Antwort von P. Hermann Weinzierl an die Gläubigen der Rosenkranzkirche Überlingen

P. Hermann Weinzierl
Seehang 1
78465 Konstanz
Tel: 0160 93101605
0043 650 9625431

Kapelle St. Josef, Kapellenweg 4, 88145 Wigratzbad

Pater Hermann Weinzierl, FSSPX, St Josefsblatt

Titelblatt der von P. Weinzierl
herausgegebenen Zeitschrift

Liebe Gläubige der Rosenkranzkirche Überlingen!

Pater Schmidberger hat gemeint, Ihnen in seinem Schreiben vom 16. Januar 2013 einige klärende Worte zu meinem Weggang sagen zu müssen. Der Lateiner sagt: Audiatur et altera pars – Man soll auch die andere Seite anhören.
Für diejenigen, die bereit sind, auch die andere Seite zu hören, möchte ich meinerseits kurz Folgendes anmerken:

P. Schmidberger schreibt: „Leider hat er nämlich sehr bald nach seiner Priesterweihe sich von seinem Versprechen gelöst, den jetzigen Papst als Nachfolger des hl. Petrus anzuerkennen.“ Dazu nur zwei Daten: Benedikt XVI ist 2005 gewählt worden, meine Priesterweihe war 1987.

Weiter behauptet P. Schmidberger, obwohl er es besser wissen müßte: „Vor einigen Jahren hat er darum auch sein Treuversprechen in der Priesterbruderschaft nicht mehr erneuert.“ Es muß heißen: Vor einigen Jahren hat man (das Generalhaus in Menzingen) ihn wegen seiner theologischen Einsichten sein Treueversprechen nicht mehr erneuern lassen, was bis dahin während immerhin mehr als 10 Jahren kein Problem darstellte.

Am 27.07.2012 habe ich in einem Brief an P. Schmidberger klar zum Ausdruck gebracht, daß ich nach einer feindlichen Übernahme der FSSPX durch das konziliare Rom (gemäß der Sprachregelung P. Schmidbergers: kirchenrechtliche Normalisierung von Seiten Roms) auf jeden Fall die Bruderschaft verlassen würde.
In seiner Antwort vom 31.07.2012 schrieb mir P. Schmidberger: „Gerne erwarte ich deswegen Ihre feste Zusage, in der FSSPX bleiben zu wollen, mit oder ohne kirchenrechtliche Normalisierung von Seiten Roms.“
Stellen Sie sich vor, ein Angestellter schreibt seinem Chef, daß er eine Mehlstauballergie hat und deswegen nicht im Backbereich der Firma arbeiten kann. Darauf antwortet ihm der Chef: Gerne erwarte ich von Ihnen die feste Zusage, in unserer Backabteilung arbeiten zu wollen, mit oder ohne Mehlstauballergie.
Was würden Sie von so einer Antwort des Chefs halten und welche Konsequenzen würden Sie daraus ziehen?

Zum zweiten „theologischen“ Teil des Schreibens.

Um einen Text des Lehramtes richtig verstehen zu können, muß die Aussageabsicht beachtet werden, die sich aus dem Text- und Sachzusammenhang ergibt, denn sonst läuft man sehr leicht Gefahr, den Text fehlzuinterpretieren oder überzuinterpretieren.

Die von P. Schmidberger zitierte Stelle des Ersten Vatikanums richtet sich gegen die protestantische bzw. modernistische Irrlehre, derzufolge der hl. Petrus nach dem Willen Christi überhaupt keinen Nachfolger mehr hätte haben sollen. Dagegen bekräftigte das Konzil, Christus habe sogar nicht bloß einen oder ein paar, sondern immerwährende Nachfolger des hl. Petrus gewollt. Mehr wollte das Konzil nicht sagen.

