Israel is under attack.

Wortlaut: Friedensbotschaft von Papst Franziskus für den Libanon

Mit der Friedenslampe  (Vatican Media)

Hier finden Sie die Ansprache, die Papst Franziskus am Donnerstag Abend beim ökumenischen Friedensgebet für den Libanon im Petersdom gehalten hat, in vollem Wortlaut und offizieller deutscher Fassung.01/07/2021Zum Mitbeten: Friedensgebet für den Libanon

Sämtliche Wortmeldungen des Papstes im offiziellen deutschen Text finden Sie hier.

Liebe Brüder und Schwestern,

heute sind wir, angetrieben von der Sorge um den Libanon, zum Gebet und zum Nachdenken zusammengekommen. Es regt sich eine starke Sorge, wenn man auf dieses in eine schwere Krise geratene Land schaut. Ich trage dieses Land im Herzen und hege den Wunsch, es zu besuchen. Allen Teilnehmern bin ich dankbar für die bereitwillige Annahme der Einladung und für die brüderliche Gemeinschaft. Gestützt durch das Gebet des heiligen Gottesvolkes, haben wir Hirten in dieser dunklen Stunde gemeinsam versucht, uns am Licht Gottes zu orientieren. Und in seinem Licht haben wir vor allem unsere Trübheit gesehen: die Fehler, die wir begangen haben, als wir das Evangelium nicht konsequent und vollumfänglich bezeugt haben, die verpassten Chancen auf dem Weg der Geschwisterlichkeit, der Versöhnung und der vollen Einheit. Hierfür bitten wir um Verzeihung und mit reuevollem Herzen rufen wir: „Hab Erbarmen mit mir, Herr!“ (Mt 15,22).

„Der Schrei eines ganzen Volkes“

Dies war der Schrei einer Frau, die gerade in der Gegend von Tyrus und Sidon Jesus begegnete und ihn angsterfüllt und unauf-hörlich anflehte: „Herr, hilf mir!“ (V. 25). Dieser Schrei ist heute zu dem eines gesamten Volkes geworden, des libanesischen Volkes, das enttäuscht und abgekämpft ist und Gewissheiten, Hoffnung und Frieden benötigt. Mit unserem Gebet wollten wir diesen Schrei begleiten. Lassen wir nicht davon ab, werden wir nicht müde, vom Himmel jenen Frieden zu erbitten, für dessen Schaffung auf Erden sich die Menschen abmühen. Erbitten wir ihn inständig für den Nahen Osten und den Libanon. Dieses liebenswerte Land, das ein Schatz der Zivilisation und Spiritualität ist, über die Jahrhunderte Weisheit und Kultur ausgestrahlt hat und die einzigartige Erfahrung eines friedlichen Zusammenlebens bezeugt, kann nicht einfach dem Schicksal oder denen ausgeliefert werden, die skrupellos ihre eigenen Interessen verfolgen. Denn der Libanon ist ein kleines und großes Land zugleich, aber er ist noch mehr: Er ist eine universale Botschaft des Friedens und der Geschwisterlichkeit, die aus dem Nahen Osten aufsteigt.

„Wir beteuern mit all unseren Kräften, dass der Libanon ein Gedanke des Friedens ist und bleiben muss“

