Vatikan-China-Deal: Kardinal Zen erhebt schwere Vorwürfe gegen Kardinal Parolin

Überaus deutlich hat Kardinal Joseph Zen neuen Aussagen von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin zur Verteidigung des Vatikan-China-Deals widersprochen – insbesondere Parolins Behauptung, Benedikt XVI. hätte dem kontroversen Abkommen zugestimmt.

Der emeritierte Bischof von Hongkong beschuldigt Parolin wörtlich der Lüge – und wirft ihm zudem vor, Papst Franziskus im Umgang mit der Volksrepublik China „manipuliert“ zu haben.

Ihm sei „schlecht geworden“, als er die Rede las, die Kardinal Parolin am 3. Oktober zur Verteidigung des kontroversen Deals hielt, so Zen in einem gestern veröffentlichten Essay.

„Nachdem [Parolin] weder dumm noch ignorant ist“, schreibt Zen wörtlich, bleibe ihm nur der Schluss, dass der Kardinalstaatssekretär „offenen Auges eine Reihe von Lügen erzählt hat“.

„Am abstoßendsten ist die Beleidigung des ehrwürdigen Benedikt XVI., mit der Aussage, dieser habe damals das vor zwei Jahren vom Heiligen Stuhl unterzeichnete Abkommen gebilligt – wohl wissend, dass unser sanftmütiger, gütiger Benedikt sich nicht zu Wort melden wird, um das abzustreiten“, sagte Zen laut einem Bericht der „Catholic News Agency“ (CNA).

Das Abkommen zwischen dem Vatikan und China, das im September 2018 ratifiziert wurde, wird vom Vatikan als ein Versuch beschrieben, der im Untergrund aktiven katholischen Kirche in China – die immer in Gemeinschaft mit Rom geblieben ist – bei der Vereinigung mit der staatlich sanktionierten, von der Kommunistischen Partei direkt kontrollierten, „Chinesischen Patriotisch-Katholischen Vereinigung“ zu helfen.

Mit der Vereinbarung – deren Inhalt geheim ist – hob Papst Franziskus die Exkommunikation sieben unrechtmäßig geweihter, von der KP ausgewählter Bischöfe auf. Darunter befinden sich Kader der Kommunistischen Partei. Die Männer dienen nun als katholische Bischöfe in China.

Kardinal Parolin hatte in seiner Rede vom 3. Oktober bekräftigt, das umstrittene Abkommen erneuern zu wollen. Das „pastorale Ziel“des Abkommens sei, den Ortskirchen zu ermöglichen, sich „der Mission der Verkündigung des Evangeliums widmen können“, so der Kurienkardinal wörtlich.

„Damit der Dialog konsequentere Früchte tragen kann, muss er fortgesetzt werden“, so der Staatssekretär wörtlich bei einer Veranstaltung anlässlich des 150. Jahrestages der Präsenz des Päpstlichen Instituts für Auslandsmissionen (PIME) in China.

In dieser Rede zitierte Parolin unter anderem Aussagen von Papst Benedikt XVI. über die Missionsarbeit in China aus dem Jahr 2007. Darin hatte Benedikt wiederum seinen eigenen Vorgänger mit Blick darauf zitiert, der Vatikan hoffe, einen Dialog mit China zu eröffnen.

Tatsächlich sagte Benedikt jedoch deutlich in seinem Brief an die Katholiken in China im Jahr 2007, dass „eine Fügsamkeit gegenüber [staatlichen Autoritäten] nicht annehmbar [ist], wenn diese sich unrechtmäßig in Angelegenheiten einmischen, die den Glauben und die Disziplin der Kirche betreffen“.

Parolin zitierte in seiner Rede am 3. Oktober 2020 auch Kardinal Giovanni Battista Re, ehemaliger Präfekt der Bischofskongregation. Dieser habe im März behauptet, dass „Papst Benedikt XVI. dem Abkommens-Entwurf zur Ernennung von Bischöfen in China [zustimmte], das erst im Jahr 2018 unterzeichnet werden konnte“.

Diesen Worten Parolins über Aussagen von Kardinal Re widerspricht Zen ebenfalls klar und deutlich. Es sei „sehr lächerlich und beschämend“ für Re, dafür „benutzt“ zu werden, „die Unwahrheiten des Hochwürdigsten Herrn Sekretärs zu unterstützen“.