P. Schmidberger jedoch zitiert diesen Satz , um seine Behauptung zu beweisen „daß es eine Kirche ohne Papst nicht gibt und geben kann“. Nun weiß aber jeder, daß es nach dem Tod jedes Papstes eine Zeit lang eine Kirche ohne Papst nicht nur gibt, sondern schon mehr als 250 mal gegeben hat. Die Zeitspanne dieser sog. Sedisvakanz (der Stuhl Petri ist während dieser Zeit leer) kann durchaus unterschiedlich sein, je nachdem wie lange das Konklave (die Papstwahl) dauert. Die längste ordentliche Sedisvakanz war die zwischen dem hl. Papst Marcellinus (gest. 25. Oktober 304) und dem
hl. Marvellus I., der am 27. Mai 308 sein Amt antrat. Die Dauer dieser Sedisvakanz war damit 3 Jahre und 7 Monate. Es hat also 3 Jahre und 7 Monte eine Kirche ohne Papst gegeben. Alle sieben größeren Sedisvakanzen dauerten zusammen etwa 16,5 Jahre. Nimmt man mit manchen Theologen noch die Zeit des abendländischen Schismas als außerordentliche Sedisvakanz hinzu, also jene Zeit als 30 Jahre lang immer zwei Päpste gleichzeitig „regierten“ und weitere 9 Jahre sogar drei Päpste, dann verlängert sich diese Zeit auf 39 Jahre. Nach P. Schmidberger müßte die Kirche jeweils nach dem Tod eines Papstes aufgehört haben zu existieren – weil es „eine Kirche ohne Papst nicht gibt und geben kann“ um sodann nach der Wahl eines neuen Papstes wieder neu aus dem Nichts zu erstehen. Daß die Konzilsväter auf dem Ersten Vatikanum niemals etwas Derartiges behaupten wollten, dürfte wohl jedem unmittelbar einleuchten.

Der zweite Text dieses Konzils, den P. Schmidberger anführt, gibt mir die Möglichkeit, auf eine weitere sehr interessante Tatsache hinzuweisen. Zunächst sei nur noch kurz angemerkt: Die Aussageabsicht des Textes ist dieselbe: Das Konzil richtet sich gegen die protestantische bzw.
modernistische Irrlehre, derzufolge der hl. Petrus nach dem Willen Christi überhaupt keinen Nachfolger mehr hätte haben sollen. Wer diese Irrlehre vertritt, der ist aus der Kirche ausgeschlossen.

Daß dieser Text sicher niemals im Sinne P. Schmidberges verstanden wurde – „daß es eine Kirche ohne Papst nicht gibt und geben kann“, d.h. bei ihm niemals im absoluten Sinn, zu keiner Zeit und unter keinerlei Umständen – zeigt uns, daß schon mehr als 300 Jahre vor diesem Kanon des Konzils Papst Paul IV. (1555-1559) in der Bulle (Bulle = feierlicher päpstlicher Erlaß) „Cum ex apostolatus“ vom 15. Februar 1559 folgendes erklärt hatte: „Wenn bei einem Bischof, und sei es auch der Bischof von Rom, vor seiner Berufung bzw. Einsetzung bekannt geworden sein sollte, daß er vom katholischen Glauben abgewichen oder in eine Häresie gefallen ist, so ist seine Berufung bzw. Einsetzung nichtig, unwirksam und ungültig, und folglich entbehren alle seine richterlichen oder verwaltungstechnischen Akte irgendeiner Autorität.“

Der geschichtliche Hintergrund dieser Bulle Pauls IV. war die keineswegs unbegründete Befürchtung Pauls IV., daß Kardinal Giovanni Morone zum Papst gewählt werden könnte. Paul IV. hatte von Amts wegen bereits als Großinquisitor gegen Morone wegen Häresieverdachts ermitteln und ein Dossier über Morones häretische Sympathien zum Protestantismus anlegen lassen. Wäre Paul IV. der Meinung P. Schmidbergers gewesen, dann hätte er sich freilich keine weiteren Gedanken machen müssen, denn da „es eine Kirche ohne Papst nicht gibt und geben kann“, kann ja eigentlich nichts Schlimmes passieren. Paul IV. war aber nun durchaus nicht dieser Meinung, sondern er ging von der konkreten Möglichkeit aus, ein geheimer Protestant (=Häretiker) könne zum Papst gewählt werden; er könnte sodann einige Jahre im Amt bleiben, bis irgendeinmal seine Häresie öffentlich bekannt würde. Was ist dann zu tun? Dann, so sagt Paul IV., sei „seine Berufung bzw. Einsetzung nichtig, unwirksam und ungültig, und folglich entbehren alle seine richterlichen oder verwaltungstechnischen Akte irgendeiner Autorität“ – d.h. er war niemals Papst gewesen. Es hätte also die ganze Zeit jemand auf dem Stuhl Petri gesessen, der in Wirklichkeit gar kein Papst war und deswegen natürlich keinerlei Autorität besessen hat.