Ein Satz, den der Herr in der Schrift sagt, ist heute unter uns erklungen, gleichsam als Antwort auf den Schrei unseres Gebets. Es sind wenige Worte, mit denen Gott erklärt, „Gedanken des Friedens und nicht des Unheils“ (Jer 29,11) zu hegen. Gedanken des Friedens und nicht des Unheils. In diesen Zeiten des Unheils wollen wir mit all unseren Kräften beteuern, dass der Libanon ein Gedanke des Friedens ist und bleiben muss. Seine Berufung ist, ein Land der Toleranz und des Pluralismus zu sein, eine Oase der Geschwisterlichkeit, wo die verschiedenen Religionen und Konfessionen sich begegnen, wo unterschiedliche Gemeinschaften zusammenleben, indem sie das Gemeinwohl vor die Partikularinteressen stellen. Es ist daher von wesentlicher Bedeutung, das möchte ich unterstreichen, »dass sich die Machthabenden endlich entschlossen in den Dienst des Friedens stellen und nicht ihren eigenen Interessen dienen. Es muss damit Schluss sein, dass die Gewinne einiger weniger auf Kosten so vieler erwirtschaftet werden. … Schluss damit, dass parteiische Wahrheiten über den Hoffnungen der Menschen stehen!« (Ansprache am Ende des Dialogtreffens, Bari, 7. Juli 2018). Schluss damit, den Libanon und den Nahen Osten für fremde Interessen und Profite zu benutzen! Es tut not, den Libanesen die Möglichkeit zu geben, in ihrem Land ohne ungebührliche Einmischungen Akteure einer besseren Zukunft zu sein.

Gedanken des Friedens und nicht des Unheils. Ihr, liebe Libanesen, habt euch im Lauf der Jahrhunderte auch in den schwierigsten Augenblicken durch Unternehmungsgeist und Fleiß ausgezeichnet. Eure hohen Zedern, die das Wahrzeichen des Landes sind, rufen den florierenden Reichtum einer einzigartigen Geschichte in Erinnerung. Und sie erinnern auch daran, dass große Äste nur aus tiefen Wurzeln hervorgehen. Es mögen euch die Beispiele derer anregen, die es verstanden haben, gemeinsame Fundamente zu legen, weil sie in der Unterschiedlichkeit nicht Hindernisse, sondern eine Möglichkeit erblickten. Lasst die Friedensträume eurer alten Menschen in euch Wurzeln schlagen. Niemals haben wir es so wie in diesen Monaten verstanden, dass wir uns allein nicht retten können und die Probleme der einen den anderen nicht fremd sein können.

„Lasst euch nicht entmutigen, verzagt nicht, findet in den Wurzeln eurer Geschichte die Hoffnung wieder“

Daher appellieren wir an euch alle. An euch, Bürger: Lasst euch nicht entmutigen, verzagt nicht, findet in den Wurzeln eurer Geschichte die Hoffnung wieder, um erneut aufzukeimen. An euch, Politiker in Führungspositionen: auf dass ihr entsprechend euren Verantwortlichkeiten dringliche und solide Lösungen für die gegenwärtige wirtschaftliche, soziale und politische Krise findet, und denkt daran, dass es keinen Frieden ohne Gerechtigkeit gibt. An euch, liebe Diasporalibanesen: auf dass ihr die Energien und die besten Ressourcen, über die ihr verfügt, in den Dienst eures Heimatlandes stellt. An euch, Mitglieder der internationalen Gemeinschaft: Bemüht euch gemeinsam darum, die Bedingungen zu schaffen, damit das Land nicht versinkt, sondern einen Weg des Aufschwungs einleitet. Das wird für alle gut sein.

Gedanken des Friedens und nicht des Unheils. Als Christen wollen wir heute unseren Einsatz zum Aufbau einer gemeinsamen Zukunft erneuern, weil diese nur friedlich sein wird, wenn sie gemeinschaftlich sein wird. Die Beziehungen unter den Menschen können nicht auf der Suche nach parteiischen Interessen, Privilegien oder Gewinnen gründen. Nein, die christliche Sicht der Gesellschaft kommt von den Seligpreisungen, sie entspringt der Milde und der Barmherzigkeit, sie führt dazu, in der Welt das Handeln Gottes nachzuahmen, der Vater ist und Eintracht unter den Kindern will. Wir Christen sind gerufen, Sämänner des Friedens und Erbauer der Geschwisterlichkeit zu sein, nicht vom Groll und dem Bedauern der Vergangenheit zu leben, nicht vor der Verantwortung der Gegenwart zu flüchten und einen Blick der Hoffnung auf die Zukunft zu pflegen. Wir glauben, dass Gott uns eine einzige Richtung für unseren Weg weist: jene des Friedens. Versichern wir daher den muslimischen Brüdern und Schwestern und der anderen Religionen Offenheit und Verfügbarkeit zur Zusammenarbeit, um die Geschwisterlichkeit aufzubauen und den Frieden zu fördern. Dieser »erfordert weder Sieger noch Besiegte, sondern Brüder und Schwestern, die trotz der Missverständnisse und Wunden der Vergangenheit den Weg vom Konflikt zur Einheit gehen« (Ansprache bei der interreligiösen Begegnung, Ebene von Ur, 6. März 2021). In diesem Sinne bringe ich den Wunsch zum Ausdruck, dass auf diesen Tag konkrete Initiativen im Zeichen des Dialogs, des Einsatzes für die Bildung und der Solidarität folgen.

