Meinungen repräsentieren nicht die Stimme des Lehramtes – und sicherlich nicht die Stimme des konstanten und universellen Lehramtes der Kirche. Wie ich in meinem Essay erwähnte, gab es bekannte Theologen, die über eine beträchtliche Zeit eine objektiv falsche Meinung über die Angelegenheit des Sakraments der Orden lehrten, d.h., dass die Materie dieses Sakraments die Übergabe der Instrumente war, eine Meinung, die während des gesamten ersten Jahrtausends fehlte. Die Übergabe der Instrumente wurde während des ersten Jahrtausends in der gesamten Kirche in Ost und West nicht praktiziert. Die vorgenannten Theologen stellen nicht den Beweis für die Universalität und das Altertum der gesamten Kirche dar, was in einer so wichtigen Frage notwendig ist.

Denken Sie, dass Bellarmine’s Befürwortung der Position, dass Gott einem Papst nicht erlaubt, ein formeller Ketzer zu sein, nur eine fromme Meinung oder eine falsche Theologenmeinung ist?

Wir müssen die Tatsache berücksichtigen, dass es zur Zeit des hl. Robert Bellarmine immer noch eine theologische Debatte über die konkreten Grenzen und die Art und Weise der Ausübung des Charismas der Unfehlbarkeit im päpstlichen Lehramt gab. Ich bin geneigt anzunehmen, dass der heilige Robert Bellarmine der Meinung war, dass der Papst keine formelle Ketzerei aussprechen kann, wenn er endgültig lehrt oder, um die Terminologie des Ersten Vatikanischen Konzils zu verwenden, wenn er „ex cathedra“ lehrt.

Die von Ihnen vorgeschlagenen praktischen Schritte betonen die Arbeit von individuellen Personen, die einen Papst korrigieren könnten, aber auch die Vorstellung einer Gruppe von Bischöfen, die dies gemeinsam tun. Entspricht dies der klassischen dominikanischen Idee eines „unvollkommenen Konzils“ von Bischöfen, das Anklagen wegen päpstlicher Häresie untersuchen könnte?

Ich lehne die Idee eines sogenannten „unvollkommenen Konzils“ der Bischöfe kategorisch ab.
Der Begriff an sich ist theologisch widersprüchlich und steht im Wesentlichen für die Häresie des „Konziliarismus“ oder der „Synodalität“ in der Art der orthodoxen Kirchen.

Die Vorstellung eines Gremiums in der Kirche, das die Rolle eines Untersuchungsrichters ausüben und über den Papst, der das sichtbare Oberhaupt der Kirche ist, ein Urteil aussprechen würde, widerspricht der göttlichen Verfassung der Kirche. Am Ende ist dies die Methode der orthodoxen Kirche. Diese Herangehensweise war die tiefste Wurzel des Großen Orientalischen Schismas zwischen der griechischen Kirche und dem Heiligen Stuhl im Jahr 1054. Damals untersuchte der Patriarch von Konstantinopel zusammen mit seiner Synode in einer Art „unvollkommenem Konzil“ Anschuldigungen wegen angeblicher päpstlicher Häresien.

Mein Vorschlag, dem Papst eine Berichtigung zukommen zu lassen, entspricht dem Beispiel des hl. Paulus in seiner Berichtigung des ersten Papstes hl. Petrus und stellt kein Urteil über den Papst dar. Es gibt einen subtilen, aber entscheidenden Unterschied zwischen einer Korrektur – einer brüderlichen Korrektur – auch in einer öffentlichen Form, und der Tat eines Ermittlungsrichters und der Entscheidung eines Urteils.

Die Korrektur, die ich mir vorstelle, könnte auch von einer Gruppe von Bischöfen zum Ausdruck gebracht werden, aber nicht als formal zusammengesetzte Gruppe. Vielmehr geht es darum, ihren individuellen Konsens über die Tatsache der Häresie oder der Halb-Häresie eines Papstes zu sammeln – dann ihre Unterschriften zusammenzustellen und einen von ihnen zu beauftragen, die Korrektur an den Papst zu übermitteln. Dies ist keine gerichtliche Untersuchung des Papstes, sondern eine Bestätigung einer offensichtlichen Tatsache. Eine solche Korrektur hätte im Wesentlichen dieselbe Bedeutung wie die Korrektur des heiligen Petrus. In diesem Fall würde dies jedoch kollektiv von einer Gruppe von Kardinälen oder Bischöfen oder sogar Gläubigen durchgeführt werden.

Würden Sie sagen, dass die Frage zumindest zweifelhaft genug ist, dass es voreilig und äußerst unvorsichtig wäre, einen ketzerischen Papst abzusetzen?

Dies würde der göttlichen Verfassung der Kirche widersprechen und würde auf praktischer Ebene unweigerlich zu enormer Verwirrung führen, wie dies während des Großen Schismas am Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts der Fall war. Wir müssen aus der Geschichte lernen.

Wie wichtig ist es, dass ein ökumenisches Konzil einen ketzerischen Papst posthum verurteilt?

Wir haben bereits das Beispiel von drei ökumenischen Konzilien, die Papst Honorius I. posthum verurteilt haben. Dies ist sicherlich wichtig, und die Kirche muss die Verbreitung von Irrlehren oder falschen und mehrdeutigen Lehren stoppen, die ein ketzerischer, ein halbketzerischer oder ein sehr nachlässiger Papst nach seinem Tod zurückließ. In der Tat hat die Kirche niemals die Existenz und Verbreitung von Häresien oder Zweideutigkeiten in der Lehre für längere Zeit toleriert. Ebenso toleriert eine gute Mutter keine schädlichen Nahrungsmittel für ihre Kinder, und ein guter Arzt toleriert die Ausbreitung von Infektionskrankheiten nicht. Häresien und mehrdeutige Lehren im Leben der Kirche sind nichts anderes als schädliche Nahrung und Infektionskrankheiten.

Sie werfen die Frage auf, wie eine aufgeblähte Auffassung der päpstlichen Autorität Neuheiten in der römischen Liturgie ermutigt hat? Denken Sie, dass Pius X., Pius XII. Und Paul VI. Ihre Autorität als Papst überschritten haben, als sie die liturgischen Änderungen vorgenommen haben, die sie gemacht haben? Und denken Sie, dass der Kanon von Trient, der die Schaffung neuer Riten verbietet, den Papst wie auch andere Pastoren der Kirche bindet?

Die Art und Weise, wie sich die ständige Tradition der Kirche und aller Päpste bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts verhalten hat, sollte ein sicherer Hinweis sein. In der Tat hat die Kirche in den neunzehn Jahrhunderten nie drastische, anorganische oder revolutionäre Änderungen am Lex orandi vorgenommen, d.h. an der Heiligen Liturgie.

Die Tatsache, dass liturgische Feiern nicht streng dogmatisch sind oder, wie die Menschen heute sagen, eine pastorale Angelegenheit sind, bedeutet nicht, dass ein Papst eine revolutionäre liturgische Reform durchführen kann. Hier sind die orientalische oder die orthodoxe Kirche ein hervorragendes Beispiel für einen äußerst sorgfältigen und etwas gewissenhaften Umgang mit liturgischen Reformen. Meines Erachtens missbrauchten die vorgenannten Päpste ihre Macht, indem sie radikale und anorganische liturgische Reformen durchführten. Die radikale Natur dieser Reformen war der gesamten Tradition der Kirche in Ost und West für neunzehn Jahrhunderte, d.h. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, fremd.

Die Canones des Konzils von Trient, die bei der Feier der Sakramente die Schaffung neuer Riten verboten hatten, bezogen sich auf eine solche revolutionäre und anorganische liturgische Reform. In diesem Sinne sollten diese Canones von allen Päpsten beobachtet werden, auch wenn sie für einen Papst nicht streng verbindlich sind. Jeder Papst sollte jedoch diese Canones des Konzils von Trient als Aufruf an die nachgewiesene Weisheit der ständigen und sicheren Tradition der Kirche betrachten. Es wäre ein Zeichen der Kühnheit und des päpstlichen Absolutismus und daher der Unvorsichtigkeit, diesen Rat nicht zu befolgen.

Es gibt ein bekanntes Prinzip aus der Zeit der Apostel und der ersten Päpste, das wie folgt lautet: „Nihil innovetur, nisi quod traditum est„, d.h. „Keinerlei Neuerung außer was überliefert ist.“ Mit diesen Worten will ich meinen Aufsatz absichtlich abschließen.

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Quelle

(Aus dem Englischen übersetzt von mir [POS])

Papst Franziskus an die Teilnehmer der 68. nationalen Liturgischen Woche in Italien

ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE TEILNEHMER DER 68. NATIONALEN LITURGISCHEN WOCHE IN ITALIEN

Audienzhalle
Donnerstag, 24. August 2017

[Multimedia]


Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!

Ich heiße euch alle herzlich willkommen und danke dem Präsidenten, Bischof Claudio Maniago, für die Worte, mit denen er diese Nationale Liturgische Woche im 70. Jahr des Bestehens des »Zentrums für Liturgische Aktivität« vorgestellt hat.

In diesem Zeitraum haben in der Geschichte der Kirche und insbesondere in der Geschichte der Liturgie Ereignisse stattgefunden, die wesentlich und alles andere als oberflächlich waren. So wie man das Zweite Vatikanische Konzil nicht vergessen darf, so wird man auch die Liturgiereform berücksichtigen müssen, die aus ihm hervorgegangen ist.

Es handelt sich bei Konzil und Reform um zwei direkt miteinander verbundene Ereignisse, die nicht plötzlich aufgetreten sind, sondern lange vorbereitet wurden. Das bezeugt die sogenannte »Liturgische Bewegung« ebenso wie die Antwort der Päpste auf das, was man im Gebet der Kirche als unbefriedigend wahrnahm. Wenn ein Bedürfnis erkennbar wird, dann ist es notwendig, sich in Bewegung zu setzen, auch wenn die Lösung nicht sofort erfolgt.

Ich denke an den heiligen Pius X., der eine Neuordnung der Kirchenmusik[1] sowie eine Wiederherstellung der Sonntagsoffizien[2] verfügte und eine Kommission für die allgemeine Reform der Liturgie einrichtete, im Bewusstsein, dass dafür eine »große und lange Arbeit nötig« sein würde: »Deshalb bedarf es einer langen Reihe von Jahren, bis, um so zu sagen, dieser Prachtbau der Liturgie […] wieder glänzend durch Würde und Ebenmaß und von allem Staub des Alters befreit sich zeige.«[3]

Das Reformprojekt wurde von Pius XII. mit der Enzyklika Mediator Dei [4] und der Errichtung einer Studienkommission[5]aufgegriffen; auch er traf konkrete Entscheidungen hinsichtlich der Version des Psalters[6], der Abmilderung des eucharistischen Fastengebots, des Gebrauchs der Volkssprache im sowie hinsichtlich der bedeutenden Reform der Liturgie der Osternacht und der Karwoche.[7] Dies war der Impuls, der nach dem Vorbild anderer Länder den Anstoß zur Errichtung des »Zentrums der Liturgischen Aktivität« in Italien gab, unter der Leitung von Bischöfen, denen die Sorge für das ihnen anvertraute Volk am Herzen lag, und unter Mitarbeit von Wissenschaftlern, die neben der Liebe zur Liturgiepastoral eine große Liebe zur Kirche hegten.