Zen wirft Parolin vor über Benedikts Haltung zum Abkommens-Entwurf „zu lügen“ – und dessen Nachfolger, Papst Franziskus, zu manipulieren.

„Parolin weiß, dass er lügt, er weiß, dass ich weiß, dass er ein Lügner ist, er weiß, dass ich allen sagen werde, dass er ein Lügner ist – also ist er nicht nur frech, sondern auch dreist„, so Kardinal Zen wörtlich.

Christen in China werden weiterhin von den Behörden verfolgt und schikaniert, sagte Zen, „trotz des Abkommens“.

Dennoch „scheint es, dass der Heilige Stuhl, um das Abkommen zu retten, beide Augen vor all dem Unrecht verschließt, das die Kommunistische Partei dem chinesischen Volk zufügt“, sagte er.

In seiner Rede am 3. Oktober hatte Parolin gesagt, er habe „Anzeichen“ dafür gesehen, dass das Abkommen dazu beitrage, die Katholiken im Untergrund mit den Mitgliedern der Staatskirche zu vereinen. Zudem werde der Deal mit dem Staat der Kirche „definitiv“ helfen, „illegale“ Bischofsweihen in Zukunft zu vermeiden.

Es habe „Missverständnisse“ über das Abkommen gegeben, so Parolin weiter. Der Staatssekretär räumte ein, dass es zwar noch „viele andere Probleme“ gebe, mit denen die Katholiken in China konfrontiert seien. Diese könnten aber nicht alle auf einmal angegangen werden.

„[W]ir wissen, dass der Weg zur vollständigen Normalisierung noch lang sein wird, wie Benedikt XVI. 2007 voraussagte“, sagte Parolin wörtlich.

Parolin sagte, dass die Vereinbarung „ausschließlich die Ernennung von Bischöfen“ betreffe. Seit der Unterzeichnung des Abkommens im Jahr 2018 habe es zumindest keine weiteren illegalen Weihen gegeben, so der Staatssekretär weiter.

Zen wies dies als eine lohnende Errungenschaft zurück.

„Alles legitime Bischöfe – aber in einer Kirche, die objektiv schismatisch ist, ist das gut? Ist das ein Fortschritt? Wohin führt diese Reise?“

Das Abkommen zwischen dem Vatikan und China gebe Parteifunktionären ein Mitspracherecht bei der Bischofsweihe, erlaube aber auch die Durchsetzung der „Sinisierung“ der Kirche, sagte Zen.

Die Politik der „Sinisierung“, die der chinesische Präsident Xi Jinping 2015 ankündigte, zielt darauf ab, eine chinesische und kommunistische – also letztlich atheistische – Identität bei allen religiösen Praktiken im Land durchzusetzen. Sie beinhaltete die Anweisung an die Kirchen, Bilder der Zehn Gebote zu entfernen und sie durch Sprüche der Vorsitzenden Mao und Xi zu ersetzen.

Diese Gleichschaltung nach kommunistischen Vorgaben – bis hin zum Umschreiben der Bibel und der Zehn Gebote – hat Kardinal Parolin bereits 2019 gelobt und als „Inkulturation“ beschrieben, die – so Parolin wörtlich – sogar „wesentliche Voraussetzung für eine solide Verkündigung des Evangeliums ist“.

Der Kardinalstaatssekretär bezeichnete Sinisierung auch als Vorgang, der „einerseits die Wahrung seiner authentischen Reinheit und Integrität und andererseits seine Darstellung entsprechend der besonderen Erfahrung jedes Volkes und jeder Kultur erfordert“.

„Diese beiden Begriffe, ‚Inkulturation‘ und ‚Sinisierung‘, beziehen sich ohne Verwirrung und ohne Widerspruch aufeinander“, behauptete Parolin 2019.

Dagegen sagte ein chinesischer Hirte, Bischof John Fang Xingyao von Linyi in der Provinz Shandong, im November 2019, dass „die Liebe zum Vaterland größer sein muss als die Liebe zur Kirche, und dass das Gesetz des Landes über dem Kirchenrecht“ stehe.

Die Politik der „Sinisierung“ der Religion der Kommunistischen Partei Chinas „ist nicht das, was wir mit Inkulturation meinen, es ist die Religion der Kommunistischen Partei„, schrieb Zen am 7. Oktober. Die oberste Autorität sei eben die Partei, nicht Gott.

Der Kardinal beschuldigt Parolin auch, Papst Franziskus bezüglich des Abkommens zu manipulieren.