„Vereint bleiben in der Nacht der Krise“

Gedanken des Friedens und nicht des Unheils. Heute haben wir uns die von Hoffnung erfüllten Worte des Dichters Gibran zu eigen gemacht: Über dem dunklen Vorhang der Nacht gibt es eine Morgendämmerung, die uns erwartet. Einige junge Menschen haben uns gerade brennende Lampen überreicht. Gerade sie, die jungen Menschen, sind Lampen, die in diesen dunklen Stunden brennen. Auf ihren Gesichtern glänzt die Hoffnung der Zukunft. Sie mögen Gehör und Aufmerksamkeit finden; denn von ihnen geht der Neuanfang des Landes aus. Und schauen wir alle, bevor wir wichtige Entscheidungen treffen, auf die Hoffnungen und die Träume der jungen Menschen. Schauen wir auf die Kinder: ihre strahlenden, aber von zu vielen Tränen getränkten Augen mögen die Gewissen wachrütteln und die Entscheidungen orientieren. Weitere Lichter leuchten am Horizont des Libanon auf: Es sind die Frauen. Es kommt uns die Mutter aller in den Sinn, die vom Berg Harissa aus mit ihrem Blick all die umarmt, die vom Mittelmeer her das Land erreichen. Ihre offenen Hände richten sich auf das Meer und die Hauptstadt Beirut, um die Hoffnungen von allen entgegenzunehmen. Die Frauen sind Lebens- und Hoffnungsspenderinnen für alle; sie mögen respektiert, wertgeschätzt und in die Entscheidungsprozesse für den Libanon eingebunden werden. (…)

Wenn wir den Dichter nochmals frei wiedergeben, so erkennen wir, dass es, um zur Mordendämmerung zu gelangen, keinen ande-ren Weg außer der Nacht gibt. Und in der Nacht der Krise ist es notwendig, vereint zu bleiben. Gemeinsam, durch die Aufrichtigkeit des Dialogs und Ehrlichkeit der Absicht kann man Licht in die dunklen Gegenden bringen. Vertrauen wir jede Mühe und jeden Einsatz Christus an, dem Friedensfürsten, denn, wie wir gebetet haben, „wenn sich die schattenlosen Strahlen seiner Barmherzigkeit erheben, wird die Finsternis zerstreut, endet die Dämmerung, verflüchtigt sich die Dunkelheit und die Nacht vergeht“ (vgl. HL. GREGOR VON NAREK, Buch der Klagelieder, 41). Die Nacht der Konflikte möge sich verflüchtigen und die Morgendämmerung der Hoffnung heraufziehen. Die Feindseligkeiten mögen aufhören, die Zwistigkeiten untergehen, und der Libanon strahle wieder das Licht des Friedens hinaus in die Welt.

(vatican news – sk)

Beirut: Moslems kaufen Häuser von Christen, um sie zu vertreiben

Bergoglio (Papst Franziskus) und der Imam der al-Azhar-Moschee, Ahmed Al-Tayeb · Foto: VoxNews

Die Explosion, die Beirut verwüstete, traf in starkem Umfang auch die dort lebende christliche Gemeinde. Bischof Mrad von den syrischen Katholiken schlägt Alarm.