Das Zweite Vatikanische Konzil ließ dann als gute Frucht am Baum der Kirche die Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium heranreifen, deren Leitlinien einer allgemeinen Reform die Antwort waren auf die wirklichen Bedürfnisse und die konkrete Hoffnung einer Erneuerung: Man ersehnte eine lebendige Liturgie für eine Kirche, die durch die gefeierten Geheimnisse ganz neu belebt werden sollte. Es ging darum, in neuer Weise die ewige Lebendigkeit der betenden Kirche zum Ausdruck zu bringen und Sorge zu tragen, damit »die Christen diesem Geheimnis des Glaubens nicht wie Außenstehende und stumme Zuschauer beiwohnen; sie sollen vielmehr durch die Riten und Gebete dieses Mysterium wohl verstehen lernen und so die heilige Handlung bewusst, fromm und tätig mitfeiern« (SC 48). Darauf wies auch der selige Paul VI. hin, als er die ersten Schritte der angekündigten Reform erläuterte: »Es ist gut, dass man sieht, dass es gerade die Autorität der Kirche ist, die diese neue Art des Betens will, unterstützt, ins Leben ruft und so ihre geistliche Sendung stärker fördert […]; und wir dürfen nicht zögern, selbst als erste zu Schülern und dann zu Unterstützern der Schule des Betens zu werden, die im Entstehen begriffen ist.«[8]

Den Prinzipien der Achtung der gesunden Überlieferung und des berechtigten Fortschritts (vgl. SC 23)[9] folgend, nahm die vom Konzil vorgegebene Richtung Gestalt an in den vom seligen Paul VI. promulgierten liturgischen Büchern, die von den Bischöfen, die beim Konzil anwesend waren, gut aufgenommen wurden und die seit nunmehr fast 50 Jahren im Römischen Ritus allgemein in Gebrauch sind.

Die praktische Umsetzung unter der Leitung der Bischofskonferenzen der jeweiligen Länder ist weiterhin im Gange, denn um die Mentalität zu erneuern, reicht eine Reform der liturgischen Bücher nicht aus. Die den Dekreten des Zweiten Vatikanums entsprechend erneuerten Bücher haben einen Prozess in Gang gesetzt, der Zeit erfordert sowie eine treue Annahme, praktischen Gehorsam, weise Umsetzung im Gottesdienst zunächst von Seiten der geweihten Amtsträger, aber auch von den anderen mit einem Dienst Beauftragten, den Sängern und allen, die an der Liturgie teilnehmen. Wir wissen, dass die liturgische Bildung von Hirten und Gläubigen in Wirklichkeit eine Herausforderung darstellt, die stets neu in Angriff genommen werden muss.

Papst Paul VI. hat selbst ein Jahr vor seinem Tod zu den im Konsistorium versammelten Kardinälen gesagt: »Es ist jetzt die Zeit gekommen, alle Formen, die die Einheit stören und die nach beiden Seiten hin Schaden stiften, endgültig aufzugeben und die Reform, die wir in Ausführung des Konzilsvotums approbiert haben, vollständig und im Sinne ihrer wahren Leitlinien anzuwenden.«[10]

Heute gibt es weiterhin Arbeit in dieser Richtung zu tun, insbesondere indem man die Gründe für die mit der Liturgiereform vollzogenen Entscheidungen wiederentdeckt und unbegründete, oberflächliche Lesarten ebenso überwindet wie eine nur teilweise Rezeption und entstellende Gepflogenheiten. Es geht nicht darum, die Reform noch einmal zu überdenken und ihre Entscheidungen zu korrigieren, sondern darum, die dahinterliegenden Gründe besser kennenzulernen, auch durch die historischen Dokumente, deren Leitgedanken zu verinnerlichen und die Regelungen zu befolgen. Im Anschluss an dieses Lehramt, an diesen langen Weg können wir mit sicherer Gewissheit und lehramtlicher Autorität bekräftigen, dass die Liturgiereform unumkehrbar ist.

Die Aufgabe, die Liturgie zu fördern und zu bewahren, ist von Rechts wegen dem Apostolischen Stuhl und den Diözesanbischöfen anvertraut, auf deren Verantwortungsbewusstsein und Autorität ich in der gegenwärtigen Zeit stark zähle; wobei die nationalen und diözesanen Einrichtungen für Liturgiepastoral ebenso beteiligt sind wie die Ausbildungsstätten und Priesterseminare. In diesem Bereich der Bildung hat sich in Italien das »Zentrum für liturgische Aktivität« mit seinen Initiativen ausgezeichnet – darunter die jährlich stattfindende »Liturgische Woche«.

Nachdem ich an die Etappen dieses Weges erinnert habe, möchte ich nun im Licht des Themas »Eine lebendige Liturgie für eine lebendige Kirche«, über das ihr in diesen Tagen nachgedacht habt, einige weitere Aspekte ansprechen. – Die Liturgie ist »lebendig« durch die lebendige Gegenwart dessen, »der durch seinen Tod unseren Tod vernichtet und durch seine Auferstehung das Leben neu geschaffen hat« (vgl. Osterpräfation I ). Ohne die reale Gegenwart des Mysteriums Christi gibt es keine liturgische Lebendigkeit.

Wie es ohne den Herzschlag kein menschliches Leben gibt, so gibt es ohne das schlagende Herz Christi kein liturgisches Handeln. Denn was die Liturgie auszeichnet, ist in der Tat die Vergegenwärtigung des Priestertums Christi in den heiligen Zeichen, das heißt die Hingabe seines Lebens bis zur Ausbreitung der Arme am Kreuz, ein Priestertum, das beständig vergegenwärtigt wird durch Riten und Gebete, in höchster Form in seinem Leib und Blut, aber auch in der Person des Priesters, in der Verkündigung des Wortes Gottes, in der in seinem Namen zum Gebet versammelten Gemeinde (vgl. SC 7). Zu den sichtbaren Zeichen des unsichtbaren Mysteriums gehört der Altar, Zeichen Christi, des lebendigen Steins, der von den Menschen verworfen dennoch zum Eckstein des geistigen Hauses geworden ist, in welchem dem lebendigen Gott der Gottesdienst im Geist und in der Wahrheit dargebracht wird (vgl. 1 Petr 2,4; Eph 2,20). Daher wird der Altar – das Zentrum, auf das sich in allen unseren Kirchen die Aufmerksamkeit richtet[11] – geweiht, mit Chrisam gesalbt, inzensiert, geküsst, verehrt: Auf den Altar richtet sich der Blick der Betenden, des Priesters und der Gläubigen, die zur heiligen Versammlung um ihn zusammengekommen sind.[12] Auf den Altar wird die Gabe der Kirche gelegt, die der Heilige Geist zum Sakrament des Opfers Christi wandelt. Vom Altar werden uns das Brot des Lebens und der Kelch des Heils ausgeteilt »damit wir in Christus ein Leib und ein Geist werden« (Eucharistisches Hochgebet III).

– Liturgie ist Leben für das ganze Volk der Kirche. [13] Denn die Liturgie ist ihrem Wesen nach »dem Volk zugehörig« und nicht klerikal, da sie – wie die Etymologie des Wortes lehrt – Handeln für das Volk ist, aber auch Handeln des Volkes. Zahlreiche liturgische Gebete weisen darauf hin, dass Liturgie Handeln Gottes für sein Volk ist, aber auch Tun des Volkes, das auf Gott hört, der spricht, und das antwortet, indem es ihn lobt, ihn anruft und die unerschöpfliche Quelle des Lebens und der Barmherzigkeit empfängt, die den heiligen Zeichen entströmt. Die betende Kirche versammelt all jene, die ein auf das Evangelium hörendes Herz haben, ohne irgendjemand auszuschließen: Große und Kleine, Reiche und Arme, Junge und Alte, Gesunde und Kranke, Gerechte und Sünder, alle sind gerufen.

Als Abbild der »großen Schar«, die im himmlischen Heiligtum die Liturgie feiert (vgl. Offb 7,9), überwindet die liturgische Versammlung in Christus alle Grenzen von Alter, ethnischer Herkunft, Sprache und Nation. Die das ganze Volk einbeziehende Liturgie ist inklusiv und nicht exklusiv, sie fördert die Gemeinschaft aller, ohne jedoch Unterschiede aufzuheben, denn sie fordert jeden mit seiner Berufung und Originalität auf, zum Aufbau des Leibes Christi beizutragen: »Die Eucharistie ist nicht ein Sakrament ›für mich‹, sie ist das Sakrament vieler, die einen einzigen Leib, das heilige gottgläubige Volk, bilden.«[14] Wir dürfen also nicht vergessen, dass vor allem die Liturgie die pietas des ganzen Gottesvolkes zum Ausdruck bringt, die sich dann fortsetzt in Übungen der Andacht und Verehrung, die wir unter dem Namen Volksfrömmigkeit kennen, welche wiederum im Einklang mit der Liturgie geschätzt und gefördert werden soll.[15]

– Liturgie ist Leben und keine Idee, die man verstehen muss. Denn sie führt zu einer Initiationserfahrung, das heißt zu einer Wandlung des Denkens und Verhaltens, und nicht zu einer Bereicherung der eigenen Ideen über Gott. Liturgischer Gottesdienst ist »nicht in erster Linie eine Lehre, die verstanden werden muss, oder ein Ritus, der vollzogen werden muss. Er ist auch das, aber auf einen andere Art und wesentlich anders: Er ist eine Quelle des Lebens und des Lichtes für unseren Glaubensweg.«[16] Geistliche Reflexionen sind etwas anderes als Liturgie: »Die Liturgie besteht gerade darin, in Gottes Mysterium einzutreten; sich zum Mysterium führen zu lassen und im Mysterium zu sein.«[17]

Es besteht ein großer Unterschied zwischen der Tatsache zu sagen, dass Gott existiert, und dem Spüren, dass Gott uns liebt so wie wir sind, jetzt und hier. Im liturgischen Gebet erleben wir Gemeinschaft, nicht als abstrakten Gedanken, sondern als Handlung, deren Träger Gott und wir selbst sind, Christus und die Kirche.[18] Die Riten und Gebete (vgl. SC 48) werden daher als das, was sie sind, und nicht durch die Erklärungen, die wir ihnen beifügen, zu einer Schule des christlichen Lebens, die allen offensteht, deren Ohren, Augen und Herzen empfänglich sind, um die Berufung und Sendung der Jünger Jesu zu erlernen.

Das steht im Einklang mit der mystagogischen Katechese der Kirchenväter, die auch im Katechismus der Katholischen Kirche aufgegriffen wurde, wo dieser von der Liturgie, der Eucharistie und den anderen Sakramenten im Licht der Texte und Riten der aktuellen liturgischen Bücher handelt. Die Kirche ist wirklich lebendig, wenn sie – ein einziges lebendiges Wesen mit Christus bildend – Leben schenkt, mütterlich ist, missionarisch ist, dem Nächsten entgegengeht, bereitwillig dient, ohne weltliche Macht zu erstreben, die sie unfruchtbar macht. Wenn sie die heiligen Geheimnisse feiert, erinnert sie daher an Maria, die Jungfrau des Magnifikat, und betrachtet in ihr »wie in einem reinen Bilde […], was sie ganz zu sein wünscht und hofft« (SC 103).

Und schließlich dürfen wir nicht vergessen, dass der Reichtum der betenden Kirche, da sie »katholisch« ist, über den Römischen Ritus hinausgeht, der zwar der am weitesten verbreitete, aber nicht der einzige Ritus ist. Durch das Wirken des einen Heiligen Geistes verleiht die Harmonie der Traditionen verschiedener Riten des Ostens und Westens der einen Stimme der Kirche Ausdruck, die durch Christus, mit Christus und in Christus zum Lob und Ruhm des Vater und zum Heil der Welt betet.