„Man wird mich fragen: Sagen Sie, dass Parolin den Heiligen Vater manipuliert? Ja, ich weiß nicht, warum der Papst sich manipulieren lässt, aber ich habe Beweise dafür, dass er sich manipulieren lässt, und das macht die Kritik am Heiligen Stuhl umso weniger schmerzhaft und abstoßend“, schreibt Zen.

In einem Interview mit CNA im September hatte Zen auch die Internierung von mindestens einer Million muslimischer Uiguren in Xinjiang angesprochen: Das Schweigen des Papstes zu diesen Verbrechen schade der Evangelisierung und Glaubwürdigkeit der Kirche, so der Kardinal.

Wenn einmal in Zukunft das neue China geplant werde, „wird die katholische Kirche vielleicht nicht willkommen sein“, warnte Zen.

Tatsächlich schweigt Papst Franziskus seit dem Abkommen des Vatikans mit China zu dem „schleichenden Genozid“ in Xinjiang ebenso wie anderen Menschenrechtsverletzungen und der Lage in Hongkong.

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Quelle

„Von welchem Planeten stammen unsere kirchlichen Leiter?“

Kardinal Zen, emeritierter Erzbischof von Hongkong, kritisiert vatikanische Chinapolitik scharf: „Die Aufforderung, der [chinesischen] Regierung zu vertrauen, ist unglaublich!“

Vatikan-Peking (kath.net) „Die Aufforderung, der [chinesischen] Regierung zu vertrauen, ist unglaublich! Fehlen Informationen über die jüngsten Unterdrückungsmaßnahmen bei unseren Vorgesetzten im Vatikan?“ So scharf kritisierte Kardinal Joseph Zen, emeritierter Erzbischof von Hongkong, erneut die aktuelle Chinapolitik des Vatikans. Das berichtete der „Catholic Herald“. Zen reagierte mit einem Blogbeitrag auf Kardinal Fernando Filonis (Substitut des Vatikanischen Staatssekretariates) Lob für den umstrittenen Deal zwischen der kommunistischen Volksrepublik China und dem Vatikan. Der Vatikan versucht schon seit längerem, den Konflikt um die nicht von Chinas Regierung anerkannten katholischen Untergrundkatholiken zu entschärfen. Die Katholiken in China teilen sich in zwei Gruppen, eine bis vor kurzem nicht vom Vatikan anerkannten katholischen Staatskirche (die nicht alle Teile der katholischen Lehre anerkennt) und den katholischen Untergrundkatholiken, die teilweise massive Verfolgung erlitten hatten und offenbar weiter erleiden.

Kardinal Zen erläuterte: „Der Heilige Stuhl beabsichtigt, den Dialog mit China als einen homogenen Prozess von Johannes Paul II. über Benedikt bis Papst Franziskus zu präsentieren.“ Dabei bleibe unerwähnt, „dass Johannes Paul II. und Benedict, die unter totalitären Regimen gelebt haben, niemals an die Theorie der Ostpolitik geglaubt haben“. Mit der Wahl von Pietro Parolin zum Staatssekretär des Vatikans „gab Papst Franziskus der Gruppe der mächtigen Männer der Kurie die Gelegenheit, ihr Projekt der Ostpolitik wiederaufzunehmen“. Indem Parolin „Papst Franziskus in seinem Optimismus folgt“, drängten ihn diese „mächtigen Männer der Kurie“ „gefährlich zu einer leichten Kapitulation und verbergen das schreckliche Gesicht des chinesischen Kommunismus, dessen er [Parolin] sich genau bewusst ist“.

Die Verhandlungen zwischen China und dem Vatikan lagen teilweise auch in den Händen des inzwischen nach massiven Missbrauchsvorwürfen laisierten US-Kardinals Theodore McCarrick, was für weitere Brisanz beim umstrittenen Deal sorgt.

Vergl. dazu auch: Prof. Thomas Schirrmacher: „Das Rot in Kardinal Zens Kleidung steht wahrhaftig für Märtyrerblut“

Quelle — 14 März 2019, 16:00

China: Vatikan will staatstreue Bischöfe einsetzen

In Peking: die „verbotene Stadt“

Der Heilige Stuhl will chinesische Untergrundbischöfe dazu bewegen, ihre Position zugunsten illegitimer, aber durch das Regime in Peking anerkannter Bischöfe aufzugeben. Das bestätigt in einem langen Brief an die Nachrichtenagentur Asianews der Hongkonger emeritierte Erzbischof Joseph Zen.