Beiruts Christen gehören zu den durch die Hafenexplosion am meisten geschädigten Menschen. Die umliegenden Gebiete waren zumeist von Christen bewohnt bzw. waren Viertel mit einer höheren Präsenz von Bürgern der christlichen Religion. Jetzt sind die Kirchen zerstört, die Häuser wurden in vielen Fällen von der Schockwelle hinweggefegt.

Ein enormer Schaden, zu dem ein sehr gefährlicher Effekt hinzukommt: Die reichsten Moslems kaufen jetzt die zerstörten Häuser, weil sie die einzigen sind, die noch Geld haben, um sie wieder aufzubauen. Und diejenigen, die alles verloren haben, sind gezwungen, ihre zerstörten Häuser zu verkaufen und zu gehen. Mit der Zeit wird es somit in diesen Vierteln kaum mehr Christen geben. Aus diesem Grund bittet die Kirche den Staat um Intervention, um diesen Prozess zu vermeiden, der eine Diaspora auslösen kann: das Verschwinden der Christen aus dem Libanon.

Im gesamten Nahen Osten waren Christen die ursprüngliche Bevölkerung. Das war vor dem „großen Austausch“, der mit der arabischen Eroberung begann und sich mit der Einwanderung von Moslems von der arabischen Halbinsel und aus Afrika stetig fortsetzte. In Verbindung mit Zwangskonvertierungen.

Man sieht sicherlich die Analogie: ebenso kann es uns heute in Europa ergehen, wenn wir die Zeichen der Zeit nicht erkennen…

Quelle: VoxNewsUnser Mitteleuropa

Franziskus bittet um Gebet für Libanon nach Explosion

Beirut am Tag danach

Papst Franziskus hat bei der Generalaudienz am Mittwochmorgen zum Gebet für den Libanon aufgerufen. Dort starben nach starken Explosionen am Hafen von Beirut am Dienstagnachmittag Dutzende Menschen, Tausende weitere wurden verletzt.

„Beten wir für die Opfer und ihre Familien; und beten wir für den Libanon, damit er mit dem Einsatz aller seiner sozialen, politischen und religiösen Komponenten diesen tragischen und schmerzlichen Moment bewältigen und mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft die schwere Krise überwinden kann, die das Land durchlebt”, sagte der Papst bei der Generalaudienz, seiner ersten nach der Sommerpause im Juli.

Hinweise auf einen Anschlag oder einen politischen Hintergrund gab es nach offiziellen Angaben zunächst nicht. Die Ursache der Explosion waren Ministerpräsident Hassan Diab zufolge knapp 3.000 Tonnen Ammoniumnitrat, die in einem Lagerhaus am Hafen untergebracht waren. Der Stoff, der zur Herstellung von Sprengstoff und Düngemittel dient, sei seit sechs Jahren ohne Vorsichtsmaßnahmen gelagert worden. Videos zeigen zwei Explosionen in der Nähe des Hafens. Über der Stadt stieg eine riesige Rauchwolke auf. Der Generaldirektor für Sicherheit, Abbas Ibrahim, bestätigte, dass die Explosionen in einem Lagerhaus stattfanden, in dem „hochexplosives Material“ gelagert war, aber er äußerte sich nicht zum Ursprung der Detonationen.

Kurienkardinal Leonardo Sandri zeigte sich auf Twitter bestürzt und rief die Muttergottes von Harissa, Patronin des Libanon, um Beistand an. Sandri ist Präfekt der vatikanischen Ostkirchenkongregation.

Ursachen klären

Libanons Präsident Michel Aoun berief für Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung des Kabinetts ein, um die Ursachen der Explosion zu klären. „Ich werde nicht ruhen, ehe ich den Verantwortlichen kenne und ihm die härteste Strafe gebe“, sagte Aoun laut Zitaten des Präsidialamts bei Twitter. Regierungschef Diab erklärte den Mittwoch zum Tag landesweiter Trauer in Gedenken an die Opfer. Für die Stadt wurde ein zwei Wochen langer Notstand verhängt.