Liebe Brüder und Schwestern, ich danke euch für euren Besuch und ich ermutige die Verantwortlichen des »Zentrums für liturgische Aktivität«, ihre Arbeit fortzusetzen in Treue zur ursprünglichen Inspiration: dem Gebet des heiligen Gottesvolkes zu dienen. In der Tat hat sich das »Zentrum für liturgische Aktivität« stets ausgezeichnet durch die Aufmerksamkeit und Sorge im Hinblick auf die Liturgiepastoral getreu den Weisungen des Apostolischen Stuhls und der Bischöfe, deren Unterstützung es genoss. Die langjährige Erfahrung der Liturgischen Wochen, die in zahlreichen Diözesen Italiens veranstaltet wurden, hat zusammen mit der Zeitschrift »Liturgia« geholfen, die liturgische Erneuerung in das Leben der Pfarreien, der Priesterseminare und der Ordensgemeinschaften zu tragen. Es hat nicht an Mühen gefehlt, aber auch nicht an Freude! Und dieser Einsatz ist es, um den ich euch auch heute bitte: den geweihten Amtsträgern wie den anderen Beauftragten, den Sängern, den Künstlern, den Musikern zu helfen, zusammenzuarbeiten, damit die Liturgie »Quelle und Höhepunkt der Lebendigkeit der Kirche« (vgl. SC10) sein möge. Ich bitte euch, für mich zu beten, und erteile euch von Herzen den Apostolischen Segen.


1 Vgl. Motu proprio Tra le sollecitudini, 22. November 1903: AAS 36 (1904), 329-339.

2 Vgl. Apostolische Konstitution Divino afflatu, 1. November 1911: AAS 3 (1911), 633-638.

3 Motu proprio Abhinc duos annos, 23. Oktober 1913: AAS 5 (1913) 449-450.

4 20. November 1947: AAS 39 (1947) 521-600.

5 Vgl. Sacrae Congr. Rituum, Sectio historica, 71, »Memorandum zur Liturgiereform« (1946).

6 Vgl. Pius XII., Motu proprio In cotidianis precibus24. März 1945: AAS 37 (1945), 65-67. 7 Vgl. Sacrae Congr. Rituum, Decretum Dominicae Resurrectionis9. Februar 1951: AAS 43 (1951) 128-129; Dies., Decretum Maxima Redemptionis, 16. November 1955: AAS 47 (1955)838-841.

Generalaudienz vom 13. Januar 1965.

9 »Die Reform der Riten und der liturgischen Bücher ist fast unmittelbar nach der Veröffentlichung der Konstitution Sacrosanctum Concilium in Angriff genommen worden und wurde in wenigen Jahren durchgeführt dank der beachtlichen und selbstlosen Arbeit einer großen Zahl von Experten und Hirten in allen Teilen der Welt (vgl. SC 25). Diese Arbeit ist nach dem Leitprinzip des Konzils vorgenommen worden: Treue zur Tradition und Öffnung für einen legitimen Fortschritt  (vgl. ebd., 23). Darum kann man sagen, dass die Liturgiereform streng traditionsgebunden nach der ›Norm der Väter‹ ist (Vgl. ebd., 50; Römisches Messbuch, Vorwort, 6)« (Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Vicesimus annus quintus, 4).

10 »Ein besonderer Bereich im Leben der Kirche zieht auch heute wieder die Aufmerksamkeit des Papstes auf sich: die unbestreitbar segensreichen Früchte der Liturgiereform. Mit der Verkündigung der Konstitution des Konzils Sacrosanctum Concilium hat eine breite Entwicklung eingesetzt, die sich an die Vorarbeiten der liturgischen Bewegung seit Ende des 19. Jahrhunderts anschließt und de das brennende Anliegen erfüllt, für das sich Männer der Kirche und Fachleute durch Arbeit und Gebet eingesetzt haben. Nach einer langen und verantwortungsbewussten Vorbereitung durch die zuständigen Organe haben wir den neuen Ritus der heiligen Messe veröffentlicht, der jetzt neben dem Römischen Kanon, der im Wesentlichen unverändert geblieben ist, weiter Eucharistische Hochgebete enthält. Dieser Ritus zeigt schon segensreiche Auswirkungen: stärkere Teilnahme an der liturgischen Handlung, wacheres Bewusstsein beim heiligen Geschehen, tiefere und breitere Kenntnis des unerschöpflichen Reichtums der Heiligen Schrift, wachsender Sinn für Gemeinschaft in der Kirche. Der Verlauf dieser Jahre zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Leider aber gibt es – auch unter der breiten Mehrheit der gesunden und gutwilligen Kräfte des Klerus und der Gläubigen – Missbräuche und Willkür in der konkreten Gestaltung der Liturgie. Es ist jetzt die Zeit gekommen, alle Formen, die die Einheit stören und die nach beiden Seiten hin Schaden stiften, endgültig aufzugeben und die Reform, die wir in Ausführung des Konzilsvotums approbiert haben, vollständig und im Sinne ihrer wahren Leitlinien anzuwenden « (Ansprache Gratias ex animo, 27. Juni 1977: in Papst Paul VI., Wort und Weisung im Jahr 1977, Vatikanstadt und Kevelaer 1978, S. 354f).

11 Vgl. Allgemeine Einführung in das Römische Messbuch, 259; Ritus der Altarweihe, Einführung, 155, 159.

12 »An diesem Altar werden wir gestärkt mit dem Leib und Blut eines Sohnes, um deine Kirche, die eine und heilige Kirche, zu bilden« (Ritus der Altarweihe, 213, Präfation).

13 »Die liturgischen Handlungen sind nicht privater Natur, sondern Feiern der Kirche, die das ›Sakrament der Einheit‹ ist; sie ist nämlich das heilige Volk, geeint und geordnet unter den Bischöfen. Daher gehen diese Feiern den ganzen mystischen Leib der Kirche an, machen ihn sichtbar und wirken auf ihn ein« (SC 26).

14 Predigt in der heiligen Messe am Hochfest des Leibes und Blutes Christi (18. Juni 2017): in O.R. dt., Nr. 25, 23.6.2017, S. 3.

15 Vgl. SC 13; Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 24. November 2013, 122-126.

16 Predigt in der heiligen Messe am 3. Sonntag in der Fastenzeit, Pastoralbesuch in der römischen Pfarrei »Ognissanti« am 7. März 2015: in O.R. dt., Nr. 12/13, 20.3.2015, S. 8.

17 Predigt in der heiligen Messe in Santa Marta, 10. Februar 2014: in O.R. dt., Nr. 8, 21.2.2014, S 11.

18 »Deshalb tut uns das eucharistische Gedächtnis so gut: Es ist kein abstraktes Gedächtnis, kalt und begrifflich, sondern das lebendige und tröstliche Gedächtnis der Liebe Gottes. […] In der Eucharistie ist der ganze Genuss der Worte und der Handlungen Jesu, der Geschmack seines Paschamysteriums, der Duft seines Geistes. Wenn wir sie empfangen, prägt sich unserem Herzen die Gewissheit ein, von ihm geliebt zu sein« (Predigt in der heiligen Messe am Hochfest des Leibes und Blutes Christi (18. Juni 2017): in O.R. dt., Nr. 25, 23.6.2017, S. 3).

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Quelle

PAPST PAUL VI. ÜBER DIE LEHRE UND DEN KULT DER HEILIGEN EUCHARISTIE

ENZYKLIKA
SEINER HEILIGKEIT
PAUL PP. VI.

MYSTERIUM FIDEI

ÜBER DIE LEHRE UND DEN
KULT DER HEILIGEN EUCHARISTIE

An die Ehrwürdigen Brüder, die Patriarchen, die Erzbischöfe,
Bischöfe und die übrigen Ortsordinarien, die mit dem Apostolischen Stuhl
in Frieden und Gemeinschaft leben,
an den Klerus und die Christgläubigen des ganzen katholischen Erdkreises.

EHRWÜRDIGE BRÜDER, LIEBE SÖHNE UND TÖCHTER!
GRUSS UND APOSTOLISCHEN SEGEN!

1. Das Geheimnis des Glaubens, nämlich das unermeßliche Geschenk der Eucharistie, das die katholische Kirche von ihrem Bräutigam Christus als Unterpfand seiner grenzenlosen Liebe empfangen hat, hat sie gleichsam als ihren kostbarsten Schatz stets treu bewahrt und ihm im 2. Vatikanischen Konzil eine neue und sehr feierliche Bezeugung des Glaubens und der Verehrung erwiesen.

2. Bei der Erneuerung der Liturgie hielten die Konzilsväter in ihrer pastoralen Sorge für das Wohl der Gesamtkirche nichts für wichtiger, als die Gläubigen zu ermahnen, daß sie mit unversehrtem Glauben und größter Frömmigkeit tätig an der Feier dieses hochheiligen Geheimnisses teilnehmen und dieses gemeinsam mit dem Priester Gott als Opfer für das eigene und das Heil der ganzen Welt darbringen und sich von ihm wie von einer geistigen Speise nähren.

3. Wenn die heilige Liturgie im Leben der Kirche den ersten Platz einnimmt, so ist das eucharistische Mysterium gleichsam das Herz und der Mittelpunkt der Liturgie, weil es der Lebensquell ist, durch den gereinigt und gestärkt wir nicht mehr für uns, sondern für Gott leben und untereinander geeint sind durch die engsten Bande der Liebe.

4. Damit aber die unauflösliche Verbindung zwischen Glaube und Frömmigkeit offenbar werde, wollten die Konzilsväter in Bestätigung der Lehre, die die Kirche immer festgehalten und gelehrt und die das Konzil von Trient feierlich definiert hat, folgende Lehrzusammenfassung dem Abschnitt über das heilige Geheimnis der Eucharistie voranstellen: ,,Unser Erlöser hat beim letzten Abendmahl in der Nacht, da er überliefert wurde, das eucharistische Opfer seines Leibes und Blutes eingesetzt, um dadurch das Opfer des Kreuzes durch die Zeiten hindurch bis zu seiner Wiederkunft fortdauern zu lassen und so der Kirche, seiner geliebten Braut, eine Gedächtnisfeier seines Todes und seiner Auferstehung anzuvertrauen: das Sakrament huldvollen Erbarmens, das Zeichen der Einheit, das Band der Liebe, das Ostermahl, in dem Christus genossen, das Herz mit Gnade erfüllt und uns das Unterpfand der künftigen Herrlichkeit gegeben wird“[1].

5. Mit diesen Worten werden zugleich das Opfer, das zum Wesen der täglichen Meßfeier gehört, und das Sakrament hervorgehoben, an dem die Gläubigen durch die heilige Kommunion teilnehmen, indem sie das Fleisch Christi essen und sein Blut trinken und die Gnade empfangen, die der Anfang des ewigen Lebens und das ,,Heilmittel der Unsterblichkeit“ ist nach den Worten des Herrn: ,,Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag“[2].

6. Wir hoffen fest, daß aus der erneuerten Liturgie reiche Früchte eucharistischer Frömmigkeit hervorgehen werden, damit die heiligen Kirche unter diesem heilbringenden Zeichen der Frömmigkeit täglich fortschreite auf dem Weg zur vollkommenen Einheit[3] und alle, die sich Christen nennen, zur Einheit im Glauben und in der Liebe einlade und sie durch das Wirken der göttlichen Gnade allmählich dahinführe.