Die weitere Geltung dieser Bulle „Cum ex apostolatus officio“ Pauls IV. wurde übrigens durch den heiligen Papst Pius V. in seiner eigenen Bulle “Multiplices inter” vom 21. Dezember 1567 erneuert und noch einmal ausdrücklich bestätigt sowie ihre genaueste Beobachtung
eingeschärft. Zudem wurde der in der Bulle formulierte Grundsatz, daß der Papst, wenn er persönlich in Häresie falle, eo ipso seines Amtes verlustig sei und von der Kirche gerichtet werden könne, ins Rechtsbuch der Kirche (Corpus juris canonici) aufgenommen.
Wenn P. Schmidberger schreibt, Bedingung meiner Rückkehr zur FSSPX sei meine Anerkennung des Papstes als Nachfolger Petri, so erweckt er bei Ihnen den Eindruck, ich würde dies leugnen, was völlig unsinnig ist. P. Schmidberger verlangt von mir nicht die Anerkennung des Papstes als Nachfolger Petri, sondern die Anerkennung einer zumindest der Häresie (Irrlehre) verdächtigen Person als legitimen Papst – das aber ist gegen die Lehre der Kirche, wie wir von Papst Paul IV. gehört haben.

Zum Schluß meiner Ausführung möchte ich Sie noch auf etwas hinweisen, was für die Bewahrung Ihres katholischen Glaubens von großer Bedeutung ist: die Anerkennung eines Irrlehrers als „Papst“ bleibt durchaus nicht ohne Folgen für den eigenen Glauben. Damit Sie das verstehen, stelle ich eine durchaus nicht rhetorisch gemeinte Gegenfrage: Ist Benedikt XVI. der Papst von P. Schmidberger?
Sie werden sicher erstaunt und spontan antworten: Natürlich!
Ich aber sage Ihnen und kann es Ihnen auch beweisen: Nein! Benedikt XVI. ist nicht der Papst von P. Schmidberger.
Zum leichteren Verständnis meiner Behauptung muß ich Ihnen noch eine weitere Frage stellen:
Wodurch wird eigentlich der Papst ihr Papst! Denn ein Mann, der die entsprechenden Voraussetzungen für das Amt hat, der gültig geweiht ist, usw. ist damit noch nicht Ihr Papst. Also:
Wodurch wird letztlich ein gültiger Papst zu ihrem Papst?
Die Antwort auf diese Frage gibt uns Papst Pius XI. 1928 in seiner Anti-Ökumenismus-Enzyklika “Mortalium animos” und er formuliert sie so: „In dieser einen Kirche Christi ist niemand und bleibt niemand, der nicht die Autorität und Vollmacht des Petrus und seiner legitimen Nachfolger im Gehorsam (!) anerkennt und annimmt.“ (“In hac una Ecclesia Christi nemo est, perseverat nemo, nisi Petri legitimorumque eius successorum auctoritatem potestatemque oboediendo (!) agnoscat atque accipiat.” – AAS 20, 1928, p. 15. )
Gehorcht P. Schmidberger Benedikt XVI.? Nein! Er gehorcht ihm durchaus nicht, grundsätzlich nicht, zu keiner Zeit und in keiner Entscheidung. Er “gehorcht” ihm letztlich nur, wenn er es selbst für richtig hält, wenn er meint, daß etwas katholisch ist usw., und auch das eigentlich nur theoretisch. D.h. P. Schmidberger folgt in allem seinem eigenen privaten Urteil und nicht dem Urteil des von ihm doch angeblich als legitim anerkannten Papstes in all seinen authentischen Akten. P. Schmidberger (und mit ihm die FSSPX) gehorcht dem „Papst“ nicht einmal im Rahmen der Unfehlbarkeit. Als der Gründer des Opus Dei heilig gesprochen wurde hat P. Schmidberger diesen Akt der Heiligsprechung nicht als unfehlbaren Akt einfach angenommen und Josemaría Escrivá als Heiligen verehrt, sondern mit der FSSPX gegen die einmütige Lehre aller ernstzunehmenden Theologen behauptet, Heiligsprechungen seien nicht unfehlbar. In seinem Brief vom 31.07.2012 an mich schreibt er: „Dabei wissen Sie ganz genau, daß wir uns ausdrücklich bezüglich dieser Kanonisationen eines Urteils enthalten.“ (Als ob wir bei einem unfehlbaren Akt eines legitimen Papstes überhaupt etwas zu urteilen hätten.) P. Schmidberger weiß also nicht ob Josemaría Escrivá heilig ist oder nicht, obwohl sein Papst ihn heiliggesprochen hat. Dagegen bin ich mit der ganzen katholischen Kirche der Überzeugung, daß die heilige katholische Kirche keine unheiligen Heiligen haben kann und auch keine zweifelhaften Heiligen oder vielleicht sogar Heilige, die in der Hölle sind. Und ich bin zudem der Überzeugung, daß, wenn Benedikt XVI. Johannes Paul II. wohl dieses Jahr noch heilig sprechen wird, kein Katholik, für den Benedikt XVI. legitimer Papst ist, dies bezweifeln darf.
Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, der jetzige Präfekt der Glaubenskongregation, hat ganz recht, wenn er in seinem Interview in der Zeitschrift „Fokus“ (50/2012) sagt: „Jeder, der katholisch sein will, muss sich fragen: Ist meine Loyalität zur Gruppe, der ich angehöre, größer als das Verlangen nach Einheit der Kirche?“ Mit anderen Worten: ein Pappkarton-Papst, dem man niemals gehorchen muß, reicht nicht aus, um katholisch zu sein. Leider ist die Anhänglichkeit vieler unserer Gläubiger an „Ihren Heiligen Vater“ nichts anderes als reine Sentimentalität.