Die Europäische Union und Frankreich – frühere Mandatsmacht des Libanon – stellten Hilfen in Aussicht. UN-Generalsekretär António Guterres reagierte bestürzt und drückte den Familien der Opfer sein „tiefstes Beileid“ aus.

Selbst Israel, das mit dem benachbarten Libanon keine diplomatischen Beziehungen pflegt, bot über ausländische Kanäle „medizinische humanitäre Hilfe“ an. Offiziell befinden sich beide Länder noch im Krieg. Auch der Iran brachte seine Nähe zum „widerstandsfähigen“ libanesischen Volk zum Ausdruck.

Schwere Krise

Der Libanon findet sich in einer schweren Krise, aus Sicht mancher Beobachter auch am Rande eines neuen Krieges. Seit Tagen verzeichnet das Land Bedrohungen aus dem Süden und Norden. Im Süden hat der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu gewarnt, dass er zu einem Krieg bereit sei, um die Gewalt der Hisbollah zu stoppen. Im Norden kommt es zu Manövern mit Waffen aus der Türkei, die gegen die Schiiten der Hisbollah eingesetzt werden könnten, bis die endgültige Entscheidung des Internationalen Tribunals vorliegt, die Licht in die Ermordung des verstorbenen Premierministers Rafic Hariri bringen sollte.

(vatican news/afp/asianews/diverse – gs)

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Siehe auch:

https://www.dailymail.co.uk/news/article-8595015/Inside-Beiruts-ground-zero-Astonishing-images-reveal-scale-devastation-Lebanese-capital.html

https://twitter.com/sahouraxo/status/1290931692769697798?s=20

Libanon: Kardinal bittet um internationale Hilfe

Jugendliche in Beiru protestieren gegen die Politiker des Landes (ANSA)

Der Niedergang der Währung, ein unglaublicher Kaufkraftverlust, eine Reihe von Entlassungen und Selbstmorden aufgrund von Hunger: Der Libanon stürzt weiter unaufhaltsam in den Abgrund. Das Oberhaupt der Maroniten, Kardinal Bechara Boutros Raï griff nun in einer energischen und entschlossenen Rede die politische Klasse des Landes an und forderte Präsident Michel Aoun auf, „die Belagerung der nationalen Freiheit zu brechen“. Der Kardinal bat die internationale Gemeinschaft, die Einheit des Libanon zu schützen.

Mit „einer gewissen Vehemenz“ ermahnte der Kardinal die libanesische politische Klasse und wies auf diejenigen hin, die sich nur um ihren eigenen Vorteil zu kümmern schienen und „weder dem Land noch ihrem Volk Loyalität zukommen lassen“. Das schreibt die libanesische Zeitung „L´Orient-Le Jour“ und zitiert den maronitischen Patriarchen. „Diese Politiker scheinen ihre Mit-Verantwortung für die Plünderung der Staatskasse verbergen zu wollen und sich jeder strukturellen oder sektoralen Reform zu entziehen“, habe Bechara Raï gesagt. Er sei davon überzeugt, dass eine solche Haltung das Vertrauen der arabischen und internationalen Gemeinschaft in den Libanon trotz seines großen Potentials nur untergraben würde.

Jahrzehntelange Misswirtschaft hätte zu der sozialen Explosion geführt, die sich seit Oktober spürbar mache. Das Resultat seien mehr Armut, Arbeitslosigkeit und Korruption, fasst der Kirchenmann zusammen. „Und was bedauerlich ist, ist die Tatsache, dass die politischen Führer, unabhängig von ihrer Funktion, nicht den Mut und die innere Freiheit haben, gemeinsam nach einer politischen Lösung zu suchen und die Wurzel unserer Krisen anzugehen“, beklagte der Patriarch.