Der betagte Kardinal gilt als einer der schärfsten Kritiker von Versuchen, den chinesischen Repressalien gegen die Glaubensfreiheit mit Zugeständnissen zu begegnen. In seinem ausführlichen Brief scheut Zen sich nicht, auch „vertrauliche“ Details aus seinen Unterredungen mit dem Heiligen Vater selbst bekannt zu geben. Demnach habe er persönlich dafür gesorgt, Franziskus auf die Situation der Bischöfe von Shantou und Mindong aufmerksam zu machen.

Im Oktober die erste Aufforderung zum Rücktritt

Bereits im Oktober, so bestätigt der Kardinal in der Presse erschienene Berichte, habe der legitime Bischof von Shantou von einer vatikanischen Delegation die Aufforderung erhalten, zurückzutreten. Dieser Schritt solle den Weg für einen Bischof freimachen, der seit vielen Jahren in der offiziellen chinesischen katholischen Kirche wirkt und unter strenger Überwachung durch die Machthaber in Peking steht. Was an dem Fall die chinesischen Gläubigen der Untergrundkirche beunruhigt: Der betroffene „offizielle“ Bischof ist ohne das Einverständnis des Heiligen Stuhles geweiht und daher exkommuniziert. Eine ähnliche Sachlage liegt für den Bischof der Diözese Mindong vor.

China: Vor einem Abkommen mit dem Heiligen Stuhl?

China: Bischof von Wenzhou wieder frei

 

Bitte um Hilfe bei Papst Franziskus

In Folge dieser Ereignisse habe Kardinal Zen, der durch den im Untergrund und mit vatikanischem Einverständnis geweihten Bischof der Diözese Shantou um Hilfe gebeten worden war, dem Papst einen Brief zukommen lassen. In diesem habe er Franziskus über die Situation der Untergrundbischöfe unterrichtet. Nachdem im Dezember jedoch eine erneute Aufforderung an den Bischof von Shantou ergangen sei, seinen Stuhl zu räumen, habe er selbst eine Reise nach Rom unternommen, um dem Papst die Problematik persönlich vorzulegen. Sein „verspätetes Eintreffen bei der Generalaudienz vom 10. Januar“ sei nicht unbemerkt geblieben, schreibt der Kardinal, der bei dieser Gelegenheit dem Papst sein Schreiben persönlich übergeben konnte.

„Kein zweiter Fall Mindszenty“

Noch am Abend desselben Tages habe er einen Anruf aus der päpstlichen Residenz mit der Zusage einer persönlichen Audienz am folgenden Freitagabend erhalten, nur kurz vor der Abreise des Papstes nach Chile und Peru. Bei dem Treffen habe der Papst ihm zugesichert, es dürfe keinen weiteren „Fall Mindszenty“ geben. Der ungarische Kardinal und Erzbischof von Budapest war in Zeiten des kommunistischen Regimes lange im Gefängnis, wurde während der kurzen Revolution befreit und flüchtete sich in die US-amerikanische Botschaft. Von dort aus musste er auf Drängen des Regimes und mit Einverständnis des Vatikans das Land verlassen, und ein den Machthabern genehmer Nachfolger wurde ernannt.

Er habe diese Papstworte als Ermutigung verstanden, schreibt der Kardinal, der abschließend betont, mit einem totalitären Regime wie demjenigen in Peking könne es keine Gemeinsamkeiten geben. Ab dem kommenden ersten Februar, so erinnert Zen, dürfen die Untergrundkirchen laut Gesetz keine Messen mehr feiern. Doch die inoffizielle Untergrundkirche zugunsten der offiziellen, staatstreuen Kirche aufzugeben, würde bedeuten, eine schismatische Gemeinschaft wie die Offizielle Kirche, die in der Chinesischen Katholischen patriotischen Vereinigung (KPV) organisiert ist, zu tolerieren und zu stärken. Überdies wäre es ein Affront gegenüber denen, die unter großen Opfern ihren Glauben im Untergrund lebten. Manch einer sehe in ihm selbst das größte Hindernis auf dem Weg zu einer Einigung zwischen China und dem Vatikan, gesteht Zen ein. Doch „wenn die Einigung schlecht ist, dann bin ich glücklich, ein Hindernis dafür darzustellen,“ schließt der Kardinal.

(asianews – cs)

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Quelle