Ein Sprichwort sagt: Wer im Glashaus sitzt, der soll nicht mit Steinen werfen. P. Schmidberger schreibt, meine Rückkehr zur FSSPX sei umso mehr gefordert, als ein Priester ohne kirchliche Obrigkeit – sozusagen als freischaffender Künstler – ein Widerspruch in sich ist. Er meint damit, daß
ich bis jetzt noch keinen Bischof gefunden habe, dem ich mich anschließen könnte – was leider stimmt, d.h. bis jetzt noch stimmt.
Nun wartet aber P. Schmidberger seinerseits mit der FSSPX auf die kirchenrechtliche Normalisierung von Seiten Roms. Der erste Assistent des Generaloberen der FSSPX, P. Niklaus Pfluger, wird noch etwas präziser und gesteht „daß auch wir (gemeint ist die FSSPX) unter einem Mangel leiden, nämlich dem der kanonischen Irregularität“. Was ist damit gemeint? Die Priester der Priesterbruderschaft St. Pius X. sind, solange es keine kirchenrechtliche Regelung von Seiten des konziliaren Roms gibt, „suspendiert“. D.h.: Eigentlich, wenn sie ihre Einsicht ernst nehmen würden,
was sie natürlich nicht tun, dürften sie keine hl. Messe feiern und keine Sakramente spenden bis durch den hl. Stuhl die kanonische Irregularität behoben ist. Also Sie, liebe Gläubige, müssen wissen, daß Sie in Überlingen zu einem Priester in die Messe gehen, der nach P. N. Pfluger mit einer kanonischen Irregularität behaftet ist – und eigentlich gar keine hl. Messe lesen dürfte.
Der Präfekt der Glaubenskongregation hat ganz recht, wenn er in dem schon erwähnten Interview bemerkt: „Die Piusbruderschaft ist ein lockerer Zusammenschluss von Priestern, der nicht behaupten kann, er steht für die katholische Kirche.“

Liebe Gläubige der Rosenkranzkirche!
In diesem Schreiben habe ich mich bemüht, Ihnen in Kürze eine Antwort auf die von P. Schmidberger aufgeworfenen Fragen zu geben. Daß diese nicht erschöpfend sein konnte, ist selbstverständlich. Dennoch hoffe ich, Ihnen gezeigt zu haben, so einfach wie P. Schmidberger die Dinge darstellt, sind sie in Wirklichkeit nicht. Sie wissen, sieben Jahre hindurch habe ich mich bemüht, Ihren geistigen Horizont über den ideologischen Tellerrand der FSSPX hinaus zu weiten. Der eigentliche Grund meines Weggangs ist nicht die Planungssicherheit des Distriktoberen für seine Versetzungen, sondern daß dies von Seiten der FSSPX so gewollt wurde. Dieses letzte Jahr wurden viele Priester mit Predigtverbot belegt oder aus der FSSPX hinausgeworfen, weil sie den theologischen Selbstmord der FSSPX (nach Sprachregelung P. Schmidberger: kirchenrechtliche Normalisierung von Seiten Roms) nicht mehr mitmachen wollen. Sie müssen wissen, Sie können sich allein aus den Schriften der FSSPX kein gültiges Urteil mehr über die Krise der Kirche bilden. Dazu müßten Sie doch wenigstens die Gedanken von Mgr. Williamson und anderer Priester, welche die FSSPX inzwischen hinausgeworfen hat, kennen und bedenken. Dazu kann ich Sie nur ermutigen!

Mit priesterlichem Segensgruß
Ihr

sig. P. Hermann Weinzierl