„Seit wann ist Erniedrigung zur libanesischen Lebensweise geworden? Seit wann sind die Menschen gezwungen, auf der Straße zu betteln, ja aus Hunger sogar Selbstmord zu begehen?“,  empörte er sich und bezog sich dabei auf drei Selbstmordfälle in weniger als 24 Stunden in der vergangenen Woche.

Das arabische Land, das seit langem als Modell für den Nahen Osten galt, leidet noch immer unter den Auswirkungen der Krise: Schulen und Universitäten wurden geschlossen oder stehen kurz vor der Schließung, die Krankenhäuser werden reduziert, das Geld der Einleger wird „von den Banken selber beschlagnahmt“. Der Kardinal geht noch weiter: Für ihn sei der Libanon „in Privateigentum verwandelt worden, das von einer politischen Klasse konfisziert wurde, die zum Schaden des öffentlichen Interesses eigenmächtig darüber verfügt“.

Neutralität ist die Stärke des Libanon

Doch Patriarch Raï verspricht auch, dass sein Volk sich nicht beugen und nicht schweigen werde. „Die Revolution unseres gedemütigten Volkes verdient es, geschützt und nicht unterdrückt zu werden. Die Gefahr geht nicht von jungen Menschen aus, Männern und Frauen, die für ihre Rechte kämpfen, die den Wandel und die Zukunft verkörpern. Die Subvbersion spielt sich außerhalb der Revolution ab“, sagt der Kardinal in aller Deutlichkeit.

Zwei Appelle schließen die leidenschaftliche Rede ab. Zuerst an Präsident Michel Aoun, den der Kardinal auffordert, „sich für die Aufhebung der Belagerung einzusetzen, die der Legalität und der freien nationalen Entscheidung auferlegt wurde“; dann an befreundete Länder und an die internationale Gemeinschaft, damit sie dem Libanon „zu Hilfe kommen“ und sich endlich verpflichten, seine Unabhängigkeit und Neutralität zu schützen.

(vatican news/l´orient-le jour – mg)

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Experte: Libanon steht vor dem völligen Kollaps

Proteste in Beirut (ANSA)

Wovor Experten seit Jahren warnen, dürfte nun eingetroffen sein: Der Libanon steht endgültig vor dem wirtschaftlichen Kollaps.

Bis zu 400.000 Menschen sollen im letzten Jahr im Libanon ihre Arbeit verloren haben, die Geldentwertung nimmt ungeahnte Ausmaße an, es gibt nur mehr fünf Stunden am Tag Strom; nun würden auch noch Treibstoff und Heizöl knapp werden, das sich aber ohnehin immer weniger Menschen leisten könnten. Mit diesem Befund ist der Libanon-Experte Stefan Maier, Mitarbeiter des Hilfswerkes „Initiative Christlicher Orient“ (ICO), dieser Tage von einem Projektbesuch im Zedernstaat zurückgekehrt.

„Wie soll eine Schule mit 100 Dollar pro Woche den Betrieb aufrechterhalten?“

Die Bankenkrise mache zudem jede Planung unmöglich und führe immer mehr Menschen bzw. Familien ins Elend, die zumindest theoretisch noch über Geldreserven verfügen würden, so Maier gegenüber Kathpress. Vor einigen Monaten konnte man plötzlich nur mehr 300 Dollar pro Woche vom eigenen Konto abhaben, inzwischen kann man nur noch alle zwei Wochen 200 Dollar abheben. Dieser Wert gelte sowohl für Einzelpersonen als auch für Institutionen.

Die Menschen könnten auf ihre Gehälter nicht zugreifen, die Institutionen könnten niemanden bezahlen. Maier: „Wie soll eine Schule mit 100 Dollar pro Woche den Betrieb aufrechterhalten?“

Sogar während des Bürgerkriegs war wirtschaftliche Lage besser

Die wirtschaftliche Lage sei sogar während des Krieges in den 1970er und 1980er-Jahren besser gewesen, habe man ihm erzählt, so der ICO-Mitarbeiter. Die allgemeine Stimmung im Land sei, dass die Talsohle immer noch nicht durchschritten ist. Die nächsten zwei bis drei Monate seien entscheidend.