7. Diese ersten Früchte scheinen Uns greifbar zu werden in der Freude und in der Bereitwilligkeit, mit der die Gläubigen der katholischen Kirche die Konstitution über die heilige Liturgie und die liturgische Erneuerung aufgenommen haben; auch sind die Früchte zu erkennen in den vielen und guten Veröffentlichungen, die sich eine tiefere Erforschung und ein besseres Verständnis der Lehre über die heilige Eucharistie, besonders was ihre Beziehung zum Geheimnis der Kirche betrifft, zum Ziel gesetzt haben.

8. All dies ist für Uns ein Grund nicht geringer Tröstung und Freude, die Wir sehr gerne mit Euch, ehrwürdige Brüder, teilen möchten, damit auch Ihr mit Uns Gott, dem Geber alles Guten, dankt, der durch seinen Geist die Kirche lenkt und an Tugend zunehmen läßt.

9. Jedoch gibt es, ehrwürdige Brüder, gerade in dieser Angelegenheit Gründe für ernste pastorale Sorge und Beunruhigung, über die Wir angesichts der Verantwortung Unseres apostolischen Amtes nicht schweigen können.

10. Denn Wir haben erfahren, daß es unter denen, die über dieses heilige Geheimnis sprechen und schreiben, einige gibt, die über die privat gefeierten Messen, das Dogma der Wesensverwandlung und den eucharistischen Kult Ansichten verbreiten, die die Gläubigen beunruhigen und in ihnen nicht geringe Verwirrung bezüglich der Glaubenswahrheiten verursachen, als ob es jedem gestattet wäre, eine von der Kirche einmal definierte Lehre in Vergessenheit geraten zu lassen oder sie in einer Weise zu erklären, daß die wahre Bedeutung der Worte oder die geltenden Begriffe abgeschwächt werden.

11. Es ist beispielsweise nicht erlaubt, die sogenannte Messe ,,in Gemeinschaft“ so herauszustellen, daß den privat zelebrierten Messen Abbruch getan wird. Auch darf man die Sichtweise des sakramentalen Zeichens nicht so deuten, als ob die Symbolbedeutung, die nach allgemeiner Meinung der heiligen Eucharistie ohne Zweifel zukommt, die Sichtweise der Gegenwart Christi in diesem Sakrament ganz und erschöpfend zum Ausdruck bringe. Gleichfalls ist es nicht gestattet, das Geheimnis der Wesensverwandlung zu behandeln, ohne die wunderbare Wandlung der ganzen Substanz des Brotes in den Leib und der ganzen Substanz des Weines in das Blut Christi – von der das Konzil von Trient spricht – zu erwähnen, so als ob sie nur in einer sogenannten „Transsignifikation“ und ,,Transfinalisation“ bestünde. Schließlich geht es nicht an, eine Ansicht zu vertreten und zu praktizieren, derzufolge Christus, der Herr, in den konsekrierten Hostien, die nach der Feier des Meßopfers übrigbleiben, nicht mehr gegenwartig wäre.

12. Jeder sieht, wie in solchen oder ähnlichen in Umlauf gebrachten Ansichten der Glaube an die heilige Eucharistie und ihr Kult schwer verletzt werden.

13. Damit die vom Konzil geweckte Hoffnung auf ein neues Licht eucharistischer Frömmigkeit, die die ganze Kirche beseelt, durch die verbreiteten falschen Meinungen nicht zuschanden werden, haben Wir Uns entschlossen, zu Euch, ehrwürdige Brüder, über diese wichtige Sache zu sprechen und Euch kraft apostolischer Autorität mitzuteilen, was Wir davon halten.

14. Gewiß sprechen Wir denen, die solche sonderbaren Ansichten verbreiten, nicht das ehrliche Verlangen ab, ein so großes Geheimnis zu ergründen, seine unerschöpflichen Reichtümer darzulegen und den Menschen unserer Zeit das Verständnis dafür zu erschließen. Ja, Wir erkennen dieses Verlangen an und heißen es gut. Wir können aber die Ansichten nicht gutheißen, die sie vertreten, und Wir halten es für Unsere Pflicht, Euch vor der schweren Gefährdung des rechten Glaubens durch diese Ansichten zu warnen.

Die Eucharistie ist ein Glaubensgeheimnis

15. Vor allem wollen Wir Euch in Erinnerung rufen, was Euch zwar bekannt, aber was doch sehr notwendig ist, um jedes Gift des Rationalismus zu beseitigen, was bekannte Märtyrer mit ihrem Blut besiegelt und berühmte Kirchenväter und Kirchenlehrer ständig bekannt und gelehrt haben: Daß nämlich die Eucharistie ein ganz großes Geheimnis ist, ja, wie die heilige Liturgie sagt, Geheimnis des Glaubens im eigentlichen Sinn. ,,In ihm allein sind“, wie sehr weise Unser Vorgänger Leo XIII. sagte, ,,in einzigartiger Fülle und Vielfalt der Wunder alle übernatürlichen Wirklichkeiten enthalten“[4].

16. Es ist deshalb notwendig, daß wir uns besonders diesem Geheimnis demütig nahen, indem wir nicht menschlichen Vernunftgründen folgen, die verstummen müssen, sondern mit fester Überzeugung die göttliche Offenbarung annehmen.

17. Der heilige Johannes Chrysostomus, der – wie Ihr wißt – sich mit so großer Beredsamkeit und mit so tiefem religiösen Verständnis über das eucharistische Geheimnis äußerte, sagte einmal bei einer Unterweisung seiner Gläubigen hierüber sehr zutreffend: ,,Wir wollen Gott überall gehorchen und ihm nicht widersprechen, auch wenn das, was er sagt, unserem Denken und unserer Einsicht als widersprüchlich erscheint. Sein Wort habe den Vorrang vor unserem Denken und unserer Einsicht. So wollen wir uns auch gegenüber den [eucharistischen] Geheimnissen verhalten, indem wir nicht nur berücksichtigen, was die Sinne feststellen, sondern uns an seine Worte halten, denn sein Wort kann nicht täuschen“[5].

18. Dasselbe haben oft die Lehrer der Scholastik gesagt. Daß in diesem Sakrament der wahre Leib und das wahre Blut Christi ist, ,,kann man nicht mit den Sinnen feststellen“, sagt der heilige Thomas, ,,sondern nur durch den Glauben, der sich auf die Autorität Gottes stützt. Im Kommentar zu Lukas 22, 19 ,Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird‘, sagt Cyrill deswegen: Zweifele nicht, ob das wahr ist, sondern nimm vielmehr gläubig die Worte des Erlösers an, der nicht lügt, weil er die Wahrheit ist“[6].

19. Die Worte des Doktor Angelicus aufgreifend, singt das christliche Volk sehr oft: ,,Augen, Mund und Hände täuschen sich in dir, doch des Wortes Botschaft offenbart dich mir. Was Gott Sohn gesprochen, nehm ich glaubend an; er ist selbst die Wahrheit, die nicht trügen kann“.

20. Ebenso sagt der heilige Bonaventura: ,,Daß Christus im Sakrament wie in einem Zeichen ist, bereitet keine Schwierigkeit; daß er aber wahrhaft im Sakrament ist, wie er im Himmel ist, das bereitet die größte Schwierigkeit. Das also zu glauben, ist höchst verdienstlich“[7].

21. Dasselbe deutet das Evangelium an, wenn es berichtet, daß viele von den Jüngern Christi, nachdem sie die Rede vom Essen seines Fleisches und Trinken seines Blutes gehört hatten, sich abwandten und den Herrn verließen mit den Worten: ,,Was er sagt ist unerträglich, wer kann das anhören?“ Als Jesus fragte, ob auch die Zwölf fortgehen wollten, bekannte Petrus dagegen bereitwillig und entschlossen seinen und der Apostel Glauben mit der wunderbaren Antwort: ,,Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“[8].

22. Es ist also folgerichtig, daß wir bei der Ergründung dieses Geheimnisses wie einem Stern dem Lehramt der Kirche folgen, der der göttliche Erlöser das geschriebene und überlieferte Wort Gottes anvertraut hat, damit sie es bewahre und auslege. Dabei sind wir überzeugt, daß, ,,wenn es auch durch den Verstand nicht erfaßt und durch das Wort nicht erklärt wird, so doch wahr ist, was von alters her im wahren katholischen Glauben in der ganzen Kirche verkündet und geglaubt wird“[9].

23. Aber nicht genug damit. Bei Wahrung der Unversehrtheit des Glaubens ist es auch notwendig, eine geeignete Ausdrucksweise beizubehalten, damit durch den Gebrauch der Lehre nicht entsprechender Worte uns, was ferne sei, nicht falsche Ansichten in den Sinn kommen über die grundlegenden Glaubenswahrheiten. Hierzu mahnt nachdrücklich der heilige Augustinus, wenn er die unterschiedliche Sprechweise behandelt, der sich die Philosophen bedienen und der sich die Christen bedienen sollen: ,,Die Philosophen verwenden die Worte nach ihrem Gutdünken ohne Rücksicht darauf, bei sehr schwer verständlichen Dingen religiöses Empfinden zu verletzen.Wir hingegen müssen eine festgelegte Ausdrucksweise befolgen, damit nicht ein beliebiger Wortgebrauch hinsichtlich des Gemeinten eine falsche Ansicht hervorruft“[10].

24. Der Sprachgebrauch, den die Kirche in jahrhundertelanger Mühe nicht ohne den Beistand des Heiligen Geistes entwickelt und durch die Autorität der Konzilien bestätigt hat, der häufig Ausweis und Banner der Rechtgläubigkeit geworden ist, muß ehrfürchtig bewahrt werden. Niemand wage es, ihn nach seinem Gutdünken oder unter dem Vorwand einer neuen Erkenntnis zu ändern. Wer könnte je dulden, daß die dogmatischen Formeln, die von den ökumenischen Konzilien für die Geheimnisse der Heiligsten Dreifaltigkeit und der Menschwerdung gebraucht wurden, für die Menschen unserer Zeit als nicht mehr geeignet erklärt werden und daß sie durch andere ersetzt werden? In gleicher Weise kann man nicht dulden, daß jeder auf eigene Faust die Formel antasten wollte, mit denen das Konzil von Trient das eucharistische Geheimnis zu glauben vorgelegt hat. Denn in diesen – wie in den anderen Formeln, deren sich die Kirche bedient, um die Dogmen des Glaubens vorzulegen – werden Vorstellungen ausgedrückt, die nicht an eine bestimmte Kulturform, nicht an eine bestimmte Phase wissenschaftlichen Fortschritts noch an diese oder jene theologische Schule gebunden sind. Vielmehr geben sie wieder, was der menschliche Geist über die Wirklichkeit in der universalen und notwendigen Erfahrung ausmacht und mit geeigneten und bestimmten Worten bezeichnet, die der Umgangssprache oder der gehobenen Sprache entnommen sind. Deswegen sind diese Formeln den Menschen aller Zeiten und aller Orte angepaßt.

25. Sie können allerdings mit großem Nutzen klarer und tiefer erklärt werden, nie aber in einem anderen Sinn, als in dem sie gebraucht wurden, so daß mit dem Fortschritt des Glaubensverständnisses die Glaubenswahrheit unberührt bleibt. Wie das 1. Vatikanische Konzil lehrt, ist in den heiligen Dogmen „immer jener Sinn beizubehalten, den die heilige Mutter Kirche einmal erklärt hat. Und es ist nicht erlaubt, von dieser Bedeutung unter dem Vorwand und im Namen eines tieferen Verständnisses abzugehen“[11].

Das eucharistische Mysterium wird im Messopfer bewirkt

26. Zur gemeinsamen Erbauung und Freude aller möchten Wir mit Euch, ehrwürdige Brüder, von neuem die Lehre über das eucharistische Mysterium bewußt machen, an der die katholische Kirche als überliefert festhält und die sie einmütig lehrt.

27. Es ist von Nutzen, sich vor allem an das zu erinnern, was gleichsam die Zusammenfassung und der Gipfel der Lehre ist: Durch das eucharistische Mysterium wird auf wunderbare Weise das Kreuzesopfer gegenwärtig, das einmal auf Kalvaria vollbracht wurde; es wird immer ins Gedächtnis zurückgerufen, und seine heilbringende Kraft kommt in der Vergebung der Sünden, die täglich von uns begangen werden, zur Wirkung[12].

28. Christus der Herr hat durch die Einsetzung des eucharistischen Mysteriums mit seinem Blut den Neuen Bund begründet, dessen Mittler er ist, wie einst Moses den Alten Bund mit dem Blut von Kälbern geschlossen hat[13]. Wie die Evangelisten berichten, nahm er beim letzten Abendmahl ,,Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und reichte es ihnen mit den Worten: ,Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: ,Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird‘“[14]. Indem er aber den Aposteln den Auftrag gab, es zu seinem Andenken zu tun, wollte er, daß es immerdar erneuert werde. Das hat die Urkirche treu ausgeführt, indem sie in der Lehre der Apostel verharrte und zur Feier des eucharistischen Opfers zusammenkam. ,,Sie hielten“, wie der heilige Lukas sorgfältig berichtet, ,,an der Lehre der Apostel fest, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“[15]. Und so groß war der Eifer, den die Gläubigen daraus empfingen, daß man von ihnen sagen konnte: ,,Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele“[16].

29. Der Apostel Paulus, der uns auf das Treueste überliefert hat, was er vom Herrn empfangen hatte[17], spricht deutlich vom eucharistischen Opfer, wenn er den Christen darlegt, daß sie an den heidnischen Opfern nicht teilnehmen dürfen, weil sie des Tisches des Herrn teilhaftig geworden sind: ,,Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe am Blut Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi? … Ihr könnt nicht den Kelch des Herrn trinken und den Kelch der Dämonen. Ihr könnt nicht Gäste sein am Tisch des Herrn und am Tisch der Dämonen“[18]. Dieses neue Opfer des Neuen Bundes, auf das Maleachi im voraus hingewiesen hatte[19], hat die Kirche, vom Herrn und den Aposteln belehrt, immer dargebracht, ,,nicht nur für die Sünden der lebenden Gläubigen, für ihre Strafen, Genugtuungen und andere Nöte, sondern auch für die in Christus Verstorbenen, die noch nicht vollkommen gereinigt sind“[20].

30. An ein Zeugnis erinnern Wir noch, um von den übrigen zu schweigen, nämlich an das des heiligen Cyrill von Jerusalem, der bei der Unterweisung der Neugetauften im christlichen Glauben die beachtenswerten Worte sprach: ,,Nachdem das geistliche Opfer, der unblutige Kult vollendet ist, flehen wir über diesem Versöhnungsopfer Gott an für den allgemeinen Frieden der Kirchen, für die rechte Ordnung der Welt, für die Kaiser, das Heer und die Bundesgenossen, für die Kranken und Betrübten, und insgemein für alle Hilfsbedürftigen bitten wir und bringen wir dieses Opfer dar … Dann bitten wir auch für die entschlafenen heiligen Väter und Bischöfe und für alle insgemein, die unter uns entschlafen sind, weil wir glauben, daß das Gebet jenen Seelen, für die es dargebracht wird, am meisten hilft, wenn das heilige und ehrfurchtgebietende Opfer auf dem Altar liegt“. Nachdem er diesen Gegenstand mit dem Beispiel des Kranzes erläutert hat, der für den Kaiser geflochten wird, damit er den Verbannten Verzeihung gewähre, schließt der Kirchenlehrer seine Predigt mit den Worten: ,,Auf die gleiche Weise verhalten auch wir uns; wenn wir für die Verstorbenen, obgleich sie Sünder sind, Gott Gebete darbringen, so flechten wir zwar keinen Kranz, sondern wir bringen den für unsere Sünden geopferten Christus dar, um Gott, der die Menschen liebt, ihnen und uns gnädig zu stimmen“[21].

31. Der heilige Augustinus bezeugt, daß dieser Brauch, ,,das Opfer unseres Lösepreises“ auch für die Verstorbenen darzubringen, in der Römischen Kirche lebendig ist.[22] Gleichzeitig bemerkt er, daß der Brauch als von den Vätern überliefert von der ganzen Kirche gehalten wird.[23]

32. Aber es ist noch etwas anderes, was Wir hinzufügen möchten, weil es sehr dazu dient, das Geheimnis der Eucharistie zu illustrieren. Die ganze Kirche, die mit Christus zusammen das Amt des Priesters und Opfers ausübt, bringt das Meßopfer dar und wird in ihm auch selbst ganz dargebracht. Diese in der Tat wunderbare Lehre wurde schon von den Vätern vorgetragen.[24]Unser Vorgänger Pius XII. hat sie vor einigen Jahren dargelegt[25], und neuerdings hat das 2. Vatikanische Konzil sie in der Konstitution über die Kirche im Abschnitt über das Volk Gottes ausgedrückt.[26] Wir wünschen sehr, daß sie bei aller notwendigen Wahrung des nicht nur gradmäßigen, sondern wesensmäßigen Unterschieds zwischen dem gemeinsamen und dem hierarchischen Priestertum[27] immer wieder erklärt und den Gläubigen tief eingeprägt werde; sie ist nämlich sehr geeignet, die eucharistische Frömmigkeit zu fördern, die Würde aller Gläubigen zu betonen und sie anzueifern, den Gipfel der Heiligkeit zu erreichen oder, was dasselbe ist, mit einer hochherzigen Selbsthingabe sich ganz der göttlichen Majestät zu eigen zu geben.

33. Außerdem muß an die Folgerung, die sich daraus für den ,,öffentlichen und sozialen Charakter jeder Messe“ ergibt[28], erinnert werden. Jede Messe nämlich, auch wenn sie privat vom Priester zelebriert wird, ist dennoch nicht privat, sondern ein Handeln Christi und der Kirche; die Kirche lernt ja im Opfer, das sie darbringt, sich selbst als ein universales Opfer darzubringen, und sie wendet die einzige und unendlich erlösende Kraft des Kreuzesopfers der ganzen Welt zum Heile zu. Denn jede Messe, die zelebriert wird, wird nicht nur für das Heil einiger, sondern auch für das Heil der ganzen Welt dargebracht. Daraus folgt: Wenn der Feier der Messe die häufige und tätige Teilnahme der Gläubigen gewissermaßen wesensgemäß höchst angemessen ist, ist doch eine Messe nicht zu tadeln, sondern vielmehr gutzuheißen, die nach den Vorschriften der Kirche und den rechtmäßigen Traditionen aus gerechtem Grund vom Priester privat gehalten wird, auch wenn nur ein Ministrant dient und antwortet; aus ihr kommt nämlich kein geringes, sondern ein sehr großes Maß besonderer Gnaden zum Heil sowohl des Priesters selbst als auch des gläubigen Volkes, der gesamten Kirche und der ganzen Welt. Dieses Maß an Gnaden wird durch den Kommunionempfang allein nicht erlangt.

34. Darum empfehlen Wir also väterlich und ernstlich den Priestern, die Unsere besondere Freude und Unsere Krone im Herrn sind, daß sie eingedenk sind der Vollmacht, die sie durch den weihenden Bischof empfangen haben, nämlich das Opfer Christi darzubringen und Messen zu zelebrieren sowohl für die Lebenden als auch für die Verstorbenen im Namen des Herrn[29],daß sie täglich würdig und andächtig die Messe feiern, damit sie selbst und die übrigen Christgläubigen die Zuwendung der Früchte genießen, die aus dem Kreuzesopfer überreich hervorgehen. So werden sie auch am meisten zum Heil des Menschengeschlechtes beitragen.

Im Messopfer wird Christus sakramental gegenwärtig

35. Die kurzen Ausführungen zum Meßopfer veranlassen Uns, auch einiges über das Sakrament der Eucharistie anzuführen, denn beides, Opfer und Sakrament, gehören zum selben Mysterium; das eine kann nicht vom anderen getrennt werden. Der Herr wird ja dann im Meßopfer – in welchem das Kreuzesopfer vergegenwärtigt und dessen heilbringende ,Kraft zugewendet wird – unblutig geopfert, wenn er kraft der Wandlungsworte beginnt, sakramental gegenwärtig zu sein, gleichsam als geistige Speise der Gläubigen, unter den Gestalten von Brot und Wein.

36. Wir wissen alle wohl, daß es nicht nur eine einzige Weise gibt, in der Christus seiner Kirche gegenwärtig ist. Es ist nützlich, die beglückende Tatsache, die die Konstitution über die heilige Liturgie kurz dargelegt hat[30], etwas weiter auszuführen. Gegenwärtig ist Christus seiner Kirche, wenn sie betet, da er selbst es ist, der ,,für uns betet und in uns betet, zu dem wir beten; er betet für uns als unser Priester, er betet in uns als unser Haupt, und wir beten zu ihm als unserem Gott“[31]. Er selbst hat ja versprochen: ,,Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“[32]. Gegenwärtig ist er in seiner Kirche, wenn sie Werke der Barmherzigkeit ausübt, nicht nur weil wir, wenn wir einem seiner geringsten Brüder Gutes tun, dieses Christus selbst tun[33], sondern auch weil Christus es ist, der durch die Kirche diese Werke tut, indem er beständig dem Menschen mit seiner göttlichen Liebe zu Hilfe kommt. Gegenwärtig ist er seiner Kirche, die auf der Pilgerfahrt ist und zum Hafen des ewigen Lebens zu gelangen strebt, da er selbst durch den Glauben in unseren Herzen wohnt[34] und in ihr die Liebe ausgießt durch den Heiligen Geist, den er uns gibt.[35]

37. Auf eine andere Weise zwar, aber ganz wirklich ist er seiner Kirche gegenwärtig, wenn sie predigt, da das Evangelium, das verkündet wird, das Wort Gottes ist, und nur im Namen und in der Autorität Christi, des fleischgewordenen Wortes Gottes, unter seinem Beistand, verkündet wird, damit ,,eine Herde sicher geborgen unter einem Hirten sei“[36].

38. Gegenwärtig ist er seiner Kirche, wenn sie das Volk Gottes regiert und leitet, da die heilige Vollmacht von Christus ist, und den Hirten, die sie ausüben, Christus beisteht, ,,der Hirt der Hirten“[37], gemäß seinem Versprechen an die Apostel.

39. Darüber hinaus – und zwar auf eine höherwertige Weise – ist Christus seiner Kirche gegenwärtig, wenn sie das Meßopfer in seinem Namen darbringt; und er ist bei ihr, wenn sie die Sakramente spendet. Bezüglich der Gegenwart Christi bei der Darbringung des Meßopfers möchte man an das erinnern, was der heilige Chrysostomus voll Bewunderung trefflich gesagt hat: ,,Ich möchte etwas ganz Erstaunliches anführen, aber erschreckt nicht und beunruhigt euch nicht. Was ist das? Die Opfergabe ist dieselbe, wer auch immer opfert, sei es Paulus, sei es Petrus; es ist dieselbe, die Christus den Jüngern gab und die nun die Priester darbringen; diese Opfergabe ist um nichts geringer, da nicht Menschen sie heiligen, sondern er selbst es ist, der sie geheiligt hat. Wie nämlich die Worte, die Gott gesprochen hat, dieselben sind wie die, die nun der Priester sagt, so ist auch die Opferung dieselbe“[38]. Daß aber die Sakramente Taten Christi sind, der sie durch Menschen spendet, weiß jeder. Und deshalb sind die Sakramente aus sich selbst heilig und gießen durch die Kraft Christi dem Herzen Gnade ein, während sie zeichenhaft vollzogen werden. Diese verschiedenen Weisen der Gegenwart erfüllen den Geist mit Staunen und führen zur Betrachtung des Geheimnisses der Kirche. Aber ein anderer, ganz besonderer Grund ist es, warum Christus seiner Kirche gegenwärtig ist im Sakrament der Eucharistie und weswegen dieses Sakrament im Vergleich zu den anderen Sakramenten ,,inniger an Andacht, schöner in seinem Sinngehalt, heiliger in seinem Wesen ist“[39]: es enthält nämlich Christus selbst und ist ,,gewissermaßen die Vollendung des geistlichen Lebens und das Ziel aller Sakramente“[40].

40. Diese Gegenwart wird ,,wirklich“ genannt, nicht im ausschließenden Sinn, als ob die anderen nicht ,,wirklich“ wären, sondern in einem hervorhebenden Sinn, weil sie wesentlich ist, wodurch der ganze und unversehrte Christus, Gott und Mensch, gegenwärtig wird.[41]Falsch würde also jemand diese Weise der Gegenwart durch eine angebliche, sogenannte ,,pneumatische“ allgegenwärtige Natur des glorreichen Leibes Christi erklären oder wenn er sie auf ein symbolisches Verständnis einengt, als ob dieses erhabenste Sakrament nichts anderes sei als ein wirksames Zeichen ,,für die geistige Gegenwart Christi und seiner innigsten Verbindung mit den gläubigen Gliedern im mystischen Leib“[42].

41. Freilich haben über den symbolischen Sinn der Eucharistie – besonders hinsichtlich der Einheit der Kirche – die Väter und die Lehrer der Scholastik viel gehandelt; das Konzil von Trient hat bei der Zusammenfassung ihrer Lehre erklärt, daß unser Erlöser in seiner Kirche die Eucharistie hinterlassen hat ,,gleichsam als Symbol … ihrer Einheit und Liebe, durch die er alle Christen unter sich verbunden und geeint wissen wollte“, und zwar ,,als Symbol jenes einen Leibes, dessen Haupt er selbst ist“[43].

42. Schon zu Beginn der frühen christlichen Literatur schrieb der unbekannte Autor der ,,Didache oder Zwölf-Apostel-Lehre“ hierzu: ,,Was die Eucharistie angeht, so sagt so Dank: … Wie dieses gebrochene Brot über die Berge zerstreut war und gesammelt zu einem geworden ist, so soll deine Kirche von den Enden der Erde in dein Reich zusammengeführt werden“[44].

43. Ebenso sagt der heilige Cyprian bei seinem Drängen auf die Einheit der Kirche gegen das Schisma: ,,Endlich erklären auch die Herrenopfer selbst die Einmütigkeit der Christen, die mit fester und unzertrennlicher Liebe verbunden sind; denn wenn der Herr seinen Leib ein Brot nennt, das durch die Vereinigung vieler Körner geworden ist, bezeichnet er unser Volk, das er aufrechterhält, als ein geeintes, und wenn er sein Blut Wein nennt, der aus vielen Trauben und Beeren ausgepreßt in eins gebracht ist, bezeichnet er ebenso unsere Herde, die durch die Mischung einer vereinigten Vielheit verbunden ist“[45].

44. Übrigens ging allen bereits der Apostel vorauf, wenn er an die Korinther schrieb: ,,Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot“[46].

45. Aber wenn uns auch der symbolische Sinn der Eucharistie zum Verständnis der diesem Sakrament eigenen Wirkung, die die Einheit des mystischen Leibes ist, in geeigneter Weise hinführt, so erklärt er doch nicht das Wesen des Sakramentes, wodurch es sich von anderen unterscheidet, noch drückt er es aus. Denn die Unterweisung, die die katholische Kirche zu allen Zeiten den Katechumenen gegeben hat, das Empfinden des christlichen Volkes, die vom Trienter Konzil definierte Lehre und die Worte Christi selbst, mit denen er die heilige Eucharistie eingesetzt hat, verpflichten uns zu dem Bekenntnis, daß die ,,Eucharistie das Fleisch unseres Heilandes Jesus Christus ist, das für unsere Sünden gelitten hat und das der Vater in seiner Güte auferweckt hat“[47]. Diesen Worten des heiligen Ignatius von Antiochien kann man hinzufügen, was Theodor von Mopsuestia – in diesem Punkt ein treuer Zeuge des Glaubens der Kirche – dem Volke sagte: ,,Denn der Herr sagte nicht: das ist ein Symbol meines Leibes, und das ist ein Symbol meines Blutes, sondern: ,Das ist mein Leib und mein Blut.‘ Er lehrt uns, nicht auf die Natur des vorliegenden sinnenfälligen Gegenstandes zu achten, denn diese ist durch die Danksagung und die Worte, die über sie gesprochen wurden, in das Fleisch und Blut verwandelt worden“[48].

46. Gestützt auf diesen Glauben der Kirche, erklärte die Synode von Trient ,,offen und eindeutig, daß in dem erhabenen Sakrament der Eucharistie nach der Konsekration von Brot und Wein unser Herr Jesus Christus als wahrer Gott und Mensch wahrhaft, wesentlich und wirklich unter der Gestalt jener sichtbaren Dinge gegenwärtig ist“. Deswegen ist unser Erlöser nach seiner Menschheit gegenwärtig nicht nur zur Rechten des Vaters, nach der natürlichen Existenzweise, sondern zugleich auch im Sakrament der Eucharistie, ,,in einer Daseinsweise, die wir zwar kaum in Worten auszudrücken vermögen, dennoch mit der vom Glauben erleuchteten Vernunft als für Gott möglich erkennen können und standhaft glauben müssen“[49].

Christus der Herr ist im Sakrament der Eucharistie gegenwärtig durch die Wesensverwandlung

47. Damit aber niemand diese Weise der Gegenwart, die über die Naturgesetze hinausgeht und das größte aller Wunder in seiner Art bewirkt[50], falsch verstehe, sollten wir mit aufnahmebereitem Geist der Stimme der lehrenden und betenden Kirche folgen. Nun versichert uns diese Stimme – Echo der Stimme Christi -, daß Christus in diesem Sakrament nicht anders gegenwärtig wird als durch die Wandlung der ganzen Substanz des Brotes in seinen Leib und der ganzen Substanz des Weines in sein Blut, eine ganz wunderbare und einzigartige Wandlung, die die katholische Kirche passend und im eigentlichen Sinn Wesensverwandlung nennt.[51] Nach der Wesensverwandlung erhalten die Gestalten des Brotes und Weines ohne Zweifel eine neue Bedeutung und einen neuen Zweck, da sie von da an nicht mehr gewöhnliches Brot und gewöhnlicher Trank sind, sondern Zeichen einer heiligen Sache und Zeichen geistiger Speise; aber sie erhalten deshalb eine neue Bedeutung und einen neuen Zweck, weil sie eine neue ,,Wirklichkeit“ enthalten, die wir mit Recht ontologisch nennen. Denn unter den vorhin genannten Gestalten ist nicht mehr das, was vorher war, sondern etwas ganz Anderes; und zwar nicht nur in der Glaubensmeinung der Kirche, sondern in der Sache selbst, da nach der Wandlung der Substanz oder des Wesens des Brotes und Weines in den Leib und das Blut Christi von Brot und Wein nichts bleiben als die Gestalten, unter denen der ganze und unversehrte Christus in seiner physischen Wirklichkeit auch körperlich gegenwärtig ist, wenn auch nicht auf die Weise, in der Körper sich an ihrem Ort befinden.

48. Darum hielten es die Väter für wichtig, die Gläubigen zu ermahnen, daß sie bei der Betrachtung dieses erhabensten Sakramentes nicht den Sinnen trauen, die die Eigenschaften von Brot und Wein wiedergeben, sondern den Worten Christi, die eine solche Kraft haben, daß sie das Brot und den Wein in seinen Leib und sein Blut wandeln, umformen und ,,zu neuen Elementen machen“; da ja, wie dieselben Väter oft sagen, die Kraft, die das vollbringt, dieselbe Kraft des allmächtigen Gottes ist, die am Anfang der Zeit das All aus dem Nichts geschaffen hat.

49. ,,Durch dies belehrt und durchdrungen von dem sichersten Glauben“, sagt der heilige Cyrill von Jerusalem am Schluß seiner Predigt über die Glaubensgeheimnisse, ,,daß das, was Brot scheint, kein Brot ist, trotz des Geschmackseindrucks, sondern der Leib Christi, und das, was Wein scheint, kein Wein ist, auch wenn es dem Geschmack so vorkommt, sondern das Blut Christi … mach dein Herz stark, indem du jenes Brot als geistliches nimmst, und mach dein inneres Antlitz froh“[52].

50. Der heilige Chrysostomus betont: ,,Nicht der Mensch bewirkt, daß die Gaben Leib und Blut Christi werden, sondern Christus selbst, der für uns gekreuzigt worden ist. Der Priester, der jene Worte spricht, stellt Christus dar, aber die Kraft und die Gnade ist Gottes. ,Das ist mein Leib‚, sagt er; dieses Wort wandelt die Gaben“[53]

51. Dem Bischof Johannes von Konstantinopel stimmt der Bischof Cyrill von Alexandrien zu, der in seinem Kommentar zum Matthäusevangelium schreibt: ,,Er sagte aber hinweisend ,das ist mein Leib‘ und ,das ist mein Blut‘, damit man nicht glaubt, das, was sichtbar ist, sei nur ein Bild, sondern daß auf geheimnisvolle Weise vom allmächtigen Gott wahrhaft die Opfergaben umgewandelt werden in den Leib und das Blut Christi, durch die wir – ihrer teilhaft geworden – die lebendige und heiligende Kraft Christi empfangen“[54].

52. Ambrosius, der Bischof von Mailand, spricht klar die eucharistische Wandlung aus: ,,Stimmen wir zu , sagte er, ,,daß es nicht das ist, was die Natur geformt hat, sondern was die Segnung geheiligt hat, und daß die Segnung eine größere Kraft hat als die Natur, weil durch sie auch die Natur selbst geändert wird“. Im Bestreben, die Wahrheit des Geheimnisses zu bekräftigen, führt er viele Beispiele von in der Heiligen Schrift berichteten Wundern an, unter ihnen auch die Geburt Jesu Christi aus der Jungfrau Maria; nachdem er dann auf das Werk der Schöpfung hingewiesen hat, schließt er mit den Worten: ,,Das Wort Christi also, das das aus Nichts machen kann, was vorher nicht war, kann es nicht das, was ist, in etwas verändern, was es vorher nicht war? Denn es ist nicht geringer, den Dingen eine neue Natur zu geben als ihre Natur zu ändern“[55].

53. Aber es ist nicht notwendig, viele Zeugnisse zusammenzutragen. Es hilft mehr, an die Festigkeit des Glaubens zu erinnern, mit der die Kirche einstimmig Berengar widerstand, der den Schwierigkeiten der menschlichen Vernunft nachgab und zuerst die eucharistische Wandlung zu leugnen gewagt hat; die Kirche hat ihm mehrmals Verurteilung angedroht, wenn er nicht widerrufe. Unser Vorgänger, der heilige Gregor VII., befahl ihm folgenden Eid zu schwören: ,,Ich glaube von Herzen und bekenne mit dem Mund, daß das Brot und der Wein, die auf den Altar gelegt werden, durch das Geheimnis des heiligen Gebetes und die Worte unseres Erlösers wesentlich gewandelt werden in das wahre und eigene und lebenspendende Fleisch und Blut Jesu Christi, unseres Herrn, und daß es nach der Wandlung der wahre Leib Christi ist, der aus der Jungfrau geboren wurde, der für das Heil der Welt geopfert am Kreuze hing und der zur Rechten des Vaters sitzt, sowie das wahre Blut Christi, das aus seiner Seite vergossen wurde, nicht nur durch das Zeichen und die Kraft des Sakramentes, sondern in der eigenen Natur und in seiner wirklichen Substanz“[56].

54. Mit diesen Worten stimmt als wunderbares Beispiel der Unveränderlichkeit des katholischen Glaubens überein, was die Ökumenischen Konzilien vom Lateran, von Konstanz, von Florenz und schließlich von Trient über das Geheimnis der eucharistischen Wandlung beständig durch die Darlegung der Lehre der Kirche und die Verurteilung der Irrtümer gelehrt haben.

55. Nach dem Trienter Konzil rief Unser Vorgänger Pius VI. angesichts der Irrtümer der Synode von Pistoia nachdrücklich dazu auf, daß die Pfarrer in ihrer Unterweisung nicht unterlassen sollen, die Wesensverwandlung zu erwähnen, die zu den Artikeln des Glaubens gehört.[57] Ebenso hat Unser Vorgänger Pius XII. an die Grenzen erinnert, die jene nicht überschreiten dürfen, die über das Geheimnis der Wesensverwandlung scharfsinnig disputieren.[58] Wir selbst haben beim Eucharistischen Kongreß Italiens in Pisa vor kurzem gemäß Unserem apostolischen Amt den Glauben der Kirche offen und feierlich bezeugt.[59]

56. Im übrigen hat die katholische Kirche den Glauben an die Gegenwart des Leibes und Blutes Christi in der Eucharistie nicht nur in der Lehre, sondern auch im Leben festgehalten, da sie dieses so große Sakrament zu allen Zeiten mit dem latreutischen Kult, der nur Gott gebührt, verehrt hat. Davon sagt der heilige Augustinus: ,,In seinem Fleisch ist der Herr auf Erden gewandelt, und dieses Fleisch hat er uns zur Speise, zum Heil gegeben; niemand aber ißt dieses Fleisch, bevor er es nicht angebetet hat … und wir sündigen keineswegs, wenn wir es anbeten, sondern wir sündigen, wenn wir es nicht anbeten“[60].

Der Kult der Anbetung, der dem Sakrament der Eucharistie gebührt

57. Die katholische Kirche hat diesen Kult der Anbetung, der dem Sakrament der Eucharistie gebührt, nicht nur innerhalb der Meßfeier, sondern auch außerhalb erwiesen und erweist ihn auch heute noch, indem sie die konsekrierten Hostien mit größter Sorgfalt aufbewahrt, sie den Gläubigen zur feierlichen Verehrung darbietet und sie in Prozessionen unter freudiger Anteilnahme des Volkes umherträgt.

58. Für diese Art der Verehrung haben wir zahlreiche altkirchliche Zeugnisse. So schärften die Seelsorger den Gläubigen immer wieder ein, die heilige Eucharistie, die sie bei sich zu Hause hatten, mit großer Ehrfurcht aufzubewahren. Der heilige Hippolyt z.B. mahnt nachdrücklich: ,,Der Leib Christi soll von den Gläubigen genossen, aber nicht verunehrt werden“[61].

59. Die Gläubigen hielten sich auch wirklich für schuldig – und mit vollem Recht, wie Origenes schreibt -, wenn nach dem Erhalt des Herrenleibes trotz aller Vorsicht und Ehrfurcht etwas davon durch Nachlässigkeit verlorenging.[62]

60. Novatian, dem man in diesem Punkt glauben kann, bezeugt, daß die Seelsorger jeden vorkommenden Mangel an gebührender Ehrfurcht streng tadelten; er hielt jeden der Verdammung würdig, ,,der nach Beendigung des Gottesdienstes die Eucharistie wie üblich mit sich führt … und den heiligen Leib des Herrn bei sich tragend“ nicht in sein Haus, sondern ins Theater geht.[63]

61. Der heilige Cyrill von Alexandrien weist die Auffassung, die heilige Eucharistie werde für die Heiligung wertlos, wenn das, was von ihr übrigbleibe, für den nächsten Tag aufbewahrt werde, als unsinnig zurück. ,,Denn“, so sagt er, ,,weder Christus noch sein heiliger Leib werden geändert; vielmehr bleiben die Kraft, die Macht und die bleibende lebenspendende Gnade der Segnung fortbestehen“[64].

62. Man darf weiter nicht außer acht lassen, daß die Gläubigen früher in Zeiten der Verfolgung oder wenn sie aus Liebe zum monastischen Leben in der Einsamkeit lebten, sich auch täglich mit der heiligen Eucharistie stärkten und – wenn kein Priester oder Diakon zugegen war – sich selbst die heilige Kommunion reichten.[65]

63. Dies führen Wir aber nicht an, um etwas an dem später durch Kirchengesetze vorgeschriebenen und auch heute geltenden Brauch zu ändern, wie die Eucharistie aufbewahrt und die heilige Kommunion empfangen wird; vielmehr sagen Wir es, um des Glaubens der Kirche froh zu werden, der stets ein und derselbe bleibt.

64. Diesem gleichen Glauben verdankt auch das Fronleichnamsfest seinen Ursprung, das zum ersten Mal in der Diözese Lüttich, besonders durch das Bemühen der seligen Dienerin Gottes Juliana vom Kornelienberg, gefeiert wurde. Unser Vorgänger Urban IV. führte es für die ganze Kirche ein. Unter dem Einfluß der göttlichen Gnade entstanden im Laufe der Zeit immer mehr Einrichtungen eucharistischer Frömmigkeit. In ihnen bemüht sich die katholische Kirche gleichsam wetteifernd, Christus Ehre zu erweisen, ihm für ein so großes Geschenk zu danken und seine Barmherzigkeit zu erflehen.

Mahnung zur Förderung eucharistischen Kultes

65. Wir bitten Euch daher, ehrwürdige Brüder, diesen Glauben, der ja nichts anderes will als treu an den Worten Christi und der Apostel festzuhalten, von allen falschen und schädlichen Auffassungen freizuhalten, ihn unter dem Eurer wachen Sorge anvertrauten Volk rein und unversehrt zu bewahren und den eucharistischen Kult, in den schließlich alle übrigen Formen der Frömmigkeit hineinführen und einmünden müssen, in Wort und Tat unermüdlich zu fördern.

66. Dringt darauf, daß die Gläubigen es mehr und mehr einsehen und erfahren: ,,Wer leben will, findet hier, wo und wovon er leben kann. Er trete hinzu, er glaube, lasse sich eingliedern, damit er belebt werde. Er verzichte nicht auf die Verbindung mit den Gliedern; er sei kein abgestorbenes Glied, das abgeschnitten zu werden verdient, kein entstelltes, dessen man sich schämen muß; er sei vielmehr ein schönes, taugliches und gesundes Glied; er bleibe verbunden mit dem Leib, er lebe für Gott und von Gott; er mühe sich jetzt auf Erden, um dann im Himmel zu herrschen“[66].

67. Die Gläubigen mögen so oft wie möglich, am besten täglich, tätig am Meßopfer teilnehmen, mit reinem und frommem Herzen sich durch die heilige Kommunion stärken und Christus, dem Herrn, auch gebührend für ein so großes Geschenk danken. Sie mögen an folgende Worte denken: ,,Der Wunsch Jesu Christi und der Kirche, daß alle Gläubigen täglich zum heiligen Mahl hinzutreten, hat vor allem den Sinn, daß sie – durch das Sakrament mit Gott verbunden – daraus Kraft schöpfen, die Leidenschaften zu beherrschen, die täglichen läßlichen Sünden zu tilgen und sich vor dem Fall in schwere Sünden, dem die menschliche Schwachheit immer ausgesetzt ist, zu bewahren“[67]. Außerdem sollen sie es nicht unterlassen, das allerheiligste Sakrament, – das an einem bevorzugten Ort und mit größter Ehrfurcht den liturgischen Gesetzen entsprechend in den Kirchen aufzubewahren ist – tagsüber zu besuchen; eine solche Besuchung ist ein Beweis der Dankbarkeit und ein Zeichen der Liebe und der schuldigen Verehrung gegenüber Christus, dem Herrn, der hierin gegenwärtig ist.

68. Es liegt auf der Hand, daß die heilige Eucharistie dem christlichen Volk eine unschätzbare Würde verleiht. Denn nicht nur dann, wenn das Opfer dargebracht und das Sakrament vollzogen wird, sondern auch nach der Darbringung des Opfers und nach dem Vollzug des Sakramentes, bei der Aufbewahrung der heiligen Eucharistie in den Kirchen oder in den Oratorien, ist Christus der wahre Emanuel, d.h. der ,,Gott mit uns“. Tag und Nacht weilt er in unserer Mitte und wohnt in uns voll der Gnade und Wahrheit.[68] Er formt unser sittliches Verhalten, er nährt die Tugenden, tröstet die Trauernden, stärkt die Schwachen und lädt alle, die zu ihm kommen, zu seiner Nachfolge ein, damit sie an seinem Beispiel lernen, sanftmütig und demütig von Herzen zu sein und nicht sich, sondern Gott zu suchen. Jeder, der eine besondere Andacht zur heiligen Eucharistie hat und sich bemüht, die unendliche Liebe Christi zu uns vorbehaltlos und großmütig zu erwidern, erfährt daher und erfaßt zutiefst mit großer innerer Freude und Frucht, welchen hohen Wert ein Leben hat, das mit Christus in Gott verborgen ist[69] und was es bedeutet, mit Christus Zwiesprache zu pflegen: hier auf Erden das Beglückendste und auf dem Weg zur Heiligkeit das Wirksamste.

69. Ihr wißt auch, ehrwürdige Brüder, daß die heilige Eucharistie in Kirchen und Oratorien aufbewahrt wird als geistlicher Mittelpunkt einer Ordensgemeinschaft oder Pfarrgemeinde, ja der gesamten Kirche und der ganzen Menschheit, da sie unter dem Schleier der Gestalten Christus, das unsichtbare Haupt der Kirche, den Erlöser der Welt, den Mittelpunkt aller Herzen enthält, ,,durch den alles ist und durch den wir sind“[70].

70. Deshalb drängt auch der Kult der heiligen Eucharistie nachdrücklich zur ,,sozialen“ Liebe[71], aufgrund derer wir das Gemeinwohl dem Privatwohl vorziehen, die Sache der Gemeinschaft, der Pfarrei, der Gesamtkirche zu der unsrigen machen und die Liebe auf die ganze Welt ausdehnen, weil wir wissen, daß es überall Glieder Christi gibt.

71. Da also, ehrwürdige Brüder, das Sakrament der heiligen Eucharistie Zeichen und Ursache der Einheit des mystischen Leibes Christi ist und in denen, die es mit großem Eifer verehren, ein sogenanntes tätiges Kirchenbewußtsein weckt, so unterlaßt es nicht, euren Gläubigen immer wieder nahezulegen, daß sie lernen – wenn sie zum eucharistischen Geheimnis hinzutreten -, die Sache der Kirche zu ihrer eigenen zu machen, unablässig zu Gott zu beten und sich selbst dem Herrn als wohlgefälliges Opfer für den Frieden und die Einheit der Kirche darzubringen, damit alle Söhne der Kirche eins und eines Sinnes seien und unter ihnen keine Spaltungen aufkommen, sondern nach der Vorschrift des Apostels[72] alle vollkommen einmütig und einer Meinung seien. So sollen sich auch alle, die noch nicht in vollkommener Gemeinschaft mit der katholischen Kirche verbunden sind – sofern sie von ihr getrennt doch den christlichen Namen tragen und sich dessen rühmen – mit Hilfe der Gnade Gottes möglichst bald mit uns zusammen jener Einheit des Glaubens und jener Gemeinschaft erfreuen, die nach dem Willen Christi seinen Jüngern eigen sein sollen.

72. Dieses Verlangen, für die Einheit der Kirche zu beten und sich für sie zu weihen, sollen vor allem die Ordensleute – Männer und Frauen – als ihre Aufgabe ansehen, die in besonderer Weise zur Anbetung des allerheiligsten Sakramentes beauftragt sind und durch ihre Gelübde gleichsam seine Krone hier auf Erden werden.

73. Das Streben nach der Einheit aller Christen, das der Kirche von alters her sehr am Herzen gelegen hat und auch liegt, wollen Wir von neuem mit den Worten ausdrücken, mit denen seinerzeit das Konzil von Trient das Dekret über die heilige Eucharistie schloß: ,,Väterlich ermahnt, bittet und beschwört bei der ,barmherzigen Liebe unseres Gottes‘[73] die heilige Synode alle und jeden einzelnen, die sich Christen nennen, endlich in diesem Zeichen der Einheit, in diesem Band der Liebe, in diesem Symbol der Eintracht zusammenzufinden und eins zu werden; sie mögen an die so große Majestät und die so einzigartige Liebe unseres Herrn Jesus Christus denken, der sein Leben als Preis für unser Heil und ,sein Fleisch‘ uns ,zur Speise‘[74] gegeben hat; sie mögen diese heiligen Geheimnisse seines Leibes und Blutes mit solcher festen Unerschütterlichkeit des Glaubens, mit solcher Andacht, Frömmigkeit und Hingebung glauben und verehren, daß sie jenes ,übernatürliche‘[75] Brot häufig empfangen können; es sei ihnen wirklich Leben der Seele und ständige Gesundheit des Geistes, ,durch dessen Kraft gestärkt‘[76] sie vom Weg dieser mühseligen Pilgerschaft zur himmlischen Heimat gelangen können, wo sie das ,Brot der Engel‘[77], das sie jetzt unter heiliger Verhüllung essen, unverschleiert genießen werden“[78].

74. Möge der gütige Erlöser, der im Angesicht des Todes zum Vater betete, daß alle, die an ihn glauben würden, eins sein sollten, wie er selbst und sein Vater eins sind[79], Unser und der ganzen Kirche sehnliches Verlangen baldigst erfüllen, daß wir alle einmütig im gleichen Glauben das eucharistische Geheimnis feiern und – Teilhaber am Leibe Christi geworden -einen Leib bilden[80], durch die gleichen Bande zusammengehalten, durch die er nach seinem Willen gebildet werden soll.

75. Schließlich wenden Wir Uns noch in brüderlicher Liebe an alle, die den ehrwürdigen Kirchen des Ostens angehören, denen so zahlreiche berühmte Väter entstammen und deren Zeugnis vom Glauben an die Eucharistie Wir gerne in dieses Unser Schreiben aufgenommen haben. Es ist für uns eine besondere Freude, wenn Wir sehen, wie Euer Glaube an die Eucharistie auch der Unsrige ist, wenn Wir auf die liturgischen Gebete lauschen, mit denen Ihr das so große Geheimnis feiert, wenn Wir Euren eucharistischen Kult sehen, wenn Wir Eure Theologen lesen, die die Lehre von diesem allerheiligsten Sakrament darlegen und verteidigen.

76. Die allerseligste Jungfrau Maria, von der Christus der Herr jenes Fleisch annahm, das in diesem Sakrament unter den Gestalten von Brot und Wein ,,enthalten ist, dargebracht und genossen wird“[81], und alle Heiligen, vor allem jene, die eine besonders innige Verehrung zur heiligen Eucharistie hatten, mögen den Vater der Barmherzigkeit bitten, daß aus dem uns gemeinsamen Glauben und dem gemeinsamen eucharistischen Kult die vollkommene Einheit der Gemeinschaft aller, die sich Christen nennen, entstehe und erblühe. Es mögen sich unserem Geist die Worte des heiligen Märtyrers Ignatius einprägen, mit denen er die Gemeinde von Philadelphia vor dem Übel der Trennungen und Spaltungen warnte, deren Heilmittel in der Eucharistie besteht: ,,Bemüht euch daher“, sagt er, ,,die eine Danksagung zu feiern. Es gibt nur ein Fleisch unseres Herrn Jesus Christus; es gibt nur einen Kelch in der Einheit seines Blutes, nur einen Altar, einen Bischof …“[82].

77. In der zuversichtlichen Hoffnung auf das Gute, das aus dem Wachstum des eucharistischen Kultes für die ganze Kirche und für die ganze Welt erwachsen wird, spenden Wir Euch, ehrwürdige Brüder, den Priestern, den Ordensleuten, allen Euren Mitarbeitern und allen Eurer Sorge anvertrauten Gläubigen als Zeichen der Gnade des Himmels von ganzem Herzen den Apostolischen Segen.

Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am Fest des Hl. Pius X. am 15. September 1965, im dritten Jahr Unseres Pontifikates.

PAULUS PP. VI.


[1] Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Kap. 2, Art 47: AAS 56 (1964) 113.

[2] Joh 6,54.

[3] Vgl. Joh 17,23.

[4] Enzyklika „Mirae caritatis“: Acta Leonis XIII, 22 (1902-1903) 122.

[5] In Matth., homil. 82, 4: PG 58, 743

[6] Summ. Theol. III, q. 75, a. 1 c.

[7] In IV Sent., dist. X, P. I, art. un., qu. 1; Oper. omn., Bd. IV, Ad Claras Aquas 1889, 217.

[8] Joh 6, 61-69.

[9] Augustinus, Contra Iulian. 6, 5, 11: PL 44, 829.

[10] De civit. Dei, 10, 23: PL 41, 300.

[11] Dogmatische Konstitution über den katholischen Glauben De fide catholica, Kap. 4.

[12] Vgl. Konzil von Trient, Lehre über das heiligste Meßopfer, Kap. 1.

[13] Vgl. Ex 24,8.

[14] Lk 22,19 f; vgl. Mt 26,26-28; Mk 14, 22-24.

[15] Apg 2,42.

[16] Apg 4,32.

[17] Vgl. 1 Kor 11,23 ff.

[18] 1 Kor 10,16. 21.

[19] Vgl. Mal 1,11.

[20] Konzil von Trient, Lehre über das heiligste Meßopfer, Kap. 2.

[21] Catecheses 23 (myst. 5), 8-18: PG 33, 1115-1118.

[22] Vgl. Confessiones 9, 12, 32: PL 32, 777; vgl. ebd. 9, 11, 27: PL 32, 775.

[23] Vgl. Serm. 172, 2: PL 38, 936; vgl. De cura gerenda pro mortuis 13: PL 40, 593.

[24] Vgl. Augustinus, De civit. Dei 10, 6: PL 41, 284.

[25] Vgl. Enzyklika „Mediator Dei“: AAS 39 (1947) 552.

[26] Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Kap. 2, Art. 11: AAS 57 (1965) 15.

[27] Vgl. ebd., Kap. 2, Art. 10: AAS 57 (1965) 14.

[28] Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Kap. 1, Art. 27: AAS 56 (1964) 107.

[29] Vgl. Pontificale Romanum.

[30] Vgl. Kap. 1, Art. 7: AAS 56 (1964) 100 f.

[31] Augustinus, In Ps. 85, 1: PL 37, 1081.

[32] Vgl. Mt 18,20.

[33] Vgl. Mt 25,40.

[34] Vgl. Eph 3,17.

[35]Vgl. Röm 5,5.

[36] Augustinus, Contra Litt. Petiliani 3, 10, 11: PL 43, 353.

[37] Augustinus, In Ps. 86,3: PL 37, 1102.

[38] In Epist. 2 ad Timot., homil. 2, 4: PG 62, 612.

[39] Aegidius Romanus, Theoremata de Corpore Christi, theor. 50. Venedig 1521, 127.

[40] Thomas, Summ. Theol., III, q. 73, Nr. 3 c.

[41] Vgl. Konzil von Trient, Dekret über die heiligste Eucharistie, Kap. 3.

[42] Pius XII., Enzyklika „Humanis generis“: AAS 42 (1950) 578.

[43] Dekret über die heiligste Eucharistie, Vorwort und Kap. 2.

[44] Didache 9, 1: F. X. Funk, Patres Apostolici, 1, 20.

[45] Epist. ad Magnum 6: PL 3, 1189.

[46] 1 Kor 10,17.

[47] Ignatius, Epist. ad Smyrn. 7, 1: PG 5, 714.

[48] In Matth. Comm., Kap. 26: PG 66, 714.

[49] Dekret über die heiligste Eucharistie, Kap. 1.

[50] Vgl. Enzyklika „Mirae caritatis“: Acta Leonis XIII, 22 (1902-1903) 123.

[51] Vgl. Konzil von Trient, Dekret über die heiligste Eucharistie, Kap. 4 und Kanon 2.

[52] Catecheses 22, 9 (myst. 4): PG 33, 1103.

[53] De prodit. Iudae, homil. 1, 6: PG 49, 380; vgl. In Matth., homil. 82,5: PG 58, 744.

[54] In Matth. 26,27; PG 72, 451.

[55] De myster. 9, 50-52: PL 16, 422-424.

[56] Mansi, SS. Concil. Nova et. ampliss. coll. 20, 524 D.

[57] Konstitution „Auctorem fidei“ vom 28.8. 1794.

[58] Ansprache vom 22. 9. 1956: AAS 48 (1956) 720.

[59] AAS 57 (1965) 588-592.

[60] In Ps. 98, 9: PL 37, 1264.

[61] Traditio Apostolica: B. Botte (Hrsg.), La tradition Apostolique de St. Hippolyte. Münster 1963, 84.

[62] In Exod. fragm.: PG 12, 391.

[63] De Spectaculis: CSEL 33 , 8.

[64] Epist. ad CalosyriumPG 76, 1075.

[65] Vgl. Basilius, Epist. 93: PG 32, 483-486.

[66] Augustinus, In Ioann., tract. 26, 13: PL 35, 1613.

[67] Dekret der Konzilskongregation vom 20. 12. 1905, approbiert von Pius X.: ASS 38 (1905) 401.

[68] Vgl. Joh 1,14.

[69] Vgl. Kol 3,3.

[70] 1 Kor 8,6.

[71] Vgl. Augustinus, De gen. ad litt. 11, 15, 20: PL 34, 437.

[72] Vgl. 1 Kor 1,10.

[73] Lk 1,78.

[74] Joh 6,48 ff.

[75] Mt 6,11 [Vulgata-Text: supersubstantialem].

[76] 1 Kön 19,8.

[77] Ps 77,25.

[78] Dekret über die heiligste Eucharistie, Kap. 8.

[79] Vgl. Joh 17,20 f.

[80] Vgl. 1 Kor 10,17.

[81] CIC, can. 801.

[82] Epist. ad Philadelph. 4: PG 5, 700.

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Quelle