Inzwischen gebe es zwar eine neue Regierung, aber trotzdem wenig Hoffnung. Zwar seien dem Namen nach nicht mehr die bisherigen Clans vertreten, die sich das Land untereinander aufgeteilt haben, „aber statt der bisherigen Minister sitzen nun einfach deren wichtigste Mitarbeiter bzw. Berater in den Ministersesseln“. Gerüchten zufolge soll die herrschende Elite vor dem Finanzkollaps 19 Milliarden Dollar ins sichere Ausland geschafft haben. Und da die neue Regierung vor allem Rückhalt von der Hisbollah hat, befürchteten die Menschen, dass es vom Westen keine Hilfe geben wird – so dringend sie auch benötigt werde.

ICO hilft ärmsten Kindern

Die in Linz ansässige ICO unterstützt vor allem Bildungseinrichtungen von Ordensgemeinschaften im Libanon. In den Kindergärten, Schulen und Internate würden tausende Kinder eine gute Ausbildung erhalten, so Maier. Aufgrund der zunehmenden Armut könnten sich viele Eltern das Schulgeld aber nicht mehr leisten. Auch die Ordensgemeinschaften selbst seien am finanziellen Limit. Bezahlen könne man ohnehin nur mehr bar in Dollar, worauf die Menschen aber so gut wie keinen Zugriff mehr hätten.

Maier besuchte dieser Tage im Libanon u.a. die Schule St. Vinzenz der Barmherzigen Schwestern von Besançon in der Ortschaft Baskinta. Die Räume würden nur mehr zu den Unterrichtszeiten notdürftig geheizt und die Kinder müssten mit Jacken und Westen den Unterricht verfolgen. Die Räume der Schwestern werden gar nicht mehr beheizt. Baskinta liegt hoch oben im Libanongebirge, die Winter sind bitterkalt.

Von den 360 Schülerinnen und Schülern können nicht einmal die Hälfte das volle Schulgeld bezahlen. Fast ein Drittel bezahle gar nichts, und die Armut nehme dramatisch zu. „Die Schwestern müssen aber die Lehrer weiter bezahlen“, so Maier: „Jetzt geht es nicht mehr darum, dringend notwendige Reparaturen an den Gebäuden vorzunehmen, sondern einfach irgendwie den Schulbetrieb aufrechterhalten zu können.“ Um den Kindern, darunter viele syrische Flüchtlingskinder und Kinder aus den ärmsten libanesischen Familien, weiterhin den Schulbesuch zu ermöglichen, übernimmt die ICO das Schulgeld und finanziert zum Teil die Heizkosten.

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(kap – sk)

Pilgerströme aus dem Libanon kommen zum Jubiläum nach Fatima

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Wien/Beirut. Das Fatima-Jahr wird auch bei den Maroniten groß gefeiert. Anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums wird das Marienheiligtum Fatima am 24. Juni einen »Tag für den Libanon« feiern, zu dem große Pilgerströme aus dem Zedernstaat in Portugal erwartet werden. Beim Gottesdienst in der Marienbasilika mit Kardinal-Patriarch Bechara Boutros Raï wollen die katholischen Patriarchen aus dem Nahen Osten die Weihe Libanons an Maria erneuern, wie die Stiftung »Pro Oriente« berichtete.

Die im Libanon beheimatete maronitische Kirche begeht 2017 als »Jahr des Martyriums und der Märtyrer«, das zahlreiche spirituelle und kulturelle Veranstaltungen umfassen soll. Auftakt des Jahres war der 9. Februar, Fest des heiligen Eremiten Maron, der als Begründer der maronitischen Tradition angesehen wird. Das Gedenkjahr wird bis zum Fest des ersten maronitischen Patriarchen am 2. März 2018 dauern. Kardinal Raï betonte in einer Botschaft die »Aktualität und Opportunität« des Themas angesichts der Tatsache, dass die Kirche heute an vielen Orten, vor allem im Nahen Osten, der Verfolgung ausgesetzt sei.

Bei ihrem letzten Monatstreffen am 1. Februar hat die Versammlung der maronitischen Bischöfe ein neues Wahlrecht für den Libanon eingefordert, das eine gerechte Repräsentation aller sozialen und religiösen Komponenten der libanesischen Gesellschaft garantiert. In einer gemeinsamen Verlautbarung unterstrichen die Bischöfe die Notwendigkeit »der Beschleunigung der Debatte über das neue Wahlrecht«.

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Quelle: Osservatore Romano 6/2017

Eine Reliquie für die deutschsprachigen Katholiken in Rom

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Rom. Die Kirche der deutschsprachigen Katholiken in Rom, »Santa Maria dell’Anima«, erhielt eine Reliquie des libanesischen Heiligen Charbel Makhlouf. Am Freitagabend, 22. Januar, zelebrierte der maronitische Patriarch von Antiochien, Kardinal Bechara Boutros Raï, anlässlich der feierlichen Übergabe der Reliquie an Rektor Franz Xaver Brandmayr in »Santa Maria dell’Anima« die heilige Messe im maronitischen Ritus. Die Knochenreliquie ist ein Geschenk des Kollegs Mar Abda des Maronitenordens der Heiligen Jungfrau Maria im Libanon. Sie erhielt ihren Platz in einem der Altäre der Kirche, an dem zugleich ein permanentes »Friedenslicht für den Libanon und den Nahen Osten« entzündet wurde. 2014 hatte Kardinal Christoph Schönborn das Saint-Charbel-Heiligtum in den Bergen nordöstlich von Beirut besucht.

Charbel Makhlouf (1828-1898) war ein maronitischer Mönch. Er stammte aus einer einfachen christlichen Bauernfamilie in der schwer zugänglichen Hochgebirgsregion im Norden des Libanon. Mit 23 Jahren trat er in das Kloster von Mayfouk ein. Im Jahre 1853 wechselte er zum Kloster Saint-Maroun in Annaya, legte dort das Mönchsgelübde ab und nahm den Ordensnamen Charbel an.

Die nächsten Jahre verbrachte er im Kloster Kfifan, wo er bei Pater Nimatullah al-Kafri und Pater Nimatullah al-Hardini (der 2004 von Johannes Paul II. heiliggesprochen wurde) Theologie studierte. 1859 wurde er zum Priester geweiht und kehrte nach Annaya zurück. 1875 entschied er sich für ein Leben als Eremit. Am 16. Dezember 1898 erlitt er, während er in der Eremitage die heilige Messe zelebrierte, einen Schlaganfall, an dessen Folgen er am Heiligen Abend 1898 verstarb.

Charbel stand schon zu Lebzeiten im Ruf der Heiligkeit. Bald nach seinem Tode stellte man fest, dass sein Leichnam nicht verwest oder vertrocknet war. Diese Phänomene sowie zahlreiche Krankenheilungen an seinem Grab machten ihn sehr schnell zu einem festen Bestandteil orientalisch-christlicher Volksfrömmigkeit. Zwei Heilungen aus dem Jahre 1950 führten schließlich zur Einleitung eines Seligsprechungsverfahrens in Rom, das am 5. Dezember 1965 mit der offiziellen Seligsprechung Charbels durch Papst Paul VI. seinen Abschluss fand. Aufgrund einer dritten bezeugten Heilung im Jahre 1967 sprach Paul VI. den maronitischen Mönch am 9. Oktober 1977 in Rom heilig.

Heute ist Charbel Makhlouf im Nahen Osten einer der populärsten Heiligen. Sein Grab im Saint-Maroun-Kloster von Annaya ist ein Pilgerziel für Christen aller Konfessionen sowie für Muslime und Alawiten.

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Quelle: Osservatore Romano 4/2016

Siehe auch: